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Ursprünge und Ursachen von Gewalt im Film

Begonnen von Kill Mum!, 31 Januar 2005, 21:09:22

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Kill Mum!

Mich interessiert schon seit einiger Zeit warum die Gewaltdarstellungen im Film im Laufe der Zeit expliziter wurden und woran das gelegen haben mag.

So habe ich gelesen, dass man im Gangsterfilm der 30er/40er die Erschossenen nicht zeigte, sondern die Kamera galant darüber hinweggleiten liess - es reichte, dass man wusste, dass dort ein Toter lag.

Wann und wozu wurde das aufgegeben? Welche Regisseure und Filme waren für diesen Schritt "wegweisend"?

Wie kam es zu der heftigen Gewaltwelle Ende der 70er/Anfang der 80er?

Wäre schön, wenn jemand, der vielleicht auch zu dieser Zeit schon ins Kino ging, mir etwas drüber erzählen könnte, bin leider erst 21. ;) Mich interessieren nicht nur filmische, sondern auch soziale und kulturelle Aspekte.

Kill Mum!
"I wish my life was a non-stop hollywood movie show,
A fantasy world of celluloid villains and heroes,
Because celluloid heroes never feel any pain
And celluloid heroes never really die." (The Kinks - Celluloid Heroes)

Ulthar

bin zwar auch erst 26 aber ich hier trotzdem ein kleiner Erklärungsversuch:

Ein Punkt ist sicherlich der, das schon immer der Tabubruch in der Kunst ein wichtiges Stilmittel war. So auch im Film. Immer wieder gab es Filme, die alles bisherige umgeworfen haben und Grenzen neu ausgelotet haben. Zum Teil sicher aus purem finanziellen Kalkül und unter der (vollkommen richtigen) Annahme, dass sich Skandale immer gut verkaufen lassen, zum anderen aber eben auch um wachzurütteln oder eben um (aus künstlerischer Sicht) zu schockieren.

Dazu kommen dann auch noch Einflüsse innerhalb der Weltgeschichte, der Kulturentwicklung, der Gesellschaftlichen Entwicklung und so weiter. So ist etwa der Output an extremer Gewalt und sehr radikalen Filmen in den USA nach dem Vietnamkrieg sicherlich kein Zufall. Viele der Regisseure und Filmschaffenden haben selber die Grauen des Kriegs erlebt und teilweise stellen die Filme und auch die Gewaltdarstellung sicherlich eine Aufarbeitung des Gesehenen dar. Als Beispiel sei hier mal Tom Savini genannt, der den Einfluss des Vietnam Kriegs auf die US Filmindustrie in der Dokumetation "The American Nightmare" sehr eindrucksvoll schildert. (wie diese Dokumentation überhaupt sehr interessant und sehr passend zu diesem Thema ist).

Dazu kommt noch, dass durch die immer weiter fortschreitende Entwicklung der Medien das reale Grauen in Form von Kriegsbildern, toten in Nachrichten usw. immer weiter ausgereizt wurde und der Zuschauer somit nicht mehr mit einem  Dracula, der durch düstere Schatten zieht und sich hinter seinem Umhang verbirgt, erschreckt werden konnte. Hier hat sich dann auch die Filmbranche (insbesondere natürlich der Horrorfilm) der "Entwicklung" angepasst. Auch hat sich das Horrorgenre in den 70er Jahren ja sehr am realen Horror orientiert. Egal ob nun "Last house on the left", "Texas Chainsaw Massacre" oder auch "Night of the living Dead" (der ja Ende der 60er enstanden ist) es geht um das Böse und das Grauen, das in den wohlbehüteten Alltag einbricht und die scheinbar heile Welt zerstört. Diese Filme greifen direkt die Sicherheit die die Menschen nach den, für die USA wirtschaftlich und politisch sehr ruhig und gut verlaufenen Jahren nach dem 2. Weltkrieg,  verspürt haben, an und stürzen diese in Chaos. Auch hier sind wieder die Parallelen zum Vietnam Krieg zu sehen , sicherlich aber auch die Unsicherheit die die USA in dieser Zeit politisch durchgemacht haben.

