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Phantom Thread (Daniel Day-Lewis / Paul Thomas Anderson)

Begonnen von StS, 23 Oktober 2017, 19:26:09

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StS



Set in the glamour of 1950s post-war London, renowned dressmaker Reynolds Woodcock (Daniel Day-Lewis) and his sister Cyril (Lesley Manville) are at the center of British fashion, dressing royalty, movie stars, heiresses, socialites, debutants and dames with the distinct style of The House of Woodcock. Women come and go through Woodcock's life, providing the confirmed bachelor with inspiration and companionship, until he comes across a young, strong-willed woman, Alma (Vicky Krieps), who soon becomes a fixture in his life as his muse and lover. Once controlled and planned, he finds his carefully tailored life disrupted by love. With his latest film, Paul Thomas Anderson paints an illuminating portrait both of an artist on a creative journey, and the women who keep his world running.

http://www.youtube.com/watch?v=xNsiQMeSvMk
"Diane, last night I dreamt I was eating a large,  tasteless gumdrop and awoke to discover I was chewing one of my foam disposable earplugs.
Perhaps  I should consider moderating my nighttime coffee consumption...."
(Agent Dale B.Cooper - "Twin Peaks")

manisimmati

13 Januar 2018, 03:30:03 #1 Letzte Bearbeitung: 15 Januar 2018, 20:50:45 von manisimmati
Habe den an einer Pressevorführung letzten Dienstag gesehen. Fand ihn bemerkenswert. Das Teil wirkt zuerst wie ein Historiendrama, ist aber etwas ganz anderes. Was? Bin mir nicht so sicher. PTA beweist einmal mehr seinen Sinn für skurrilen Humor. Die Bilder sind bis ins Letzte durchkomponiert, erinnern teils an Gemälde von Jan Vermeer. (Nur dass Daniel Day-Lewis manchmal im Hintergrund lautstark kotzt. (Das klingt jetzt grotesker als es ist.)) Ein bisschen habe ich mich mit Daniel in Vicky Krieps verliebt. Sie ist zum Niederknien unschuldig, aufmüpfig und manchmal seltsam gruselig. Es gab Szenen, da musste ich laut loslachen. Szenen, wo mich eine kalte Gänsehaut verfolgte. Szenen, an denen ich mich verwirrt am Kopf kratzte. Und schliesslich Szenen, die mich tief berührten. Das muss man erst alles in einem Film unterbringen, ohne dass er auseinander fällt oder verkrampft wirkt. Eine bestimmte Stelle war mir symbolisch "too much". Und zuweilen labern die Figuren zu abstrakt daher, als wollten sie dem Zuschauern erklären, was das Ganze eigentlich soll. Das hätt's gar nicht gebraucht. Trotzdem. Ein wunderbarer, eigenwilliger und subtiler Film. Er ist kunstvoll und beunruhigend, aber fernab vom Arthouse-Spektakel eines Giorgos Lanthimos (The Killing of a Sacred Deer). Gerne mehr davon, PTA. 9/10

PierrotLeFou

Auf den bin ich sehr gespannt. Anderson wird mich schon nicht enttäuschen; würde mich nicht wundern, wenn das mein Lieblingsfilm 2018 wird... :D
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

DisposableMiffy

Spoiler: zeige
Toxic Relationship: The Movie
  :icon_mrgreen:

Ich war angenehm überrascht. Nach dem einschläfernden Inherent Vice, dem betonfüßigen The Master und der nicht gerade interessant klingenden Prämisse hatte ich keine große Hoffnung, dass Anderson mich mit seinem neuen Werk erreichen würde. Hat er aber. Phantom Thread ist ein ganz feines Beziehungsdrama, das sehr viel unterhaltsamer ist als der Trailer den Anschein erweckte.

Day-Lewis, Vicky Krieps und Lesley Manville sind super in ihren Rollen, besonders Krieps ist auf Augenhöhe mit DDL, der seine Mitspieler ja gerne mal komplett in den Schatten stellt. Dass sie als einzige der drei keine Oscarnominierung bekommen hat, ist wieder mal typischer Academy-Hirnfurz.
letterboxd.com

Dumm geboren, nichts dazu gelernt und die Hälfte davon vergessen.

Hearing only what you wanna hear and knowing only what you've heard.

