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Enter The Void - Kritik, Erfahung?

Begonnen von N-WoE, 6 September 2010, 12:34:44

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PierrotLeFou

Zitat von: Captain_Chaos.ONE am 28 Februar 2011, 02:42:21
Ist eigentlich schon jemandem aufgefallen, dass die großartigen Openingcredits eigentlich eine Hommage an Godards "Eine Frau ist eine Frau" sind?  :respekt:

Die Verbindung zu genau diesem Godard hätte ich jetzt wohl ohne Hinweis nicht gezogen, allerdings hatte ich schon bei "Seul contre tous" und "Irreversible" während der Credits Godard im Hinterköpfchen... Noe macht zumindest neben Godard einfach die schönsten Credits :love: :love: :love:
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

Mr. Hankey

Gestern endlich mal wieder gesehen und ich bleib bei meinen 10 Punkten. Der Film ist einfach ein grandioser Trip, voller abgefahrener Ideen von Anfang bis Ende und das auch ohne Drogenkonsum! :icon_mrgreen:
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Mr. Blonde

2 März 2011, 03:48:54 #32 Letzte Bearbeitung: 2 März 2011, 03:54:08 von Mr. Blonde
Ich will es mal so formulieren:

Gaspar Noe hat es einfach raus, unerträgliche Filme zu fabrizieren, die trotzdem unheimlich faszinierend und stilistisch umwerfend sind. Enter the Void war mir zwar eine Spur zu lang, aber wer sagt, dass eine außerkörperliche Erfahrung angenehm ist? Eine Zweitsichtung wird es auf jeden Fall geben, zumal ich mich auch gerade mit entsprechender Literatur (Raymond A. Moody) befassen muss.

Ich hatte übrigens tatsächlich versucht, mir den Film im Rauschzustand anzugucken, aber ganz schnell bemerkt, dass dies nicht im Interesse des Films liegt, da dieser ja eindeutig einen "Trip" vorgibt, den man nüchtern miterleben sollte - so unverfälscht wie möglich. Für alles andere gibt es "Rambo 4" oder "Fear and Loathing in Las Vegas".

Und die Opening-Credits haben mich weggefegt.  :icon_eek: Kommen mit neuem Heimkinosystem bestimmt noch intensiver rüber.  :respekt:

Vorerst irgendwas um die  7 Punkte.

Captain_Chaos.ONE

Kann jemand mal was zu den Deleted Scenes auf der Scheibe sagen? Was beinhalten die, lohnen die sich?

Inspektor Yuen

Zitat von: Mr. Blonde am  2 März 2011, 03:48:54
Ich hatte übrigens tatsächlich versucht, mir den Film im Rauschzustand anzugucken, aber ganz schnell bemerkt, dass dies nicht im Interesse des Films liegt, da dieser ja eindeutig einen "Trip" vorgibt, den man nüchtern miterleben sollte - so unverfälscht wie möglich. Für alles andere gibt es "Rambo 4" oder "Fear and Loathing in Las Vegas".

Rambo 4 rockt wirklich im berauschten Zustand.  :king:

Ich werde mir wohl den Film auf Blu Ray zulegen, sobald er etwas günstiger ist. Wird wohl bei diesem Bekanntheitsgrad nicht allzu lange dauern.
"Wenn ich jetzt sterben würde, was würdest du machen?" -"Ich würd dich nicht sterben lassen!"

