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Gemeinschaftsforum => Offtopic-Forum => Thema gestartet von: Intergalactic Ape-Man am 10 Februar 2010, 18:38:08

Titel: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Intergalactic Ape-Man am 10 Februar 2010, 18:38:08
Wir alle waren mal kleine Stöpsel und irgendwann hatten wir alle wohl ein Schlüsselerlebnis, welche uns das Medium Film nahe brachte. Aber unser Horizont war auch klein und so übten wohl schon naive Filme eine Magie aus, wie es heute kaum noch möglich wäre. Wir leben in einer sehr wissenschaftlichen Welt. Es ist ein leichtes, die Zaubertricks der Leinwand zu entschlüsseln. Man kann nun versuchen sich fallen zu lassen, oder man kann die Rezeption und Filmwahl anpassen.

Schon öfter fielen in Diskussionen beiläufig Schlagworte wie historischer Bezug oder Querverweise zu anderen Kunstformen. Künstler nutzen verschiedenste Inspirationen, von Psychologie über Oper bis zur Architektur. Das kann unwesentlich verarbeitet werden, jedoch auch etwas über den Künstler aussagen und der Künstler kann schließlich mit seinem Werk auch etwas aussagen wollen. Zur Kommunikation aber bedarf es eines gemeinsamen Zeichenvorrats. Der Zuschauer muß schließlich auch die Sprache des Künstlers wahrnehmen und verstehen können.

Ich interessiere mich für eure Meinung:
- Wieviel Grundwissen benötigt eigentlich der Filmgenuß?
   (Wie definiert ihr euren Filmgenuß?)
- Welcher Kenntnisstand ist erstrebsam?
- Wie intensiv erarbeitet ihr dieses Ziel selbst und welche Quellen dienen euch dabei?
   (Medien, Veranstaltungen, Museen etc.)
- Inwiefern beeinflußt dies eure Filmauswahl?

Umgekehrte Sichtweise:
- Wieviel "Wissen" und "Anspruch" von Seiten des Filmschaffenden wertet ihr als positiv?

Ich hoffe auf eine fruchtbare Diskussion mit unterschiedlichen Standpunkten, die vielleicht unser aller Horizont erweitert.

Edit: Fragen durch Punkte ergänzt, die sich aus der bisherigen Diskussion ergaben.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Eric am 10 Februar 2010, 18:47:25
Ich interessiere mich für eure Meinung:
- Wieviel Grundwissen benötigt eigentlich der Filmgenuß?
Filmgenuß benötigt KEINERLEI Grundwissen, da es meiner Meinung nach vollkommen wurst ist wie der Regisseur oder Drehbuchautor heißt oder welche Querverweise es in einem Film gibt. Hauptsache der Film (oder das Genre) macht einem selber Spass.


- Welcher Kenntnisstand ist erstrebsam?
Gar keiner. Der "normale" Kenntnissstand kommt irgendwie automatisch je mehr Filme man konsumiert. Irgendwann weiß man dann welcher Schauspieler noch wo mitgespielt hat oder welche Filme noch in der Vita des Regisseurs stehen, bzw. was genau er mit einer bestimmten Szenenkomposition ausdrücken möchte.
Wer versucht sein Film-Wissen ausschließlich über Bücher zu erarbeiten verliert irgendwann den Kontakt zum eigentlich Sinn des Films --> man soll unterhalten werden.


- Wie intensiv erarbeitet ihr dieses Ziel selbst und welche Quellen dienen euch dabei?
Machen meiner Meinung nach nur Nerds. Ich habe da die ziemlich einfache Einstellung dass mir ein Film entweder gefällt oder eben nicht...
Natürlich gibt es auch Filmfans die gerne einiges über ihr Lieblingsgenre wissen möchten. Das ist bei weitem nicht falsch. Aber es kommt da meiner Meinung nach auf eine gewisse Grenze an. Man kann sich auch "überlesen".

- Inwiefern beeinflußt dies eure Filmauswahl?
Gar nicht. Ein Hollywood-Popcorn-Actionfilm ala TRANSFORMERS oder T4 kann mich genauso begeistern wie z. B. DER PIANIST oder DEAR WENDY.
Die Mischung machts. Wie im richtigen Leben halt auch.


Ich denke, wenn ich mir einen Film erst "erarbeiten" müsste um ihn zu verstehen geht das am eigentlichen Thema FILM irgendwie vorbei.
Ich denke viele hier sehen das anders aber mich persönlich muss ein Film einfach unterhalten. Auf welcher Ebene er das macht spielt dabei keine Rolle.


MFG


ERIC
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: ratz am 10 Februar 2010, 19:46:35

Will mal nur zu Fragen 1 und 2 was Kurzes sagen.

Ich erkläre die Theorie immer so:
Jede Kunstform kann man ganz oberflächlich betreiben und/oder genießen, oder man verleiht ihr einen beliebig hohen Abstraktions- und Komplexionsgrad. Mit steigendem Komplexionsgrad des Kunstwerks steigt auch die Arbeit, die der Betrachter seinerseits investieren muß, um diesen zu erfassen. Und manche sagen, je mehr Arbeit sie hineinstecken müssen, um so höher ist dann der Genuß bei erfolgreicher Durchdringung (nicht: Entschlüsselung) des
Kunstwerks.

Praktisch für den Film:
Da gibt es nun also
1. Werke für den schnellen, direkten Genuß, ohne große Komplexität, mit maximaler Erregungserzeugung und Sensationsbefriedigung,
2. Filme, die beides miteinander verbinden, also sowohl schnell konsumierbar sind als auch für eine gründlichere Betrachtung lohnenswert sind, und
3. Filme, die den schnellen Genuß beim ersten Ansehen für ganz unwichtig oder sogar schlecht erachten und so komplex sind, daß man erst Arbeit investieren muß, um sie zu "verstehen".

Eric z.B. ist nun einfach ein gottloser und säuischer Epikureer, der klar formuliert, daß ihm die 1. und mit Einschränkungen die 2. Sorte die liebste ist, weil er keine Arbeit investieren will. Das ist sein gutes Recht. Ich selbst möchte keine der drei Sorten missen.

cu, r.

Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: pm.diebelshausen am 10 Februar 2010, 20:08:05
Meine Meinung: Filmgenuss kann immer stattfinden. Egal auf welchem Bildungsniveau, egal wieviel Vor- oder Kontextwissen. Prinzipiell reichen Augen (am Besten auch Ohren, aber es gibt ja auch Untertitel für Hörgeschädigte) und ein Film.

