OFDb

Der deutsche Film

Begonnen von HenryChinaski, 7 Juli 2007, 02:08:12

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

Mr. Vincent Vega

Zitat von: Chili Palmer am  8 Juli 2007, 01:58:35
Nein, ich bin nicht stolz darauf, Deutscher zu sein.

Dankeschön, bitte weitermachen.  :icon_cool:

Ich begreife diese seltsame Floskel ja ohnehin nicht. Warum sollte ich stolz darauf sein, durch eine Fügung der Umstände, an denen ich in keiner Weise aktiv beteiligt war, eben hier geboren und aufgewachsen zu sein? Das ist doch keine Leistung, die Stolz erforderte. Ich kann allerhöchstens froh sein darüber, in einer Industrienation zu leben, Teil eines hohen Lebensniveaus zu sein, nur was in aller Welt hat das mit Stolz zu tun? Ich mag die deutsche Kultur, ich liebe Goethe, Schiller, Heine, Mann und Brecht, schätze Beethoven, Bach und Schubart, genieße Lang, Lubitsch und Ophuls, doch stolz bin ich höchstens auf mein Abitur, meine Freunde, mein partielles Wissen - schon gar nicht aber darauf, einer Nation anzugehören, deren Namen man nicht aussprechen kann, ohne sofort auf eine Distanzierung zum Dritten Reich hinweisen zu müssen, was so etwas wie Stolz ohnehin reichlich obskur erscheinen lässt, angesichts der enormen Verklemmtheit damit: Ich bin stolz, sagen zu können, stolz ein Deutscher zu sein, obwohl ich nichts mit dem, "was ein hirnloser Österreicher vor über einen halben Jahrhundert getan hat." (The Corvus) zu tun habe? Das soll es sein? Ist doch nicht euer Ernst?

Chili Palmer

Zitat von: McKenzie am  8 Juli 2007, 05:57:17
Nicht falsch verstehen: Ich bin kein Patriot, Nazi oder sonst etwas (Dinge, die man mit einer solchen Aussage sofort asoziiert).

Um Himmels Willen, ich wollte dir da auf keinen Fall etwas unterjubeln, sondern lediglich in einem Anfall von Kleinkariertheit dezidiert darstellen, dass meine bedingungslose Zustimmung zu deinem Posting doch nicht soo bedingungslos war.
Schwieriges Thema, nicht das Thema dieses Threads, weswegen ich die ganze Sache auch gleich mit einem entspannten Smiley und der Aufforderung "bitte weitermachen" zu einem Ende bringen wollte.
 
Darüberhinaus hat Mr. VV es sehr schön auf den Punkt gebracht.

Zitat von: The Corvus am  8 Juli 2007, 11:20:06
Das ist deine Sache. Aber geht es hier um den deutschen Film und der hat rein garnichts damit zu tun, wie stolz jemand auf sein Land/Nationalität.

Wie gesagt: Y Punto.  :icon_cool:

Wie auch immer, Bretzels Ansatz sollte hier unbedingt weiterverfolgt werden.  :respekt:

Fürs Erste fällt mir zum Beispiel "GoodFellas" nur ein, dass die traurige amerikanische Realität dort aber eben sehr glamourös aufbereitet und sicherlich nicht nur außerhalb Amerikas als Unterhaltung aufgefasst wurde. Scorsese arbeitet sich da zwar auf extrem künstlerische Weise an seinem Alltag ab, aber letztendlich erzielt sein Film denselben Effekt wie "Get Rich or die tryin'", bei dem sich die Macher auch von von vornherein bewusst waren, dass es sich bei ihrem Werk eigentlich um die traurige Abbildung des Ghettolebens handelt, der Film aber auf eine diesen Stoff als cool glorifizierende, minderjährige HipHop-Klientel abzielt statt auf Betroffenheits-Kopfschüttler.
Genau diese Zuschauergruppe kann es sich eben mit deutschen Filmen wie "Halbe Treppe" und "Junimond" gemütlich machen. Deutsches Kino kann schlichtweg Alltag und Entertainment nicht verbinden, und ob das nun ein großer Nach- oder der größte Vorteil ist, muss jeder für sich entscheiden.
Richtig interessant wird es vermutlich erst, wenn wir auf der Kinoleinwand Filme wie "Bushido: Haste was, biste was" oder "Die fabelhafte Welt des Sido" erblicken. Wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass die deutschen Feuilletons ausrasten würden: "Endlich mal deutsches Kino, das die Sprache der Jugend spricht!"
"I'm an actor, love, not a bloody rocket surgeon".

"Der Terminader is ja im Grunde so'n Kaiborch."

McKenzie

Man bemerke den Smilie hinter meinem "patriotischen Statement". Das war als Augenzwinkern gemeint. Ich finde es schön, in Deutschland zu leben und Deutscher zu sein, aber stolz bin ich nicht direkt darauf. Wie Mr. VV schon geschrieben hat: Ist ja keine Leistung.  ;)

Zitat von: Chili Palmer am  8 Juli 2007, 14:14:05
Um Himmels Willen, ich wollte dir da auf keinen Fall etwas unterjubeln, sondern lediglich in einem Anfall von Kleinkariertheit dezidiert darstellen, dass meine bedingungslose Zustimmung zu deinem Posting

So kennt man dich!  :icon_mrgreen:

Zitat von: Chili Palmer am  8 Juli 2007, 14:14:05
Wie auch immer, Bretzels Ansatz sollte hier unbedingt weiterverfolgt werden.  :respekt:

Es ist ja im Grunde der gleiche Ansatz wie der meinige. Nur das Udo das Problem scheinbar eher beim Publikum als wie ich bei Produzenten und Filmförderung sieht. Letztlich sind beide Faktoren aber gleichbedeutend. Auf jeden Fall sollte jeder, der das noch nicht getan hat, Bretzels Postings lesen.

