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Burning (Murakami-Verfilmung von Lee Chang-dong)

Begonnen von manisimmati, 16 Januar 2019, 22:56:51

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manisimmati

16 Januar 2019, 22:56:51 Letzte Bearbeitung: 16 Januar 2019, 23:08:45 von manisimmati


Offizieller Trailer

"Based on a Haruki Murakami short story, Korean master Lee Chang-dong's remarkable new thriller BURNING was the most acclaimed film of Cannes, setting a record for the highest-ever score achieved in the 18-year history of Screen International's prestigious critics' poll. Novelistic in scope, grandeur and impact, and featuring three remarkable performances, it's a gripping psychological study of thwarted love, ambition and obsession." (Quelle: Offizielle Seite)

Unglaublicher Film, die Mischung aus Thriller, Drama und subtiler Seltsamkeit hat mich hin- und mitgerissen. Auf der OFDb gibt's ne Review von mir, aber geht ihn lieber gleich schauen, das Teil ist der Hammer.

PierrotLeFou

Nachdem ich "Peppermint Candy" damals recht gut, aber auch nicht übermäßig überwältigend fand, war ich hier doch positiv überrascht und würde "Burning" in der Tat als ziemlich starken Film (8,5/10) beschreiben – wenn auch nicht als absolutes Meisterwerk.
Der Film beginnt als leise-wehmütiges Drama mit humorvollen Zwischentönen und entwickelt sich zunehmend zu einem tragischen Kriminalfilm/Thriller (mit sehr verhaltenem thrill, der die zunehmende Tragik nie überlagert). Dabei gelingt es ihm äußerst elegant, sein Geheimnis, von dem er erheblich lebt, auch am Schluss zu wahren (
Spoiler: zeige
indem er bloße Indizien, keine Beweis liefert
) und dennoch ein befriedigendes Ende zu liefern.
Einsamkeit & Sehnsucht nach Ausgefülltheit werden stimmig thematisiert und ein sozialer Kommentar auf Geschlechtszugehörigkeit, Finanzkraft und Milieuzugehörigkeit wird geboten; insofern bietet der Film eine wahre Fundgrube und man kann viele Nuancen in den Blick nehmen und den Film unter unterschiedlichen Gesichtspunkten beäugen...
So sehr er allerdings gegen Ende trotz seiner Kriminal-/Thriller-Aspekte um ein gehöriges Maß an Uneindeutigkeit bemüht ist, so rücken diese Aspekte doch ziemlich ins Zentrum, wobei sie zwar letztlich wieder eine Tragödie auslösen, aber eben doch klarmachen, dass die ganzen Elemente wie Einsamkeit, Sehnsucht, Armut, Reichtum usw. vor allem auch dazu da sind, eine netterweise nicht völlig ausgeleuchtete Kriminalgeschichte zu erzählen. "Great Hunger" oder die Pantomime, das Spiel(en), das "Vergessen, das etwas nicht da ist" werden am Ende nicht mehr konsequent verfolgt und erweisen sich als Bestandteile, die eine originell umgesetzte Genrehandlung am Laufen halten.

Dennoch ein über bloße Genredramaturgien hinausgehendes Werk, dessen Elemente ich gerne etwas konsequenter verfolgt, etwas mehr "wie aus einem Guss" miteinander verschmolzen gesehen hätte...
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