Kill Mum!

Nun hat der Vietnamkrieg aber Europa nicht oder nur kaum betroffen. Woher kamen dann die ganzen europäischen Filme, die sich an Grausamkeiten weideten? Purer Kommerz?
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Zardoz

Zitat von: Kill Mum!Nun hat der Vietnamkrieg aber Europa nicht oder nur kaum betroffen. Woher kamen dann die ganzen europäischen Filme, die sich an Grausamkeiten weideten? Purer Kommerz?

Ach ja?
Stimmt! Die 68er-Generation, Friedensdemos etc. p.p. gingen an Europa vorbei...
BTW gab's doch zwei Weltkriege in Europa...und den Holocaust. Noch mehr Gewalt gefällig?

Gewalt in jedweder Form ist das dynamischste Stilmittel, welches Film zu bieten hat.
Im mauscheligen Kinodunkel Gewaltdarstellungen dargeboten zu bekommen, ist immer noch wohlig-angenehmer, als leibhaftig die Fresse poliert zu bekommen...meine 5 Cents.

Kill Mum!

Zitat von: Zardoz
Zitat von: Kill Mum!Nun hat der Vietnamkrieg aber Europa nicht oder nur kaum betroffen. Woher kamen dann die ganzen europäischen Filme, die sich an Grausamkeiten weideten? Purer Kommerz?

Ach ja?
Stimmt! Die 68er-Generation, Friedensdemos etc. p.p. gingen an Europa vorbei...
BTW gab's doch zwei Weltkriege in Europa...und den Holocaust. Noch mehr Gewalt gefällig?

Gewalt in jedweder Form ist das dynamischste Stilmittel, welches Film zu bieten hat.
Im mauscheligen Kinodunkel Gewaltdarstellungen dargeboten zu bekommen, ist immer noch wohlig-angenehmer, als leibhaftig die Fresse poliert zu bekommen...meine 5 Cents.

Ja, wir hatten eine importierte Friedensbewegung in Europa. Deutsche Familien haben z.B. sicherlich keine Angehörigen im Vietnamkrieg verloren oder bekamen geistig und körperlich verstümmelte Brüder, Väter und Söhne zurück.

Ja, es gab zwei Weltkriege in Europa. Sind danach brutale Filme wie Pilze aus dem Boden geschossen? Die kamen meines Wissens auch erst in den 70ern auf...
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McMurphy

Zitat von: Kill Mum!Ja, es gab zwei Weltkriege in Europa. Sind danach brutale Filme wie Pilze aus dem Boden geschossen? Die kamen meines Wissens auch erst in den 70ern auf...
Zur Zeit der Weltkriege gab es noch kein Fernsehen, das die blutigen Bilder blitzschnell in alle Welt verteilen konnte. So haben viele Leute abseits der Schlachtfelder die Gewalt nur indirekt über ihre Folgen erlebt. Später hat sich das dann geändert, wie Ulthar schon schrieb:

Zitat von: UltharDazu kommt noch, dass durch die immer weiter fortschreitende Entwicklung der Medien das reale Grauen in Form von Kriegsbildern, toten in Nachrichten usw. immer weiter ausgereizt wurde und der Zuschauer somit nicht mehr mit einem  Dracula, der durch düstere Schatten zieht und sich hinter seinem Umhang verbirgt, erschreckt werden konnte.
Durch diese realistische und weitverbreitete Abbildung der realen Gewalt verändern sich natürlich auch die Erwartungen der Zuschauer an Filme. Selbst wenn man nicht unbedingt "erschreckt" werden will, würde man Filme, die Gewaltverbrechen unblutig und harmlos darstellen, für unrealistisch und unglaubwürdig halten. Dadurch werden auch die Filme brutaler, die die Gewalt nicht unbedingt als Selbstzweck und einzigen Inhalt haben.

