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Explizite/r Gewalt/Sex in Filmen?

Begonnen von psYchO dAd, 9 Juni 2006, 07:29:07

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psYchO dAd

Irgendwie ist mir letztens, als ich über den Irreversible-Thread gestolpert bin, ein Gedanke durch den Kopf geschossen. Um die Frage kurz zu halten: Warum gibt es eigentlich keine pornographischen Inhalte in Filmen? Warum besteht keine Nachfrage danach, warum wird nahezu alles in Filmen explizit dargestellt, außer eben der Liebesakt? Handelt es sich dabei um ein tief verankertes Tabu?

Der einzige (Spiel)Film mit pornographischen Inhalten, der mir bekannt ist, ist "Baise Moi", welcher bekanntermaßen auch abgesehen von den HC-Szenen eher dem filmischen Bodensatz entspricht. Man wundert sich, warum manche Länder in Sachen Filmen so heikel in Bezug auf Sexualität und andere wieder in Bezug auf Gewalt sind, jedoch ist Gewalt wohl eher die Form, die auf Zelloloid AUCH in Mainstreamfilmen bis in's Letzte explizit ausgereizt wird. Versteht mich nicht falsch, auch ich kann mir keinen Hollywood-Schinken vorstellen, in dem HC-Szenen vorkommen, doch ich würde gerne dem Warum auf die Schliche kommen. Als einzige Antwort fällt mir dazu ein: Gewalt kann man superbe mit Latex, CGI, oder was auch immer simulieren, Sex aber eigentlich nicht. Bei näherer Betrachtung stimmt dies auch nicht ganz, aber dann professionelle Gummigenitalhersteller für Filme anzuheuern ginge dann doch etwas zu weit.

Also die grundlegende Frage: Warum wird Gewalt in Spielilmen viel expliziter dargestellt als sexuelle Handlungen. Ich denke, dass die Antwort tief in unserer Psyche verwurzelt ist, Sex wurde vor unseren Augen schon immer verborgen, Gewalt ist alltäglich und wurde auch schon viel früher in Filmen aufgenommen. Irgendwie kann ich weder die Frage, noch die Antworten genauer ausformulieren, ich bin schon auf eure geistigen Ergüße gespannt.

PS: Bitte auch nur antworten, wenn man wirklich nachgedacht hat, beim ersten Gedanken hört sich das alles nach Bullshit an, bei näherer Betrachtung ist aber bestimmt viel wahres dran.

Kingpin

Nun, ein Problem ist sicherlich, daß pornographische Szenen u.U. dazu führen, daß diese Filme dann auch wie Pornos behandelt werden müssen, d.h. "normale" Kinos sie meiden, Werbe- und Vertriebsbeschränkungen eintreten etc.; dann kommt natürlich die US-Idiotie dazu (viele erfolgversprechende Filme kommen nunmal von da), die dazu führt, daß alles über R-rating der Tod an den US-Kinokassen wäre (läuft allenfalls ggf. außerhalb der USA in anderen Fassungen, siehe Basic Instinct usw.).
Außerdem wird es sicherlich auch Probleme geben, Schauspieler zu finden, die solche Szenen drehen (außer Pornodarsteller(innen), die dann wiederum kaum ausreichendes schauspielerisches Talent mitbringen) - Ausnahmen wie bspw. Maruschka Detmers oder Chloe Sevigny gibt es zwar, aber das bleiben eben (aus auch verständlichen Gründen) Ausnahmen. Die Intimität, die mit Sex verbunden wird, mag dabei sicherlich auch eine Rolle spielen. Im übrigen könnten dann ja alle entsprechenden Schauspieler auch gleich Pornos drehen (entdecke ich da eine etwas schmutzige Phantasie in deiner Frage? ;)).
Hinzu kommt dann noch, daß zu freizügigen Sexszenen immernoch das "billige" anhaftet, was ja schon mit Softpornos (siehe RTL2 etc.) verbunden wird. Die Regisseure wollen aber i.d.R. ja was künstlerisch wertvolles Schaffen und nix "billiges". Bekanntermaßen gibt es ja bereits genügend Filme, wo die entsprechenden Szenen ohnehin überflüssig, aufgesetzt etc. erscheinen, so daß man vielleicht auch deswegen eher zurückhaltend ist.
Und zu guter letzt ist Sex nunmal eine ansich schmutzige Angelegenheit (diverse Körperflüssigkeiten etc.), dauert seine Zeit (Quickies in allen Ehren, aber wer will den Zuschauern schon 'ne einstündige Sexszene zumuten - wo bleibt da die Story?) und soll ja wunderwaswieschön sein (immer diese vorgetäuschten Orgasmen ;)) - das zu inszenieren - und dann noch in "normalen" Filmen - dürfte äußerst schwer sein.
Go to hell!
Go? Why? I plan on bringing it here!