PierrotLeFou

9 Februar 2018, 02:53:29 #4 Letzte Bearbeitung: 9 Februar 2018, 02:59:31 von PierrotLeFou
Wird langsam unheimlich, aber Anderson dreht von seinem ersten Langfilm an pausenlos nur herausragend gute Filme wie Wyler oder Lumet zu ihren besten Zeiten... :icon_eek:

Greenwoods Soundtrack strudelt faszinierend vor sich hin, Kamerabewegungen werden nuanciert, aber mit viel Kunstfähigkeit eingesetzt, dieses manchmal etwas kammerspielartige period picture wird durch einen Alpen-Ausflug und ein Silvester-Fest mit unerwarteten, überwältigenden Schauwerten ausgestattet, ist aber auch ansonsten im Hinblick auf Kulisse, Kostüme und die ihre interessanten Figuren mit großer Konzentration verkörpernden Hauptdarsteller(innen) überaus sehenswert; selbst in Details bis hin zu in jahrelanger Arbeit zerstochene, aufgeraute Fingerkuppen. Zudem ist das nicht nur ein schönes Melodram oder ein wohliger Liebesfilm, sondern auch ein schöner Film über die Schwierigkeiten, sich anderen weitgehend anzunähern. Und erstaunlicherweise ist es nicht bloß der in festgefahrene Rituale versackte Mann, der sich nicht öffnen kann, sondern auch die weibliche Hauptfigur kann nicht aus ihrer Haut bzw. von ihrer Perspektive abweichen.

Interessanterweise passen der deutsche und der englische Titel gleichermaßen gut zur Handlung, eröffnen aber minimal abweichende Perspektiven: Deutet der DT mehr auf die Zerbrechlichkeit des nach Regelwerk zelerbierten Alltags der Hauptfigur hin, betont der OT eher die Macht der Einbildung (die solche Regelwerke erst erschafft, aber eben auch die Gedanken zB zur gespenstisch anwesenden, toten Mutter gleiten lässt...)

Tat richtig gut, einmal einen so sehr in sich selbst ruhenden, auf jugendliche Zielgruppen oder ein spektakelsüchtiges Massenpublikum scheißenden Film zu sehen, der erzählerisch und inszenatorisch weit über dem Durchschnitt liegt und noch ein wenig nachhallen wird. (Großartig bereits die erste Nahaufnahme der Frühstücks-Süßspeise, die erst noch assoziativ auf die Formverliebtheit der Figur hinweist, zugleich aber unterschwellig auf die durchaus gewichtige Rolle des Essens in diesem Film verweist...)
Würde den in Ecke mit ambitionierten, wenig anbiedernden Klassikern wie "Dodsworth" (1936) oder "Carrie" (1952) von Wyler ansiedeln... vor allem auch deshalb hat dieses period picture etwas herrlich altmodisches an sich (ohne rückständig zu wirken); einzig die ein wenig zu stark überzeichnete Kundin, welche ihr maßgefertigtes Kleid nicht verdient hat, übernimmt zugleich auch schwächen des klassischen (Hollywood-)Films, was aber kaum ins Gewicht fällt...
War eventuell der beste Kinofilm der letzten fünf Jahre... 10/10
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Butzemann

Bisher keinen Anderson-Film ausgelassen, jedoch interessiert mich das Thema/das Sujet mal so gar nicht.

Jedoch bin ich jetzt nach deiner (PierrotLeFou) Review schon fast gezwungen doch noch ins Kino zu gehen. Würde dahingehend nochmal eine Empfehlung haben wollen (vielleicht auch von Anderen). Kann man den Film trotzdem schauen, obwohl das Thema an einen vorbeigeht und mit welchen Filmen kann man diesen noch vergleichen?

Zum Beispiel hab ich mich lange schwer getan Barry Lyndon zu schauen, auch wegen dem historischen Kontext, der mich wenig ansprach, doch als ich ihn dann gesehen habe, war ich schwer begeistert und ab und zu schau ich ihn mir sogar nochmal an.
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PierrotLeFou

Zitat von: Butzemann am 24 Februar 2018, 01:19:29Zum Beispiel hab ich mich lange schwer getan Barry Lyndon zu schauen, auch wegen dem historischen Kontext, der mich wenig ansprach, doch als ich ihn dann gesehen habe, war ich schwer begeistert und ab und zu schau ich ihn mir sogar nochmal an.