McMurphy
- "I see your front tyre's going a bit flat on you there, Burt."
- "Oh yeah, well the good news is, it's only flat on the bottom."
(aus "The World's Fastest Indian")

Kill Mum!

Zitat von: Kill Mum!Wann und wozu wurde das aufgegeben? Welche Regisseure und Filme waren für diesen Schritt "wegweisend"?

Weiss jemand etwas dazu?

@ die anderen: Danke für die Beiträge.
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notrickz

Also ich bin auch nicht wirklich alt mit meinen 23 Jahren, aber ich hab, es ist noch nicht allzu lange her, in einem Interview mit Chang Cheh gesehen wie er sagte, dass als sie mehr Gewalt in ihren Filmen darstellten sich mehr junge Leute ins Kino verirrten, um die Filme zu sehen, womit er aber auch Recht hat! Mehr Blut mehr Schaulustige, wie im richtigen Leben halt, womit ich aber nicht sagen will, dass jeder, der Gewaltfilme guckt, auch bei Unfällen daneben steht und 'ne Leiche sucht!

Kill Mum!

Zitat von: no-trixzAlso ich bin auch nicht wirklich alt mit meinen 23 Jahren, aber ich hab, es ist noch nicht allzu lange her, in einem Interview mit Chang Cheh gesehen wie er sagte, dass als sie mehr Gewalt in ihren Filmen darstellten sich mehr junge Leute ins Kino verirrten, um die Filme zu sehen, womit er aber auch Recht hat! Mehr Blut mehr Schaulustige, wie im richtigen Leben halt, womit ich aber nicht sagen will, dass jeder, der Gewaltfilme guckt, auch bei Unfällen daneben steht und 'ne Leiche sucht!

Naja, ob das heutzutage noch so ist? Durch die Zensur schneiden viele große Labels lieber Gewalt aus ihren Filmen, um ein einträgliches Rating zu bekommen und ich glaube auch, dass der "Bedarf" an brutalen Filmen gesunken ist. Der Normalo-Zuschauer verirrt sich heute nicht mehr in Filme wie "Zombie" oder "Tanz der Teufel". Der guckt sich lieber Hochglanz-Action á la Matrix oder Blade im Kino an...
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Ulthar

Zitat von: Kill Mum!
Zitat von: Kill Mum!Wann und wozu wurde das aufgegeben? Welche Regisseure und Filme waren für diesen Schritt "wegweisend"?

Weiss jemand etwas dazu?

@ die anderen: Danke für die Beiträge.

das an einzelnen Filmen oder Regisseuren fest zu machen ist sicher nicht möglich. Die Entwicklung ist ja nicht Schlagartig geschehen sondern mal schneller mal langsamer über die Jahre gewachsen.

So hat z.B. "Eyes without a face" aus dem Jahr 1959 eine der ersten "Splatter-Szenen", auch wenn diese aus heutiger Sicht technisch sofort als Illusion zu entlarven ist und keinen mehr schockieren kann (wobei der Film als gesamtes durchaus auch nheute noch eine gewisse verstörende Wirkung hat). Dann sicherlich Romeros "Night of the living dead", der die Gewalt, die zuvor ja schon Herschell Gordon Lewis zu Beginn der 60er Jahre auf eher trashige Art und Weise hin zum heutigen Splatter geführt hat, auch mit der nötigen Hintergründigkeit und Atmosphäre innerhalb der Storyline verknüpft hat. Wobei auch das nur eine Weiterentwicklung ist und nicht von Romero komplett neu entdeckt wurde, viel mehr hat er bekanntes neu kombiniert und sich dabei auch ordentlich bei älteren Filmen bedient (erwähnt sei exemplarisch nur mal "The last man on earth", der wenn auch nicht so drastisch, zumindest doch die Atmosphäre und pessimistische Grundstimmung von Romeros Film eineutig vorweg nimmt).
Auch die schon genannten "Last house on the left" und "TCM" haben sicherlich stilbildende Pionierfunktion übernommen.

