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Gutes Buch, gute Umsetzung, auch guter Film?

Begonnen von Bretzelburger, 21 Oktober 2006, 16:39:44

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Bretzelburger

Nachdem es in der letzten Zeit eine Vielzahl von "Literaturverfilmungen" gab ("Da Vinci Code-Sacrileg", "Parfüm", "The black Dahlia" usw.), bei der die Reviewautoren (und ich nehme an auch viele, die "nur" eine Bewertung abgegeben haben) immer sehr viel Wert auf die Qualität der Umsetzung des literarischen Vorbilds nahmen, möchte ich an dieser Stelle eine These aufstellen, die ich gerne hier diskutieren will :

Ich bin der Meinung, daß man am besten die literarische Vorlage gar nicht kennen sollte oder zumindest (wenn möglich) ignorieren sollte. Nur dann ist man in der Lage den Film als solchen überhaupt bewerten zu können (Merke "bewerten" nicht "mögen"!).

Häufig liest man in solchen Reviews, man hätte einiges aus dem Buch einem Nichtkenner erklären müssen oder das Charakterisierungen im Buch viel tiefergehender wären usw. - Na und ? - Wenn ein Film tatsächlich die Kenntnis der literarischen Vorlage benötigt, dann ist er schlicht schlecht. Nur kann man das als Buchkenner überhaupt beurteilen ? - Vielleicht hat ja ein "Nichtkenner" dieses Wissen gar nicht nötig, weil er den Film ganz anders auffasst, die anders gesetzten Schwerpunkte so wie sie sind annimmt und die eventuelle "Verfälschung" schlicht akzeptiert.

Vielleicht folgt damit der "unwissende" Zuschauer der Intention des Regisseurs und Drehbuchautors, eine Möglichkeit die der nur nach dem Diktat der literarischen Vorlage urteilende gar nicht oder oft nur unzureichend in Betracht zieht. Das kann übrigens auch zu ungerechtfertigt guten Kritiken führen, wenn man das Gefühl hat, daß Buch wäre adäquat umgesetzt - nur kann es da wiederum sein, daß man als Kenner Logiklöcher im Film automatisch schließt.

Aus meiner Sicht ist ein Film nur dann eine Literaturverfilmung, wenn die Macher das auch als solche benennen und das ist äußerst selten der Fall. In der Regel sucht man immer nach guten Stories und was liegt da näher, entsprechende Literatur als Grundlage dafür zu nehmen. Wie oft wurden alleine die Shakespearestücke schon als Basis genommen ? - Hier fängt auch niemand an das Originalvorbild hinzuzuziehen.

Aber bleiben wir doch im Ofdb : hier gibt es drei Filme, die zu den beliebtesten gehören und auch über viele Reviews verfügen. Alle drei sind nach Literaturvorlagen entstanden :

"Forrest Gump" , nach dem Roman von Winston Green
"Memento" nach der Kurzgschichte "Memento Mori" von Jonathan Nolan, dem Bruder des Regisseurs
"Der weiße Hai", nach dem Roman von Peter Benchley

Hinweise darauf in irgendeiner Review (Red Shadow hat ja gerade eine neue zum "Weißen Hai" geschrieben) ? - Fehlanzeige. Wahrscheinlich nicht bekannt oder nicht gelesen.

Ich habe Benchleys sehr spannenden Roman schon in den 7oern gelesen, er legt sehr viel mehr Wert auf das Leben in dem kleinen Ort - der mittlere Romanteil (er besteht aus 3 Kapiteln)handelt hauptsächlich von der heimlichen Beziehung des Polizeichefs zu einer Frau mit sehr detaillierten, fast ins pornographische gehenden Schilderungen seines Sexuallebens. Wie ich finde ergibt das ein noch entlarvenderes Bild der amerikanischen Kleinstadt als bei Spielberg, die "Hai-Geschichte" steht nicht ganz so im Mittelpunkt.

Wird dadurch "Der weiße Hai" weniger genial ? - Das wird wohl niemand behaupten. Speilberg, der ja zusammen mit Benchley das Drehbuch entwickelt, legte Wert auf andere Schwerpunkte und das ist künstlerisch legitim.

Ein Film sollte immer nur an seiner eigenen Intention gemessen werden - man kann für sich persönlich die Enttäuschung seiner Erwartungshaltung ausdrücken, ein Gradmesser für die Qualität des Filmes ist das aber nicht.

McClane

Ich persönlich schließe mich der These an, aber bei den drei genannten waren die Vorlagen halt nicht so bekannt wie beim Da Vinci Code.
Ich versuche auch Film und Vorlage so gut es geht zu trennen, da die meisten Romane zuviel Stoff für einen Film bieten und daher zwangsläufig abgewandelt werden müssen. In Reviews verweise ich gelegntlich auf Unterschiede, vor allem wenn sie signifikant sind. Gibt Einzelfälle, da kann ich die Vorlage nicht wegdenken (z.B. "American Psycho"), aber meist geht es recht gut.

Mich nerven auch die Leute, die bei jeder King 500 Seiten Verfilmung die Tränchen in den Augen stehen haben und meinen, dieses oder jenes wäre im Roman besser/ausführlicher und den Film dann öfters ungerechtfertigt runterputzen. Gibt auch hier Ausnahmen (das Ende von "Dreamcatcher" soll ja im Roman nicht ganz so Banane gewesen sein), wo man vielleicht vergleichen kann, aber ich hab neulich was gelesen, wo jemand sich beschwert hat, dass in "Friedhof der Kuscheltiere" das mit dem Wendigo gefehlt hat. Dabei war es für die Story nicht essentiell, konnte man für die Verfilmung problemlos rauskürzen und vor allem war es etwas, was man im Buch besser suggerieren kann, filmisch weniger.

Denn, dass muss man bedenken, Roman und Film sind zwei Medien und auch Christopher Keane sagt in seinem Drehbuchratgeber, dass beide nicht gleich funktionieren. Ein gutes Beispiel hierfür ist in meinen Augen die Szene in "High Fidelity", in der sich Rob vorstellt Ian zur Sau zu machen. Im Buch ist es am Telefon, was für den Film zu unspektakulär gewesen wäre. Im Film ist dafür die Brüllerszene im Plattenladen, die im Roman aber wohl nicht gewirkt hätte, weil sie eher Slapstick ist.
"Was würde Joe tun? Joe würde alle umlegen und ein paar Zigaretten rauchen." [Last Boy Scout]

"testosteronservile Actionfans mit einfachen Plotbedürfnissen, aber benzingeschwängerten Riesenklöten"
(Moonshade über yours truly)

Mr. Vincent Vega

Zitat von: McClane am 21 Oktober 2006, 16:53:44
Ein gutes Beispiel hierfür ist in meinen Augen die Szene in "High Fidelity", in der sich Rob vorstellt Ian zur Sau zu machen. Im Buch ist es am Telefon, was für den Film zu unspektakulär gewesen wäre. Im Film ist dafür die Brüllerszene im Plattenladen, die im Roman aber wohl nicht gewirkt hätte, weil sie eher Slapstick ist.