Alles Weitere ist beinahe soetwas wie Luxus. Kann möglicherweise mehr bereichern, als das "nackte" (werkimmanente) Ansehen, kann aber auch im Weg stehen. Da gibt es keine Patentlösung, Bildung schützt vor Torheit nicht, Naivität ebensowenig. Anders garantiert Naivität aber auch keine Torheit, Bildung ebensowenig. Kurz und mit Paul Feyerabend (in anderen Zusammenhang gebracht) gesagt: Anything Goes.

Filmgenuss wird weniger durch Grundwissen gehoben, als durch Offenheit, Wohlwollen und Neugier dem Film gegenüber.

Erstrebsam finde ich grundsätzlich keinen Kenntnisstand. Viel wichtiger und erstrebsamer sind soziale Kompetenzen, die helfen auch beim Filmsehen.

Andererseits bin ich seit Jahrzehnten dabei, mich weiter zu bilden, vergesse gleichzeitig aber auch wieder, deshalb nicht unbedingt ein Fortschritt - mehr eine Verlagerung. Ich liebe Dilletantismus als Gegenpol zu unserer durchprofessionalisierten Welt (mit diesem Begriff meine ich wahrscheinlich in etwa das selbe, was Ape mit "Wissenschaftliche Welt" bezeichnet). Das heißt nicht, dass ich ein Trash-Fan bin, bedeutet aber, dass ich auf vielen Gebieten, die mich interessieren, nicht zu tief ins "Professionelle" gehen will, sondern versuche, mir eine natürliche Naivität zu erhalten. Kinder staunen bedingungslos - das will ich immernoch. Kinder sind sehr fokussiert (zeitweise) und bauen Erlebtes (auch Filme) in ihre magische Phantasiewelt ein. Einen ähnlichen Zustand wieder zu erreichen halte ich für erstrebenswerter als hochgebildete Intellekt-Urteile. Dem widersprechen manche Dinge, die ich tue oder z.B. auch schreibe - aber ich habe kein Problem damit, mich als widersprüchlich zu aktzeptieren - auch das ein Gegensatz zur Welt der Wissenschaft und Professionalität (zumindest auf den ersten Blick - die moderne Physik beispielsweise hat ja bereits gelernt, mit Widersprüchlichkeiten zu leben).

Wie Ratz die Filme kathegorisiert, kann ich nicht teilen, denn es geht für mich viel mehr darum, worauf man sich wie einlässt. Da kann ein für andere eindeutig hingeworfener Film für den kurzen Genuss machhaltige Wirkung haben. Man muss einen Komplexitätsgrad nicht erfassen, kann am selben Film dennoch seinen Spaß haben. Die Frage ist stets eher, wieviel man investieren will. Ähnlich wie bei Menschen: keiner ist langweilig, wenn man genau hinschaut. Und damit wäre der Kreis zu den sozialen Kompetenzen geschlossen.

Interessantes Thema.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Intergalactic Ape-Man am 11 Februar 2010, 10:00:33
Zitat von: Eric am 10 Februar 2010, 18:47:25
Wer versucht sein Film-Wissen ausschließlich über Bücher zu erarbeiten verliert irgendwann den Kontakt zum eigentlich Sinn des Films --> man soll unterhalten werden.

Und was ist z.B. mit Museen oder anderen Kulturveranstaltungen, Cons, Dokumentationen?
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Moonshade am 11 Februar 2010, 11:12:21

- Wieviel Grundwissen benötigt eigentlich der Filmgenuß?

Da müßte man "Filmgenuss" überhaupt erst mal definieren.
Für mich funktioniert "Genuss" an allererster Stelle immer dann, wenn ich nicht die Zaubertricks der Macher analysieren kann bzw. noch besser, wenn ich es gar nicht will. Dazu muß mich der Film an sich, die Geschichte, die Bilder, die Machart verzaubern, dann ist der ganze Analysekram gottseidank vergessen. Das funktioniert mit den Jahren natürlich immer schlechter, aber ich bin immer am zufriedensten, wenn sich das Gefühl mal wieder einstellt.
Intuitives Erleben eines Films ist imo sowieso das Bessere, jedoch gibt es auch bei mir Momente, wo ich ganz dankbar bin, daß ich mir gewisses Vorwissen angeeignet habe.

- Welcher Kenntnisstand ist erstrebsam?

Zu viel Wissen ist meiner Ansicht nach schädlich, das demontiert einen Film zu dem, was es von außen ist, ein künstliches Konstrukt, seiner Magie beraubt. Ich meide nach Möglichkeit jede Art von Making of im Vorfeld, da sonst ein Teil meines Gehirns mit der Aufschlüsselung der technischen Komponente beschäftigt ist.
Andersherum bin ich für Themen, Motive, Gedankenspiele und psychologischen Unterbau gern zu haben und puzzle daran gern zu jeder Zeit herum - insofern ist der Filmemacher an sich schon von Interesse, was aber auch sehr häufig künstliche Erwartungshaltungen schürt, die die Filme dann manchmal nicht durchhalten können (Bsp: "Fight Club" hob die Erwartungen an Fincher ins Unermeßliche, dagegen wirkte "Panic Room" so banal, daß ich "Zodiac" mied - und ihn jetzt nachträglich mit Freude wiederentdecke)

- Wie intensiv erarbeitet ihr dieses Ziel selbst und welche Quellen dienen euch dabei?

Das hängt vom jeweiligen Interesse ab für das Thema, die Künstler, die Schauspieler.
Teilweise recherchiere ich kleinere Sachen im Vorfeld, meistens arbeite ich aber nach, allerdings nie so tiefgründig detailliert, das es wie seziert wirkt. Grundzüge und Motive interessieren mich schon, die führen mich meistens zu den Motivationen und der Psychologie der Macher, aber letztendlich muß für mich der Film für sich stehen, als "Geschichte" begeistern. Filme sind für mich überwiegend Geschichten und Bilder, die Emotionen provozieren und projezieren, die Menschen dahinter bleiben dann doch eher sekundär, da sie meistens sowieso nicht so sind oder denken, wie man sich das nach der eigenen Rezeption und Denkweise vorstellt.

- Inwiefern beeinflußt dies eure Filmauswahl?