Mr. Hankey

Zitat von: Mr. Blonde am  2 März 2011, 03:48:54
Und die Opening-Credits haben mich weggefegt.  :icon_eek: Kommen mit neuem Heimkinosystem bestimmt noch intensiver rüber.  :respekt:
Leider nicht so ganz. Zumindest der deutsche Ton ist auf der Blu-ray doch etwas arg frontlastig ausgefallen. Hab nicht zum englischen Ton gezappt, deshalb kann ich den nicht beurteilen, aber beim deutschen Ton hätte IMO noch ein wenig mehr kommen können. Dafür ist aber das HD-Bild Top! Perfekt für so einen Film! :respekt:
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Mr. Blonde

Zitat von: Mr. Hankey am  2 März 2011, 17:46:17
Zitat von: Mr. Blonde am  2 März 2011, 03:48:54
Und die Opening-Credits haben mich weggefegt.  :icon_eek: Kommen mit neuem Heimkinosystem bestimmt noch intensiver rüber.  :respekt:
Leider nicht so ganz. Zumindest der deutsche Ton ist auf der Blu-ray doch etwas arg frontlastig ausgefallen. Hab nicht zum englischen Ton gezappt, deshalb kann ich den nicht beurteilen, aber beim deutschen Ton hätte IMO noch ein wenig mehr kommen können. Dafür ist aber das HD-Bild Top! Perfekt für so einen Film! :respekt:

Ich will es mal so sagen: Mein 30 Euro 5.1 System war nicht wirklich der Burner und der Subwoofer war ein schlechter Witz. Das kann nun eigentlich nur besser werden.  :icon_lol:

ratz


Sorrry, aber ich muß hier mal kurz abstinken. Zweieinhalb Stunden vergeudete Lebenszeit für diesen Käse. Fängt ganz OK als schön bebilderter Drogenfilm an, will dann aber zu den ganz großen Themen (Liebe, Familie etc.) aufsteigen, ist aber so sehr in seine herumzischende und -schaukelnde Kamera und sonstige Effektchen verliebt, daß – mich jedenfalls – die Menschen und ihre Probleme überhaupt nicht interessiert haben. Das Schlimmste ist, daß es in meinem Kopf jetzt zu ekligen Überlagerungen mit Malicks Tree of Life kommt, und das hat letzterer, auch wenn der Film Murx war, nun wirklich nicht verdient.

Soll doch Noe weiterhin schmuddelige Genrestückchen wie Irreversible machen, die dann wenigstens funktionieren und nicht seine intellektuelle wie spirituelle Ödnis derart ausstellen, daß man sich fremdschämen muß.

Danke und den Film weiterhin in die Vergessenheit sinken lassen,

r.

pm.diebelshausen

Das ist natürlich schade und nicht zu vergleichen mit meinem Genusserlebnis für die gleiche Zeitspanne. Ich habe da keine spirituellen Erkenntnisse erwartet, eigentlich wusste ich gar nicht, was ich erwarten soll. Und was ich dann zu sehen bekam, war reines Kino: Bilder, nahezu ein Stummfilm, ein visuelles Erlebnis, das mir neu war. Das als Drogentrip zu sehen, als der der Film ja auch beworben wurde, wäre mir auch zu billig. Als Skandalfilm sowieso, wüsste nicht, worin da der Skandal bestehen sollte. Aber als Übung für Perspektivwechsel ist er sehr gut zu sehen.

Malick ergeht sich ebenso in seiner Visualität, verstellt diese leider durch einen für diesen Regisseur relativ kryptischen Off-Text, der Sinnzusammenhänge, Denkkontexte stiften soll. Auch wenn beide Filme nur teilweise vergleichbar sind, scheint mir Malicks Film nicht wirklich stimmiger zu gelingen. Beide fand ich toll. Auch "Void" hat das Potenzial, seinen Zuschauer in einen Zustand zu versetzen, wobei es ihm nicht um irgendwelche Drogengeschichten oder Personenschicksale geht, sondern um die Perspektive auf Geschichten und Personen und die damit verbundene Wertung.

