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The Master (Paul Thomas Anderson; Joaquin Phoenix)

Begonnen von Gnoipy, 22 Mai 2012, 09:15:51

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Gnoipy

The Master

Genre: Drama
Regie: Paul Thomas Anderson (Auch das Drehbuch)
Cast: Joaquin Phoenix, Philip Seymour Hoffman, Amy Adams, Laura Dern, Kevin J. O'Connor, Rami Malek

Story: A 1950s-set drama centered on the relationship between a charismatic intellectual known as "the Master" whose faith-based organization begins to catch on in America, and a young drifter who becomes his right-hand man. IMDB

IMDB: http://www.imdb.com/title/tt1560747/
Einen ersten Clip gibt es auch in der IMDB: http://www.imdb.com/video/imdb/vi623223321/

Ich freu mich drauf... :respekt:
"Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muß man vor allem ein Schaf sein." Albert Einstein
"Studios are like flies - they'll both eat honey or shit with equal enthusiasm" Saul Zaentz

ratz


Meine Güte, der Mann läßt sich auch Zeit zwischen seinen Filmen... die Erwartungshaltung steigt exponentiell!

pm.diebelshausen

... plus: ich sehe mir sowieso jeden Film mit Philip Seymour Hoffman an.   :love:
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

KeyserSoze

Zitat von: ratz am 22 Mai 2012, 14:58:22

Meine Güte, der Mann läßt sich auch Zeit zwischen seinen Filmen... die Erwartungshaltung steigt exponentiell!

Ungewollterweise. Er hat doch immer arge Probleme seine Budgets zusammenzubekommen.

"You're so beautiful, like a tree or a high-class prostitute."

MäcFly

22 Mai 2012, 17:46:36 #4 Letzte Bearbeitung: 22 Mai 2012, 17:55:08 von MäcFly
Zitat von: KeyserSoze am 22 Mai 2012, 15:32:02
Zitat von: ratz am 22 Mai 2012, 14:58:22

Meine Güte, der Mann läßt sich auch Zeit zwischen seinen Filmen... die Erwartungshaltung steigt exponentiell!

Ungewollterweise. Er hat doch immer arge Probleme seine Budgets zusammenzubekommen.

"The Master" sollte ja ursprünglich auch zwei, drei Jahre früher fertig sein und lag wegen Geldproblemen zwischendurch auf Eis.

Der Teaser senkt meine Erwartungshaltung nicht unbedingt. Im Gegenteil: Das sieht atemberaubend aus. Und was von Joaquin Phoenix bisher zu sehen ist, ist ganz groß. Dazu noch P. S. Hoffmann, Amy Adams, Laura Dern und wieder Jonny Greenwood auf der Tonspur - Gott, lass es Oktober sein bzw. hoffentlich erfolgt der Deutschlandstart noch in diesem Jahr.
"Man muss immer darauf achten, dass man ein gewisses Niveau nicht unterschreitet - sonst ist es schnell aus."

"Wenn man Mubarak heißt oder Kosslick, dann kann man alles machen." (Uwe Boll)

Discostu

Joaquin Phoenix spielt in dem Clip auf jeden Fall grandios, ich bin sehr gespannt.

MäcFly

"Man muss immer darauf achten, dass man ein gewisses Niveau nicht unterschreitet - sonst ist es schnell aus."

"Wenn man Mubarak heißt oder Kosslick, dann kann man alles machen." (Uwe Boll)

manisimmati

Sieht hochinteressant aus! (Wobei mir der erste Teaser deutlich besser gefällt.) Anderson ist ein verdammtes Genie. Und die Musik in den Clips ist echt geil. Das ist schon ein Stück von Greenwood, oder?

StS

"Diane, last night I dreamt I was eating a large,  tasteless gumdrop and awoke to discover I was chewing one of my foam disposable earplugs.
Perhaps  I should consider moderating my nighttime coffee consumption...."
(Agent Dale B.Cooper - "Twin Peaks")

StS

"Diane, last night I dreamt I was eating a large,  tasteless gumdrop and awoke to discover I was chewing one of my foam disposable earplugs.
Perhaps  I should consider moderating my nighttime coffee consumption...."
(Agent Dale B.Cooper - "Twin Peaks")