Was aber nichts daran ändert, dass gerade dieser Film unter dem Gesichtspunkt einer Buchverfilmung (und so unwesentlich finde ich diese Betrachtung keinesfalls) eine mitlere Katastrophe deshalb ist, da die Essenz des Buches eine so ganz und gar britische ist, dass das ganze in amerikanisierter Form überhaupt keinen Sinn mehr ergibt.

Graveworm

Ich kann mich auch nur der These anschließen. Wobei ich die Bücher meist erst nach dem Film lese. Dann habe ich nämlich meist einen guten Film gesehen,d a ich unvoreingenommen bin und anschließend lese ich das Buch und bin erstaunt wie viel mehr  es mir noch bieten kann. So komme ich eigentlich nicht in die Zwickmühle. Das klappt aber auch nur, da ich keine große Leseratte bin.

MFG
Ich war in genug Horrorfilmen, um zu wissen, dass ein Irrer, der eine Maske trägt nie freundlich ist.

McClane

Zitat von: Mr. Vincent Vega am 21 Oktober 2006, 17:57:48
Was aber nichts daran ändert, dass gerade dieser Film unter dem Gesichtspunkt einer Buchverfilmung (und so unwesentlich finde ich diese Betrachtung keinesfalls) eine mitlere Katastrophe deshalb ist, da die Essenz des Buches eine so ganz und gar britische ist, dass das ganze in amerikanisierter Form überhaupt keinen Sinn mehr ergibt.

Das würde ich absolut nicht unterschreiben. "High Fidelity" ist eine sehr universale Geschichte über Popmusik (Gerüchten zufolge darf man die auch außerhalb von Großbritannien hören) und Beziehungen, darauf hat die Verlegung des Handlungsortes null Einfluß.
"Was würde Joe tun? Joe würde alle umlegen und ein paar Zigaretten rauchen." [Last Boy Scout]

"testosteronservile Actionfans mit einfachen Plotbedürfnissen, aber benzingeschwängerten Riesenklöten"
(Moonshade über yours truly)

SutterCain

Schönes Thema für einen Thread, Bretzelburger!

Ich stimme dir im Großen und Ganzen zu. Für den Zuschauer eines Films ist es schwer, das gelesene Buch einfach auszublenden. Er hat während des Lesens den Film ja praktisch schon selbst inszeniert. Enttäuschungen sind deshalb vorprogrammiert, positive Änderungen werden hingegen oft übersehen. Ich nehme mich da auch nicht heraus, mir geht es genauso. Durch Bewusstmachung kann man dem aber vorbeugen. Und die Diskussion um die High Fidelity Verfilmung zeigt ja, wie schwer das ist. Es ist meines Erachtens belanglos, ob das eine britische Romanvorlage ist, entscheidend ist einzig und allein, ob der Film in seinem Chicagoer Setting funktioniert. Und das tut er.

Kritiker, die den Wert einer Verfilmung am Buch zu messen, nehme ich selten ernst. Es ist meines Erachtens unzulässig, weil der Blick auf den Film verengt wird. Die Kritik sollte den Hinweis enthalten, dass es sich um eine Literaturverfilmung handelt, dies aber keinesfalls zum Anlass nehmen, um Vergleiche zwischen Vorlage und Film anzustellen. Meines Erachtens wird es häufig gemacht, weil es bequem für den Rezensenten ist. Da muss er nicht groß über den Film reflektieren, sondern kann einfach die Unterschiede beschreiben.

Ich stimme dir jedoch zu, Bretzelburger, dass bei einer Kollaboration zwischen Autor und Regisseur der Vergleich angebracht sein kann - hilfreich ist er aber auch hier selten, denn wenn ein Autor sein Werk eingenständig verändert, dann kann man ihm anschließend schwerlich vorwerfen, er habe es vergewaltigt. Es ist schließlich sein Geschöpf: mit dem kann er tun und lassen, was er will. Oft kommen bei solchen Zusammenschlüssen zwischen Autor und Regisseur ja wirklich gute Filme heraus (z. B. Godfather, Blechtrommel, The Cider House Rules). Manche Autoren sind mit ihren Adaptionen auch kläglich gescheitert: Tankred Dorsts Verfilmung seiner Erzählung "Klaras Mutter" ist eine mittlere Katastrophe, da hilft auch Marius Müller Westernhagen als "Star-Schauspieler" nichts. Das hat sogar Dorst eingesehen  :D Der Film ist jedoch nicht an der Umsetzung gescheitert (die ist ziemlich werktreu), nein, er ist schlichtweg schlecht inszeniert, fast amateurhaft.

Was auch gerne vergessen wird, ist, dass die Adaption eines Buches immer auch neue Dimensionen eröffnet, die keine literarische Vorlage beinhaltet: Das individuelle Schauspiel, die Musik, das Licht, die Kameraperspektiven etc. Wenn diese Elemente funktionieren und der Plot des Drehbuchs fesselt, dann funktioniert auch der Film, egal wie werktreu er ist - ein super Beispiel dafür hast du ja mit "Jaws" gegeben.

Klugscheisser

21 Oktober 2006, 21:54:15 #6 Letzte Bearbeitung: 22 Oktober 2006, 12:57:26 von Klugscheisser
Ein schönes Thema für einen Thread (EDIT: Hab' grad gesehen: So hat SutterCain auch angefangen...).
Allerdings auch schwierig darauf zu antworten, weil so viel drin steckt, und du deine These auch ein bisschen immun gegen andere Meinungen machst, bzw. dir ein "Hintertürchen" offen lässt.
Ich leg' einfach mal los:

Zitat von: Bretzelburger am 21 Oktober 2006, 16:39:44
Ich bin der Meinung, daß man am besten die literarische Vorlage gar nicht kennen sollte oder zumindest (wenn möglich) ignorieren sollte. Nur dann ist man in der Lage den Film als solchen überhaupt bewerten zu können (Merke "bewerten" nicht "mögen"!).

Mmh. Also, das Ignorieren halte ich für äußerst schwer, wenn nicht gar unmöglich. Ich persönlich habe auch schon so einige  Filme gesehen, die auf Büchern basierten, ohne diese vorher gelesen zu haben. Das war z.B. bei der "Herr der Ringe"-Trilogie so. Für mich war es ein tolles Filmerlebnis, und mich hat dieses ständige Gerede "was nun alles noch im Buch war" oder "was anders war" einfach nur genervt.
Dann gibt es wiederum Filme, bei denen ich die Buchvorlage kannte, und ich mich dabei ertappt, wie ich selbst diese Vergleiche anstellte, die Filme schlecht fand und allen nur empfahl: "Kauft euch das Buch. Tausendmal besser als der Film."
Aber dann gibt es auch wiederum Filme, die ich trotz Kenntnis des Buches sehr gut fand.