Individuelle Stile beeinflußen die Filmwahl, aber an erster Stelle steht das Thema.
Das Gesamtwerk eines Künstlers zu begutachten (z.b. Hitchcock) reizt mich schon sehr, aber selbst da tue ich mich schwer mit Beiträgen, die mich thematisch nicht sonderlich ansprechen, da kann helfen auch visuelle Schnäppchen oder filmgeschichtliche Innovationen wenig. Die konsumiere ich dann möglicherweise der Vollständigkeit halber, zur Kenntnis, zur Mitsprache, aber sie beflügeln nicht meine Auswahlentscheidung.

Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Eric am 11 Februar 2010, 11:18:00
Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 11 Februar 2010, 10:00:33
Zitat von: Eric am 10 Februar 2010, 18:47:25
Wer versucht sein Film-Wissen ausschließlich über Bücher zu erarbeiten verliert irgendwann den Kontakt zum eigentlich Sinn des Films --> man soll unterhalten werden.

Und was ist z.B. mit Museen oder anderen Kulturveranstaltungen, Cons, Dokumentationen?

Ich versuche es mal etwas anders auszudrücken:
Ich kenne einige User hier, die ihr (Film)wissen nahezu nur aus Bücher haben. Sie kennen zum Teil den kompletten Cast von Filmen oder wissen ALLES über einen bestimmten Regisseur oder Schauspieler, obwohl sie nur jeweils einen Bruchteil seiner Filme gesehen haben. Trotzdem wissen sie auch über die nicht gesehenen Filme alles mögliche.

Meiner Meinung nach ist das der falsche Weg. Dadurch hat man zwar ein wirklich umfassendes Wissen über das jeweilige Thema, aber Liebe oder Leidenschaft zum Film bleibt da oft auf der Strecke.

Die von dir angesprochenen Sachen wie Museen, Cons, ..., sollte man Teilen.
Auf der einen Seite stehen die Cons (von mir aus auch Filmbörsen), die man einfach als Fan (wohl eher als Freak  ;)) besucht um Gleichgesinnte zu treffen, sich auszutauschen und, ..., einfach Spass zu haben.
Auf der anderen Seite die Museen, Kulturveranstaltungen, ..., die sind gut um (nicht unbedingt filmbezogenes) Wissen zu sammeln. Oftmals werden in Filmen geschichtliche und kultirelle Ereignisse erwähnt. Wenn man sich dafür interessiert, ..., NATÜRLICH! Ab ins Museeum oder spezielle Fachliteratur kaufen!
Gibt doch nichts Schöneres als wenn man durch einen "Hollywood-Schinken" ala zum Beispiel ALEXANDER oder TROJA oder auch 300 mehr über das jeweilige Thema erfahren möchte. (War bei mir auch so)

Aber man sollte es machen weil es einen selber interessiert und nciht weil man "vor anderen angeben möchte".
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Intergalactic Ape-Man am 11 Februar 2010, 11:42:06
Zitat von: Eric am 11 Februar 2010, 11:18:00
Aber man sollte es machen weil es einen selber interessiert und nciht weil man "vor anderen angeben möchte".

Das beißt sich ja auch nicht mit der von dir angesprochenen Ausgewogenheit. Im Gegenteil kann es ja auch Spaß machen, seinen Kulturhorizont um das zentrale Thema Film herum zu erweitern oder von parallelen Interessen zu profitieren. Dergestalt galt meine Frage eben auch, inwiefern ein so breites Verständnis von Vorteil sein kann oder gar muß. Ich denke da z.B. an Dario Argento, der gern in Interviews davon schwärmt, wie ihn psychologische Phänomene oder eben Malerei, Oper und Architektur zu seinem Schaffen beeinflußten und frage mich ernsthaft, wieviel letztlich davon beim Zuschauer noch ankommt. Auch dies beeinträchtigt ja die von Moonshade angerissene Definition eines Filmgenusses. Gerade Argento eignet sich da als tolles Beispiel, weil er oftmals hauptsächlich als Schöpfer blutrünstiger Werke wahrgenommen wird. Man könnte in diesem Fall gar auf die Frage kommen, ob der Macher mit seinen hochtrabenden Ansprüchen nicht sogar an seinem Publikum vorbei drehen könnte. Also schon fast die Zusatzfrage: Wieviel muß ein Filmschaffender wissen?  :icon_lol:
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Moonshade am 11 Februar 2010, 12:00:00
Im Falle von Argento bin ich mir gar nicht sicher, ob der je wirklich den künstlerischen Anspruch zu verwirklichen versuchte, den seine Fans und Kritiker gern in ihn hineininterpretieren wollen.
Das soll nicht heißen, er wäre ein Dillettant mit einem guten Auge für Kunst und die Monstrosität dahinter, aber wenn ich mir die Bestandteile aus visueller Hochwertigkeit, detaillierten Mordszenen und geradezu vogelwilden Plotfolgen so ansehe (und ich liebe seine Filme bis Phenomena), dann glaube ich, daß er in den Filmen sowieso eher seine (sexuellen) Obsessionen ausgelebt hat, ebenso wie Hitchcock, der auch zunehmend die künstlerische Integrität scheinbar geopfert hat (in seinen Spätwerken), zugunsten einer alterbedingten sexuellen Fixierung (besonder bzgl. Vergewaltigungen/Dominanzverhalten). Inzwischen kann er nicht mehr aufhören, obwohl der Reiz mehr als offensichtlich für ihn nachgelassen hat, aber die Obsession dominiert inzwischen längst das visuelle Talent.

Die Schaffenskraft läßt eben bei jedem im Alter nach oder verschiedene Lebensphasen bedingen verschiedene Interessen (Allen wandte sich ja auch von der Komödie der Introspektive zu) und so den kreativen Output. Das ist ein natürlicher Prozess, der gern zuungunsten der Regisseure ausgelegt wird.

Und natürlich gilt auch für die Filmschaffenden: wenn ich nur genug über mich lese, steigt die Gefahr, das ich es irgendwann am Ende selbst glaube und versuche, diesen indirekten Ansprüchen genügen.
Damit geht die Freiheit und Leichtigkeit ziemlich schnell flöten, der Druck steigt, insofern sollte ein Filmemacher vielleicht nicht zuviel von seinem Publikum wissen, damit sich der kreative Kurs unbeeinflußt (vom Publikum) entwickeln kann  (Laurel und Hardy erfuhren ihre weltweite Popularität erst, als ihre Filmkarriere vorbei war), wobei fraglich ist, ob so etwas in einer Zeit der Einspieldominanz so etwas wirklich noch aufblühen kann.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: pm.diebelshausen am 11 Februar 2010, 13:05:07
Ungewöhnliche, aber spannende Frage, die Moonshade da implizit aufwirft und die zwar die Fragestellung des Threads umkehrt, dennoch dazu gehört: wieviel Wissen um die eigenen Filme tut den Regisseuren gut?