Zitat von: Chili Palmer am  8 Juli 2007, 14:14:05
Richtig interessant wird es vermutlich erst, wenn wir auf der Kinoleinwand Filme wie "Bushido: Haste was, biste was" oder "Die fabelhafte Welt des Sido" erblicken. Wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass die deutschen Feuilletons ausrasten würden: "Endlich mal deutsches Kino, das die Sprache der Jugend spricht!"

:LOL:  :icon_eek:

Sonderlich utopisch ist diese Schreckens-Utopie nicht mehr... :icon_rolleyes:
ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

Akayuki

Zitat von: Joe Hallenbeck am  8 Juli 2007, 13:14:45
Naja so wie ich vieles sehe werde ich denke ich mal bei vielen auf Entsetzen stoßen...

..oder auf meine Zustimmung.
Umso gewitzter oder intellektueller der Stoff wirken soll, umso mehr geht das auch in der Regel nach hinten los. Dann doch lieber so ein wie von dir eben erwähnter Ballermann 6 ohne Niveau und Anspruch. Doch das es auch auf dieser Schiene nicht immer gut gehen kann zeigt folgendes "aktuelles" Beispiel:
Bei meinem gestrigen Kinobesuch durfte ich mir den Trailer zu dem mir noch unbekannten "Kein Bund fürs Leben" anschauen. Ich bin niemand der Bewertungen aufgrund von Trailern vornimmt, aber was ich da gesehen habe hat mir ja fast die Sprache verschlagen! Vollkommene psheudo-coolness und dümmliche Albernheiten stets getreu dem Motto: "Zicke zacke Jupphaidi, lustig ist die Infantrie". In einer Szene sieht man die Protagonisten im Schützenpanzer die Orts-Beschilderungen platt fahren, und dann bestellen die Jungs auch noch in dem Teil beim Burger King Drive-in. (Wow wie inovativ und lustig! Naja nicht wirklich...) Auch billige Musterungsklischees wie der berühmte "EKG" (Eier-Kontroll-Griff) oder die zwei aufgrund von Urinprobenfälschungen Schwangeren Kanidaten waren Bestandteil des Trailers. Nur die brennende US-Flagge die aufgrund einer Streiterei bei einem Fahnenappell entzündet wurde konnte mir ein leichtes Schmunzeln entlocken.

Und genau solche Filme sind für den schlechten Ruf der deutschen Komödien verantwortlich...


Original Zitat: "Ey Leute, Hard Boiled ist besser als Sex! Da hast du zwei Stunden pure Äckschen!"


HenryChinaski

Ich würde bei einem Bushido-Film ebenso abkotzen, wie bei "Halb Treppe".  :kotz:

Meiner Meinung nach hat der deutsche Film Minderwertigkeitskomplexe. Als ich mir im Frühjahr den Bayrischen Filmpreis im Fernsehen anguckte, ist mir immer wieder aufgefallen, dass sich der deutsche Film selber loben muss. Psychologisch gesehen ein "Schrei nach Liebe". Jeder redet von einer bemerkenswerten Entwicklung, von internationalen Hochkarätern, bla bla blub. Und solange die "Bosse" und die "Geldgeber" tatsächlich von sich und ihren Filmen überzeugt sind, wird auch kein Versuch unternommen, einen neuen Weg einzuschlagen.
Bei der geringen Auswahl an deutschen Kinofilmen und bei der Steifheit der Offiziellen, ist es auch kein Wunder, dass "Halbe Treppe" auf allen Preisverleihungen abgeräumt hat.

Aber mal ein anderes Thema: Versteht mich bitte nicht falsch! In Deutschland wird seit einiger Zeit eine heftige Debatte über Gewaltfilme und Ego-Shooter geführt. Fakt ist, dass der durchsnittliche junge Deutsche sich gerne mit fiktiver Gewalt auseinandersetzt. Nun frage ich mich, warum die Filmindustrie in Deutschland dieses Phänomen nicht ausnutzt und mehr Gewaltfilme in die Kinos bringt.
Und da sind wir wieder beim Hauptproblem angelangt: Der Staat, in Form von Fördergremien etc., hat zu viel Macht über die Filmindustrie. Der Staat lässt es gar nicht zu, dass das Kino eine ähnliche Entwicklung nimmt, wie die Musikindustrie. Die Musikindustrie ist unabhängig. Viele große Labels machen einen auf Trittbrettfahrer und signen die "Gettogangster"...und machen richtig Kohle damit.
Ob ich das nun so gut heißen würde, ist etwas anderes. Aber ich weiß nicht, was das schlimmere Übel ist.

Chili Palmer

Zitat von: McKenzie am  8 Juli 2007, 14:26:18
So kennt man dich!  :icon_mrgreen:

Yep. Und Kleinkariertheit ist auch seehr deutsch.  :king:

Zitat von: McKenzie am  8 Juli 2007, 14:26:18
Es ist ja im Grunde der gleiche Ansatz wie der meinige.

Now who´s being kleinkariert, eh?  :pidu:

Ist ja auch gut, dass wir alle mit unterschiedlicher Argumentation um dasselbe Zentrum kreisen, das hält den Thread frisch und eigenständig, und das ist wichtig, denn laut Hankey hätte er ja keinen Tag hier durchhalten können, bei all den anderen Threads zum Thema.
"I'm an actor, love, not a bloody rocket surgeon".