donbatikan

Es gibt doch genug Filme in denen Sex vorkommt, siehe Bad Guy.

psYchO dAd

@Kingpin: Warum keine HC-Szenen eingebaut werden ist mir fast klar, aber ich suche die Wurzel. Oder anders formuliert: Sind wir eher bereit jemand den Kopf abzuschlagen (wenn auch auf der Leinwand), als uns freizügig zu präsentieren? Und v.A. sind die Rezipienten eher daran interessiert Gewalt detailliert zu sehen, als Geschlechtsteile? Anscheinend ist dem so, aber warum ist das so?

@donbatikan: Ach, und sind diese Sexszenen auch explizit, sprich "hardcore"?

Hackfresse

Zitat von: psYchO dAd am  9 Juni 2006, 18:01:35...Sind wir eher bereit jemand den Kopf abzuschlagen (wenn auch auf der Leinwand), als uns freizügig zu präsentieren? Und v.A. sind die Rezipienten eher daran interessiert Gewalt detailliert zu sehen, als Geschlechtsteile? Anscheinend ist dem so, aber warum ist das so?

Hört sich jetzt vielleicht etwas b00nig an: Vielleicht sehen die Zuschauer lieber Gewalt, weil sie die im Gegensatz zur Sexualität im wahren Leben eher nicht (straffrei) ausleben können?
(20:24:16) funeralthirst: was zur hölle ist ein b00n?



"In einer Gesellschaft, in der alle schuldig sind, ist das einzige Verbrechen, sich erwischen zu lassen. In einer Welt voller Diebe ist Dummheit die einzige verbleibende Sünde." Hunter S. Thompson

Kingpin

Wie gesagt ist Sex halt eher intim und Zweisamkeit (wenn wir mal Variationen mit mehr als 2 Sexualpartnern nicht berücksichtigen), Gewalt dagegen hat ja lange öffentliche (und traurige) "Tradition" in Kriegen, Eroberungen, Kreuzzügen, öffentlichen Hinrichtungen etc.
Allerdings würde ich das nicht notwendigerweise auf das Interesse der Rezipienten beziehen. Die Pornoabteilungen der Videotheken steuern schließlich einen Großteil des Umsatzes bei. Interesse an Geschlechtsteilen gibt es also offenkundig zu genüge. ;) Mag eher sein, daß Sex sich in unserer modernen Gesellschaft eher "normalisiert" hat und freizügiger geworden ist, während sich Gewalt gegenteilig entwickelt hat - trotz aller Kriege und idiotischer Gewalt (Hooligans etc.), die es noch gibt - somit sich hier wohl eher medial "ergötzt" wird.
Go to hell!
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psYchO dAd

Vielleicht ist etwas wahres daran, wenn ihr zurückdenkt, als ihr präpupertierende Kinder wart, dann wart ihr wahrscheinlich auch immens an Pornos und "Gewaltfilmen" interessiert. Da man nun selbst Sex hat, interessiert einen nur noch die Gewalt im TV. Aber ich denke, dass diese Lösung zu einfach ist, sie konzentriert sich nur auf die Gier nach Gewalt, jedoch nicht auf die tief verankerte Scham in unserer Gesellschaft.

@Kingpin: Ok, warum gibt es dann nicht Gewaltecken, so wie es die Pornoecken gibt? Alle Spielfilme deuten Gewalt und Sex nur an, und dafür gibt es extra Bereiche, wo sich die interessierten nur an Sex oder auch Gewalt incl. einer belanglosen Rahmenhandlung ergötzen können.

Alles in allem läuft doch alles darauf hinaus, dass Gewalt harmloser ist als Sex, oder? Ein 16-jähriger sieht in diversen Filmen blutige Einschüsse, dafür keine explizite Nacktheit, und darf sich schon gar keinen Porno ansehen. Und kommt mir nicht mit der Standardaussage "dann wird er ja sexualethisch disorientiert", die heutigen 16-jährigen vögeln wohl mehr in der Gegend rum als mancher 20-jährige in seinem bisherigen Leben.