Aufgegeben wurde es in diesem Sinne nie, es hat einfach eine stetige Weiterentwicklung stattgefunden. Sowohl was die technischen Möglichkeiten angeht, als eben auch was die Sehgewohnheiten angeht. Das ist aber eine Entwicklung der sich ja jedes Genre ausgesetzt sieht. So wäre es in den 40er Jahren im Western Genre nahezu undenkbar gewesen einen pessimistischen Film wie etwa "Il grande silencio" zu drehen, da das Publikum einfach andere Ansprüche an den Film hatte. Da gehört dann auch dazu, dass das Kino noch einen komplett anderen Stellenwert hatte als in den 60er oder 70 er Jahren wo sich das Fernsehen flächendekcend ausgebreitet hatte. Es spielen in diese Entwicklung unzählige Faktoren rein.

Es fällt aber doch auf, dass insbesondere die in den 80er Jahren, hauptsächlich in Italien entstandenen Splatterfilme hauptsächlich nur (im Gewaltbrereich sicherlich noch Grenzen auslotende) Nachahmungen sind. Egal ob nun die Zombiefilmwelle oder auch die Filme eines D´Amato, zumeist geht es hier nur um das pure zur Schaustellen von immer neuen Gewaltexzessen. Die Grundaussagen (Kritik an Gesellschaft, Kultur, Aufrütteln...), die eben die Vorbilder noch transportiert haben bleibt hier zu meist komplett auf der Strecke.

Sicherlich auch wegweißend sind die frühen Filme von David Cronenberg, der ja auch immer eine ganz klare Aussage (zumeist bei Cronenberg sexuell orientiert) in Gewalt ausdrückte.

All diesen Filmen die auch heute noch den Status von Bahnbrechenden und Stilbildenden Filmen haben, ist die Tiefgründigkeit (mal mehr, mal weniger, das ist unbestritten) die hinter der offensichtlichen Gewalt steckt.

notrickz

Zitat von: Kill Mum!
Zitat von: no-trixzAlso ich bin auch nicht wirklich alt mit meinen 23 Jahren, aber ich hab, es ist noch nicht allzu lange her, in einem Interview mit Chang Cheh gesehen wie er sagte, dass als sie mehr Gewalt in ihren Filmen darstellten sich mehr junge Leute ins Kino verirrten, um die Filme zu sehen, womit er aber auch Recht hat! Mehr Blut mehr Schaulustige, wie im richtigen Leben halt, womit ich aber nicht sagen will, dass jeder, der Gewaltfilme guckt, auch bei Unfällen daneben steht und 'ne Leiche sucht!

Naja, ob das heutzutage noch so ist? Durch die Zensur schneiden viele große Labels lieber Gewalt aus ihren Filmen, um ein einträgliches Rating zu bekommen und ich glaube auch, dass der "Bedarf" an brutalen Filmen gesunken ist. Der Normalo-Zuschauer verirrt sich heute nicht mehr in Filme wie "Zombie" oder "Tanz der Teufel". Der guckt sich lieber Hochglanz-Action á la Matrix oder Blade im Kino an...


Naja das stimmt schon, heutzutage werden die Filme eh familienfreundlicher gestalltet um ein grösseres Publikum in die Kinos zu kriegen, da es ja auch mehr "Normalos" gibt, dass hab ich ja zuletzt bei der Neuauflage vom Punisher gesehen, der wirkte auf mich sehr familienfreundlich, trotz der uncut Fassung, es bringt ja jetzt auch einfach mehr Geld in die Kasse, als wenn nur irgendwelche Genre Freaks im Kino säßen, von denen es ja nunmal nicht so viele gibt! Naja und das Interview bezog sich auch mehr so auf die anfänglichen 70iger, und dass sich das über die Jahrzehnte ändert ist ja mehr als abzusehen, es bleiben immer nur ein paar übrig, denen Gewalt in Filmen nie zum Halse raushängt!Aber letztendlich geht es doch nur um Geld und Quoten!

Kill Mum!