Rollo Tomasi

"Ich hab neulich gehört: 35 % der Zahlen und Fakten, die so kursieren, stimmen gar nicht! ... Das ist fast ein Drittel!" (Hagen Rether)
"Stellen sie sich einmal vor, es gäbe keine Autos, es gäbe keine Telefone und es gäbe keine Computer .... sie würden doch den ganzen Tag fernsehen, oder?" (Hagen Rether)

StS

"Diane, last night I dreamt I was eating a large,  tasteless gumdrop and awoke to discover I was chewing one of my foam disposable earplugs.
Perhaps  I should consider moderating my nighttime coffee consumption...."
(Agent Dale B.Cooper - "Twin Peaks")

StS

"Diane, last night I dreamt I was eating a large,  tasteless gumdrop and awoke to discover I was chewing one of my foam disposable earplugs.
Perhaps  I should consider moderating my nighttime coffee consumption...."
(Agent Dale B.Cooper - "Twin Peaks")

ratz


Nanu, der Film läuft seit knapp drei Wochen, und keine Meinungen? Hier kommt meine:

Meilenstein! Ein dichter, hochkomplexer, formal bestechender, dabei brandaktueller und sehr wohl politischer Film, der jede Menge Interpretations- und Diskussionsstoff bietet: Ein Kommentar zu charismatischen Führerfiguren, der Entscheidungsfreiheit des Individuums, den Mechanismen der Machterlangung und -ausübung und nicht zuletzt zur Männerfreundschaft.
Getragen wird der Film von den grandiosen Mimen Hoffman und Phoenix, wobei letzterem besonderer Respekt für seine Furcht- und Bedingungslosigkeit gebührt, mit denen er sich ins Getümmel stürzt. Die Schauwerte, die in There Will Be Blood in Form etwa einer brennenden Ölquelle vorhanden waren, wurden hier auf das menschliche Gesicht in Großaufnahme verlegt: In seiner Eigenwilligkeit, seiner Schönheit, in seinen Ausdrucksmöglichkeiten an der Hand mikroskopischer Nuancenwechsel...

Ich fühle mich glatt befähigt, ein Review zu schreiben... mal sehen. Wie gesagt: Meilenstein!

cu, r.

Riddick

Zitat von: ratz am 13 März 2013, 17:06:23
Nanu, der Film läuft seit knapp drei Wochen, und keine Meinungen?

Liegt wahrscheinlich daran, dass der nur in wenigen Kinos läuft. Bei uns läuft der natürlich auch mal wieder nicht.

Ist aber auf jeden Fall vorgemerkt. Allein wegen dem Regiesseur und dem Hauptdarsteller ist der für mich Pflicht.
"Schnell rennt das kriminelle Element,wenn es Dieter Krause kennt." - Tom Gerhardt (Hausmeister Krause)

Mr. Blonde

Klingt ja ziemlich gut, was Du da von Dir gibst, ratz. ;)

"There will be blood" ist in meinen Augen einer der besten Filme aller Zeiten und von daher ist der neue Anderson sowieso Pflichprogramm. Die Erwartungen sind natürlich hoch, aber ich denke, dass dürfen sie in diesem Fall auch sein.

Hatte den gar nicht mehr auf dem Schirm. Natürlich läuft der nicht in Potsdam, sowas schaue ich aber generell lieber im Stillen zu Hause.  :eek:


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lastboyscout

Hier meine Meinung aus dem Sichtungen-Thread:

The Master (2012)
Definitiv keine leichte Kost, so weiss der Film dennoch zu unterhalten, dank dem hervorragenden Schauspiel von Hoffman und Phoenix, die sich gegenseitig an die Wand spielen.
Die fast zweieinhalb Stunden vergehen ziemlich schnell, man wird regelrecht hineingesogen in die Geschichte.
Anderson schildert seine Geschichte mit viel Fingerspitzengefuehl, balancierend zwischen Humor, Drama und ner Liebesgeschichte.
Sehr stark, 8/10 Punkten
I`m a tragic hero in this game called life,
my chances go to zero, but I always will survive.
( Funker Vogt - Tragic Hero )

What is your pleasure, sir? This is mine:
http://www.dvdprofiler.com/mycollection.asp?alias=lastboyscout

Teppi

Ich steuere dann mal den Gegenpol bei:

Dem Film fehlt in meinen Augen auf jeden Fall eine klare Linie - wenn schon auf eine klassische Spannungskurve verzichtet wird, so sollte es dennoch einen roten Faden, ein Leitmotiv o.Ä. geben. Psychogramm eines Kriegsveteranen, Studie über Manipulation und Machtausübung, Blick auf die Mechanismen einer Sekte - der Film wäre gern all das und ist letztlich dann doch gar nichts davon so wirklich. Neben einigen Füllszenen (der Film hätte gern unter zwei Stunden gehen dürfen) gibt es allerlei lose Enden (
Spoiler: zeige
die Kritik vom Sohn des Meisters
) und Entwicklungen, die ins Nichts führen
Spoiler: zeige
(des Meisters Frau als eigentliche Kontrollinstanz
). Angesichts der schwammigen Geschichte blieb mir somit nur das Ergötzen an Einzelszenen und dem wirklich erstklassigen Schauspiel von Hoffman, Phoenix und auch Adams. Das reicht mir aber unterm Strich nicht, um zufrieden das Kino zu verlassen. 4/10

McClane

Ich war vor rund drei Wochen im Kino und wollte den Film erst einmal sacken lassen, ganz Eindeutiges kann ich leider immer noch nicht dazu sagen. Eine Sache vielleicht: Das ganze Gerede von einem Meisterwerk kann ich nur der Erwartungshaltung der PTA-Fanboys zuschreiben, die sich gleich in vorauseilendem Gehorsam in den Staub werfen (siehe auch: die Jünger des Christopher Nolan). Die drei Filme, die ich bisher von ihm gesehen habe ("Boogie Nights", "Magnolia", "There Will Be Blood") fand ich alle gut bis sehr gut, "The Master" ließ mich dagegen eher kalt. Inszenatorisch kann man da nicht meckern, auch die Schauspielleistungen von Hoffman und Phoenix sind wirklich famos, während ich die hochgelobte Amy Adams auch sehr überzeugend fand, ihre Rolle dann aber doch überraschend klein. Doch abgesehen von all dem handwerklichen Können kommt der Film nie auf eine klare Linie, kann nie ein wirklich zufriedenstellendes Portrait seiner Figuren zeichnen, vor allem die Phoenix-Figur war mir doch etwas zu flach: Der aggressive Dauerbesoffski auf der Suche Sinn und einem Platz, wo er hin gehört, die gesamte Länge des Films lang, ohne eine Veränderung, das ist schon etwas wenig unterm Strich. Gelungen dagegen die Darstellung jener Methoden, mit denen Sekten ihre Mitglieder indoktrinieren und auf sich einschwören, sie brechen und an sich binden - Szenen, die einem konzeptuell stärkeren Film jedoch besser nachgewirkt hätten. Auf eine Wertung mag ich mich nicht festlegen, muss den wohl noch einmal sehen, aber ich denke, dass die weders besonders noch besonders schlecht ausfallen würde.
"Was würde Joe tun? Joe würde alle umlegen und ein paar Zigaretten rauchen." [Last Boy Scout]

"testosteronservile Actionfans mit einfachen Plotbedürfnissen, aber benzingeschwängerten Riesenklöten"
(Moonshade über yours truly)

ratz


Du hast einen Film nicht verstanden und bezeichnest die, denen es anders geht, als "PTA-Fanboys"?* Ich habe eine kleine Fabel für Dich. Aber wehe, Du schreibst dann hier, ich sei ein Aesop-Fanboy, nur weil Du sie nicht verstanden hast  :rofl:



* Was "vorauseilender Gehorsam" sein soll, sich ein Urteil nach dem Sehen eines Films zu bilden, lassen wir besser ungeklärt.

Bretzelburger

Man sollte dabei zwei Dinge unterscheiden:

- von "Meisterwerken" zu reden, wenn ein Film gerade erst erschienen ist, ist grundsätzlich Blödsinn, da eine solch allgemeine Bezeichnung nur verbergen soll, dass der sich so Ausdrückende nichts zu sagen hat. Die Einordnung als "Meisterwerk" - wenn überhaupt notwendig - verdient sich ein Film von allein.

- das sich sogenannte "Jünger" so auszudrücken pflegen und in "vorauseilendem Gehorsam" handeln, kommt vor, aber egal, ob es sich um "Action-Jünger" handelt, die "Taken 2" noch 6 Punkte geben, oder andere "Fan-Boys" - sie sind nicht schuld an der Erwartungshaltung eines Films - so viel Eigenständigkeit sollte sich jeder Betrachter bewahren. Wenn ein Film meine Erwartungshaltungen nicht erfüllte, waren es keine durch "Jünger" ausgelösten Erwartungshaltungen, sondern meine eigenen.