Kingpin

Och, wir hier in Deutschland gönnen uns doch die "Gewaltecken" ;) da sind dann die ganzen Indextitel aufgeführt.
Und was ein Pornographieverbot für Minderjähringe in einer Welt für einen Sinn hat, in der 12jährige Kinder zeugen und bekommen, kann man ja durchaus diskutieren. ;)
Wenn man die USA sieht, ist dort i.d.R. Gewalt "besser" als Sex - siehe Nipplegate ;) - die Kehrseite der Medallie sind dann die vielen Morde, die sich nicht allein aus der reinen Verfügbarkeit von Waffen erklären lassen. Aber das ist ein anderes Thema.
Go to hell!
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Dr. STRG+C+V n0NAMe

@süscho dead: Ich bring dir zum UT ein paar pr0nz mit, dann brauchst du hier nicht mehr so peinlich danach fragen.  :icon_mrgreen:
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psYchO dAd

@Nulldepp: Ich steh' nicht auf Zwergenpr0nz.

Chili Palmer


Filme brauchen eine Dramaturgie, eine Dramaturgie braucht Spannung, Gewalt liefert Spannung. Oder so.
"I'm an actor, love, not a bloody rocket surgeon".

"Der Terminader is ja im Grunde so'n Kaiborch."

666psheiko

hallo, ich glaube das es zum einen daran liegt, dass das ding dann im regal in irgeneinem supermarkt liegt wo halt eben auch kinder rumlaufen. und zum anderen wollen die labels ja das der film gezeigt / gekauft wird und zwar nicht nur von jungs wie ich und du, sondern auch von z.b. einem 16 jährigem der mit seiner mutter im laden steht. könnte mir vorstellen das einige eltern ihren jugendlichen kindern nen z.b. "normalen" kriegsfilm ab 18 kauft, aber nicht nen film in dem hc szenen schon aufem cover sind, oder es draufsteht.


Bei der Fellatio kann das beim Orgasmus ejakulierte Sperma vom Partner im Mund aufgenommen und evtl. geschluckt werden.

psYchO dAd

Ihr versteht die Fragestellung nicht.

Es ist mir klar, dass die Schauspieler das nicht mitmachen würden.
Es ist mir klar, dass die MPAA durchdrehen würde, sowie die FSK und alle anderen Freigabeorganisationen.
Es ist mir klar, dass sowas keinen Markt hätte.
Es ist mir klar, dass unsere Gesellschaft so etwas nicht dulden würde. (Gewalt aber schon)

Die Frage ist nach dem WARUM? Ich denke um diese Frage zu beantworten müssten wir schon einige Jahrhunderte zurück reisen. Dass Filme Dramaturgie brauchen stimmt auch nur bedingt. Versteift euch nicht nur auf das Wort "Gewalt", ihr sollt es in Relation zur Darstellung des sexuellen Aktes sehen!

donbatikan

Was mir zur Dramaturgie einfällt.
Ich kenn genug Filme in denen weder Gewalt noch Spannung vorkommt,
und trotzdem sind diese Filme gut.
Also würde ich sagen, von Nöten ist weder Gewalt noch Sex.
Aber wieso da so ein Aufstand wegen Sex wäre, aber wegen Gewalt nicht fragts mich auch.
Erinnert mich jetz an South Park(, nur dass dabei schmutzige Wörter eine Rolle spielten)

psYchO dAd

9 Juni 2006, 23:36:47 #14 Letzte Bearbeitung: 9 Juni 2006, 23:40:31 von psYchO dAd
Zitat von: donbatikan am  9 Juni 2006, 23:31:15
Also würde ich sagen, von Nöten ist weder Gewalt noch Sex.
Aber wieso da so ein Aufstand wegen Sex wäre, aber wegen Gewalt nicht fragts mich auch.

Eben darauf soll eingegangen werden. Wobei wir aber nicht den Akutellen Stand der verklemmten Amis in Bezug auf gestellte Sexszenen betrachten sollten, sondern den allgemein verklemmten Zustand aller Erdenbewohner, der es verbietet Sex in Spielfilmen explizit zu zeigen, bzw auch der Schauspieler so etwas mitzumachen. (und kommt mir jetzt nicht wieder mit "Das ist zu intim, blabla" - Meinetwegen ist es intim (aber warum eigentlich? Außerdem könnte man dazu genausogut CGI oder halt Makeup-FX verwenden), aber jemand den Kopf wegzusplattern ist jetzt normal oder wie?)