Zitat von: Bretzelburger am 21 Oktober 2006, 16:39:44
Wenn ein Film tatsächlich die Kenntnis der literarischen Vorlage benötigt, dann ist er schlicht schlecht. Nur kann man das als Buchkenner überhaupt beurteilen ? - Vielleicht hat ja ein "Nichtkenner" dieses Wissen gar nicht nötig, weil er den Film ganz anders auffasst, die anders gesetzten Schwerpunkte so wie sie sind annimmt und die eventuelle "Verfälschung" schlicht akzeptiert.

Auch dies ist für mich ein zweischneidiges Schwert. Bei einem Buch hatte der Autor (hoffentlich) eine bestimmte Intention. Sei es, bei der Darstellung einzelner Charaktere, Situatione usw. bis hin zum Gesamtbild. Ein Filmemacher stellt natürlich in seiner Verfilmung seine eigene Interpretation des literarischen Stoffes dar. Nur, ob dies immer richtig, oder angebracht bzw. sogar legitim ist, ist meiner Meinung nach schon diskussions- und kritikwürdig.
 
Zitat von: Bretzelburger am 21 Oktober 2006, 16:39:44
Aus meiner Sicht ist ein Film nur dann eine Literaturverfilmung, wenn die Macher das auch als solche benennen und das ist äußerst selten der Fall.

Den Eindruck habe ich in letzter Zeit aber nicht mehr. Vielmehr scheint es mir, als würden sich die Literaturverfilmungen häufen. Also jene, die explizit damit werden, eine zu sein. Ist natürlich auch nicht dumm: Wenn das Buch sich gut verkauft hat, kennen es viele Leute, und es wird garantiert ein bestimmter Prozenteil (der wohl nicht sehr niedrig ausfallen dürfte) sich auch den Film angucken. Gleichzeitg wird das Buch auch wieder gekauft (womöglich von denen, die zwar den Film gesehen, und dann neugierig auf den Roman geworden sind). Und wenn sich schon ein Film auf die Fahnen schreibt, einem Bestseller (oder jedem anderen Buch) zugrunde zu liegen, sollte er sich auch nahe daran halten.
Filme, die mal in den Credits, quasi nebenbei, darauf hinweisen, dass sie sich an einer literarischen Vorlage orientieren, sind mir selten untergekommen.

Zitat von: Bretzelburger am 21 Oktober 2006, 16:39:44
Aber bleiben wir doch im Ofdb

Ich finde es durchaus legitim und angebracht, bei der Bewertung eines Filmes die literatrische Vorlage mit einzubeziehen. Klar: Alles, was in einem Bich steht, passt nie in einen Film, und sei er auch noch so lang. Es geht ja schon los bei der Auswahl der Darsteller, nach dem Motto: So hätte ich mir X nie vorgestellt! Zugegeben: ich habe wenige Reviews zu Filmen, denen ein Buch als Vorlage diente, hier in der OFDB gelesen. Was da nun los ist und wie diese Reviews sind, weiß ich nicht (vielleicht auch besser so  :icon_mrgreen:).
Aber eine Literaturverfilmung muss sich der Kritik schon als solche stellen (meine Meinung). Ist vielleicht ein bisschen vergleichbar mit Spieleverfilmungen (ohne da jetzt näher drauf einzugehen). Und was ist mit Filmen, die eine historische Basis haben? Bei diesen wird/muss/sollte auch auf eine historische Korrektheit bei der Beurteilung geachtet werden.


Aber: Natürlich macht noch so einiges mehr einen (guten) Film aus, als sich nur an seine Vorlage zu halten...

Fastmachine

Zitat von: Klugscheisser am 21 Oktober 2006, 21:54:15


Mmh. Also, das Ignorieren halte ich für äußerst schwer, wenn nicht gar unmöglich.

In der Tat. So wünschenswert es sein mag, jeden Film als eigenständige künstlerische Leistung zu bewerten, so fern aller Lebenswirklichkeit ist dieser Wunsch.
Es fängt damit an, das Regisseur, Produktions- und Verleihfirma in ihren Werbekampangnen geradezu penetrant von der Bekanntheit eines aktuellen Bestsellers oder eines literarischen Klassikers profitieren wollen.

Es ist daher völlig gerechtfertigt, dass man bei einem Review auch auf das Verhältnis zur literarischen Vorlage eingeht. Problematisch wird dies nur, wenn man die Buchvorlage zum absoluten Maßstab für das Gelingen der Verfilmung macht. Hier liegt die Aufgabe des Reviewautors, jeweils angemessen zwischen Gelingen der Verfilmung und Gelingen des Filmes zu unterscheiden und beides zu gewichten.

Im Grund haben "SutterCain" und "Klugscheisser" schon vieles angesprochen. Was ich darüber hinaus für wichtig halte, ist die historische Dimension. Literarische Vorlage und Verfilmung altern in unterschiedlichem Maße, daher ändert sich das Verhältnis zwischen beiden im Laufe der Jahre. Ich gebe mal ein Beispiel:

Bretzelburger hat auf "Der weiße Hai" hingewiesen. Ein gutes Beipiel. Das Buch von Peter Benchley war seinerzeit eine gigantischer Bestsellererfolg, kaum aber große Literatur. Wie das so ist, greift Hollywood gerne nach solchen Büchern. Aus der Perspektive der Siebziger Jahre war Spielbergs Film kaum mehr als eine reißerische Bestsellerverfilmung. Aus damaliger Sicht wäre es eventuell angemessen gewesen, das Gelingen der Verfilmung auch im Vergleich zum Buch zu werten. Es hat sich aber im Laufe der Jahre erwiesen, dass Spielbergs Film ein Genremeilenstein ist, während Benchley nur einen von vielen Bestsellern geschrieben hat.
Aus heutiger Perspektive hat sich Spielbergs Film völlig vom Buch befreit, das wohl hautpsächlich älteren Lesern noch ein Begriff ist. Man darf wohl prophezeien, dass die Erinnerung an das Buch ganz absterben wird, während der Film noch lange bleiben wird.

Als Gegenbeispiel sei etwa auf die Verfilmung von Franz Kafkas "Der Prozeß" durch Orson Welles hingeiesen. Welles ist nun wahrlich kein Leichtgewicht der Kinogeschichte. Und trotzdem ist seine Verfilmung von 1963 - trotz beachtlicher Leistungen - hoffnungslos gealtert, im Gegensatz zu Kafkas Buch. Wie mag man da Gelingen oder Nichtgelingen damals und heute werten? Wirklich ganz ohne Rücksicht auf die Qualität des Buches? Glaube ich nicht.