"Der Terminader is ja im Grunde so'n Kaiborch."

HenryChinaski

@2BerettaZKiller: Gerade das Thema Armee könnte man in Deutschland klasse behandeln. Habe neulich eine Dokumentation gesehen, über Soldaten, die in den Einsatzgebieten Kosovo und Afaghanistan stationiert waren und heute schwer traumatisiert sind. Ein klasse Filmstoff. Aber lieber dreht man einen schwachsinnigen Film über die Grundausbildung.

True Lies

Zitat von: McKenzie am  8 Juli 2007, 13:16:04
Das kann doch nicht dein Ernst sein? Je höher das Budget, desto besser der Film, oder wie?  :icon_rolleyes:

Abgesehen davon das die meisten deutschen Großproduktionen entweder Kindergarten (Blödelklamotten) oder amerikaorientierter Schund sind.

Natürlich ist ein hohes Budget keine Garantie für einen guten Film, aber es gibt den Machern einfach mehr Möglichkeiten.
Ich will nicht wissen, wieviel deutsche Filme nicht so umgesetzt werden können, wie gewollt, weil einfach kein Geld vorhanden ist.

The Corvus

Zitat von: True Lies am  8 Juli 2007, 17:09:44
Natürlich ist ein hohes Budget keine Garantie für einen guten Film, aber es gibt den Machern einfach mehr Möglichkeiten.
Ich will nicht wissen, wieviel deutsche Filme nicht so umgesetzt werden können, wie gewollt, weil einfach kein Geld vorhanden ist.

Glaub mir, das dürften eine Menge sein. Musste bei meinem letzten Film jeden Euro verteidigen als ich das Kalkulationsgespräch hatte. Aber durch ein tolles Team und jeder Menge Unterstützung durch unsere liebe,nette Casterin, entstand trotzdem ein toller Film. Also, man kann das selbe Ergebnis mit weniger Budget, aber dafür mit mehr Engagement und Durchsetzungsvermögen erzeugen.

StillerMux

Von welchem Film sprichst Du denn?

Crumby Crumb & the Cunty Bunch

'Are you talkin' to me? You talkin' to me?' - Raging Bull, Pacino. Love that movie!

The Corvus

Ja,genau.  :icon_lol:Wir haben um jeden Euro gekämpft.

ääääh, back to topic! Wenn man sich als Regisseur wirklich für einen Stoff interessiert und reinhängt, dann kommt auch was anständiges bei raus. Da spielt es keine Rolle aus welchem Land der Film kommt und wie viel Geld er gekostet hat. Klar ist irgendwann die Grenze erreicht wo man Qualiätseinbußen hinnehmen muss, aber ein gutes Drehbuch, gute Darsteller und eine gute Auflösung, statt einer teuren Auflösung, führen auch zu einem guten Film.

"Eine geniale Optik macht einen Film nicht besser, nur interessanter!" :respekt:

StillerMux

Gibts das Endprodukt denn mal zu sehen?

The Corvus

Sobald die Musik fertig komponiert ist!

Akayuki

Wirklich interessant. In welche Richtung soll denn die Musik gehen?
Original Zitat: "Ey Leute, Hard Boiled ist besser als Sex! Da hast du zwei Stunden pure Äckschen!"


Floppy

Das meiste wurde hier schon geschrieben. Besonders diese "Doku-Optik" bei deutschen Filmen geht mir auf den Sack. Da kann man als Regisseur und Kameramann ja mal so richtig die Sau rauslassen  :wallbash: Ist ja auch kein Wunder wenn man solche Vorgagen siehe Sat.1 hat.Und immer diese "Mann, was sind wir doch intelligent" Mentalität nur weil man ein Drama nach dem anderen drehen kann. Ok, Deutschland ist ein kleines Land wo die Filmindustrie schon sehr genau schauen muss wo das Geld hineingesteckt wird. Aber wer fragt eigentlich die Konsumenten ob sie immer und immer wieder die drei berühmten deutschen Genre "K"s (Komödie/Krimi/Kitsch) sehen will? Die Zielgruppe kann doch nur irgendwas zwischen 40 und 100 sein. Ok, die jüngeren werden noch mit Bully, wilden Kerle etc. bedient. Aber das war es dann auch. Deutschland braucht wirlich Filmemacher, die sich auch etwas trauen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, das diese kleine Genre-Sparte der Wunsch eines jeden Filmemachers ist.
Gruß Floppy

Ich würde gern mein Plüschköpfchen in Dein Riesenmilchgebirge betten. Und dort bis ans Ende meiner Tage in Glück und Zufriedenheit wohnen. Ich bete, daß ich mal Deine Titten knete. (Floppy in einem Liebesbrief an Pamela Anderson)

HenryChinaski

9 Juli 2007, 19:51:44 #46 Letzte Bearbeitung: 9 Juli 2007, 23:30:48 von HenryChinaski
Ich habe nicht damit gerechnet, dass die Beiträge so einseitig sind. Sicherlich gibt es diverse Unterschiede in den jeweiligen Postings, aber im Großen und Ganzen kann man doch sagen, dass hier eher eine negative Stimmung gegenüber dem deutschen Film herrscht.

Mich verwundert es, weil ich in meinem Bekanntenkreis der Einzige bin, der diese Einstellung vertritt.

Sicherlich kann man die Meinungen von ein paar "Freaks", wie euch,  :icon_smile: nicht verallgemeinern, darum wäre ich mal an ein paar  Beiträgen, die den deutschen Film für gut heißen, interessiert. 