Zu "The Master" - dass der Film weder bei den Oscars berücksichtigt wurde, noch sonst hohe Zuschauerzahlen erzielte, liegt tatsächlich daran, dass Anderson nicht wieder wie in "There will be blood"  das große Epos anstrebte, um ein deutliches Bild der inneren Zusammenhänge der Sozialisation der USA zu zeichnen, sondern dieses aus der individuellen Beziehung zweier Männer heraus entwickelte. Keine über Jahrzehnte ablaufende Handlungen, sondern intensive Gespräche fordern hier die Konzentration des Zusehers. Allein das erste Gespräch auf dem Schiff rechtfertigt schon den gesamten Film. Dieses nur als Methodik von Sekten anzusehen, wäre mehr als kurzsichtig, viel mehr geht es um die innere Überzeugung und auch Begeisterung zweier Männer, die ganz aus sich heraus handeln und sich beginnen zu lieben. "The master" ist keine kritische Abhandlung über einen fiesen Sektenführer, der zur eigenen Bereicherung seine Anhänger ausnutzt - was wahrscheinlich deutlich besser angekommen wäre - sondern die Geschichte zweier Männer, deren Individualität durch ihre Außenwelt pervertiert wird. Sie sind Beide gleichzeitig Täter und Opfer.

Das man "The master" deshalb mögen muss, will ich damit nicht sagen, der Rolle von Phoenix aber die Entwicklung abzusprechen, kann ich nicht nachvollziehen. ich kann mich an kaum einen Film erinnern, indem sich eine Figur weiter bewegt hat, als er hier. Es geht nicht um die typischen äußerlichen Veränderungen unrealistischer Komödien (vom "Loser" zum "Winner" oder "vom häßlichen Entlein" zur "Schönheit"), sondern um eine Entwicklung innerhalb eines Charakters.

McClane

@ ratz

Wer gestandene, erwachsene Schauspieler in purem Unverständnis als Babyfaces bezeichnet, der darf auch gerne mal eingeschenkt bekommen.  :icon_mrgreen:

Tatsächlich hatte ich mal ein bisschen Spaß mit Polemik, gleichzeitig habe ich in meinem (Offline-)Freundeskreis oft das Argument gehört, der Film sei ja von PTA und deshalb könne er ja gewissermaßen nur ein Meisterwerk sein.

@ Bretzel

Erleuchte mich mal: Welche Entwicklung macht die Phoenix-Figur denn durch? Erleuchte mich mal. Für mich ist er am Ende des Films immer noch er gleiche, unreif-impulsive Typ wie zu Beginn.

Und wie gesagt: Für mich persönlich waren beide Figuren einfach zu uninteressant als dass mich diese wechselseitige Lehrer-Schüler-Dynamik vereinnahmen konnte. Was erfährt man denn über Hoffmans Figur, was über seine Funktion als Sektenguru hinausgeht? Kaum etwas, fast nichts. Ich habe ja auch nicht geschrieben, dass der Film nur von der Methodik einer Sekte handelt, sondern dass dies die IMO starken Momente des Films sind.
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(Moonshade über yours truly)

Bretzelburger

Also gut, dann versuche ich dich mal zu "erleuchten" - allerdings mache ich mir wenig Hoffnung, dass mir das gelingt, da wir eine ziemlich gegensätzliche Auffassung von Filmen haben.

Deine Bemerkung
ZitatFür mich ist er am Ende des Films immer noch er gleiche, unreif-impulsive Typ wie zu Beginn.
macht deutlich, dass du Veränderungen im Charakter scheinbar an Äußerlichkeiten misst.

Für mich wäre eine Veränderung dieses Charakterzugs schlicht unrealistisch. Ich weiß, es kommt nicht selten in Filmen vor, dass aus einem unsicheren Typen plötzlich eine "coole Sau" wird, ein Chaos-Typ zum erfolgreichen, disziplinierten Business-Man mutiert oder aus einer promiskuitiven Mieze eine brave Hausfrau wird. Solche Veränderungen sind beim Betrachter sehr beliebt, weil er sich dann noch Illusionen hinsichtlich seines eigenen Charakters hingeben kann, aber das macht sie nicht glaubwürdiger und ist schlicht nicht Andersons Level.