Gegenwärtig bietet sich nun "Das Parfum" an. Buch und Film sind beides keine Werke für die Ewigkeit. Und doch hat Süskinds Buch ein weitaus größeres künstlerisches Eigengewicht als der Film. Süskind fand die literarischen Mittel, seiner Figur Dreidimensionalität zu geben, Tykwer suchte weniger erfolgreich nach filmischen Entsprechungen. Natürlich steht der Film auch für sich selbst, zumal bei einem Publikum, von dem heute wohl nur ein Teil das Buch von Süskind kennt. Trotzdem darf und sollte ein Reviewautor auf die küntlerische Fallhöhe zwischen Buch und Film hinweisen. Tykwers Probleme kamen eben nicht aus dem Nichts, sondern aus der literarischen Vorlage, deren Autor es verstand, künstlerische Probleme angemessen zu lösen, an denen Tykwer sich erkennbar versuchte, aber halbwegs scheiterte.
In zehn Jahren wird diese Fallhöhe noch deutlicher zu sehen sein und künftige Reviewschreiber werden die Reviews anders, vermutlich schärfer, formulieren.

Jetzt hätte ich große Lust noch etwas zur Verfilmung von "Der Name der Rose" zu sagen, die ja weithin als "gelungen" gilt, aber...

... der Beitrag wird zu lang.






 
Ich mag keine Filme; die verblöden nur. (Alfons d. Ä.)

Pinhead_X

Ich schließe mich der These ebenfalls an. Es ist doch so das wenn man z.B. Herr der Ringe anschaut sich nicht auf das Buchg versteifen DARF sonst wird man von diesem grandiosen Epos enttäuscht.

Der Fakt ist doch der, das sich die Filmemacher was Buchvorlagen angeht doch etwas einschränken MÜSSEN, wenn sie damit ein Großzahl von Leuten ansprechen wollen. Einige Bücher würden einfach ZU komplex oder ZU sehr Kunstfilm werden und das würde den Durchschnittskinozuschauer evtl überfordern. So geschehen in Parfüm, der doch einige VEREINFACHENDE Änderungemn hinnehmen musste. Ein 2. Punkt ist der, das man wenn man ein Buch gelesen hat einige Vorstellungen hat WIE der Film auszusehen hat. Man KANN also nur enttäuscht werden. Ich finde daher man muß schon trennen. Das trifft bei fast jeder Kingverfilmung zu oder auch bei "Interview mit einem Vampir" oder oder oder....
We'll never stop, we'll never quit, 'cause we're Metallica!!!
Meine Musik

SutterCain

22 Oktober 2006, 14:25:55 #9 Letzte Bearbeitung: 22 Oktober 2006, 14:37:03 von SutterCain
Zitat von: Fastmachine am 22 Oktober 2006, 12:08:56
Es ist daher völlig gerechtfertigt, dass man bei einem Review auch auf das Verhältnis zur literarischen Vorlage eingeht. Problematisch wird dies nur, wenn man die Buchvorlage zum absoluten Maßstab für das Gelingen der Verfilmung macht. Hier liegt die Aufgabe des Reviewautors, jeweils angemessen zwischen Gelingen der Verfilmung und Gelingen des Filmes zu unterscheiden und beides zu gewichten.

Ein guter Punkt, ich würde dir fast zustimmen. Leider sehe ich einige Probleme: Wie soll man gewichten? Und wofür ist diese Gewichtung in einer FILMkritik hilfreich? - Ein Vorlagenleser regt sich vielleicht darüber auf, dass einige Figuren in der Verfilmung gestrichen wurden. Ein weiterer Leser echauffiert sich darüber, dass eine Nebenhandlung wegfällt. Ein dritter freut sich hingegen, dass die Locations, an denen gefilmt wurde, genauso sind, wie er es sich beim Lesen vorgestellt hat. Und der nächste meint, die Stimmung des Films sei nah am Buch. Nur: Was bringen diese Informationen? In meinen Augen gar nichts, denn jeder Leser "sieht" beim Lesen seinen eigenen, persönlichen Film. Jeder Leser gewichtet also bereits beim Lesen unterschiedlich. Was dem einen wichtig erscheint (die Augenfarbe Harry Potters, die Tom Bombadil Passage in LotR, die unterschiedlichen Facetten New Yorks in Bonfire of the Vanities etc.), ist dem anderen egal. Deshalb kann meines Erachtens alleine der Film auschlaggebend sein für eine unvoreingenommene Bewertung einer Literaturverfilmung. Allerdings, und hier sind wir wieder bei Bretzelburgers Ausgangsthese, kann man schwerlich unvoreingenommen sein, wenn man die Vorlage kennt. Man kann allerdings versuchen, sie bewusst zu irgnorieren.


Indy

Also ich für meinen Teil blende die Buchvorlage komplett aus während ich den Film sehe, weil ich es als zu anstrengend empfinde während des Sehens ständig zwischen Buch und Film zu vergleichen. Gravierende Änderungen wie z.B. die bereits erwähnte "Tom Bombadil"-Passage in HdR werden zwar registriert aber dann sofort wieder ignoriert, andernfalls wäre es mir nicht möglich, den Film als solchen zu genießen. Der Film muss sich einem von selbst erschließen, ohne großartig darüber nachdenken oder im Besitz des "Buchwissens" sein zu müssen.
Wenn ich dann das Kino verlasse, versuche ich stets mir zuerst darüber klar zu werden, ob mir der Film als solcher gefallen hat. Hat er mir gefallen, hat er meine Erwartungen als Film erfüllt und wurde ich gut unterhalten? Das ist nich immer ganz einfach, aber in den meisten Fällen gelingt es mir. Wenn sich die Eindrücke von der Leinwand dann nach 1-2 Tagen gefestigt haben und wieder halbwegs sortiert sind wird der Film mit der Buchvorlage verglichen. Was hat der Regisseur geändert/zugefügt/weggelassen? War das für den Film von Vor- oder Nachteil? Wird es durch die Änderung leichter für diejenigen, die das Buch nicht kennen? Hat man sich die identischen "Szenen" in Etwa so vorgestellt?
Und wenn ich mir dann diese und noch mehr Fragen gestellt und beantwortet habe wird der Film abschließend beurteilt. Aber nicht ob er gut oder schlecht ist, sondern einfach ob mir das Buch oder der Film besser gefällt. Und das ist bis heute die fairste Methode der Bewertung die ich für mich gefunden habe.

Ein Punkt der hier nocht nicht angesprochen wurde: vielleicht hält einen die Literaturvorlage, die einem nicht gefallen hat ja davon ab, einen möglicherweise guten Film zu sehen. Geht mir gerade so mit "Das Parfüm". Ich mochte das Buch überhaupt nicht - zu erklären warum würde jetzt zu lange dauern - habe aber schon von einigen Leuten, von denen die Mehrheit das Buch nicht kennt, gehört, dass es ein ziemlich guter Film sein soll.

Naja, sei es wie es will, die nächste Buchverfilmung wird am 14.12. mit "Eragon" fällig. Dann gibt es wieder reichlich Stoff zum weiterdiskutieren  :icon_mrgreen:


"Have no fear, Vlad is here!"

"Not A Problem!"

"Here was a generation...grown up to find all gods dead, all wars fought, all faith in man shaken."

Bretzelburger

Die Vorlage zu ignorieren war natürlich etwas provokativ gemeint, denn das ist kaum möglich - nur etwas geistigen Abstand dazu sollte man bekommen, wie Indy das schön beschreibt.