Fastmachine

Zitat von: Floppy am  9 Juli 2007, 19:20:32
Das meiste wurde hier schon geschrieben. Besonders diese "Doku-Optik" bei deutschen Filmen geht mir auf den Sack. Da kann man als Regisseur und Kameramann ja mal so richtig die Sau rauslassen  :wallbash: Ist ja auch kein Wunder wenn man solche Vorgagen siehe Sat.1 hat.

Und immer diese "Mann, was sind wir doch intelligent" Mentalität nur weil man ein Drama nach dem anderen drehen kann. Ok, Deutschland ist ein kleines Land wo die Filmindustrie schon sehr genau schauen muss wo das Geld hineingesteckt wird. Aber wer fragt eigentlich die Konsumenten ob sie immer und immer wieder die drei berühmten deutschen Genre "K"s (Komödie/Krimi/Kitsch) sehen will?

Das hat nix mit "deutschen Regisseuren" zu tun. Es geht ums Geld, nur ums Geld. Was Du anscheinend willst- Action, Thriller, sprich Blockbuster von internationalem Format - kostet heute locker das zehnfache, als selbst für große deutsche Produktionen aufgebracht wird. Wer 100 Millionen in einen Film steckt, muss ihn international vermarkten können, um sein Geld plus Rendite zurück zu bekommen. Deutsche Filme sind aber nur in seltenen Ausnahmefällen derartig international vermarktbar.

Es liegt auch nicht am "fehlenden Geld" hierzulande - wir sind immer noch eines der reichsten Länder der Erde-, sondern ebenfalls daran, dass auch deutsche Investoren Geld verdienen wollen. Und also ihr Geld in amerikanische Filme stecken.

Wolfgang Petersen und Roland Emmerich hätten ihre Mainstream-Blockbuster niemals hierzulande finanziert bekommen.

Ein weiters Problem für die internationale Vermarktung ist die mangelnde internationale Zugkräftigkeit deutscher "Stars", die international bestenfalls mal eine Rolle als 2. Geige bekommen. Die deutschen Schauspieler sind gewiss nicht schlechter, nur können sie nicht vom Kino leben, sondern müssen in jeder TV-Produktion mitkaspern. Durch den ständigen Einsatz im TV-Alltagstrott haben bei weitem nicht den Nimbus der amerikanischen Kinostars, die eben nicht vom TV leben müssen. Übrigens hatte der deutsche Film bis in die 1950er/60er Jahre aus genau diesem Grund, nämlich der Exklusivität der Stars nur fürs Kino, auch noch echte Leinwandhelden.


ZitatDeutschland braucht wirlich Filmemacher, die sich auch etwas trauen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, das diese kleine Genre-Sparte der Wunsch eines jeden Filmemachers ist.

Wunsch und finanzielle Realität sind zwei Dinge.
Ich mag keine Filme; die verblöden nur. (Alfons d. Ä.)

HenryChinaski

Na ja, auch Amerika zeigt immer wieder, dass man gute Filme mit wenig Geld machen kann...und das mit jungen, unbekannten Darstellern. Nur leider sind es häufig "Experimentalfilme", die hier in Deutschland kein Geld bekommen würden. Hier geht man lieber den sicheren Weg.
Ich will es jetzt aber nicht veralgemeinern. Die Filmemacher in Amerika haben gleiche Probleme, wie die deutschen. Der gravierende Unterschied ist aber, dass es in Amerika x Mal so viele Produktionsfirmen gibt und man dort nicht auf staatliche Finanzierung abhängig ist. Irgendwann finden die Autoren und Regisseure dort schon eine Produktionsfirma. Hier in Deutschland ist der Markt schnell abgegrast. Wenn man dann seine Idee nicht an den Mann gebracht hat, kann man sie nur generalüberholen oder vergessen.

Bretzelburger

9 Juli 2007, 22:53:46 #49 Letzte Bearbeitung: 9 Juli 2007, 22:55:54 von Bretzelburger
Zitat von: HenryChinaski am  9 Juli 2007, 19:51:44
Ich habe nicht damit gerechnet, dass die Beiträge so einseitig sind. Sicherlich gibt es diverse Unterschiede in den jeweiligen Postings, aber im Großen und Ganzen kann man doch sagen, dass hier eher eine negative Stimmung gegenüber dem deutschen Film herrscht.

Mich verwundert es, weil ich in meinem Bekanntenkreis der Einzige bin, der diese Einstellung vertritt.

Sicherlich kann man die Meinungen von ein paar "Freaks", als euch,  :icon_smile: nicht verallgemeinern, darum wäre ich mal an ein paar  Beiträgen, die den deutschen Film für gut heißen, interessiert. 

Ich denke ,dass ich mich schon mehrfach positiv mit dem deutschen Film befasst habe, aber ich muß feststellen, daß sich fast Niemand wirklich auf eine argumentative Diskussion einlässt, sondern hier größtenteils pauschale Kritiken, übliche Vorurteile oder unrealistische Forderungen (nach sogenannten Blockbustern) abgesondert werden.

Dabei machen diese Großproduktionen nur einen winzigen Prozentsatz der gesamten Filme, die alleine Hollywood herausbringt, aus. Komischerweise werden aber immer diese Produktionen, die künstlerisch zumindest fragwürdig sind, aber natürlich den Massengeschmack treffen, herangezogen.

Dazu werden immer wieder zwei negative Kritikpunkte wiederholt, die sich völlig widersprechen. Zum Einen wird beklagt, daß in Deutschland immer intellektuelle oder zumindest an der Realität orientierte Filme gedreht werden, die die Meisten hier schlicht langweilen. Zum Anderen heißt es immer, die Produzenten denken vor allem daran, wie sie möglichst gewinnbringend ihr Geld anlegen (was dann zu üblichen Klamaukfilmen führt).