Damit hängt nicht nur das Ego-Problem zusammen (das Hitchcock zweifellos hatte - er war im Alter auch ausreichend Fortschrittsresistent, was seine späten Filme schwächer macht. Seine markenbildende Selbstdarstellung zeugt von einem Riesenego, das nicht immer hilfreich ist), sondern auch die Frage danach, wie bewusst ein Filmemacher die Dinge in einen Film einfließen lässt und einbaut, die von Rezipienten dann wieder entdeckt werden. Im Falle Argento scheint das ja sehr ausgeprägt zu sein. Ebenso gibt es natürlich Filme, die sich für ihre Bilder an Vorlagen orientieren (recht oberflächliche Beispiele wären "Hinter dem Horizont" oder "Anwalt des Teufels", man kann aber auch fragen, was Wim Wenders mit Edward Hopper zu tun hat, oder natürlich wie das Verhältnis von expressionischtischm Film mit expressionistischer Literatur und Malerei beschafen ist).

Nun glaube ich nicht, dass derlei Wissen bei einem guten Film nötig ist für Genuss. Das kann Spass machen, derlei Dinge zu erkennen und einordnen zu können, mag auch hilfreich für das Verständnis sein. Aber ich wage die These, dass die wirklich "großen" Filme auf ausreichend unterschiedlichen Ebenen funtionieren, so dass mehr Leute als nur ein paar Spezies ("sein Publikum") etwas darin "finden" (nicht "suchen ist gemeint", sondern "erleben"), was ihnen Spass macht, Genuss bereitet, sie packt, unterhält, anregt, was auch immer. Letztlich würde ich es eher auf eine Frage des Zugangs reduzieren: mal abgesehen vom Bauchgefühl geht es darum, wie man einen Zugang zu einem Kunstwerk (egal ob Literatur, Malerei, Architektur, Film usw.) bekommt (so man denn überhaupt will).

Ich stehe vor einem Gemälde und habe zunächst mal ein Gefühl dazu. Passt mir oder passt mir nicht. Je mehr ich an Zusammenhängen schaffen kann (was weiß ich über Pinselführung, über Epochen, über Farbpsychologie, über die Biogaphie des Maler usw. usw.), desto mehr Kanäle stehen mir offen, um einen Zugang zu finden und vielleicht auch an dem Bild interessiert zu werden. So verhält es sich in jedem Bereich, auch dem Film. Aber nötig ist das meines Erachtens nicht. Und dass man sich manche Kanäle bereits geöffnet hat, kann auch andere Kanäle völlig verhindern. Wie beim Wein: da können mir zehnmal irgendwelche Fachleute, die mehr Schmatzen als Trinken, sagen und argumenieren, dass dies und jenes ein ganz phantastischer Wein sei - wenn er mir nicht schmeckt, schmeckt er mir nicht.

Übrigens vermeide ich Trailer, Diskussionen in Threads und ähnliches auch weitestgehend im Vorfeld eines Films, den ich womöglich sehen will. Gutes Beispiel dafür und für diesen Thread überhaupt ist "Der Herr der Ringe". Ich wusste, ich muss das sehen, weil ich Tolkiens Welt schon lange liebe (begann damit, dass als ich klein war mein Vater mir die Karten zeigte und sagte, dort seien die Zwerge...). Und ich wollte warten, bis die Sache passt und habe mir überhaupt nichts angesehen, bevor ich die Filme sah. Mit dieser Trilogie verhält es sich ähnlich wie mit "Der Name der Rose" im Literaturbereich: er hält auf verschiedenen Ebenen genug bereit, um unterschiedliche Leute auf unterschiedliche Art zu packen. Diejenigen, die umfangreiche bildung haben, können das dann auch explizieren, aber nötig für einen Filmgenuss ist das nicht.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Kill Mum! am 12 Februar 2010, 02:09:13
Zitat von: Eric am 10 Februar 2010, 18:47:25
eigentlich Sinn des Films --> man soll unterhalten werden.


Ich weiß nicht, ob das im Film uneingeschränkt anwendbar ist, aber wenn ich mich hinsetze und in welcher Form auch immer meine Gedanken und Gefühle ausdrücke, dann mache ich das nicht zur Unterhaltung anderer. Eher aus einem inneren Drang/Zwang heraus oder um mir dies selbst zu "visualisieren" und vorzuführen. Ich leere meinen Kopf aus und bringe es in eine Form, die für mich Sinn ergibt. Oder die mich ästhetisch anspricht, etc.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Intergalactic Ape-Man am 12 Februar 2010, 19:46:38
Zitat von: Moonshade am 11 Februar 2010, 12:00:00
Im Falle von Argento bin ich mir gar nicht sicher, ob der je wirklich den künstlerischen Anspruch zu verwirklichen versuchte, den seine Fans und Kritiker gern in ihn hineininterpretieren wollen.
Das soll nicht heißen, er wäre ein Dillettant mit einem guten Auge für Kunst und die Monstrosität dahinter, aber wenn ich mir die Bestandteile aus visueller Hochwertigkeit, detaillierten Mordszenen und geradezu vogelwilden Plotfolgen so ansehe (und ich liebe seine Filme bis Phenomena), dann glaube ich, daß er in den Filmen sowieso eher seine (sexuellen) Obsessionen ausgelebt hat, ebenso wie Hitchcock, der auch zunehmend die künstlerische Integrität scheinbar geopfert hat (in seinen Spätwerken), zugunsten einer alterbedingten sexuellen Fixierung (besonder bzgl. Vergewaltigungen/Dominanzverhalten). Inzwischen kann er nicht mehr aufhören, obwohl der Reiz mehr als offensichtlich für ihn nachgelassen hat, aber die Obsession dominiert inzwischen längst das visuelle Talent.