Das soll Dich jetzt nicht überzeugen, was nicht klappt, klappt nicht. Für kategorische Vergessenheit ist mir der Film aber wirklich zu schade.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

ratz


Ich kann und werde natürlich auch keinem übelnehmen, daß ihm der Film gefällt, geht ja offenbar einigen so. Mir kommt es aber so vor, als wolle ein "Skandalfilmer" auch mal was "Ernstes" machen. Nur bleibt er dabei derart in seinen Formalismen gefangen, daß ihm (und also auch dem Zuschauer) zu keinem Zeitpunkt ein emotionale Verbindung zu seinen Figuren gelingt. Und solche Holzhammer-Effekte, wie schreiende kleine Kinder neben zermatschten Eltern sitzen zu lassen, sprechen nicht gerade für eine menschliche Sensibilität.

Na gut, vielleicht ist ja die emotionale Entkopplung von der Geschichte das Konzept, eben aus der quasi buddhistischen Sicht des verstorbenen Bruders. Aber dann ist die ganze Sache eben doch nur eine selbstzweckhafte, auf Dauer redundante Fingerübung in Bildspielereien. Bei Irreversable haben diese sich sehr gut dem Plot eingepaßt und hatten dadurch ihre Berechtigung, hier sind sie leeres Geklingel.
Oder Noe ist einfach ein unempathischer Klotz, und das ist mir unheimlich, er ist bestimmt ein schlechter Mensch.   :icon_evil:

Spirituelle Erkenntnisse habe ich auch nicht erwartet, aber eine gewisse empathische Grundierung zumindest einer solchen Geschichte schon. Und die ist bei Malick jederzeit spürbar, egal wie verschwurbelt. Vielleicht läuft bei mir alles auf eine moralische Ablehnung heraus, die ich nicht jedem Zuschauer zumuten kann. Und daß einen experimentelle Bilder und/oder nicht-narrative Strukturen mit einer gewissen Seherfahrung nicht mehr kritiklos umhauen, spielt sicher auch eine Rolle.


PierrotLeFou

Zitat von: pm.diebelshausen am  1 April 2012, 17:07:19
Das ist natürlich schade und nicht zu vergleichen mit meinem Genusserlebnis für die gleiche Zeitspanne. Ich habe da keine spirituellen Erkenntnisse erwartet, eigentlich wusste ich gar nicht, was ich erwarten soll. Und was ich dann zu sehen bekam, war reines Kino: Bilder, nahezu ein Stummfilm, ein visuelles Erlebnis, das mir neu war. Das als Drogentrip zu sehen, als der der Film ja auch beworben wurde, wäre mir auch zu billig. Als Skandalfilm sowieso, wüsste nicht, worin da der Skandal bestehen sollte. Aber als Übung für Perspektivwechsel ist er sehr gut zu sehen.

Malick ergeht sich ebenso in seiner Visualität, verstellt diese leider durch einen für diesen Regisseur relativ kryptischen Off-Text, der Sinnzusammenhänge, Denkkontexte stiften soll. Auch wenn beide Filme nur teilweise vergleichbar sind, scheint mir Malicks Film nicht wirklich stimmiger zu gelingen. Beide fand ich toll. Auch "Void" hat das Potenzial, seinen Zuschauer in einen Zustand zu versetzen, wobei es ihm nicht um irgendwelche Drogengeschichten oder Personenschicksale geht, sondern um die Perspektive auf Geschichten und Personen und die damit verbundene Wertung.

Das soll Dich jetzt nicht überzeugen, was nicht klappt, klappt nicht. Für kategorische Vergessenheit ist mir der Film aber wirklich zu schade.