Ich greife dazu ein sehr gutes Beispiel auf, daß hier erwähnt wurde ,nämlich "High Fidelity". Ich las vor längerer Zeit ein Interview mit John Cusack, der sofort von dem Inhalt begeistert war und sich die Rechte daran sicherte.Eigentlich hätte Nick Hornby ihm diese nicht zusichern dürfen, denn es mußte jedem Beteiligten klar sein, das der Amerikaner Cusack keinen englischen Film daraus machen kann. Cusack selbst war das sofort klar, aber er hatte einen ähnlichen Erfahrungshorizont (ist ja auch aus der selben Generation) und wollte das auf seine Lebenssituation übersetzen. Dadurch wirkt der Film auch so authentisch und dadurch kann auch ich mit meinem deutschen Hintergrund das absolut nachempfinden. Für mich liegt die Qualität also nicht in einer Eins-zu Eins-Umsetzung der englischen Situation.

Ein weiteres Beispiel, auch wenn die Grundlage nicht große Literatur ist, sind die "Spiderman"-Filme. Die Stories wurden dafür total ungestrickt, z.B. stirbt Parkers Freundin Gwendolyne auf der Brücke beim Kampf mit dem "Grünen Kobold". Nicht nur das das viel zu hart für das Publikum wäre, sondern man läßt ihre Figur gleich völlig weg, denn Mary-Jane ist im Film schon von Beginn an sein Love-Interest, im Comic aber erst so nach gut 10 Jahren und weit über 100 Heften.

Im Grunde also eine totale Verfälschung und auch Weichspülung, aber trotzdem gefallen mir die Filme, weil sie den Geist der Comics atmen, weil man den Respekt vor der Story spürt. Die Story ausblenden kann ich bei diesen Filmen trotz Mühe nie, da ich in meiner Jugend zu stark davon geprägt wurde...

proximo

Also ich kann dieser These nicht ganz zustimmen!

Ich denke man macht es sich zu einfach, wenn man behauptet, die Verfilmung eines Buches würde für Kenner des Buches nie so gut sein, wie das Buch! Ich persönlich lege sehr viel Wert darauf, dass die Verfilmung eines Buches qualitativ mit dem Buch mithält. Ich meine, wenn jemand sich entschliesst, ein Buch (am besten noch einen "Klassiker") zu verfilmen, dann sollte er es verdammt noch mal gut machen, oder es lassen und einsehen dass er damit überfordert wäre.

Man vergleiche mal kürzlich erschienene Romanverfilmungen mit älteren, denn dabei wird einem einiges klar! Natürlich kann man ein großartiges Buch großartig
umsetzen. Clockwork Orange, Der Pate, Das Schweigen der Lämmer, Wem die Glocke schlägt, ...to kill a mocking bird,Der Name der Rose, Die Verurteilten etc...Alles faszinierende Bücher, und i.m.o. absolut authentisch und brillant verfilmt. Und kürzlich erschienene Romanverfilmungen, Das Parfüm, Sakrileg, Herr der Ringe, High Fidelity, das furchtbare "Elementarteilchen", BLack Dahlia...alles miese bis unendlich miese Verfilmungen,weit fernab vom Buch. Sind die Bücher schuld? Natürlich nicht! Die sind größtenteils (bis auf Sakrileg :scar:) super! Gelten die genannten Bücher als "unverfilmbar"? Scheiße wenn das wirklich so ist, warum verfilmt ihr es dann?? Dann lasst es doch ruhen, statt aus einem Klassiker der Literaturgeschichte Box Office Fast Food zu machen!
Es liegt schlicht an den Filmemachern! Stanley Kubrick, F.F. Coppolla, auch Steven Spielberg...etc, diese großen Regisseure haben es doch vorgemacht. Man KANN ein Buch in einen passenden Film umsetzen. Nur neuerdings nimmt man es mit dem Halten an die Romanvorlage nicht mehr so ernst. Und das äußert sich dann selbstverständlich in Inkompetenz.
Was ich damit sagen will, ist, dass man auch wenn man das Buch kennt und liebt, die Verfilmung einen genauso mitreißen kann, wie das Buch selbst. Hängt halt schlicht von der Qualität des Filmes ab!
Gut dass in letzter Zeit so viele Comics verfilmt werden, das erleichtert den Filmemachern doch ne Menge!

Cheers, Proxe
When you watch a Jackie Chan Movie, you want to BE Jackie Chan!

Fastmachine

@SutterCain und Bretzelburger
Natürlich sollte man nicht einzelne Änderungen oder Auslassungen des Film gegenüber dem Buch zum Anlass endloser Tiraden nehmen.
Das Drehbuch eines Film muss fast immer derartige Änderungen vornehmen. Darum ginge es meiner Meinung nach auch nicht, wenn man das Ungenügen einer Verfilmung kritisiert.
Was kritikwürdig ist, ist die künstlerische Klasse der Verfilmung. "Künstlerische Klasse" sollte dabei ausdrücklich nicht mit "wortgetreuer Umsetzung" gleichgesetzt werden.
Am Beispiel des "Parfums": Das künstlerische Hauptproblem einer Verfilmung ist die Umsetzung der Hauptfigur mit ihrer außerordentlichen Geruchsbegabung. Süskind gelingt dies auf literarischer Ebene. Tykwer kann hier keine restlos überzeugende filmische Bilderfindung bieten. Ob Tykwer nun Szenen hinzuerfindet, umschreibt oder weglässt - das alles ist nicht das Problem. Von mir aus hätte er noch viel stärker kürzen dürfen, besonders in der zweiten Hälfte. Das Problem ist, dass Tykwer künstlerisch nicht auf der Höhe ist in seinem Medium. Und in diesem Punkt ist ein Vergleich mit dem Buch legitim.

@proximo
Ich glaube es so pauschal nicht, dass Literaturverfilmungen früher besser waren. Die Verfilmung von Umberto Ecos "Der Name der Rose" ist ein Desaster. Wenn Ecos Buch ein Apfel ist, dann ist der Film nicht mal ein Stück des Apfels, sondern bestenfalls ein Fetzen der Schale. Der Film setzt uns einen dekorativen Krimi "Mord im Kloster" vor und behauptet, er hätte etwas mit Ecos Buch zu tun. 95% dessen, was Ecos Buch ausmacht, findet sich nicht im Film wieder. Wer das Werk des Regisseurs Annaud kennt, kann davon schwerlich überrascht sein.
"Mord im Kloster", wie ich den Film mal nennen will, gefällt mir trotzdem, ungefähr wie ein Miss Marple Film im Mittelalter. Auf eine Verfilmung von Ecos Buch warte ich trotzdem.

Was an Jacksons Verfilmung des "Herren der Ringe" schlecht sein soll, verstehe ich nicht. Bei allen Umstellungen und Kürzungen gibt uns der Dreiteiler eine angemessene Vorstellung von Tolkiens Buch.

Ich mag keine Filme; die verblöden nur. (Alfons d. Ä.)