Die Veränderung dieser Figur liegt in seiner inneren Haltung, die sich durch die gemachten Erfahrungen verändert. Zu Beginn ist Phoenix ein Naiver. Die Dinge passieren ihm, er selbst reagiert nie aktiv. Dann wird er durch Hoffman zum Verführten, letztlich zu seinem überzeugtesten Anhänger. Aber - und genau darin liegt für mich die Essenz des Films - obwohl Hoffman das weiß, ihn dafür liebt und geliebt wird, kann er nicht davon ablassen, ihn verändern zu wollen und damit zu einem Menschen zu formen, der in sein Schema passt. Es wird deutlich, dass es nicht um Emotionen oder Wahrhaftigkeit geht, wie es gerade von Sektenseite gerne gepredigt wird - diese sind bei Phoenix reichlich vorhanden - sondern immer nur um äußerliche Rahmenbedingungen, die letztlich den Menschen selbst nicht erfassen können, sondern nur zerstören. Phoenix versucht aus Verbundenheit mit Hoffman dessen Ideen umzusetzen, aber als ihm das trotz größter Mühe nicht gelingt, ist er enttäuscht, dass Hoffman seinen Charakter nicht akzeptieren kann. Äußerlich ist er am Ende immer noch der selbe, aber seine Naivität, sein Urglauben wurden zerstört und er wendet seine Möglichkeiten aktiv und berechnend an.

McClane

Zitat von: Bretzelburger am 26 März 2013, 14:31:41
Also gut, dann versuche ich dich mal zu "erleuchten" - allerdings mache ich mir wenig Hoffnung, dass mir das gelingt, da wir eine ziemlich gegensätzliche Auffassung von Filmen haben.

Deine Bemerkung
ZitatFür mich ist er am Ende des Films immer noch er gleiche, unreif-impulsive Typ wie zu Beginn.
macht deutlich, dass du Veränderungen im Charakter scheinbar an Äußerlichkeiten misst.

Für mich wäre eine Veränderung dieses Charakterzugs schlicht unrealistisch. Ich weiß, es kommt nicht selten in Filmen vor, dass aus einem unsicheren Typen plötzlich eine "coole Sau" wird, ein Chaos-Typ zum erfolgreichen, disziplinierten Business-Man mutiert oder aus einer promiskuitiven Mieze eine brave Hausfrau wird. Solche Veränderungen sind beim Betrachter sehr beliebt, weil er sich dann noch Illusionen hinsichtlich seines eigenen Charakters hingeben kann, aber das macht sie nicht glaubwürdiger und ist schlicht nicht Andersons Level.

Tja, zur Not muss ich mich dann in den Schlaf weinen, weil mir die große Weitsicht des großen Bretzel B. fehlt, obwohl ich doch so gerne ein genau so toller Hecht wäre. Dann würde ich dies den niederen Cretins, die nicht auf meinem Level sind, auch direkt bei jeder Gelegenheit auf die Nase binden und so direkt meine Lufthoheit in jeder Debatte erklären. Leider fehlt mir das, aber ich glaube an mich, vielleicht bin ich irgendwann einmal so weit.

Zitat von: Bretzelburger am 26 März 2013, 14:31:41
Die Veränderung dieser Figur liegt in seiner inneren Haltung, die sich durch die gemachten Erfahrungen verändert. Zu Beginn ist Phoenix ein Naiver. Die Dinge passieren ihm, er selbst reagiert nie aktiv. Dann wird er durch Hoffman zum Verführten, letztlich zu seinem überzeugtesten Anhänger. Aber - und genau darin liegt für mich die Essenz des Films - obwohl Hoffman das weiß, ihn dafür liebt und geliebt wird, kann er nicht davon ablassen, ihn verändern zu wollen und damit zu einem Menschen zu formen, der in sein Schema passt. Es wird deutlich, dass es nicht um Emotionen oder Wahrhaftigkeit geht, wie es gerade von Sektenseite gerne gepredigt wird - diese sind bei Phoenix reichlich vorhanden - sondern immer nur um äußerliche Rahmenbedingungen, die letztlich den Menschen selbst nicht erfassen können, sondern nur zerstören. Phoenix versucht aus Verbundenheit mit Hoffman dessen Ideen umzusetzen, aber als ihm das trotz größter Mühe nicht gelingt, ist er enttäuscht, dass Hoffman seinen Charakter nicht akzeptieren kann. Äußerlich ist er am Ende immer noch der selbe, aber seine Naivität, sein Urglauben wurden zerstört und er wendet seine Möglichkeiten aktiv und berechnend an.