Ich muss sagen, dass ich ebenfalls beide Filme (Mallick, Noe) sehr gerne mochte... beide haben allerdings einen sehr krassen Eso-Hintergrund (der sich bei Mallick mit einigen geradezu reaktionären Vorstellungen verbindet), auf den ich auch gerne verzichten könnte, aber die anderen Qualitäten gleichen mir diesen dann weitestgehend wieder aus...
Mallicks Film bewundere ich vor allem wegen der strengen Montage, die mich emotional allerdings ziemlich kalt gelassen hat...
Bei Noé haben mich diese langen Fahrten, die überrumpelnden Schockeffekte (und die Musik natürlich) doch sehr stark hineingezogen in den Film, der mir emotional ungeheuer nahegegangen ist - bis dann am Ende dieser Eso-Touch doch noch eine Spur penetranter wird... die formale Gestaltung empfinde ich hier jedoch als konventioneller... im Prinzip hat der Film die Möglichkeit zu direkten Zeitbildern im Sinne Deleuzes ermöglicht, aber letztlich bleibt es ein recht lineares Drama mit übersinnlichem Aufhänger, das einige Erinnerungs- und einige Traumbilder enthält... Da ist Mallick einfach weiter gegangen...

Während letzterer mir einen sehr sterilen, kühlen aber streng durchkomponierten Film geliefert hat, erscheint mir Noes Werk eher wie ein zäher Sumpf, in dem ich völlig versinken kann... :icon_mrgreen:
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

pm.diebelshausen

1 April 2012, 20:15:34 #41 Letzte Bearbeitung: 1 April 2012, 20:23:39 von pm.diebelshausen
@ratz (Pierrot lese ich jetzt erstmal)
Dann dreh ich mal den Spieß um und sage, bei Malick ist das Gefühlsduselei aus überlaufender Emotionalität was bei Noe durch große emotionale Entrückung und Distanz betrachtet wird. Die einzige Identifikationsfugur in "Enter the Void" ist das Ich, durch dessen Auge wir zunächst sehen und dessen losgelösten Punkt im Raum wir weiterhin durch die Kamera einnehmen, nachdem dieses Auge tot und blind ist. Was der Film versucht zu visualisieren ist jenseits von Emotionen. Deshalb Redundanz. Ob das eine gute Idee ist, so einem krassen existenziellen Perspektivbruch per Kino nachzuspüren, kann man ja in Frage stellen. Nur tust Du Noe Unrecht, wenn Du es so hinstellst, als wäre das beliebiges Geplänkel und höchstens ein bisschen eye-candy (so verstehe ich Dich). Wenn es Dir so vorkommt, dass ein "Skandalfilmer" usw., dann ist das der viel eher selber ödnisgleiche Schubladenblick, der Noe so oft entgegengebracht wurde (wird?), wenn er Zuschauer vor den Kopf stößt. Lassen wir doch mal solche Stereotypen stecken, wir können das besser als das Feulliton.  ;)

Wahrscheinlich muss man eine untheoretisierende Haltung (d.h. nicht unkritische!) mit in den Film bringen, damit er da wirkt, wo er wirken will. Vielleicht habe ich auch immernoch zu wenig gesehen. Vielleicht ist das auch einfach das sabbernd staunende Kind in mir, was da Gefallen und Spannung gefunden hat. Vielleicht gefällt mir, dass der Film eigentlich nicht Darstellbares erzählt. Da würde ich ihn sogar noch ein klein wenig lieber mit Jacksons "Lovely Bones" vergleichen, auch wenn letzterer wiederum hinsichtlich der Erzählkonventionen weit mehr mit "Tree of Life" gemeinsam hat.

Und noch ein kurzer Gedanke: Selbstzweck als Vorwurf? Hmm.


EDIT kurz zu Pierrot:
Ich denke, "Void" ist zum selber entdecken gestaltet während "Tree" weit mehr Anleitung mitgibt. Bei "Tree" überwiegt die Gleichförmigkeit und Wiederhilung der Bilder, da ist "Tree" labyrinthischer mit Bildern, die sich wiederholen und Bildern die nur einmal auftauchen, geradezu eine Bilderflut, zwar innerhalb bestimmter (Bedeutungs)Felder, aber doch mannigfaltig. "Void" ist nicht mannigfaltig, ist konzentrierter. Und wirkte auf mich eigentlich intensiver, ich war wohl auch "mehr drin". Trotz der großen Gelassenheit der Hauptfigur wirkte der Film auf mich äußerst spannend und anregend. "Tree" wäre fast meditativ, aber, und da gebe ich Dir auch recht, die Montage ist der Hammer und lässt es einfach nicht zu gemütlich werden. Wirklich zurücklehnen konnte ich mich bei beiden nicht.