Indy

Zitat von: Fastmachine am 22 Oktober 2006, 22:38:46
Was an Jacksons Verfilmung des "Herren der Ringe" schlecht sein soll, verstehe ich nicht. Bei allen Umstellungen und Kürzungen gibt uns der Dreiteiler eine angemessene Vorstellung von Tolkiens Buch.

Das verstehe ich auch nicht. Da hätte ich wirklich gerne eine Erklärung von dir, proximo! Ich denke es ist eine sehr gute bis ausgezeichnete Umsetzung der Vorlage und bei jeder Buchverfilmung, erst Recht wenn es um ein Projekt solchen Ausmaßes geht, müssen Zugeständnisse gemacht werden. Diese sind hier allerdings in der Summe kaum dramatisch. Außerdem erinnere ich mich mal gelesen zu haben, dass Tolkien selbst bereit war notwendige Änderungen in Kauf zu nehmen, wenn es endlich jemandem gelänge sein Werk angemessen zu verfilmen. Leider hat er das nicht mehr erlebt.

Ich bringe mal ein Gegenbeispiel für die These, dass Romanvorlagen zwangsweise schlechter oder im Höchstfall genau so gut sind wie die Vorlage. Die ganzen Tom Clancy Bücher! Die triefen ja nur so von US-Patriotismus und amerikanischer Selbstverherrlichung. Da finde ich die Filme um Längen besser, vielschichtiger und kritischer. Wie gesagt, wollte nur mal ein Gegenbeispiel genannt haben.


"Have no fear, Vlad is here!"

"Not A Problem!"

"Here was a generation...grown up to find all gods dead, all wars fought, all faith in man shaken."

SplatMat

Für die Qualität eines Reviews sind für mich immer mehrere Aspekte wichtig. Neben den gängigen Kriterien wie Regiearbeit, Kamera, Schnitt, Schauspieler, etc. ist es für mich bei einer "Literaturverfilmung" auch wichtig, diesen Vergleich zu lesen.

Meiner Meinung nach sollte man sich bei Verfilmungen einer literarischen Vorlage aber immer bewußt sein, daß der Film an sich erstmal ein unabhängiges Werk ist, welches es zu besprechen gilt. Ein gutes Review sagt mir also nicht gleich im ersten Satz, daß der Film nicht gelungen ist, weil im Buch einige Teile mehr enthalten sind, oder daß der Film besonders gut ist, weil er die Atmosphäre des Buches gut einfängt.

Wichtig ist zunächst nur, ob es z.B. unnötige Längen im Film gibt, ob die Schauspieler überzeugend agieren, die Beleuchtung oder auch die Kostüme eine gewisse Grundstimmung aufkommen lassen - eben alles, was an einem "normalen" Film auch wichtig ist. Erst wenn der Film an sich so richtig zerpflückt ist, und der Reviewer hierzu sein Fazit eingebaut hat, möchte ich dann auch etwas zu dem Film im Bezug zu der Vorlage lesen.

Hierbei ist es meiner Meinung nach nicht wichtig, ob die Vorlage historisch oder literarischer Natur ist. Mir kommt es darauf an, daß der Reviewer erkennt, ob der Film nur auf einer (fiktionalen oder nichtfiktionalen) basiert, also gewisse Elemente einschhließt, oder ob es eine wirkliche Verfilmung der Vorlage ist. Ich kann z.B. "Der Name der Rose" nicht mit "Herr der Ringe" vergleichen, da ersterer nur auf dem Roman basiert, letzterer aber nahezu eine eins-zu-eins Umsetzung darstellen soll (auch wenn einige Passagen fehlen).

Warum diese Filme erfolgreich sind, hat aber nichts mit dem Bezug vom Film zur Vorlage zu tun, sondern hängt einzig und allein damit zusammen, wie der Film an sich wirkt. Deswegen darf einem guten Reviewer auch nicht der Fehler unterlaufen, seinen eigenen Hintergrund mit in die Bewertung einfließen zu lassen, es sei denn, er legt überhaupt keinen Wert auf Objektivität.

Ein Fazit in Bezug auf die Vorlage sollte allerdings trotzdem in das Review mit rein, da es ja in den meisten Fällen einige Leute gibt, die die Vorlage kennen, und man diese Leser des Reviews auch berücksichtigen muß. Dieses Fazit darf aber nicht so herausragen, daß es die Wertung des Filmes verfälscht.
Für ein freies Tibet


Bretzelburger

Gerade die hier teilweise gemachten Behauptungen speziell von Proximo, die und die Verfilmungen wären schlecht, die und die besser, haben zu meiner These geführt.

Auch Proximo drückt sich um eine genaue Analyse herum. Völlig richtig finde ich, die literarische Vorlage mit einzubeziehen (was ja sehr häufig - wenn unbekannt - gar nicht geschieht), selbstverständlich darf sie auch jeder mit dem Film vergleichen, nur sollte das kein besonderes Bewertungskriterium für das Gesamtkunstwerk Film darstellen, eher als Fazit geeignet ,wie "Der Film ist in sich logisch und authentisch, aber das Buch ist provokativer..." usw. .

Sehr gut finde ich auch das Beispiel von Tom Glancy - dort sind die Filme deutlich weniger patriotisch, aber auch das sagt noch nicht wirklich etwas über die Qualität des Films aus.

Sehr umstritten ist ja auch "Starship Troopers", dessen Romanvorlage faschistische Züge hat. Mir gefällt die Verfilmung sehr gut, da ich Verhoevens Stil mag. Aber selbstverständlich wandelt er auf einem schmalen Grat zwischen Parodie und Gewaltverherrlichung (ähnlich wie in "Robocop") - doch genau das muß man am Film analysieren, die Romanvorlage hilft einem bei der Beurteilung des Films nicht weiter...

Um meine These nochmals zu bekräftigen : die Beurteilung des Films an sich sollte erst einmal an seiner tatsächlichen Umsetzung erfolgen, einen Bezug zu der Vorlage, Veränderung der Intention usw. kann man dann bei einem Fazit mitanfügen - der persönliche Geschmack ist dann noch ein dritter Standpunkt, aber sollte eben ja auch als solcher zu erkennen sein.

Eine Kritik an einem Film (egal ob gut oder schlecht) größtenteils auf einen Vergleich zur literarischen Vorlage aufzubauen, z.B. aus persönlicher Enttäuschung der eigenen Erwartungshaltung, halte ich für ungenügend, da man dem Regisseur damit das Recht auf eine eigene Meinung abspricht. Und die gilt es zu beurteilen.

Fäb

23 Oktober 2006, 16:12:27 #17 Letzte Bearbeitung: 23 Oktober 2006, 16:14:30 von Fäb
Also ich finde man muss schon unterscheiden, ob die Literaturvorlage lediglich eine bis dato recht unbekannte Kurzgeschichte ist, die Drehbuchautor und Filmemacher als Stoffvorlage erst ausgraben müssen oder ob es sich wie beispielsweise jüngst um einen Welterfolg wie "Das Parfum" handelt, das es nun zu verfilmen gilt.