Das ist witzig, ich hatte beim Gucken sogar zwischendrin kurz an "Barry Lyndon" denken müssen, obwohl die Filme eigentlich so gar nichts miteinander zu tun haben. (War eher so ein Brainstorming, bei dem mir qualitativ herausragende Werke durch den Kopf geschossen sind... erst Wyler, dessen "Dodsworth" und "Carrie" ich schon in eine sehr ähnliche Ecke stellen würde, dann auch Kubrick, weil der ja ebenfalls als so ein Nur-Meisterwerke-Filmer galt, als welche ich auch Anderson (und Villeneuve) derzeit im amerikanischen Raum betrachte... Und da kam dann der Lyndon als Historienfilm ins Spiel, den ich auch schon sehr gut (8-9/10) finde.)


Vergleichen würde ich "Phantom Thread" am ehesten mit Andersons "The Master", wobei "Phantom Thread" insgesamt etwas heiterer ist. Aber in beiden Fällen geht es im Grunde um leise Porträts der Hauptfiguren, die einen Wandel durchlaufen, der aber irgendwie recht zurückhaltend anmutet.

Russells "Women in Love" kam mir beim Schauen auch noch in den Sinn, aber das lag wohl bloß am Kulissenwechsel gegen Ende ins Wintersportgebiet und dem zentralen Beziehungsthema.

Aber diese ganzen period picture- oder heritage movie-Beziehungsmelodramen (Tess, Far From the Madding Crowd, Women in Love), die mir auf der Suche nach Vergleichen in den Sinn kommen, treffen es eigentlich nicht, weil "Phantom Thread" wesentlich ernster und konzentrierter anmutet - gleichwohl er sowohl amüsierte Figuren zulässt als auch ein paar Szenen zum Schmunzeln darbietet.
Aber er er umschifft halt die ganz große Emotionalität und bleibt trotzdem anrührend. Ist ein bisschen so, als würde man halt sowas wie "Tess" nehmen und mit einem vielleicht etwas prätentiös geruhsamen Carlos Reygadas ("Stellet Licht") mischen. (Die im Wahn gesehene Tote wird zB. so "unbeeindruckt" von der Kamera und der Montage behandelt, wie man das von "phantastischen" Momenten bei Reygadas oder Dreyer oder vielleicht auch noch bei Larraín kennt. Larraín passt als Vergleich auch ganz gut... "Phantom Thread" ist so ne Mischung aus James Ivory und Pablo Larraín... Nimm einfach die besten Aspekte von Ivory/Larraín/Kubrick/Scorsese/Wyler, garniert mit so einem Hauch gothic romance und einer Prise Humor... :icon_mrgreen:)
Und er mutet halt - anders als viele heritage movies - intimer und kammerspielartiger an...


Geh einfach rein, "Phantom Thread" ist in seiner Art so eigensinnig, da fällt ein treffender Vergleich wirklich schwer... Es ist zumindest trotz seines Themas kein sehr modischer Film, sondern einer, der ein ganz klassisches, aus der Mode gekommenes Kino anvisiert, es aber nicht kopiert. :D
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

manisimmati

Zitat von: Butzemann am 24 Februar 2018, 01:19:29
Kann man den Film trotzdem schauen, obwohl das Thema an einen vorbeigeht und mit welchen Filmen kann man diesen noch vergleichen?

Ich würde sagen, in diesem Fall ist das "Thema" (Schneiderei?) herzlich egal.
Der Film ist so viel mehr als sein historisches Setting.
Beim Schauen musste ich ein bisschen an PTAs eigenen Meisterstreich There Will Be Blood denken.
Finde die beiden Filme vom Ansatz her ganz ähnlich, wenn sie sich auch in der Ausführung stark unterscheiden.
Na ja. Vielleicht verbinde ich die Titel einfach deswegen, weil ich bei beiden denken musste: "Meine Fresse, ist das geil!" ;)

(Wenn ich schonmal hier bin, kurz noch ein schleichwerberischer Verweis auf meine Phantom Thread-Review auf Outnow.ch)

Butzemann

Ok, das reicht mir dann als Motivation ins Kino zu gehen, danke dafür Jungens  :respekt:
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