manisimmati

Zitat von: PierrotLeFou am  9 August 2019, 04:23:01So sehr er allerdings gegen Ende trotz seiner Kriminal-/Thriller-Aspekte um ein gehöriges Maß an Uneindeutigkeit bemüht ist, so rücken diese Aspekte doch ziemlich ins Zentrum, wobei sie zwar letztlich wieder eine Tragödie auslösen, aber eben doch klarmachen, dass die ganzen Elemente wie Einsamkeit, Sehnsucht, Armut, Reichtum usw. vor allem auch dazu da sind, eine netterweise nicht völlig ausgeleuchtete Kriminalgeschichte zu erzählen. "Great Hunger" oder die Pantomime, das Spiel(en), das "Vergessen, das etwas nicht da ist" werden am Ende nicht mehr konsequent verfolgt und erweisen sich als Bestandteile, die eine originell umgesetzte Genrehandlung am Laufen halten.
Beziehst du dich hier (unter anderem) auf die »Auflösung« am Ende? Ein Freund von mir fand das Ende nämlich völlig daneben, weil es seiner Meinung nach nicht zum Rest des Filmes passte. Er hätte sich mehr Offenheit gewünscht. Und es wirkt in der Tat so, als würde die letzte Handlung sozusagen dem Willen des Publikums entsprechen, dass doch noch etwas geschehen möge. Na ja, ich muss den Streifen noch einmal schauen. Wenn sich etwas an meiner 10/10-Einschätzung ändert, dann nur wegen diesem Ende, das mich schon mit gemischten Gefühlen zurück gelassen hat. Aber das muss ja nicht Schlechtes sein.

PierrotLeFou

10 August 2019, 18:14:13 #3 Letzte Bearbeitung: 10 August 2019, 18:15:44 von PierrotLeFou
Zitat von: manisimmati am 10 August 2019, 17:30:28
Zitat von: PierrotLeFou am  9 August 2019, 04:23:01So sehr er allerdings gegen Ende trotz seiner Kriminal-/Thriller-Aspekte um ein gehöriges Maß an Uneindeutigkeit bemüht ist, so rücken diese Aspekte doch ziemlich ins Zentrum, wobei sie zwar letztlich wieder eine Tragödie auslösen, aber eben doch klarmachen, dass die ganzen Elemente wie Einsamkeit, Sehnsucht, Armut, Reichtum usw. vor allem auch dazu da sind, eine netterweise nicht völlig ausgeleuchtete Kriminalgeschichte zu erzählen. "Great Hunger" oder die Pantomime, das Spiel(en), das "Vergessen, das etwas nicht da ist" werden am Ende nicht mehr konsequent verfolgt und erweisen sich als Bestandteile, die eine originell umgesetzte Genrehandlung am Laufen halten.
Beziehst du dich hier (unter anderem) auf die »Auflösung« am Ende? Ein Freund von mir fand das Ende nämlich völlig daneben, weil es seiner Meinung nach nicht zum Rest des Filmes passte. Er hätte sich mehr Offenheit gewünscht. Und es wirkt in der Tat so, als würde die letzte Handlung sozusagen dem Willen des Publikums entsprechen, dass doch noch etwas geschehen möge. Na ja, ich muss den Streifen noch einmal schauen. Wenn sich etwas an meiner 10/10-Einschätzung ändert, dann nur wegen diesem Ende, das mich schon mit gemischten Gefühlen zurück gelassen hat. Aber das muss ja nicht Schlechtes sein.
Ich meine erst einmal diesen ganzen Strang des aufkeimenden und sich verhärtenden Verdachts (dass
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Ben Haemi etwas angetan haben könnte
). Ich finde es gut, dass er die Indizien letztlich
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nicht als eindeutig zutreffende Beweise nutzt, ein eventuell stattgefundenes Verbrechen nie bestätigt und sich stattdessen auf die Konsequenz eines unbewiesenen Verdachts konzentriert
:
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auf den Mord an Ben
.
Das finde ich durchaus positiv: eine Hauptfigur einen vom Publikum geteilten verdacht haben lassen
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, für den einiges spricht (was aber nichts beweist) und dann eine drastische Reaktion erfolgen lassen, wobei die Möglichkeit besteht, dass der Verdacht unbegründet war
. Das meinte ich mit "um ein gehöriges Maß an Uneindeutigkeit bemüht".