Na, was denn nun ? - Ohne zu tief in die Materie Einblick zu haben, möchte ich behaupten, dass sich die meisten Produzenten schon Gedanken machen, was mit ihrem Geld passiert. Und auch entsprechend den Markt sondieren. Und stellt man dann eben fest, dass man mit einem "Werner"-Zeichentrickfilm, Bully-Filmen oder der zigsten Komödie den besten Umsatz macht - so wie früher ein Peter Alexander-Film nach dem anderen auf den Markt geworfen wurde - dann wird er entsprechend umgesetzt. Nur sehe ich die Ursache hier eher beim Publikum als bei den Machern.

Und so sehr dann hier diese stumpfsinnige Politik beklagt wird, so sehr rümpft man hier eben auch die Nase über "Elbe" oder "Du bist nicht allein" als langweilige Realo-Filme. Dabei wird hier in künstlerischer Hinsicht etwas riskiert und mit kleinem Budget eine Menge geleistet. Wie übrigens auch bei vielen amerikanischen Filmen, die wir hier aus dem selben Grund fast nie zu Gesicht bekommen.

Im Grunde ist die gesamte Diskussion über den "deutschen Film" völlig müßig, weil sie eigentlich heißen müßte "warum kann der deutsche Film nicht so populäre Filme machen wie die in Hollywood?". Das kann er in dieser Professionalität tatsächlich nicht und es stellt sich die Frage, warum er es tuen sollte. Noch mehr Blockbuster-Filme ? - Tatsächlich ist es doch schlau, ein Gegengewicht aufzubauen und nicht Hollywood imitieren zu wollen. Früher - zu Faßbenders Zeiten - war der deutsche Film wirklich eine Alternative, die zum Beispiel in Ländern wie Frankreich einen grossen Fankreis hatte (größer als bei uns).Aber genau die Kritik, die auch hier geübt wird (und die sich auch an den Kinokassen zeigt), hat dazu geführt, dass tatsächlich kaum noch Jemand etwas wagt. Aber wenn er das tut, wird er gnadenlos abgestraft.

Und wenn hier etwas von "Wagen" steht, dann ist damit nur gemeint, endlich mal ein großes Budget zu verprassen und Hollywood auf seinem ureigensten Gebiet Konkurrenz zu machen - für den nächsten ultimativen Block-Buster...

McKenzie

Zitat von: Bretzelburger am  9 Juli 2007, 22:53:46
Ich denke ,dass ich mich schon mehrfach positiv mit dem deutschen Film befasst habe, aber ich muß feststellen, daß sich fast Niemand wirklich auf eine argumentative Diskussion einlässt, sondern hier größtenteils pauschale Kritiken, übliche Vorurteile oder unrealistische Forderungen (nach sogenannten Blockbustern) abgesondert werden.

Und ich glaube nicht mal das ein deutscher Blockbuster hier gut ankommen würde... :icon_rolleyes: Es ist ja dann immer noch ein deutscher Film...

Zitat von: Bretzelburger am  9 Juli 2007, 22:53:46
Und so sehr dann hier diese stumpfsinnige Politik beklagt wird, so sehr rümpft man hier eben auch die Nase über "Elbe" oder "Du bist nicht allein" als langweilige Realo-Filme. Dabei wird hier in künstlerischer Hinsicht etwas riskiert und mit kleinem Budget eine Menge geleistet. Wie übrigens auch bei vielen amerikanischen Filmen, die wir hier aus dem selben Grund fast nie zu Gesicht bekommen.

Im Grunde ist die gesamte Diskussion über den "deutschen Film" völlig müßig, weil sie eigentlich heißen müßte "warum kann der deutsche Film nicht so populäre Filme machen wie die in Hollywood?". Das kann er in dieser Professionalität tatsächlich nicht und es stellt sich die Frage, warum er es tuen sollte. Noch mehr Blockbuster-Filme ? - Tatsächlich ist es doch schlau, ein Gegengewicht aufzubauen und nicht Hollywood imitieren zu wollen. Früher - zu Faßbenders Zeiten - war der deutsche Film wirklich eine Alternative, die zum Beispiel in Ländern wie Frankreich einen grossen Fankreis hatte (größer als bei uns).Aber genau die Kritik, die auch hier geübt wird (und die sich auch an den Kinokassen zeigt), hat dazu geführt, dass tatsächlich kaum noch Jemand etwas wagt. Aber wenn er das tut, wird er gnadenlos abgestraft.

Und wenn hier etwas von "Wagen" steht, dann ist damit nur gemeint, endlich mal ein großes Budget zu verprassen und Hollywood auf seinem ureigensten Gebiet Konkurrenz zu machen - für den nächsten ultimativen Block-Buster...

Nachvollziehbar, aber: Siehst du nicht auch das Problem darin, das es zwischen dem fiktiven Dumpfbackenkino und den realistisch ausgerichteten Filmen (vornehmlich Dramen) zuwenige Alternativen gibt? Oder, um es anders zu formulieren: Das der aktuelle deutsche Kinofilm den Zuschauer zwingt, sich entweder dem "Anspruch" (um ihn so platt zu umschreiben) oder dem Kindergarten auszusetzen und ihm keine anderen Nischen bietet?