"Esoterisch": weiß ich nicht. Ist bei mir ein unklar benutztes und gefülltes Wort. Ich würde bei beiden lieber von spirituell sprechen, weil sie sich mit einem Blick befassen, der dem Spirituellen (und für manche Menschen dem Religiösen, manchen Menschen dem Esoterische, manchen dem Spinnerten oder was auch immer) vorbehalten ist.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

ratz


@ Pierrot: Daß Formalismus-Vorwürfe an einem Godardisten wirkungslos abprallen, ist hier natürlich überhaupt nicht verwunderlich  :icon_mrgreen:

Zitat von: pm.diebelshausen am  1 April 2012, 20:15:34
Nur tust Du Noe Unrecht, wenn Du es so hinstellst, als wäre das beliebiges Geplänkel und höchstens ein bisschen eye-candy (so verstehe ich Dich). Wenn es Dir so vorkommt, dass ein "Skandalfilmer" usw., dann ist das der viel eher selber ödnisgleiche Schubladenblick, der Noe so oft entgegengebracht wurde (wird?), wenn er Zuschauer vor den Kopf stößt. Lassen wir doch mal solche Stereotypen stecken, wir können das besser als das Feulliton.  ;)


Naja, mit den Gänsefüßchen um "Skandalfilmer" hatte ich ja versucht, mich von dem Begriff zu distanzieren und ihn gerade nicht im Sinne des Feuilletons zu benutzen. Gleichwohl kann Noe der kalkuliert provozierende Gestus zumindest in Filmen vor The Void (Menschenfeind kenn ich allerdings nicht) nicht abgesprochen werden, und fraglos ist so ein Image auch ein Pfund, mit dem ein Filmemacher wuchert. Und wie schon betont, kann das auch prima funktionieren (Irreversable fand ich zwar abstoßend, aber in sich stimmig). Wenn diese Elemente wie in The Void nun aber stark zurückgenommen werden, bleibt halt für mich eine mit einem ach so schlimmen Geschwisterdrama belastete Illustrierung eines Drogenrausches – wozu?
Wie unwichtig Noe dieser "Dramen"-Aspekt des Films ist, wird schon durch die Besetzung der Rollen klar – das sind alles keine "echten" Schauspieler, nicht daß es sie gebraucht hätte, es gibt ja keine Gelegenheit für irgendwelche Auftritte. Nehmen wir also an, auch das ist Konzept (wenn er die Bellucci und den Cassell bekommen hat, warum jetzt nicht auch), dann zeigt das nur um so deutlicher, wie überflüssig diese ganze Story für den Film ist.
Dieser Widerspruch zwischen einem behaupteten Interesse für ein menschliches Problem und der offenkundigen Vernachlässigung durch das Konzentrieren auf ausgebuffte Visualität ist es, der mich kolossal stört.

Zitat von: pm.diebelshausen am  1 April 2012, 20:15:34

Und noch ein kurzer Gedanke: Selbstzweck als Vorwurf? Hmm.


Versteh ick jetz nich --?

pm.diebelshausen

Naja, welche Zwecke müssen Filme denn erfüllen? Halte ich zumindest für ein extrem weites Feld, führt aber auch zugegeben zu weit weg von diesem Film. "Nur" Selbstzweck (als was auch immer dann genau dieses "Selbst" in "Selbstzweck" überhaupt identifiziert wird: Masturbation eines Filmemachers oder so?) ist halt für mich erstmal gar kein Vorwurf, gar keine Wertung, sondern eine Möglichkeit der Motivation filmischer Gestaltung. Und dass dieser Film seine Motivation und seine Gestaltung hat und nicht beliebig ist, kann ich ihm nicht in Abrede stellen. Weiß nicht, ob Du das tust.