Ich halte es durchaus für möglich, daß Argento später als Reaktion auf die Rezeption seines Schaffens anders agiert hat, als zu Beginn. Meinst du aber, daß dies bereits in der Phase zwischen Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe und Profondo Rosso der Fall gewesen ist? Auch hier finden sich explizite Kunstbezüge. Hedning oder Father McKenzie können dies bestimmt sicherer ausführen, aber ich meine, daß Argento zudem seine Gestaltung auf die Nähe zum Film durch seinen Vater, dem Produzenten Salvatore Argento zurückführt. Bevor er seine Karriere als Regisseur begann arbeitete er außerdem als Kritiker, was ihm tatsächlich ein Kunstinteresse glaubhaft erscheinen läßt. Er gibt an, seine Kindheit, wenn nicht an Filmsets, dann bei Photoshoots mit seiner Mutter Elda Luxardo verbracht zu haben. Daher wisse er auch, wie er Frauen abzubilden habe. Diese sexuelle Obsession könnte ihm tatsächlich also in die Wiege gelegt worden sein.

Zitat von: Moonshade am 11 Februar 2010, 12:00:00
Und natürlich gilt auch für die Filmschaffenden: wenn ich nur genug über mich lese, steigt die Gefahr, das ich es irgendwann am Ende selbst glaube und versuche, diesen indirekten Ansprüchen genügen.
Damit geht die Freiheit und Leichtigkeit ziemlich schnell flöten, der Druck steigt, insofern sollte ein Filmemacher vielleicht nicht zuviel von seinem Publikum wissen, damit sich der kreative Kurs unbeeinflußt (vom Publikum) entwickeln kann  (Laurel und Hardy erfuhren ihre weltweite Popularität erst, als ihre Filmkarriere vorbei war), wobei fraglich ist, ob so etwas in einer Zeit der Einspieldominanz so etwas wirklich noch aufblühen kann.

Wobei man an dieser Stelle wohl davon ausgehen darf, daß Hitchcock mit seiner Popularität mehr als gespielt hat und zu Selbstironie in der Lage war. Wo ich bei Argento noch an übermütige Selbstreflexion glauben mag, war es doch gerade Hitchcock, der immer offen zugegeben hat, wie sehr er auf das Publikum wirken möchte. Er hat sich selber zur Marke gemacht und mußte sein Publikum sehr genau kennen, wenn er wissen wollte, wie er dort sein Produkt den Erwartungen entsprechend verkaufen wollte und wenn diese Erwartung auch gerade das Unerwartete war. Hitchcock hat so über Jahre fast ausschließlich Kracher produziert. Hätte er so gut sein können, dies ungebremst und immer zum Gefallen des nun Generationen umfassenden Publikums bis zu seinem letzten Projekt fortzusetzen?

Zitat von: Kill Mum! am 12 Februar 2010, 02:09:13
Zitat von: Eric am 10 Februar 2010, 18:47:25
eigentlich Sinn des Films --> man soll unterhalten werden.


Ich weiß nicht, ob das im Film uneingeschränkt anwendbar ist, aber wenn ich mich hinsetze und in welcher Form auch immer meine Gedanken und Gefühle ausdrücke, dann mache ich das nicht zur Unterhaltung anderer. Eher aus einem inneren Drang/Zwang heraus oder um mir dies selbst zu "visualisieren" und vorzuführen. Ich leere meinen Kopf aus und bringe es in eine Form, die für mich Sinn ergibt. Oder die mich ästhetisch anspricht, etc.

Da sprichst du einen Punkt an, an dem sich die Geister scheiden können. Irgendwann ganz am Anfang, da war Filmen einfach nur bewegte Photographie. Der Zweck wurde dokumentarisch ausgelegt und so sah man auf der Leinwand so etwas wie die berühmten Arbeiter, die eine Fabrik verlassen. Aufgrund der Neuheit bewegter Bilder war dies sicher ein unterhaltendes Spektakel. Aber nur einen Hauch später fanden erste narrative Wesenszüge ihren Weg. In diesem Stadium diente es wohl explizit der Unterhaltung. Das propagandistische Potential mal außen vor lassend, gab es tatsächlich mindestens ab den 20er Jahren avantgardistische (Kurz-)Filme, über deren Unterhaltungswert man diskutieren kann. Ein gutes Beispiel wäre z.B. Symphonie Diagonale (http://www.imdb.com/title/tt0015384) von Viking Eggeling. Sein vollkommen abstrakter Trickfilm aus simplen Formen fordert das Kunstverständnis enorm heraus. Was aber ist das Ziel eines solchen Films über das Experimentelle hinaus? Soll sich hieraus wirklich kein "Filmgenuß" ergeben? Und läßt sich dieser von "Unterhaltung" trennen? Handelt es sich hier nicht vielmehr um die offenen oder geschlossenen Kanäle, welche pm.diebelshausen anspricht?
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Bretzelburger am 12 Februar 2010, 20:25:07
Zuallererst halte ich es mit Eric - ich möchte mich von Filmen unterhalten lassen. Das mich auch abstrakte, langsame und pessimistische Filme unterhalten, mag mancher krank finden, aber ich kann dabei genauso Vergnügen empfinden, wie bei einem Trash-Film.

Wissen ist für mich eine vielschichtige Angelegenheit. Irgendwelche Daten auflisten, andere Filme des Darstellers oder Regisseur nennen zu können, halte ich für nebensächlich, zumindest hinsichtlich des Filmvergnügens. Analysieren macht mir dagegen Spaß - nur basiert eine Analyse weniger auf Fachwissen, sondern sollte im besten Fall eigene Erfahrungen mit einschliessen - und zwar aus jedem Bereich des Lebens. Dinge wie Schnitt, Tricks usw. interessieren mich prinzipiell nicht, weshalb ich mir auch nur äußerst selten Bonus - Material ansehe. Ich möchte über die technische Entstehungsgeschichte eines Films im Grunde nichts wissen, denn ein Film, der mir gefällt, verliert nicht dadurch, dass mir ein Profi irgendwelche technischen Fehler nachweist, genauso wie ein schlechter Film durch technische Perfektion keine Pluspunkte gewinnt. Mehr interessiert mich die Intention der Macher.