Zitat von: Ulthar

das an einzelnen Filmen oder Regisseuren fest zu machen ist sicher nicht möglich. Die Entwicklung ist ja nicht Schlagartig geschehen sondern mal schneller mal langsamer über die Jahre gewachsen.

So hat z.B. "Eyes without a face" aus dem Jahr 1959 eine der ersten "Splatter-Szenen", auch wenn diese aus heutiger Sicht technisch sofort als Illusion zu entlarven ist und keinen mehr schockieren kann (wobei der Film als gesamtes durchaus auch nheute noch eine gewisse verstörende Wirkung hat). Dann sicherlich Romeros "Night of the living dead", der die Gewalt, die zuvor ja schon Herschell Gordon Lewis zu Beginn der 60er Jahre auf eher trashige Art und Weise hin zum heutigen Splatter geführt hat, auch mit der nötigen Hintergründigkeit und Atmosphäre innerhalb der Storyline verknüpft hat. Wobei auch das nur eine Weiterentwicklung ist und nicht von Romero komplett neu entdeckt wurde, viel mehr hat er bekanntes neu kombiniert und sich dabei auch ordentlich bei älteren Filmen bedient (erwähnt sei exemplarisch nur mal "The last man on earth", der wenn auch nicht so drastisch, zumindest doch die Atmosphäre und pessimistische Grundstimmung von Romeros Film eineutig vorweg nimmt).
Auch die schon genannten "Last house on the left" und "TCM" haben sicherlich stilbildende Pionierfunktion übernommen.

Aufgegeben wurde es in diesem Sinne nie, es hat einfach eine stetige Weiterentwicklung stattgefunden. Sowohl was die technischen Möglichkeiten angeht, als eben auch was die Sehgewohnheiten angeht. Das ist aber eine Entwicklung der sich ja jedes Genre ausgesetzt sieht. So wäre es in den 40er Jahren im Western Genre nahezu undenkbar gewesen einen pessimistischen Film wie etwa "Il grande silencio" zu drehen, da das Publikum einfach andere Ansprüche an den Film hatte. Da gehört dann auch dazu, dass das Kino noch einen komplett anderen Stellenwert hatte als in den 60er oder 70 er Jahren wo sich das Fernsehen flächendekcend ausgebreitet hatte. Es spielen in diese Entwicklung unzählige Faktoren rein.

Es fällt aber doch auf, dass insbesondere die in den 80er Jahren, hauptsächlich in Italien entstandenen Splatterfilme hauptsächlich nur (im Gewaltbrereich sicherlich noch Grenzen auslotende) Nachahmungen sind. Egal ob nun die Zombiefilmwelle oder auch die Filme eines D´Amato, zumeist geht es hier nur um das pure zur Schaustellen von immer neuen Gewaltexzessen. Die Grundaussagen (Kritik an Gesellschaft, Kultur, Aufrütteln...), die eben die Vorbilder noch transportiert haben bleibt hier zu meist komplett auf der Strecke.

Sicherlich auch wegweißend sind die frühen Filme von David Cronenberg, der ja auch immer eine ganz klare Aussage (zumeist bei Cronenberg sexuell orientiert) in Gewalt ausdrückte.

All diesen Filmen die auch heute noch den Status von Bahnbrechenden und Stilbildenden Filmen haben, ist die Tiefgründigkeit (mal mehr, mal weniger, das ist unbestritten) die hinter der offensichtlichen Gewalt steckt.

Dass H.G. Lewis einer der Pioniere des Splatterfilms ist, habe ich dank diesem Forum auch schon mitbekommen. Leider habe ich bis auf Blood Feast 2 in der geschnittenen Version noch keinen einzigen Film von ihm gesehen.
Romero´s "Night of the Living Dead" ist für mich (wie gesagt ich bin ein 1983er Jahrgang!) ziemlich moderat. Weitaus "geschockter" war ich als ich einige Filme von Mario Bava ("Black Sunday", "Twitch of the Death Nerve") sah...ich erwartete eigentlich Gruselfilme im viktorianischen Stil, bekam dann aber meiner Meinung nach die Vorläufer der "italienischen Gewaltwelle" zu sehen. Stand Bava zu der Zeit im Horrorfilm alleine mit solchen Greueltaten oder bedienten sich auch andere Regisseure dieser Schockeffekte?