Ersteres ist wohl weitaus häufiger der Fall, dient eher als Ideengeber und Denkanstoß für das Drehbuch. Niemand setzt voraus, dass die literarische Vorlage bekannt ist (und sie ist ja auch meist unbekannt) und stellt dementsprechend bei der Betrachtungsweise beim Publikum kein Problem dar, da die Vergleiche fehlen. Außerdem sind diese Geschichten meist auch nicht zu unrecht unbekannt und der Film erreicht häufig eine deutlich höhere Qualität. Als Beispiel führe ich mal "Blade Runner" an. Wer kannte schon das Buch, bevor Ridley Scott sein Meisterwerk ablieferte? Und zu recht, wie ich im Nachhinein sagen muss. Das Buch bietet zwar die Grundkonstellation und einige Ideen, ist für mein Empfinden jedoch zu langweilig geschrieben und erreicht nie die Atmospähre und die Identifikation mit den Personen, die mir der Film bietet.

Bei zweiterem, also dem literarischen Welterfolg, ist die Sache m. E. etwas schwieriger. Versucht man, alle Zuschauer mit ins Boot zu holen, also besonders auch die die das Buch nicht kennen (was ja für einen Kassenerfolg unabdingbar ist), kann die Sache für die Leser schnell langweilig werden und in diesem Fall müsste man tatsächlich wie Bretzelburger sagt, versuchen, das Buch auszublenden. Ich frag mich allerdings, wie das möglich sein soll, ich kann meine Gehirnhäften nicht so konkret steuern :icon_mrgreen: ;). Dass bei Werken wie "Der weiße Hai" der Film nicht am Buch gemessen wird, liegt wohl einfach daran, dass das Buch nicht annähernd den Bekanntheitsgrad eines Dan Brown-Romans o.ä. hatte, bevor der Film das Thema aufgegriffen hat (oder!?).

:arrow: Man kann einfach keine Definition einer "guten" Romanverfilmung geben. Mal ist ein Film einfach gut, wenn er genau das auf der Leinwand wiedergibt, was der Autor schriftlich erzählt hat. Ein anderer Film kann jedoch genau dadurch langweilig werden weil sich vielleicht der Stoff dafür nicht eignet. Dann muss er einen Mehrwert bieten, sprich eigene Ideen einfügen bzw. gewisse Dinge des Buches weglassen. Dann besteht zwar die Gefahr, dass alle Leser nörgeln, der Filme weiche zu sehr vom Original ab, aber wenn der Film ansonsten als eigenes Werk nicht funktionieren würde, ist dies trotzdem die richtige Konsequenz. Es kommt da vielleicht auch darauf an, welchen Anspruch der Regisseur hat. Benutzt er das Buch nur, weil er dadurch "an guten Stoff kommt" ;). oder will er dem Buch eine filmische Würdigung verpassen, dann muss er behutsamer mit den Vorgaben umgehen.

Ich bin da auch ständig hin- und hergerissen, ist auf jeden Fall ein interessantes Thema. Außerdem ist es bei mir meistens so, dass ich das Buch erst nach dem Film in Angriff nehme, ob das nun klug oder nicht, ist auch wieder von Fall zu Fall unterschiedlich. Mal ist es egal, ein anderes Mal bin ich auch heilfroh, es in der anderen Reihenfolge gemacht zu haben: Bei "Krieg der Welten" z.B. fand ich die Reihenfolge "Buch, alter Film, neuer Film" tatsächlich auch am Besten. Ich hätte wohl weniger Interesse am Buch gehabt, wenn mir der Film schnell den Clou verraten hätte, andersherum hat es mir komischerweise nichts ausgemacht (abgesehen davon, dass das Buch natürlich wesentlich besser ist).

Indy

Um nochmal kurz auf das von mir eingeworfene Beispiel vom Tom Clancy zu kommen:

Ich finde die Filme gut, da sie als eigenständige Werke sehr gut funktionieren. Man wird gut, spannend und teilweise auch recht tempo- und actionreich unterhalten. Eine Kenntnis der Bücher wird nicht vorausgesetzt um die Filme zu verstehen, woraus man sehr leicht schließen kann, dass die Filme in sich logisch und schlüssig sind.
Wenn ich jetzt wieder auf meine weiter oben genannte Vergleichsmethode zwischen Buch und Film komme, dann sage ich nicht, dass der Film oder das Buch an sich besser ist, sondern lediglich, dass mir die Filme besser gefallen als die Romane. Das hat den u.a. einfachen Grund, dass die Filme deutlich weniger patriotisch, "USA-verherrlichend" und selbstgerecht (aus US-Sicht) sind als die Bücher. Es wurde ganz einfach darauf geachtet, dass der Film für sich funktionieren muss. Das wäre sicher auch mit den Patriotismus-Passagen gegangen, aber ob die Filme dann so gut geworden wären, wie sie sind, wage ich zu bezweifeln.


"Have no fear, Vlad is here!"

"Not A Problem!"

"Here was a generation...grown up to find all gods dead, all wars fought, all faith in man shaken."

proximo

Zitat von: Bretzelburger am 23 Oktober 2006, 11:46:27
Auch Proximo drückt sich um eine genaue Analyse herum...

Ja das tue ich in der Tat!Diese Thematik lässt sich denke ich auch kaum in einem Post analysieren.

Und naja gut, was meine Meinung zu Herr der Ringe angeht, so hab ich mich da vertan. Gemessen an der Buchvorlage ist der Film tatsächlich das Beste was man daraus hätte machen können. Ich mag die Filme schlicht nicht. Aber in der Nennung sind die Herr der Ringe Filme in der Tat deplatziert!

Greetings
When you watch a Jackie Chan Movie, you want to BE Jackie Chan!

Bretzelburger

Weil es hier auch angesprochen wurde und für mich thematisch verwandt ist - wie weit ist das Kino dazu verpflichtet bei einem historischen Stoff sich an die Wahrheit zu halten ? - Ich sehe das ähnlich zur Literaturvorlage - Kino hat immer ein Anrecht auf freie Interpretation.

Dazu gibt es in der heutigen Süddeutschen eine interessante Kritik zu "Marie-Antoinette". Die Kritikerin regt sich darin im Grunde die ganze Zeit darüber auf, daß der Film von den Kritikern verrissen wurde, weil Coppola sich nicht nur nicht exakt an die historische Wahrheit hielt ,sondern auch nicht vollständig darstellte (z.B.ohne ihren Tod).

Ohne das ich den Film gesehen habe, kann ich natürlich keine eigene Meinung zur Qualität des Films haben, aber ich werde diesen bestimmt nicht danach beurteilen, ob Sofia auch in der Schule schön aufgepaßt hat.