Die Trennung in U (nterhaltung) und E (rnst) wird in Deutschland ebenso wie im Kino auch in der Musik sehr radikal und mit beinahe schon infantiler Konsequenz und Sturheit vollzogen. Und das scheint ein typisch deutsches Problem zu sein und hier ist die mangelnde Vielfalt des deutschen Films dann doch wieder auf das Publikum zurückzuführen.
ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

HenryChinaski

Ein nicht zu verachtendes Argument ist auch noch das Folgende:

Der durchschnittliche Kinobesucher geht lieber in einen Blockbuster und weiß, was ihn erwartet. Für 8,50 Euro geht man nur ungerne ein Risiko ein. Wir sehen ja gerade bei Senator, dass es einfacher ist, die deutschen Rechte für Death Proof zu kaufen, als Geld in eigene Produktionen zu stecken (nicht das sie das gar nicht tun würden). Viele "nicht kommerzielle" Filme fruchten in Deutschland erst auf DVD. Aber auch wenn die DVD viel Geld bringt, hilft es einen nicht wirklich weiter, wenn man keine Kinoeinnahmen verbuchen konnte.
Und die amerikanischen Produktionen, ob groß oder klein, haben den Vorteil, dass sie auf der ganzen Welt geschaut werden und dementsprechend Kohle machen. Den heimischen Markt von 250.000.000 potentiellen Zuschauern mal außen vor gelassen.

Bretzelburger

Zitat von: McKenzie am  9 Juli 2007, 23:29:30
Nachvollziehbar, aber: Siehst du nicht auch das Problem darin, das es zwischen dem fiktiven Dumpfbackenkino und den realistisch ausgerichteten Filmen (vornehmlich Dramen) zuwenige Alternativen gibt? Oder, um es anders zu formulieren: Das der aktuelle deutsche Kinofilm den Zuschauer zwingt, sich entweder dem "Anspruch" (um ihn so platt zu umschreiben) oder dem Kindergarten auszusetzen und ihm keine anderen Nischen bietet?

Die Trennung in U (nterhaltung) und E (rnst) wird in Deutschland ebenso wie im Kino auch in der Musik sehr radikal und mit beinahe schon infantiler Konsequenz und Sturheit vollzogen. Und das scheint ein typisch deutsches Problem zu sein und hier ist die mangelnde Vielfalt des deutschen Films dann doch wieder auf das Publikum zurückzuführen.

Aber einige versuchen es doch. So ist zum Beispiel "Du bist nicht allein" auch ein komödiantisches Märchen, ohne ins Infantile abzugleiten und die Realität aus dem Auge zu verlieren. Und das gerade von mir gesehene "Video Kings" ist zwar auch ein ziemlich alberner Film, aber genau in seinen charakterlichen Schilderungen. Für mich wesentlich komischer als etwa "Neues vom Wixxer", der ein viel größeres Budget hatte.

Ich finde die Trennung nach E und U auch völlig blöd, aber man muß sich fragen, wie die Grauzone aussieht. Ein Film wie "Rote Sonne" hat sicherlich mit beidem nichts zu tun, brauchte aber auch Jahre, um anerkannt zu werden , und steht selbst in meiner seriösen Videothek "Phase 4" in der Trashecke. Da fällt einem fast nichts mehr zu ein...

Seemops

Deutschland ist es sehr gewohnt, dass deutsche Filme eher rar sind. Wenn man sich das aktuelle Kinoprogramm anschaut und nicht gerade in einer Großstadt lebt, die viele, unterschiedliche Kinos hat, dann sind us-amerikanische Filme die Regel. Da gehen kleine, aber feine deutsche Filme einfach unter. Und der Markt braucht da auch nicht das, was us-amerikanische eh schon bietet. Im Zweifelsfall gehen die Deutschen lieber in amerikanische Filme, sie sind es gewohnt.
Das liegt einfach daran, dass man nicht genügend darauf geachtet hat, dass der Markt hier noch von den Amerikaner überschwemmt wird.
Ich habe schon den einen oder anderen guten deutschen Film gesehen, allerdings eher im Fernsehen, weil ich ihn im Kino wahrscheinlich nicht zu sehen bekommen hätte. Sie sind durchaus den amerikanischen vorzuziehen, immerhin gehen sie an die Sache anders ran, z.b. mit weniger Pathos und Patriotismus, was durchaus ganz angenehmn ist.
"Ford - ich glaube, ich bin ein Sofa!"

McFly

10 Juli 2007, 00:14:39 #54 Letzte Bearbeitung: 10 Juli 2007, 00:18:53 von McFly
Zitat von: Bretzelburger am  9 Juli 2007, 23:48:53
Ich finde die Trennung nach E und U auch völlig blöd, aber man muß sich fragen, wie die Grauzone aussieht.

Wiegesagt, eines der Paradebeispiele ist für mich Tykwer's Lola rennt. In der IMDB auf Platz 177 der besten Filme. Und abgesehen davon, dass er bei den Massen ankam war er filmtechnisch genial. Die durchgehende Hommage an High Noon, die Erzählweise, Comic-Elemente, etc.

Und hier kann man wieder beim Budget ansetzen. Der Film funktioniert so schon wunderbar aber man merkt dem Film nunmal an, dass er "nur" ein Budget von ca. 1,8 Mio Euro hatte. Stellt euch diesen so schon genialen Film mal mit nem Hollywood-Budget vor. ;)

Seemops

@McFly: Inwiefern ist denn Lola rennt ein Beispiel für die Grauzone zwischen E und U?
"Ford - ich glaube, ich bin ein Sofa!"