Erst einmal danke für diese Argumentation, in der du deine Ansicht nachvollziehbar darlegst.

Trotzdem teile ich sie nicht. Für mich ist Phoenix den ganzen Film über ein Suchender, einer der Zielen hinterher rennt, von denen er sich einen Sinn im Leben erhofft, von denen er aber flieht, wenn es unangenehm für ihn wird.
Spoiler: zeige
Seine Ehe ist eines dieser Ziele, das er entgegen seiner Beteuerungen aber doch relativ schnell für die Sekte aufgibt, ähnlich wie er diese später fallen lässt. Gerade die Szene gegen Ende, als er seine potentielle Jugendliebschaft aufsucht um zu erfahren, dass sie inzwischen verheiratet ist, zeigt wie wenig er sich da entwickelt hat: Spontan glaubt er mit dieser Frau endlich Erfüllung zu finden, eher als bei der Sekte, doch als er erfährt, dass sie verheiratet ist, zieht er weiter. Insofern ist er (in meinen Augen) eben nicht berechnend, sondern genauso naiv und impulsiv wie zuvor auch. An seinem Verlassen der Sekte, an seinen späteren Handlungen kann ich nichts Berechnendes sehen.
Die letzten Szenen verdeutlichen das meiner Ansicht nach auch.
Spoiler: zeige
Wieder zieht er als Getriebener durch die Lande, sucht kurze Ablenkung in Sex und Alkohol, wobei klar wird, dass ein wenig von der Sektenideologie oder vielleicht auch nur von deren Mechaniken hängen geblieben ist, doch dies würde ich persönlich nicht mehr oder weniger prägend als andere Stationen auf seinem Lebensweg sehen.
"Was würde Joe tun? Joe würde alle umlegen und ein paar Zigaretten rauchen." [Last Boy Scout]

"testosteronservile Actionfans mit einfachen Plotbedürfnissen, aber benzingeschwängerten Riesenklöten"
(Moonshade über yours truly)

Roughale

Dann packe ich mal meine Kurzmeinung aus dem Sneakthread rein:

ZitatThe Master - absolut nicht mein Ding. Sehr guter Philip Seymour Hoffman und ein paar gute Bilder und Szenen - das war es aber auch schon, der Rest, gähnende Langeweile und eine kaum erkennbare Story mit verwirrenden Zeitsprüngen und Joaquin Phoenix nervt langsam mit seine Losertypendarstellung... 2/10

esta es la mejor mota
When there is no more room for talent OK will make another UFC

Bretzelburger

Zitat von: Roughale am 26 März 2013, 16:13:21
Dann packe ich mal meine Kurzmeinung aus dem Sneakthread rein:

ZitatThe Master - absolut nicht mein Ding. Sehr guter Philip Seymour Hoffman und ein paar gute Bilder und Szenen - das war es aber auch schon, der Rest, gähnende Langeweile und eine kaum erkennbare Story mit verwirrenden Zeitsprüngen und Joaquin Phoenix nervt langsam mit seine Losertypendarstellung... 2/10
Diese Argumentation spricht klar für dich.

Zitat von: McClane am 26 März 2013, 15:55:41
Leider fehlt mir das, aber ich glaube an mich, vielleicht bin ich irgendwann einmal so weit.

Jetzt mal ohne diesen ganzen Pseudo-ironischen Blödsinn - wer mich persönlich kennt, weiß, dass ich mich nicht für besser halte, schriftlich klingt das immer anders (das gilt auch für deine Aussagen). Wir haben einfach unterschiedliche Kriterien bei der Beurteilung von Filmen, das erkenne ich auch an deinen Reviews zu "Immer Ärger mit 40" oder "Voll abgezockt". Dabei kann es durchaus sein, dass wir einen Film ähnlich beurteilen, nur mit verschiedener Argumentation. Ich denke, du bist damit näher an deiner Generation, wie sollte es auch anders sein?.