Mich stört es jetzt nicht, dass am Ende
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eine krasse Tat
steht (was ich im Gegenteil befriedigender finde als ein Ende, an dem
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die Hauptfigur trotz allem gar nichts unternommen hätte
) und mich stören auch die gewichtigeren Indizien (
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die auf ihren namen hörende Katze, die Armbanduhr, Bens Umarmung bei seiner Ermordung
) nicht, weil die auch anders erklärbar wären (
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wobei ja beim Namen der Katze hinzukommt, dass ich ohne Kenntnis des Koreanischen gar nicht einschätzen kann, wie (un)gebräuchlich dieser Name ist
). Es geht mir eher darum, dass er mit dem aufkommenden Verdacht und dem
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Verschwinden von Haemi
einen Kriminalstrang ins Spiel bringt, in dem die anfänglichen größeren Themen nicht mehr mit jener Gewichtung fortgeführt werden, die ihnen anfangs zugesprochen worden ist.
Nehmen wir zum Vergleich einmal Antonionis "Blow Up" (wobei ich nicht sagen will, dass der besser wäre, aber er eignet sich zum vergleich, zumal er ebenfalls mit der Pantomime arbeitet): der zieht aber zumindest sein Ding voll durch, hält über seine ganze Phase des Verdachts eines Kriminalfalls an seinen Themen Illusion/Projektion/Medialität fest, intensiviert diese Motive sogar und ordnet sie einer konventionellen Kriminalgeschichte bis zuletzt über. "Burning" hingegen verliert seine Themen mit dem Beginn seiner Kriminaltragödie weitgehend aus den Augen, ordnet sie dann der (wie ich finde eben tatsächlich ziemlich offenen) Kriminalgeschichte unter; ein "Vergessen, dass etwas nicht da ist" lässt sich am Ende bloß noch halbherzig bei der Lektüre des Films einbinden, ebenso der "Great Hunger"...
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

manisimmati

10 August 2019, 20:03:23 #4 Letzte Bearbeitung: 10 August 2019, 20:07:42 von manisimmati
Zitat von: PierrotLeFou am 10 August 2019, 18:14:13Nehmen wir zum Vergleich einmal Antonionis "Blow Up" (wobei ich nicht sagen will, dass der besser wäre, aber er eignet sich zum vergleich, zumal er ebenfalls mit der Pantomime arbeitet): der zieht aber zumindest sein Ding voll durch, hält über seine ganze Phase des Verdachts eines Kriminalfalls an seinen Themen Illusion/Projektion/Medialität fest, intensiviert diese Motive sogar und ordnet sie einer konventionellen Kriminalgeschichte bis zuletzt über. "Burning" hingegen verliert seine Themen mit dem Beginn seiner Kriminaltragödie weitgehend aus den Augen, ordnet sie dann der (wie ich finde eben tatsächlich ziemlich offenen) Kriminalgeschichte unter; ein "Vergessen, dass etwas nicht da ist" lässt sich am Ende bloß noch halbherzig bei der Lektüre des Films einbinden, ebenso der "Great Hunger"...
Ah, ich verstehe. Kann ich nachvollziehen. Man könnte sagen, dass der Film gegen Ende wesentlich gradliniger wird. Gestört hat mich das nicht unbedingt. Es zeigt die blinde Obsession der Hauptfigur: Alles konzentriert sich auf einen Punkt. Mir scheint, dass es am Ende gar nicht mehr um
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Haemis Verschwinden
geht, sondern um Ben – und alles, wofür er steht. Die Figur von Ben kann, finde ich, ganz unterschiedlich gelesen werden: als
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Verbrecher, Unschuldiger
oder Alter Ego der Hauptfigur. Der Film bot mir genug Gelegenheit, diese schillernde Figur zu interpretieren, deswegen fand ich das Finale immer noch vielgestaltig genug. Aber stimmt schon: Die etablierten Themen werden fast achtlos beiseite geworfen.

EDIT: Und die ganz grossen, poetischen Momente orte ich im ersten Akt des Filmes. Immer, wenn es um die zwischenmenschlichen Beziehungen geht, ist Burning extrem stark. Allein die Szene, in denen die drei kiffend auf der Veranda (?) sitzen ... Wunderschön.

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