Fräulein millas Gespür für den Flush

10 Juli 2007, 00:30:53 #56 Letzte Bearbeitung: 10 Juli 2007, 00:32:34 von milla2201
Zitat von: McFly am 10 Juli 2007, 00:14:39
Wiegesagt, eines der Paradebeispiele ist für mich Tykwer's Lola rennt. In der IMDB auf Platz 177 der besten Filme. Und abgesehen davon, dass er bei den Massen ankam war er filmtechnisch genial. Die durchgehende Hommage an High Noon, die Erzählweise, Comic-Elemente, etc.

Und hier kann man wieder beim Budget ansetzen. Der Film funktioniert so schon wunderbar aber man merkt dem Film nunmal an, dass er "nur" ein Budget von ca. 1,8 Mio Euro hatte. Stellt euch diesen so schon genialen Film mal mit nem Hollywood-Budget vor. ;)

Und genau das ist es. Das ist der kommerziellste/mainstreamigste Tykwer (Das Parfüm mal nicht mitgerechnet). Da gefallen mir fast alle anderen besser.

Ich muss mich auch als Freund des deutschen Films outen. Platte Komödien gibt es genug aus Deutschland, ja. Aber 95% aller Komödien aus USA sind ja noch viel schlimmer. Und da ist es mir wesentlich lieber, wenn sie in meinem Umfeld spielen.

"Anspruchsvolle" bzw. intelligente Filme gibt es prozentual gesehen genug in Deutschland, wenn man mal richtig schaut. Wenn man mal sieht, was die USA an Filmen im Jahr produziert und wieviele Deutschland, dann sind prozentual in Deutschland meiner Meinung nach aber mehr dabei, was keine "Schema F"-Nummer ist.

Klar, die großen Blockbuster darf man hier nicht erwarten, dafür fehlt einfach das Geld. Aber die meisten davon will ich sowieso nicht sehen.

Wir haben eine Bekannte, die sogar offen zugibt, das Ihr bestimmte Filme deshalb nicht gefallen, weil es deutsche Filme sind. Das ist das einzige Argument ! Da fällt mir echt nix mehr zu ein  :doof:. OK, vielleicht hat sie aber auch noch ein anderes Problem, denn ich wurde beschimpft, nachdem ich ihr Donnie Darko geliehen hatte und ich solle ihr doch bitte den Film erklären  :LOL:

Aber das zeigt es halt auch, worauf die meisten mittlerweile konditioniert sind. Hirn aus, Film rein ... und wenn es gut läuft schaltet man das Hirn nachher auch wieder ein. Und das können die Amerikaner sehr, sehr gut bedienen.

Wenn ich nach Asien schaue ist das was anderes, aber das wir "schlechter" sind als das was aus Dummland rüberkommt, dagegen möchte ich mich doch wehren.
"Ist denn die ganze Welt verrückt geworden? Bin ich denn hier der einzige Idiot, dem Regeln noch was bedeuten?"

Zitat von: Dr. Sigi Fraud
Ich habe den Rassismus endgültig besiegt.

StillerMux

Zitat von: Seemops am 10 Juli 2007, 00:19:53
@McFly: Inwiefern ist denn Lola rennt ein Beispiel für die Grauzone zwischen E und U?

Ein gute Beispiel finde ich - immerhin wird dort Unterhaltung mit ein wenig Anspruch garniert und schon ist man weg vom plumpen Klamauk oder dem ach so schlauen 90minüter. Aber ich nannte ja oben auch schon andere Beispiele, bei denen ich finde, dass wir uns in genau diesem Fahrwasser zwischen den hier so oft geschilderten Extremen befinden. (Hier noch ein paar weitere Beispiele, die Geschmacksache sind, denen man aber nicht die hier ständig wiederholten Vorwürfe maachen kann: 'Ne günstige Gelegenheit, Abwärts, Bang Boom Bang, Basta, Das Experiment, Jetzt oder nie, Kaliber Deluxe, Lammbock...)

Ich persönlich mag die beiden Extreme auch nicht, finde es aber gut, dass diese Schiene bedient wird, da es einfach diveres Leute gibt, die sich das gerne anschauen. Und der deutsche Klamauk ist keinen Deut schlechter als der Amerikanische. Harte Jungs oder American Pie - das ist doch austauschbar.
Und von den "interlektuellen" amerikanischen Filmen bekommen wir sicher auch vieles nicht mit, weil sich die Veröffentlichung auf dem deutschen Markt wirtschaftlich nicht lohnt. Manchmal klappts aber doch. Z.B. bei Dogtown, den ich in dieser Kategorie einordnen würde.

Ergebnis meiner Ausführungen soll sein, der deutsche Film ist besser als er hier dargestellt wird und er hat in seinen Ausprägungen auch durchaus seine Berechtigung.

Adam Kesher

10 Juli 2007, 15:13:48 #58 Letzte Bearbeitung: 10 Juli 2007, 15:16:20 von Adam Kesher
In meinen Augen lässt sich das Problem des deutschen Gegenwartsfilms auf ein einfaches Schlagwort reduzieren: Fantasiefeindlichkeit. Damit meine ich nicht Einfallslosigkeit, sondern die Abneigung gegen Fantastisches, Mythisches, Märchenhaftes, Sinnbildliches. Und diese Abneigung zeichnet sich ironischerweise sowohl in jenen Filmen ab, die dem Gebot folgen, wie auch in jenen Filmen, die sich ihm widersetzen, denn während der akribische Realitätsrekonstruktionswahn im angeblich anspruchsvollen Kino gefeiert wird, muss sich das Fantastische - wenn es denn einmal zugelassen wird - im eskapistischen Blödel- oder Zerstreuungskino belächeln lassen, als würde es zu mehr nicht taugen. Das Fantastische wird entweder gemieden oder entwertet.