Deshalb lese ich gerne etwas über das Leben von Drehbuchautoren und/oder Regisseuren, wie sie aufgewachsen sind oder mit welchen Menschen sie zusammengearbeitet haben. Allerdings gibt es dazu in der Regel nur sehr wenig Material. In der Regel mache ich das aber erst nach dem Sehen eines Films, manchmal ist es aber nicht schlecht, vorher etwas in dieser Richtung zu lesen, einfach um den Film zu verstehen. Beispielhaft steht für mich da der neue Film der Coen-Brüder "A serious man". Ich habe ihn gesehen, ohne mich vorher darüber zu informieren - und er hat mir sehr gut gefallen. Aber manches habe ich nicht wirklich verstanden. Warum der Film in den 60ern spielt oder was die Vorgeschichte soll - wenn man den Film das erste Mal sieht, denkt man, dass sie einen konkreten Zusammenhang mit der sonstigen Geschichte hat, was aber nicht der Fall ist. Erst durch ein Interview mit den Coens, dass ich danach gelesen habe, wurde mir das klar. Für mich gehört auch zum Vergnügen eines Films, sich danach Gedanken darüber zu machen. Filme, die mir länger im Kopf bleiben und mich weiter beschäftigen, verlängern das Vergnügen - vielleicht aber auch deshalb, weil ich nun mal gerne Reviews schreibe.

Prinzipiell sehe ich Filme am liebsten ohne Vorwissen an, weshalb ich auch gern in die Sneak gehe. Keine Erwartungshaltung und staunende Augen beim Sehen - das klappt zwar nur selten, aber glücklicherweise auch noch mit fast 50.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Moonshade am 13 Februar 2010, 10:21:26
Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 12 Februar 2010, 19:46:38
Ich halte es durchaus für möglich, daß Argento später als Reaktion auf die Rezeption seines Schaffens anders agiert hat, als zu Beginn. Meinst du aber, daß dies bereits in der Phase zwischen Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe und Profondo Rosso der Fall gewesen ist? Auch hier finden sich explizite Kunstbezüge. Hedning oder Father McKenzie können dies bestimmt sicherer ausführen, aber ich meine, daß Argento zudem seine Gestaltung auf die Nähe zum Film durch seinen Vater, dem Produzenten Salvatore Argento zurückführt. Bevor er seine Karriere als Regisseur begann arbeitete er außerdem als Kritiker, was ihm tatsächlich ein Kunstinteresse glaubhaft erscheinen läßt. Er gibt an, seine Kindheit, wenn nicht an Filmsets, dann bei Photoshoots mit seiner Mutter Elda Luxardo verbracht zu haben. Daher wisse er auch, wie er Frauen abzubilden habe. Diese sexuelle Obsession könnte ihm tatsächlich also in die Wiege gelegt worden sein.

Argento hat das Genre nicht erfunden, also kann ich natürlich als Laie darüber auch kein Urteil erlauben. Soweit man sieht, sind die teilweise fetischisierten Morde jedoch in seinem ganzen Werk präsent und seine eigene Rolle als "Mörderhände" hat sich imo im Verlaufe seiner Filme immer stärker herausgearbeitet, je präziser und visuell einfallsreicher seine Kunst, um so intensiver.
Ist auch eine Form von Kanalisierung von Energien, seien es jetzt kreative oder sexuelle, die Vorliebe oder auch den Sachverstand für Kunst/Architektur, der ist jedenfalls schon beim ersten Werk spürbar.
Möglicherweise liegt die Qualität seiner eher frühen Werke auch eben an der relativen Frische, mit der er zu Werk ging, wer sich immer wieder an ähnlichen (teilweise pseudopsychologischen) Sujets abarbeitet, wird irgendwann keine Höchstleistungen mehr vollbringen. Irgendwann sorgt allein die Abnutzung für das Fehlen an Energie, das für so relativ reizlose Werke wie "Card Player" symptomatisch ist. Im Alter wird dann meistens noch aufgearbeitet, was liegen geblieben ist (Third Mother), was aber eben dann außerhalb der passenden Schaffensperiode liegt und wenig zu den Vorgängern zu passen scheint. Anders als Hitchcock ist Argento nicht wirklich gröber geworden (eine zeitlang schon), dann wurde er zahnlos. Inzwischen scheint er nur die Erwartungshaltung des Publikums auf eben einen "Argento" zu befriedigen.

Zitat
Wobei man an dieser Stelle wohl davon ausgehen darf, daß Hitchcock mit seiner Popularität mehr als gespielt hat und zu Selbstironie in der Lage war. Wo ich bei Argento noch an übermütige Selbstreflexion glauben mag, war es doch gerade Hitchcock, der immer offen zugegeben hat, wie sehr er auf das Publikum wirken möchte. Er hat sich selber zur Marke gemacht und mußte sein Publikum sehr genau kennen, wenn er wissen wollte, wie er dort sein Produkt den Erwartungen entsprechend verkaufen wollte und wenn diese Erwartung auch gerade das Unerwartete war. Hitchcock hat so über Jahre fast ausschließlich Kracher produziert. Hätte er so gut sein können, dies ungebremst und immer zum Gefallen des nun Generationen umfassenden Publikums bis zu seinem letzten Projekt fortzusetzen?