Nochmal zum Vietnamkrieg: Sehnt das Publikum sich in oder nach Zeiten des Krieges wirklich nach verstörenden oder beängstigenden Filmen?
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Tudeh

Gewalt ist in der Kunst ein legitimes Stilmittel und seit frühester Zeit belegt, vgl. etwa die Epen von Homer oder das Alte Testament, die beide ziemlich graphische Blutszenen enthalten. Es ist immer das Besondere, Drastische, Umgewohnte, das den grössten Eindruck hinterlässt und deswegen in fiktionalen Werken bewusst eingesetzt wird (natürlich immer mit mehr oder weniger Kunstgehalt, mal origineller, mal eher nachgeahmt).
Die Geschichte des Films ist von Anfang an von Zensur geprägt, sicherlich hätten die Regisseure schon früher drastischere Bilder gezeigt, wenn sie es denn hätten tun dürfen. Erst bei Wegfall von Zensur wird eine freiere Darstellung möglich, nicht nur im Bereich von Gewalt, sondern etwa auch bei Sexualität (jetzt nicht nur im Sinne von pornographischer Darstellung, sondern vor allem in der Thematik - als nach dem ersten Weltkrieg in  Deutschland für kurze Zeit die Zensur abgeschafft war, gab es die ersten Filme zum damaligen Tabuthema Homosexualität).
Bis in die 60er-Jahre ist die Filmindustrie von Zensur geprägt, erst ab den 70er-Jahren wird das Kino endgültig freier (was nicht heisst, dass bis dahin keine Gewalt oder sexuelle Andeutungen vorgekommen sind). Diese neuen Möglichkeiten der Darstellung nutzten die Regisseure natürlich aus, manche künstlerisch hochstehend und mit viel Subtext, andere rein plakativ um des blutigen Effekts willen (Exploitation). Beides vollkommen okay, letztlich entscheidet der Zuschauer, was er sich anschauen will. Solange Menschen über genügend Medienkompetenz und -verständnis verfügen, sehe ich kein Problem damit. Ganz abgesehen davon, dass Gewalt meist in einem eher surrealen Rahmen dargestellt wird, echt naturalistische Darstellungen scheinen mir selten (und hinterlassen viel eher ein ungutes Gefühl beim Zuschauer, siehe etwa "American History X" oder "Boys don't cry").
Ob negative Kriegserfahrungen das Bedürfnis nach Gewaltdarstellungen erhöhen, kann ich nicht sagen. Nur scheint mir klar, dass man gewisse Themen (wozu Krieg und seine Auswirkungen gehören) nur umfassend darstellen kann, wenn auch die Kontexte entsprechend visualisiert werden.
Neuerdings scheint mir der Trend dahin zu gehen, Gewalt zwar als Stilmittel zu nutzen, gleichzeitig die Sache aber nicht zu drastisch darzustellen (daher etwa viel zu schnelle Schnittfolgen, bei denen kaum etwas zu erkennen ist).  Da ist mir Paul Verhoevens Einstellung lieber, der Gewalt bewusst drastisch darstellt, um auch die negativen Auswirkungen zu vergegenwärtigen (oft verbunden mit schwarzem Humor).
Gruss, Tudeh

Kill Mum!

Zitat von: TudehGewalt ist in der Kunst ein legitimes Stilmittel und seit frühester Zeit belegt, vgl. etwa die Epen von Homer oder das Alte Testament, die beide ziemlich graphische Blutszenen enthalten. Es ist immer das Besondere, Drastische, Umgewohnte, das den grössten Eindruck hinterlässt und deswegen in fiktionalen Werken bewusst eingesetzt wird (natürlich immer mit mehr oder weniger Kunstgehalt, mal origineller, mal eher nachgeahmt).