Ormic

9 Juni 2006, 23:40:52 #15 Letzte Bearbeitung: 10 Juni 2006, 15:50:27 von Ormic
Ich habe mich vor einiger Zeit ebenfalls mit diesem Thema beschäftigt und glaube, dass die Gründe viel früher/tiefer zu suchen sind, als die meisten hier annehmen.

Die Erfindung des Films ist ja quasi eine amerikanisch/franzözische Ko-Entwicklung bzw. Pioniersarbeit gewesen und der Film ist somit als Medium von vornherein stark abendländisch geprägt. Viele Länder außerhalb Europas/der USA haben entweder nur Filme aus dem Abendland gesehen oder die Länder waren zu dieser Zeit (Anfang 20.Jahrhundert) sogar von einer abendländischen Macht besetzt. Als man dort auch angefangen hat, Filme zu drehen, hatten diese logischerweise einen stark verwestlichten Einschlag. Wenn man sich nun den Umgang mit Sex oder Nacktheit bzw. allgemein sexuellen Reizen in der abendländischen Geschichte anguckt, wird schnell deutlich, dass dieser seit jeher stark von der Kirche zensiert bzw. gar nicht erst zugelassen wurde. Über Sexualität wurde nicht öffentlich gesprochen, sie fand auch im eigenen Haus nur sehr gehemmt statt und eigentlich mussten sich Menschen ja beinahe schon schämen, miteinander sexuell zu verkehren. Neben diesem Faktor, der klar durch die angebliche Schand- und Sündhaftigkeit, den die Kirche predigte, bestimmt war, gibt es einen weiteren. Seit Beginn der Industrialisierung gehört es zum modernen Selbstverständis der abendländischen Bevölkerung, den Grad seiner Zivilisation durch den Wert seines privaten Besitzes auszudrücken. Natürlich gab es das auch schon vorher, aber es fällt auf, dass es plötzlich als schick galt, seine Angelegenheiten eher im Privaten zu klären und nicht öffentlich auszutragen. Nacktheit und allgemein die Erweckung sexueller Reize wurde genauso als zivilisatorisch überholt angesehen. Während indogene Völker bis heute nur aus Gründen der Praktikabilität an bestimmten Körperstellen Kleidung tragen, fingen die Europäer an, über die Kleidung selbst ihrer Kultiviertheit Ausdruck zu verleihen... die "nackten Wilden" wurden als zurückgebliebene Hinterwälder belächelt. Als Japan nach der Meji-Restauration 1868 gezungen wurde, seine Grenzen und sich dem westlichen Einfluss zu öffnen, wurde ein großer Teil der traditionellen Kunst zensiert und auch der Umgang mit öffentlicher Nacktheit änderte sich, weil es auf einmal als modern galt, sich möglichst bedeckt zu zeigen. Einen ähnlichen Trend gab es dann nochmal im selben Land nach Besetzung durch die Amerikaner 1945 und eigentlich generell in allen Ländern, die von Europäern/US-Amerikanern in dieser Zeit besetzt/stark beeinflusst wurden.

Da der Film ja auch die neueste/modernste uns bekannte Kunstform ist, könnte es also sein, dass sich diese Modernität auch durch den Ausschluss nackter Tatsachen ausgedrückt hat. Dazu kommen die erwähnten, stark abendländisch-christlich geprägte Tendenzen des Mediums.

Der Unterschied zur öffentlichen Wahrnehmung von Gewalt ist hier ganz deutlich. Gewalt und vor allem der Tod waren immer Bestandteil des öffentlichen Lebens. Ein Ausdruck von Gewalt, das Verbrechen, wurde zwar strafrechtlich geahndet, hatte aber weder für Kirche, noch für den Staat jemals einen scheinbar so subversiven Charakter wie die Sexualität. Meiner Meinung nach ist unser seit Jahrhunderten verankertes geschlechtsspezifisches Rollenbild hier von entscheidender Bedeutung. Frauen wurden bis zu Beginn des 20.Jahrhunderts ja als mündige/stimmberechtigte Bevölkerung gar nicht wahrgenommen. Sie wurden von den in Politik und Kirche diktierenden Männern immer bewusst am Boden gehalten bzw. wurden ihnen nur so viele Rechte gewährt, wie gerade eben nötig waren. Nun hat die Sexualität einen extrem weiblichen Einschlag... den weiblichen Körper bzw. die weiblichen primären und sekundären Geschlechtsteile assoziieren wir viel eher mit Sexualität, Wollust oder Begierde als ihre männlichen Pendants. Alle Gottheiten, die für Liebe/Fruchtbarkeit und ähnliches verantwortlich waren, sind seit jeher Frauen, was durch ihre lebensstiftenden anatomischen Eigenschaften ja auch nur logisch erscheint. Die Verteufelung der Sexualität und all ihrer Ausdrucksformen wird von vielen Historikern daher auch immer als Angst vor einer zu starken Frauenrolle gedeutet. Etliche Heldengeschichten oder auch biblische Erzählungen berichten von Männern, die durch die Reize einer Frau schwach wurden und ihr Schicksal zum Negativen wendeten. (siehe Adam&Eva, "Orpheus und Eurydike", "Simson" usw. usf.).