Nein, H. hat sich wohl wenig vom Publikum beeinflußen lassen, dafür gab es schon damals allein viel zu wenig Nähe und Vernetztheit, um so viel von sich zu erfahren, allerdings war er sich seiner kreativen Nische sehr schnell bewußt, auf Suspense abgestempelt zu sein. Da gebe ich dir recht.
Daß Hitchcock jedoch "fast ausschließlich Kracher produziert" hat, zweifele ich hiermit aber an, das fällt nur meistens nicht so auf, weil gut 15-20 seiner 53 Filme als absolute Klassiker gelten. Dazwischen gab es immer wieder teils längere Leerstellen (Mr. and Mrs.Smith, Lifeboat waren keine großen Erfolge, "Spellbound" bekam Zoff von der Kritik, "Paradin" fiel durch, "Rope" war eine Kuriosität -wenig mehr, "Under Capricorn"/"Stagefright" waren Flops). Die Bewertung fällt natürlich aus heutiger Sicht anders aus.
Ich hatte H. auch mehr als Beispiel für das Nachlassen der Schaffenskraft bei gleichzeitiger Aufwertung des sexuellen Fixierung genannt, denn H. verwandelte sich ja schon im Laufe der 50er zum "dirty old man" (wenn auch sehr distinguiert), der nacheinander versuchte, seine Darstellerinnen zu formen und zu kontrollieren (erst Kelly, nach ihrer Hochzeit Miles, nach deren Schwangerschaft Kim Novak und Eva Marie Saint (die sich das verbat), bis er sich an Tippi Hedren abarbeitete. Daß die Obsessionen damit nur schlimmer wurden, merkt man dann an der Zwangsexszene in "Marnie", dem offenen sexuellen Mord in "Frenzy" und seinen Plänen für einen nicht realisierten Film, der eine recht extreme Vergewaltigung beinhalten sollte, was aber niemand gespielt hätte.
Nach "Die Vögel" erschuf H. zwar noch bekannte, aber wenig angesehene Werke, die in keinem Vergleich zur produktiven Phase von 1951-1963 stehen.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Bretzelburger am 13 Februar 2010, 11:20:46
Zwar sind die sexuelle Obsessionen bei H. offensichtlich, aber die Veränderungen in Hinsicht sexueller Offenheit bis zu "Familiengrab" entsprachen auch dem damaligen Zeitgeist, mit dem H. genauso offensichtlich auch ironisch spielte. Damit sind wir wieder beim Thema "Wissen", allerdings sind mMn solche Zusammenhänge nicht für das Vergnügen am Film wichtig, sondern nur für eine Interpretation (die ja nicht zwangsweise notwendig ist).
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Moonshade am 13 Februar 2010, 11:33:43
Natürlich - letztendlich war das auch eigentlich nur ein Exkurs, der mit der Ausgangsfrage nur marginal zu tun hat.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Intergalactic Ape-Man am 13 Februar 2010, 13:16:09
Exkurs, ja, wenngleich nicht uninteressant und auch auf die Anwendung von Wissen bezogen. Ich will dir, Moonshade, in deiner Meinung auch nicht weiter widersprechen, wenngleich Bretzel natürlich einen trifftigen Aspekt hervorbringt. Es sei nur angemerkt, daß ich mit den jahrelang produzierten Krachern auch tatsächlich die Phase um die 50er meinte, die ja unmittelbar in die etwas kontrovers rezipierten letzten Filme mündete.

Ich möchte an dieser Stelle gern ein weiteres Beispiel an- und aus dem User des Tages-Thread (http://www.gemeinschaftsforum.com/forum/index.php/topic,29173.msg861861.html#msg861861) entführen. Wie würdet ihr denn diese Stellungnahme anhand der hier diskutierten Kriterien bewerten?
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: pm.diebelshausen am 13 Februar 2010, 13:34:39
Als doof, weil unoffen. Das hat mit Wissen nichts zu tun. Schließlich hätte Shadow Warrior ja durch Ansicht des Filmes auch lernen können, dafür braucht es kein Vorwissen. Aber es zeugt von einer Verschlossenheit gegenüber Dingen, die die Grenzen von Sehgewohnheiten (die persönlich definiert sind) sprengen, in diesem Falle sieht er vor lauter Alter des Films, woraus für ihn "Lächerlichkeit" entsteht, andere Dinge überhaupt nicht. Wenn man den Rest seiner Reviews anschaut, scheint "Metropolis" auch eher eine Verirrung gewesen zu sein. Es fehlt offensichtlich Bereitschaft, sich auf so etwas einzulassen. Die dafür nötige Offenheit gehört für mich zu den sozialen Kompetenzen und spiegelt eine generelle Verschlossenheit der Person wider (das ist jetzt gewagt), oder lässt sich mit der Bretzel-Neugier/Überrschungsfreude beschreiben. Beides wichtiger und etwas ganz anderes als Wissen.

Kurz noch was zu Hitchcock: ...ach was, doch nicht.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Moonshade am 13 Februar 2010, 15:42:18
Das Ding ist fast 8 Jahre alt - erinnert mich an einen bemühten Schüleraufsatz der Marke: ich interpretier das jetzt mal, obwohl ich von der Materie wenig Ahnung habe und mich der Film auch nicht interessiert hat, aber ich denke, dieses und jenes muß/soll ich schreiben.

Genossen hat er den Film auf jeden Fall nicht.

(Ich muß auch sagen, daß ich Schwierigkeiten habe, heute länger als eine Stunde einen Stummfilm zu gucken, gestern auch dann die Aufnahme im Hintergrund laufen lassen, aber die Aufmerksamkeit ließ nach. Zum Genuss gehört wohl inzwischen für mich auch Audio... :icon_mrgreen:
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Intergalactic Ape-Man am 13 Februar 2010, 16:05:01
Zitat von: Moonshade am 13 Februar 2010, 15:42:18
(Ich muß auch sagen, daß ich Schwierigkeiten habe, heute länger als eine Stunde einen Stummfilm zu gucken, gestern auch dann die Aufnahme im Hintergrund laufen lassen, aber die Aufmerksamkeit ließ nach. Zum Genuss gehört wohl inzwischen für mich auch Audio... :icon_mrgreen:

Das gehört aber auch unbedingt zur noch recht offenen Definition von Filmgenuß. Interessant finde ich dabei außerdem die zwar unterschiedlichen Verhaltensweisen, aber damit verbunden eigentlich dem Konsens, daß man möglichst naiv von einem Film beeindruckt werden möchte. Geht mir auch so, gerade als Liebhaber von Stop-Motion, wobei mir diese fast immer mehr geben kann als Computertricks. Das führe ich theoretisch auf mein persönliches Realitätsempfinden im Film bzw. gegenüber Computergrafiken zurück. Wir alle sind wahrscheinlich aber auch einig darüber, daß sich die Filmmagie antiproportional zur Menge konsumierter Filme genießen läßt, oder? Ist also nun jeder insgeheim auf der Suche nach diesem alten "Kick" oder einem Ersatz?
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: shellat am 14 Februar 2010, 00:11:40
Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 13 Februar 2010, 16:05:01
Wir alle sind wahrscheinlich aber auch einig darüber, daß sich die Filmmagie antiproportional zur Menge konsumierter Filme genießen läßt, oder? Ist also nun jeder insgeheim auf der Suche nach diesem alten "Kick" oder einem Ersatz?