Seemops

Ich habe in diesem Forum auch schon öfter erwähnt, dass eine Romanverfilmung oder generell eine Verfilmung bereits bekannten Stoffs nicht gelungen ist, wenn sie niemand versteht - es sei denn man kennt diese Vorlagen. Das finde ich durchaus richtig, so lange es tatsächlich um einfache Verfilmung, wie etwa Alien vs. Predator oder Harry Potter geht. Bei anderen Verfilmungen, die weniger Wert darauf legen, den Stoff kommerztauglich umzusetzen, sondern eher eine Interpretation anstreben, ist das etwas anderes. Natürlich lässt sich das nicht so pauschal sagen, aber ein interpretativer Film kann nur als solcher erfasst werden, wenn man die Vorlage kennt, also die Unterschiede oder Gemeinsamkeiten. Beispiel: Das Parfum, dessen Interpretation am Ende völlig vom Buch abweicht.
Genauso ist es schwer möglich, Zitate und Anspielungen auf bereits Bekanntes (muss nichts literarisches sein) zu erkennen und zu verstehen, wenn man dessen Vorlagen nicht kennt. So ist es aber ein großer Verdienst des postmodernen Films, sowohl verständlich mit als auch ohne die erkannten oder nicht erkannten Zitate zu sein.
In der Tat kann man also einem Film nicht unbedingt immer vorwerfen, schlecht gemacht zu sein, nur weil er ohne die Vorlagen nicht verständlich ist. Es gibt Unmengen von Filmen, die so arbeiten, aber das sind meist auch weniger Mainstream-Filme, die ja verstanden werden wollen. Bei ihnen muss und darf man auch die Erwartung haben, dass sie die Vorlage so umsetzen, dass der Film schlüssig und verständlich ist.
Im Übrigen bin ich nicht der Meinung, dass man, wenn man die Vorlage kennt, nicht doch auch beurteilen kann, ob der Film so umgesetzt wurde, dass er jemanden genügt, der die Vorlage nicht kennt.
Außerdem gehört zu einer kompetenten Bewertung, also wissenschaftlich angelegt, immer die Vorlage. Sonst würde man Interpretation einfach nicht erkennen.
Ich finde zwar auch, dass Filme sowie auch Bücher (historische Romane) historische Fakten verwenden dürfen, um darin eine fiktionale Geschichte zu erzählen. Jedoch finde ich es sehr unpassend, Geschichte zu verfälschen, nur um zu einem Ziel zu gelangen, dass es sonst nicht gäbe. Und dies auch noch ohne jeglichen kritischen, ironischen oder satirischen Unterton, sondern schlicht um eine historische Figur in einen kommerziellen Zusammenhang zu pressen.
Es gibt genügend Möglichkeiten, Anspielungen auf eine bestimmte Person vorzunehmen, ohne Fakten zu verdrehen, also im Prinzip nur einen bekannten Namen in einer anderen Zeit zu benutzen, um irgendeine Story zu erzählen. Das finde ich nicht sonderlich anregend und spricht meistens auch eher für Mainstream-Filme. Filme, die unbeabsichtigt falsche Tatsachen propagieren, sind aber noch schlimmer, da sie auf eine beunruhigenden Sorglosigkeit oder Unwissenheit schließen lassen. Da kann man den anderen, die wenigstens mit Absicht etwas verdrehen, nur zu Gute halten, dass sie wenigstens dabei nachgedacht haben.
Ich finde es außerdem furchtbar, verdrehte Fakten zu verfilmen, und zwar so, dass manche Menschen glauben, es wäre tatsächlich so gewesen. Das tut gerade den Amerikanern, die in landsfremder Geschichte sowieso Minuspunkte zu verbuchen haben, nicht sonderlich gut.
"Ford - ich glaube, ich bin ein Sofa!"

CinemaniaX

Zitat von: Bretzelburger am 21 Oktober 2006, 16:39:44
Ich bin der Meinung, daß man am besten die literarische Vorlage gar nicht kennen sollte oder zumindest (wenn möglich) ignorieren sollte. Nur dann ist man in der Lage den Film als solchen überhaupt bewerten zu können (Merke "bewerten" nicht "mögen"!).

Das könnte man sogar erweitern, und zwar bei Remakes. Ist eine (möglichst objektive) Bewertung überhaupt möglich, wenn man bei der Bewertung eines Remakes mit dem Original vergleicht?

Es ist mir aufgefallen, dass viele Leute ein (gutes) Remake gut bewerten, wenn sie das Original noch nicht kannten. Diejenigen, die das Original kennen, bewerten schlechter, egal wie gut das Remake ist.



Zitat von: Bretzelburger am 28 Oktober 2006, 22:10:53
Weil es hier auch angesprochen wurde und für mich thematisch verwandt ist - wie weit ist das Kino dazu verpflichtet bei einem historischen Stoff sich an die Wahrheit zu halten ? - Ich sehe das ähnlich zur Literaturvorlage - Kino hat immer ein Anrecht auf freie Interpretation.

Ähnliches Problem ist, ob ein Zuschauer mit der Meinung oder mit den Ansichten des Regisseurs einverstanden ist. Siehe "World Trade Center". Nur weil einer mit dem Oliver Stones Patriotismus nichts anfangen kann, bewertet er den Film mit dem niedrigsten Punkt. Ist derjenige überhaupt in der Lage, den Film als solchen überhaupt bewerten zu können?

Bretzelburger

Sehr gute zusätzliche Anmerkung von dir. Mir ging es letztens bei "Der Fluch 2" so. Ich hatte bisher nur den ersten Teil der amerikanischen Variante des "Ring" gesehen und kein japanisches Original. Entsprechend wirkungsvoll und beeindruckend war "Fluch 2" bei mir.

Allerdings stehe ich mit meiner guten Kritik ziemlich allein da - nur, sämtliche negative Kritiken und Anmerkungen zu diesem Film münden in "schon oft gesehen" , "nicht mehr spannend" usw. - eine tatsächliche Auseinandersetzung mit dem Film findet gar nicht mehr statt.

Dein zweiter Punkt mündet in einer grundsätzlichen Frage : Wie weit darf die eigene Haltung eines Autors Auswirkung auf die Beurteilung von Qualität haben ? -

Dazu ein Beispiel aus meinem (lang zurückliegenden) Archtitekturstudium : Meiner Meinung nach schwächere Professoren predigten meist einen bestimmten (nämlich eigenen) Stil - wer seinen Geschmack traf, war gut - wer nicht, der nicht. Bessere (und seltenere) Professoren prüften Intention und Umsetzung - war diese konsequent, wurde das Ergebnis gut beurteilt, auch wenn ihm der Stil nicht gefiel. Geschmack oder Stil ist oft eine Machtfrage, gemäß dem Motto : hier bestimme ich, also ist das schön, was ich schön finde!!"

Als Review-Autor sollte man einfach differenzieren - die eigene Meinung interessiert mich immer, nur sollte sie möglichst überzeugend rübergebracht werden und das ist mit einer "1"er Bewertung und polemischen Anklagen allein nicht zu schaffen. Der aufmerksame Leser spürt dann, daß hier sich nicht jemand mit dem Werk beschäftigt hat, sondern nur seinen Senf loswerden will.


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