Für mich, und da gehen unsere Lesarten wohl auseinander, geht es in dem Film überhaupt nicht um einen Drogenrausch. Deshalb finde ich ja auch das Hervorheben dieser Qualität (so ungefähr "Ein Film wie ein Trip") hilflos nichtssagend und am Gestus dieses Films ziemlich vorbei. So nach dem Motto: Aha, ich sehe Drogen, da dealt wer, da psychonautet wer - dann ist das also ein Drogenfilm. In meiner Lesart benutzt Noe das Drogenthema nur aus dem Grund, dass Drogen diesseitig genau das machen (und insofern zur Vorbereitung dienen können) was im Moment des Sterbens nach mancher Ansicht passiert/passieren könnte: Veränderung unserer Rezeption von Wirklichkeit, Relativierung dieser sog. Wirklichkeit, Loslösung und Relativierung vom "Ich", Entrückung, Distanzierung, Transition in einen anderen Zustand von Existenz und so weiter. Das sind spirituelle, von mir aus auch esoterische oder religiöse Themen, und nicht vordergründig bleibende Drogenthemen. In diesem Zusammenhang ergibt für mich auch die Gestaltung des Films ein stimmiges Ganzes und ein konsequent gedachtes Bild und eben keinen bloß selbstverliebten (auch das könnte "Selbstzweck" heißen) Budenzauber. Das Stimmige an dem Film ist für mich z.B. der Einsatz der streng subjektiven Kamera zu Beginn und deren totale Entfesselung im Zuge des Todes und für den Rest des Films. Da passen Thema (diesseitiges Ich - transzendentes Ich) und filmtechnische Gestaltung für meinen Geschmack sehr stimmig und konsequent gestaltet zueinander.

Der Film ist nah am Menschen und auch an dem, was darzustellen gemeinhin dann als skandalös bezeichnet wird (Ui, die ficken!). Darin bloße berechnete Provokation zu sehen, entlastet zwar mich, lässt aber dem Filme und dem Filmemacher auch einfach keine Chance. Mir ist das mit dem "der will ja nur provozieren" (nicht nur bei Noe) einfach zu blöd, weil es ein total flaches und einseitiges Bild von Persönlichkeitsstruktur und Verhaltensmotivation benötigt. Wer sitzt denn bitte irgendwo nachdem er immense Zeit, jeden Tag für ein Filmprojekt aufgewendet hat, schier endlos Entscheidungen, meist in Auseinandersetzung mit anderen Beteiligten bezüglich Design, Auflösung, Sound, Montage und the whole shabang getroffen hat, und freut sich, dass irgendwo irgendwer das Ergebnis als provokant identifiziert hat? (Ich ziehe das nicht alles aus Deinen Äußerungen, und werfe Dir das also auch nicht alles vor, sondern sehe das als den Kontext, der "Enter the Void" ganz gut den Garaus gemacht hat: ein Jahr nach dem endgültigen Cut bloß 1,25% der Kosten als Einspielergebnis.)
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

ratz


Da reden wir zwar jede Menge klugen Zeugs, aber einen Gutteil auch aneinander vorbei  :icon_mrgreen:

Drogenfilme, und evtl. bedarf der Begriff wirklich einer Eingrenzung, hab ich in dem Sinne verwendet, daß mit filmischen Mitteln eine Rauschwirkung darzustellen versucht wird (in diesem speziellen Sinne wären z.B. Kinder vom Bhf Zoo und The Pusher keine Drogenfilme, Trainspotting und Naked Lunch aber schon). Und klar darf Noe vermuten, das Sterben käme einer Drogenerfahrung gleich (oder umgekehrt?). Und die rein technische Qualität und auch Faszination der visuellen Umsetzung will ich gar nicht in Abrede stellen, die ist mit Sicherheit beeindruckend.