Ich habe mal gelesen, dass in der japanischen Kultur drastische Gewaltdarstellungen seit jeher Gang und Gebe sind. Kann mir jemand vielleicht dazu etwas ausführen? Es gibt doch im Forum sicherlich einige, die sich mit Asien bzw. speziell Japan befassen...
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Punisher

Zitat von: Kill Mum!
Zitat von: Kill Mum!Wann und wozu wurde das aufgegeben? Welche Regisseure und Filme waren für diesen Schritt "wegweisend"?

Weiss jemand etwas dazu?

@ die anderen: Danke für die Beiträge.

Ich glaube, Sam Peckinpahs "The wild bunch" war ein wegweisender Film in Sachen Gewalt im Film. Hier wurden z.B. zum ersten mal blutige Einschüsse in Zeitlupe gezeigt.

Riddick

Erwähnen sollte man vielleicht auch noch "Death Wish" und "Mad Max",welche für die damalige Zeit auch sehr brutal waren und die heutigen "Zuschauer" nicht mehr so vom Sessel reisen wird.

Generell würde ich sagen,dass es sowieso viele verschiedene Formen von Gewalt gibt("Braindead" hat mich z.B. nicht so geschockt wie "Last House on the Left",obwohl da viel weniger blut zu sehen ist).
"Schnell rennt das kriminelle Element,wenn es Dieter Krause kennt." - Tom Gerhardt (Hausmeister Krause)

Cyman

Zitat von: Punisher
Zitat von: Kill Mum!
Zitat von: Kill Mum!Wann und wozu wurde das aufgegeben? Welche Regisseure und Filme waren für diesen Schritt "wegweisend"?

Weiss jemand etwas dazu?

@ die anderen: Danke für die Beiträge.

Ich glaube, Sam Peckinpahs "The wild bunch" war ein wegweisender Film in Sachen Gewalt im Film. Hier wurden z.B. zum ersten mal blutige Einschüsse in Zeitlupe gezeigt.

Hmmm... Zeigte nicht bereits Arthur Penn 1967 mit Bonnie and Clyde blutige Einschüsse in Slow Motion?

Cheers, Cyman

elpadro

Cyman schrieb:

ZitatHmmm... Zeigte nicht bereits Arthur Penn 1967 mit Bonnie and Clyde blutige Einschüsse in Slow Motion?

Genau - hab ihn zwar seit Jahren nicht mehr gesehen, aber das war definitiv der erste Film, bei dem mir Selbige aufgefallen sind (in Kindertagen gesehen).
Aber neben vorher erwähntem "Wild Bunch" gab es auch noch bspw. "Agenten sterben einsam", der die Einschüsse zwar nicht in Zeitlupe ästhetisierte, sie aber dennoch zeigte.
Gleichzeitig waren einige sehr brutale, beklemmend unspektakuläre Szenen (sprich: nicht etwa hervorhebende Close-Ups) mit Eispickel-hackt-in Arme enthalten, die ziemlich drastisch das Blut spritzen liessen.

Auch "Zwei Banditen" hat eine Schußsequenz, die ohne blutigen Close-Up auskommt, dafür aber den Getroffenen in einer Form vom Pferd wirft, die im Gedächtnis bleiben kann.

Nicht zu vergessen: "Das Wiegenlied vom Totschlag".


Und überhaupt, es gibt irgendwie viele Filme, die Gewalt zwar nicht direkt verherrlichen, die aber meiner Meinung nach für die gegebenen Altersbeschränkung im Vergleich zu diversen Horror-/Action-Slashern viel drastischer sind, z.B. "Ein Zug für zwei Halunken", "Runaway Train", "Copland" (ab 12!!). Bei Letzterem frage ich mich, warum dann "Im Vorhof der Hölle" erst ab 18 freigegeben wurde.