Für mich liegt die wesentliche Veränderung der Rolle von Phoenix im Verlust der Naivität, in der Zerstörung des Urglaubens. Phoenix ist im Grunde wie ein kleines Kind, noch ohne echten Antrieb, ungebildet und formbar. Leichter als mit ihm könnte es Hoffman theoretisch nicht haben, aber er nutzt diesen Fakt nicht aus, sondern begreift dessen Vertrauen als echte Qualität. Darin zeigt sich die menschliche, positive Seite seiner Figur, aber gleichzeitig ist er ein Getriebener, der aus seiner eigenen Haut nicht heraus kann. Anderson stellt mit dieser "Männerbeziehung" im Grunde einen Idealtypus in den Mittelpunkt, dem theoretisch alle Möglichkeiten offen stehen. Doch beide finden darin keine Erfüllung - weder gelingt es Hoffman, Phoenix gesellschaftskompatibler werden zu lassen, noch kann dieser seine unabdingbare Zuneigung zu ihm in seiner Art ausdrücken. Am Ende hat Hoffman seine idealistische Haltung zugunsten materieller Überlegungen verloren (ganz deutlich wird sein Background jedesmal luxuriöser), womit erst der Sektenaufbau beginnt, und Phoenix sein Grundvertrauen - darin liegt für mich, ganz persönlich eine Entwicklung.

Mr. Blonde

26 Juni 2013, 03:42:04 #26 Letzte Bearbeitung: 26 Juni 2013, 04:01:52 von Mr. Blonde
Schade, diesmal konnte Anderson mich nicht vollends überzeugen. Er erzählt zwar eine brilliant-gespielte (Phoenix spielt psychotisch wie seit "Gladiator" nicht mehr!) und auch interessante Geschichte um Kontrolle, Unterwerfung und Abhängigkeit, lässt für mich allerdings alles nur im Raum stehen und macht inhaltlich viel zu wenig daraus. Auf knapp über zwei Stunden schleichen sich so allerlei Längen ein, zumal sich auch einige Momente (intentional, ich weiß) oft wiederholen und ausgewalzt werden. Okay, Gehirnwäsche geht nicht von jetzt auf gleich, aber das ich Phoenix dabei zusehen würde, wie er 15 Minuten zwischen einer Wand und einem Fenster hin und her läuft, die er dabei jedes mal anders erfühlt, beschreibt und erlebt, bis er schlussendlich fast geistig gebrochen wird, hätte ich nicht unbedingt erwartet. Seine Figur war toll, ich hätte sie nur noch gerne in einem ganz anderen Kontext oder Film erlebt. Die zum Ende hin offensichtlichen Andeutungen an die Scientology-Kirche wirken etwas verloren, aber sind ebenfalls einer der vielen interessanten Aspekte von "The Master".

Die cleverste Szene war für mich die, als Phoenix die Augen der Dame beschreiben und jedes mal eine andere Farbe in ihr erkennen und feststellen soll. Dabei kann man selbst ebenfalls jede dieser Farben in ihren Augen erkennen.  :icon_eek:

Keine Zeitverschwendung, sondern großartig-gespieltes, inhaltlich offenes "Erlebnis-Kino", das mir im Endeffekt aber zu viel leeren Raum lässt. Wahrscheinlich wäre ich hier auch lieber einer stringenten Geschichte und Zielrichtung unterworfen gewesen. Meister, beim nächsten mal bitte wieder grandios!  :icon_surprised:

6/10


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Mr. Blonde



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ratz

Zweitsichtung: Doch doch, ein super Film. Anstrengend sicherlich und auch nichts für zwischendurch, aber emotional und visuell höchst eindrücklich. Phoenix IST mit Haut und Haar dieser beschädigte, völlig zerrüttete Typ, der absolut nichts Sympathisches an sich hat (Hoffman kommt gerade so dagegen an) - und Anderson schafft es, daß man ganz am Schluß stolz und glücklich ob seiner Emanzipation ist (die letzte Szene mit der drallen englischen Schnalle ist einfach göttlich und der schönste Lohn für die ganzen Strapazen). Die Doku in den Extras der Disc macht noch mal deutlich, daß der Film genau das ist: Der ungewöhnliche Heilungsprozeß eines Kriegsversehrten. Im Gegensatz übrigens zu There Will Be Blood, der die Höllenfahrt einer ähnlich verabscheuungswürdigen Hauptfigur beschreibt.

Großes Charakterkino, dessen Ruhm eigentlich noch wachsen muß. Die weiteren Extras der US-Disc sind auch spitze und unbedingt sehenswert.

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