Um so ärgerlicher ist halt der geistige Hintergrund dieser Skills, denn wenn Du sagst

Zitat von: pm.diebelshausen am  2 April 2012, 17:00:34

Der Film ist nah am Menschen ...


– das ist er eben nicht. Nur weil in den ersten 10 Minuten eine nie dagewesene Ego-Perspektive umgesetzt und später manchmal in die Köpfe der Protagonisten "hineingezoomt" wird, ist die Kamera/Noe/der Film nicht bei den Menschen oder nahe daran, sondern schwebt quasi ständig über ihnen, hat eine außermenschliche, zugespitzt eine unmenschliche Perspektive. Das unterscheidet ihn von Malick (um ihn nolens volens noch einmal ins Spiel zu bringen), der den Charakteren auf Augenhöhe begegnet, ihnen Zeit, ein Gesicht, eine Individualität gibt.
Gut, nun ist das also die Illustrierung der Todeserfahrung, aber diese mit der außermenschlichen Perspektive verbundene Gleichgültigkeit, das Nicht-mehr-betroffen-sein läßt die ganze dargestellte Familiendramatik zur hohlen, nicht geerdeten Behauptung werden. Daß weiß Noe, behaupte ich mal, und versucht diese emotionale Distanzierung durch drastische Darstellungen auszugleichen (Der Unfall war ganz ganz schlimm, weil die Kinder voll mit Gehirn besprützt wurden). Klappt für mich nicht.

Dazu passend noch ein Wort zur Provokation, die Du vielleicht auch mißverstanden hast: Ich meinte ja, daß gerade in Void vergleichsweise wenig provoziert wird. Zwar scheint es ohne Abtreibung, Fötus, Muschi von innen auch nicht zu gehen, aber das sind genau die Entscheidungen, die ein Filmemacher sehr bewußt trifft, da ihm die alternativen Darstellungsweisen ja bekannt sind. Provokationen können durchaus gut und berechtigt sein, oder aber auch von Schwächen ablenken wie hier (ein anderes Beispiel wäre der Pimmel von Vincent Gallo, ohne den sich kein Mensch oder zumindest sehr viel weniger für Brown Bunny interessiert hätten).

pm.diebelshausen

Brown Bunny ist notiert.

Mit "nahe am Menschen" meinte ich weniger die Erzählweise oder Perspektive, sondern die Thematik (und die ist für mich keineswegs Familie, Liebe, wie Du oben als erstes geschrieben hast), die Alltäglichkeit, das, was andere Filme (und Menschen) lieber ausblenden, verschönern, negieren, nicht zugeben, sich nicht eingestehen usw. Um ein anderes Wort zu benutzen: mir scheint "Enter the Void" da nicht verlogen, wo andere Filme sich in die Tasche lügen.

Hauptsächlich wollte ich ja auch nur, dass Du Dein Abstink-Posting und dessen Worthülsen ("Käse" zum Beispiel  :D) noch argumentativ füllst, was Du ja jetzt auch mehrfach getan hast.  :respekt:

Mir gefällt diese entrückte Distanz, die Du als nicht ausreichend empfindest. Dass Dich "die Menschen und ihre Probleme überhaupt nicht interessiert haben", ist in meinem Erleben ein Konzept, das in diesem Film funktioniert. Und es ist eines der spannendsten Momente dieses Films: die Perspektive des Verstorbenen ist ruhig, gelassen, distanziert, unaufgeregt - zumindest habe ich es so erlebt und wunderte mich währenddessen darüber, dass da für mich trotz der Machtlosigkeit und Einflusslosigkeit, der Gefangenheit in der Beobachterposition keine Unruhe, keine Ärger, keine Wut, keine Hilflosigkeit spürbar wurde. Das finde ich bemerkenswert und viel mehr als ich von einem berechnenden Provokateur (so es sowas gibt) erwarten würde.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

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