Die Gewalt hingegen ist eine typisch männliche Domäne, die wie vorher angemerkt, viel eher im öffentlichen Bewusstsein verankert war. Kriege oder militärische Auseinandersetzung werden auch erst seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr als legitimes, letztes Mittel nach einer gescheiterten Diplomatie verstanden. Eine Ausführung von Gewalt kann ohne weiteres als Ausdruck besonderer Stärke, besonderer Macht oder ähnlichem verstanden werden und wurde in allen Kunstformen auch immer wieder so eingesetzt. Sie lässt sich außerdem viel direkter und ohne weiteren, tieferen Sinn darstellen. Ein vernünftiger Umgang mit Sexualität setzt eigentlich von vornherein eine anspruchsvollere Auseinandersetzung mit Gefühlswelten und Emotionalität der Figuren voraus. Um hier ein genaz simples Beispiel anzuführen: Es ist immer einfacher zu zerstören, als zu erschaffen (das betrifft auch die Darstellung von Zerstörung und Erschaffen). Während Gewalt eigentlich immer eine Zerstörung zur Folge hat, schafft Sexualität entweder eine enge, intime Bindung zwischen zwei Menschen oder sogar neues Leben. Daher verwundert es nicht, dass die explizitere Auseinandersetzung mit Sexualität im Film in der Avantgarde-Bewegung stattgefunden hat. Die filmische Avantgarde hat schon zu Beginn ihres Schaffens eher mit sexuellen Symbolen und Metaphern gearbeitet als mit Gewaltakten. Durch die weniger direkte Art der Sexualität lässt sich diese wahrscheinlich auch viel transzendenter und metaphysischer umsetzen als es bei Gewalt der Fall ist, obwohl es natürlich auch hier Ausnahmen gibt. Witzigerweise zeigt sich bei der anderen Herleitung (Vermeidung einer starken Frauenrolle) auch eine geschichtliche Parallele. Das erste Mal, dass wir eine weibliche Schambehaarung in einem "normalen" Film sehen, ist bei Michelangelo Antonionis "Blow Up" aus dem Jahre 1966, also genau zeitgleich mit der linksorientierten Anti-Kriegs- und Frauenbewegung. Die weiteren Ausläufe dieses Einfluss sind dann in der franzözischen Nouvelle Vague und im britischen Free Cinema zu finden und kurz darauf im italienischen Giallo und allgemein im Sleaze-Film. Das Medium Film bestand also gute 60 Jahre, bevor es sich dazu berufen fühlte, eine öffentliche Auseinandersetzung mit Sexualität hervorzurufen.

Dass bei dieser langen Zeit der Zensur (die größtenteils aber freiwillig stattfand) der kulturelle Hintergrund des Abendlandes eine Rolle spielte, zeigt sich daran, dass zur selben Zeit (ab 1964) bspw. in Japan schon viel freier mit dem Thema umgegangen wurde. Dazu muss man den Pinku Eiga betrachten und vor allem die Filme seines "Vaters" Koji Wakamatsu. So etwas wie Violated Angels wäre im europäischen Film dieser Zeit wohl undenkbar gewesen. Natürlich hat die lange Zeit auch damit zu tun, dass kurz nach Erfindung des Films zwei Weltkriege und deren Folgen das potenzielle Publikum sehr stark mit Gewalt und all ihren Ausbrüchen konfrontiert haben und der Zeitgeist eine Abhandlung dieser Themen einfach verlangte. Außerdem hatten viele wohl auch gar nicht das Bedürfnis sich mit "neuen" Themen auseinander zu setzen bzw. anspruchsvolle Werke zu betrachten, was wie bereits erwähnt, Voraussetzung für einen vernünfitgen Umgang mit Sexualität im Film gewesen wäre.