Der Grund für die Privilegierung der Realitätsrekonstrukion vor der Wirklichkeitsspiegelung liegt meines Erachtens - da folge ich Chili Palmers überaus treffender Analyse - in unverarbeiteten Faschismus-Ängsten, die uns wie ein Teufel im Nacken sitzen und in einem krankhaften Maße zu Sachlichkeit, Faktentreue und Objektivität antreiben, als könnten wir damit den kleinen Nazi in unserem Inneren, den wir so sehr fürchten, bannen. Es ist sicherlich kein Zufall, dass deutsche Filme über Faschismus vor historischer Akribie nur so strotzen, während ausländische Filme viel freier - und auch befreiender, weil entzaubernder - mit dem Thema umgehen - man denke nur an so unterschiedliche Filme wie "Salon Kitty", "Die 120 Tage von Sodom" oder "Vaterland".

Als Ventil für den Druck, den die unaufhörliche Realitätsabbildungsbeflissenheit aufbaut, muss dann das sinnfreie Zerstreuungskino herhalten, das in Deutschland zu einem überproportional hohen Maße aus Parodien besteht. Für gewöhnlich erfüllt die Parodie den Zweck, das Seriöse vor der Verbissenheit zu bewahren. Doch worüber blödeln wir? Über Winnetou und Raumschiff Enterprise, über Edgar Wallace und Katastrophenfilme. Die eine Hälfte besteht aus unserem eigenen Ablenkungskino, die andere aus Stoffen, die nicht einmal unserem eigenen Kulturkreis entstammen. Das ist schon ein starkes Stück, dass wir uns tatsächlich über amerikanische Science-Fiction und internationale Katastrophenfilme lustig zu machen trauen, ohne je selbst etwas Nennenswertes in diesen Bereichen geleistet zu haben. Unsere eigenen Erzähldefizite halten uns nicht davon ab, über die Versuche anderer Nationen herzuziehen. Wir parodieren, ohne selbst je die dafür erforderliche Ernsthaftigkeit an den Tag gelegt zu haben, lenken uns von Themen ab, die entweder harmlos sind oder denen wir selbst nie ins Auge gesehen haben. Selbst Dani Levy muss sicherheitshalber schon in der Vorschau seines Führer-Schwanks mit ins Bild gehaltenen Filmklappen dem Publikum einschärfen, dass es sich um einen Film handelt und nicht um eine Historienschau. Gar nicht auszudenken, was passieren würde, wenn die historische Ungenauigkeit nicht sorgfältig etikettiert würde!

Kein Filmemacher, der noch bei Trost ist, käme in Deutschland auf die Idee, seine Gedanken zu Gefängnis und Strafvollzug so zu formulieren, wie Brian Yuzna es in "Beyond Re-Animator" tut oder Ringo Lam in "In Hell - Rage Unleashed". Ebensowenig würde man es für seriös halten, den brodelnden Geschlechterkampf in eine Filmgattung wie den Giallo zu verarbeiten, denn dahinter steckt mehr Unterbewusstes als sorgfältig Ausgetüfteltes. Oder die Angst vor Propaganda, Korruption und moralischer Automatisierung in einen Film wie "Robocop". (Ich nenne Titel aus dem Bereich des Sensationskinos, weil ich mich damit einigermaßen auskenne, nicht weil es nicht andernorts ebenso nennenswerte Beispiele gäbe.) Unsere antrainierte Abneigung gegen derlei Vermischung von Unterhaltung und Anspruch geht soweit, dass wir sogar Mühe haben, solchen Filmen ihre Bedeutungstiefe überhaupt zuzugestehen. Die Vorstellung, dass es produktiv sein kann, dem Publikum die Beschäftigung mit unangenehmen Themen angenehm zu machen, ist uns zuwider. Ernsthaftigkeit hat gefälligst anstrengend zu sein und Unterhaltung bitteschön nicht gedanklich anregend, sonst könnte man das eine versehentlich mit dem anderen verwechseln. Em Ende käme es noch so weit, dass das Publikum den Film "falsch" guckt, nämlich allein um der Zerstreuung willen und ohne die Botschaft zu würdigen, als ob es ein Unfall wäre, wenn Zerstreuungsfreudige und Themenbeflissene im selben Kinosaal glücklich würden - übrigens doch die beste Ausgangsbasis, um den einen für die Freuden des anderen zu interessieren, denn so wird ersterer nicht weltvergessen und letzterer nicht problemverbissen.

Mit Geldmitteln hat all das meines Erachtens wenig zu tun, wie man vielleicht an den zum Teil preiswert produzierten Beispielen, die ich eben angeführt habe, ersehen kann, sehr viel dafür aber mit den weit verbreiteten Ängsten, die die hiesige Branche im Würgegriff halten, Ängsten vor anspruchvsoller Unterhaltung, ungebremsten Gefühlsoffenbarungen und sinnlichen und sinnbildlichen Spiegelungen, in Summe der großen Überangst, etwas falsch zu machen. Ich meine, das deutsche Kino krankt daran, den Ernst zu ernst zu nehmen und den Spaß nicht ernst genug. Das eine führt zu uneinlösbarer und unaushaltbarer Wahrheitsbesessenheit, das andere zu kurzfristiger Weltverdrängung, die uns nach dem Verlassen des Kinosaals die Last der ungelösten Probleme nur umso deutlicher zu spüren gibt. Daran kann man nur verrückt werden.

Mr. Vincent Vega

Da kann man wirklich nichts mehr hinzufügen, was für eine Einschätzung!

TinyPortal 2.0.0 © 2005-2020