"Death Wish" habe ich mir kürzlich noch einmal angesehen - das dort Gezeigte finde ich bei Weitem nicht so "schlimm", wie es dessen Ruf impliziert. Sehr hölzern, kaum irgendwelche Verwundungen zu sehen, sondern einfach nur storymäßig unglaubwürdige Aneinanderreihung von mäßig inszenierten Selbstjustizaktionen (habe ihn dennoch auf DVD, da er auch so ein kleines Stück Filmgeschichte darstellt).
"Hey Asshole, I'm talking to you!"
"You're not, you're talking to yourself."
Moon 44

Kill Mum!

Hat jemand noch neue "Erkenntnisse"? Etwas hinzuzufügen?
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barryconvex

Ich denke eines der Zauberworte heißt VIDEO, bzw. Exploitation, also einfach der Umstand, daß man billig herstellen konnte und ein Zielpublikum erreichen konnte, das Gegenwert für das Geld sehen will (betrifft genauso Gewalt wie Pornographie), Stichwort "video nasties".


Übrigens betrifft das mit den unblutigen Einschüssen genauso die Literatur: ich war einigermaßen überrascht als ich Chandlers "The Big Sleep" las, und praktisch alle tödliche Schüsse vom Protagonisten lediglich gehört werden, weil sie sich im Nebenzimmer abspielen.

Ein wichtiger Film dürfte sicherlich "The Silence of the Lambs" darstellen, weil er extrem blutige Einstellungen in ein anderes Genre (Thriller bzw. Romanze, letzteres ist meine private Einschätzung) hinübertransportierte.

Die zunehmende Explizitheit der Darstellung hat vermutlich auch sehr viel mit voranschreitender Technik zu tun (gut ablesbar an der Blüte von Magazinen wie Fangoria Ende der 70er / Anfang der 80er).


Ich habe gestern zufällig "The Manchurian Candidate" gesehen und war verblüfft wie trocken und nüchtern die Erschießungszene am Schwiegervater und der Ehefrau inszeniert wurde, wir sind es heute vermutlich gewohnt bei allem und jedem Voyeur zu spielen und alles in Großaufnahme und Zeitlupe präsentiert zu bekommen, auch weil das Niveau immer tiefer gelegt wird.


Die Darstellung von Gewalt in den 80ern etwa scheint mir (viel zu grob) gesprochen deutlich subversiver und härter zu sein als heute, wo es in vielen Vorabendserien Standard ist, sehr viel Blut zu zeigen.

barryconvex

Noch ein paar Titel, die für das Level von Gewalt in Spielfilmen wegweisend waren sind sicherlich:

Ein kurzer Film über das Töten

Mann beißt Hund

Dawn of the Dead (ist mir ein Rätsel, wie der Film in normale Kinos gelangt ist)

Natural Born Killers

und Saving Private Ryan.

Bei "Ryan" scheint für viele das Ausmaß an gezeigter Gewalt gleichbedeutend mit Authentizität zu sein, irgendwie das vermeintliche Gegenmittel gegen das CNN-Phänomen der klinischen Kriegsführung.

Natural Born Killers scheint mir in einer Reihe mit Wild at Heart, True Romance, Pulp Fiction, Kill Bill usw. zu stehen (auch wenn ich die Filme für sehr unterschiedlich halte), die für große Publikumsteile den Eindruck erzeugen, daß Gewalt und Coolness weitgehend austauschbar sind, und man selbst bei extremer Gewalt auf eindeutige moralische Aussagen verzichtet (Selbstjustiz scheint sonst in den USA immer legitim zu sein).

Neben den normalen Fernsehnachrichten färbt natürlich auch die Computerspielkultur ab (-> Battle Royal).

Es ist immer schwierig, pauschale Urteile über ein ganzes Jahrhundert abzugeben, zum Beispiel scheint mir der Gangster in den USA etwas ganz anderes zu bedeuten als bei uns (dort steht er viel mehr für einen Individualisten in der Westerntradition, häufig sind Gangstergeschichten dort auch über weite Strecken "Erfolgsgeschichten" siehe Scarface / Al Capone).

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