Die drei Hauptgründe für mich sind also der kulturelle/christlich geprägte Hintergrund des Mediums, die Angst vor der Auseinandersetzung mit Weiblichkeit und der weiblichen Sexualität an sich und die viel einfachere Inszenierung und Rezeption von Gewalt, vor allem für Männer. Wenn wir von Mainstreamfilmen sprechen, meinen wir ja vor allem US-amerikanische Produktion. In kaum einem anderen Land ist der erste genannte Grund so eklatant feststellbar wie in den USA, wo selbst heute noch Prüderie vorherrscht und man sich an christlichen Aberglauben klammert (siehe z.B. die Kreationistenbewegung). Außerdem ist das amerikanische Studiosystem ja genauso wie alle anderen mit Macht verbundenen Systeme dieser Welt ein vor allem von Männern geführtes Geschäft, in denen Männer dann auch folgerichtig den Ton angeben. Dadurch kommt der zweite Faktor wieder ins Spiel. Außerdem scheuen sich scheinbar viele Regisseure vor einer Auseinadersetzung mit der weiblichen Psyche, weil sie sie nicht verstehen oder befürchten, der Film könnte zu kompliziert werden, wenn er sich ernsthaft mit Sexualität (was ja eine Frauenrolle zur Folge hat) beschäftigt. Für den Zuschauer ist ein wildes Actionszenario mit ihm gut bekannter, direkter Gewalt natürlich um ein vielfaches leichter goutierbar als wenn sich der Film mit Sexualität beschäftigt, die Gründe dafür habe ich bereits in den früheren Abstäzen genannt. Da der Mainstreamfilm an sich voraussetzt, möglichst eine große Masse anzusprechen und strukturell sehr einfach zu funktionieren, ist Gewalt einfach das geeignetere Ausdrucks- und Handlunselement, weil man weder Zuschauer verschreckt noch überfordert. Die starke US-amerikanische Übermacht hat meiner Meinung nach dazu geführt, dass der Filmmarkt sich dieser Entwicklung so schweigsam angepasst hat und Sexualität und eine anspruchsvolle Auseinadersetzung mit dieser bis heute im populären Film eine so geringe Rolle spielt. Frauen und Sexszenen sind in den meisten Filmen ja nur dazu da, um eben auch die weiblichen Zuschauer anzusprechen und einer schmalzigen Romanze mit einer kurzen, wenig expliziten Bettszene die Action zu verleihen, die in diesem Falle nicht durch Gewalt ermöglicht werden kann, weil eine große Ballerei im romantischen Film eher unpassend wäre bzw. den größtenteils weiblichen Zuschauerkreis kaum anspricht.

Wahrscheinlich sind das einige der entscheidenen Faktoren, dass die Filmlandschaft so ist, wie sie heute ist, und z.B. die Ratings in vielen Ländern auch damit kongruent verlaufen. Eine Verankerung in der Gesellschaft spielt dabei immer die entscheidene Rolle. Wir sind es eher gewohnt, uns mit Gewalt auseinanderzusetzen und es ist auch keine Veränderung in dieser Tendenz absehbar, weil den Leuten ihr Defizit erst einmal bewusst werden müsste. Mir fällt hierbei die Parallele zum Umgang mit Drogen auf ... der gesellschaftlich anerkannte und akzeptierte Alkohol, der Jahr für Jahr Millionen Menschen tötet, wird weiterhin beworben und verkauft und kaum geahndet, während andere Drogen wie bspw. Cannabis verteufelt und illegalisiert werden. Dabei haben auch ökonomische Fragen eine Rolle gespielt, was aber jetzt zu arg off-topic wird, ich wollte nur zeigen, dass das Threadthema längst nicht die einzige paradoxe Angelegenheit in unserer Gesellschaft ist.

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donbatikan

Cannabis wurde doch wegen sonem amerikanischen Geschäftsmann, wegen dessen Lügengeschichten verboten, oder sowas...
(sry fürs Offtopic)

Ormic

Geschäftsmänner haben meistens mit ökonomischen Fragen zu tun, ja.
Randolph Hearst der Zeitungsmogul gilt als Mitverantwortlicher, weil er befürchtete, dass mit dem Hanfanbau billiger Papier hergestellt werden kann, darum war sogar Nutzhanf so lange verboten. Und damit reicht's zum Thema.

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