Wenn Du mit "Kick" die vorurteilsfreie kindliche Neugier und Naivität meinst, gebe ich dir recht. Diese Dinge suchen viele Leute, gerade in der heutigen Zeit. Sich gut von einen Film unterhalten zu lassen bedarf ja einer gewissen Grundstimmung, einer in der die Phantasie oder auch die Ratio, je nachdem wie man sich unterhalten lassen will, die vielleicht wichtigste Rolle dabei einnimmt. Wie hoch die Anteile beim jeweiligen Filmgenuß sind, also egal ob Wissen oder Phantasie, hängt letztlich von jedem einzelnen Menschen selbst ab, das zu pauschalisieren würde nichts bringen, denke ich.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Kill Mum! am 14 Februar 2010, 17:54:40
Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 12 Februar 2010, 19:46:38
Da sprichst du einen Punkt an, an dem sich die Geister scheiden können. Irgendwann ganz am Anfang, da war Filmen einfach nur bewegte Photographie. Der Zweck wurde dokumentarisch ausgelegt und so sah man auf der Leinwand so etwas wie die berühmten Arbeiter, die eine Fabrik verlassen. Aufgrund der Neuheit bewegter Bilder war dies sicher ein unterhaltendes Spektakel. Aber nur einen Hauch später fanden erste narrative Wesenszüge ihren Weg. In diesem Stadium diente es wohl explizit der Unterhaltung. Das propagandistische Potential mal außen vor lassend, gab es tatsächlich mindestens ab den 20er Jahren avantgardistische (Kurz-)Filme, über deren Unterhaltungswert man diskutieren kann. Ein gutes Beispiel wäre z.B. Symphonie Diagonale (http://www.imdb.com/title/tt0015384) von Viking Eggeling. Sein vollkommen abstrakter Trickfilm aus simplen Formen fordert das Kunstverständnis enorm heraus. Was aber ist das Ziel eines solchen Films über das Experimentelle hinaus? Soll sich hieraus wirklich kein "Filmgenuß" ergeben? Und läßt sich dieser von "Unterhaltung" trennen? Handelt es sich hier nicht vielmehr um die offenen oder geschlossenen Kanäle, welche pm.diebelshausen anspricht?

Mir ging es nicht so sehr darum, was nun Film ist oder nicht. Ich wollte nur darstellen, dass viele Künstler kein Publikum unterhalten, sondern nur ihre eigenen "Dämonen" auf Leinwand/Tonband/Papier/Film bannen wollen. Ich rede dabei nicht von wissenschaftlichen Untersuchungen, sondern von eigener Erfahrung.
Viele Kreative kennen es, wenn es einen "überkommt" und man sich ausdrücken "muss".
Die einfachste Form ist wohl das Schreiben, danach kommt die Musik.
Film ist problematisch, weil ein Budget und andere Personen, die mitwirken, besorgt werden müssen.
Muss man sich also schon am Anfang Gedanken über die Finanzierung machen? Und dreht man dann für eine bestimmte Klientel, die man damit unterhalten will?
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Intergalactic Ape-Man am 14 Februar 2010, 18:18:12
Zitat von: shellat am 14 Februar 2010, 00:11:40
Wenn Du mit "Kick" die vorurteilsfreie kindliche Neugier und Naivität meinst, gebe ich dir recht. Diese Dinge suchen viele Leute, gerade in der heutigen Zeit. Sich gut von einen Film unterhalten zu lassen bedarf ja einer gewissen Grundstimmung, einer in der die Phantasie oder auch die Ratio, je nachdem wie man sich unterhalten lassen will, die vielleicht wichtigste Rolle dabei einnimmt. Wie hoch die Anteile beim jeweiligen Filmgenuß sind, also egal ob Wissen oder Phantasie, hängt letztlich von jedem einzelnen Menschen selbst ab, das zu pauschalisieren würde nichts bringen, denke ich.

Klar, deshalb interessiert mich ja auch, wie andere darüber denken.  :respekt:

Zitat von: Kill Mum! am 14 Februar 2010, 17:54:40
Film ist problematisch, weil ein Budget und andere Personen, die mitwirken, besorgt werden müssen.
Muss man sich also schon am Anfang Gedanken über die Finanzierung machen? Und dreht man dann für eine bestimmte Klientel, die man damit unterhalten will?

Genau da beißt sich ja künstlerische Freiheit und Abhängigkeit. Im Grunde fördert die über die Jahre immer erschwinglichere Technik ja sogar die Unabhängigkeit, mit der Einschränkung, daß, mal ausgenommen vom neuen Vertriebsweg Internet, dafür auch auf die bessere Infrastruktur verzichtet werden muß. Genaugenommen betreiben Amateurfilmer also mehr persönlichen Ausdruck als andere. Sie machen ihren ganz persönlichen Film. Daß dies natürlich nicht ausschließlich gilt, sollte auf der Hand liegen, jedoch gibt es genügend Belegsituationen, in denen der Filmer vollkommen vom Witz seines Werkes überzeugt ist und damit bei den Zuschauern vielleicht noch auf ein müdes Lächeln stößt.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: pm.diebelshausen am 14 Februar 2010, 18:47:24
Sowohl auf der Rezipientenseite wie auf der Seite der Kreativen ("Produzierenden", was ein unschönes und nicht genug treffendes Wort ist) gibt es verschiedenste Gründe, sich mit einem Kunstwerk auseinanderzusetzen. Die Art und Absicht, es zu betrachten (zu nutzen, möchte ich eher sagen) und die Art und Absicht, es zu erstellen, können jeweils in zig Zusammenhängen stehen. Und, um mal Bretzels Hinweis zur zu starken Vereinfachung durch Dualismen Genüge zu tun, nicht zu vergessen gibt es zwischen beiden auch noch Verbindungen: Schaffen und Benutzen, Bewirken und Auf-sich-wirken-lassen verbinden sich in der kreativen Tätigkeit ebenso wie in der Rezeption eines Kunstwerks. Der Schaffensprozess stimmt sich kontinuierlich ab durch die rückwirkende Rezeption des gerade erreichten Stadiums durch den Schaffenden, die Rezeption ist ihrerseits keineswegs passiv, sondern am Schaffensprozess (wenn auch an einem anderen Ort) des Kunstwerks beteiligt. Das kann man nicht trennen. Fällt mir übrigens sehr schwer, das in einfacheren Worten zu formulieren, tschulljung!

Da kann es also passieren, dass ein Künstler ganz im Affekt aus seiner inneren Befindlichkeit heraus etwas erschafft. Allerdings beschränkt sich das zwangsläufig auf knappe Formen der Kunst, insbesondere Gedichte oder manche Bereiche der Malerei. (Das hat Kill ja schon benannt.) Denn je mehr Zeit bei der Gestaltung vergeht, desto mehr droht der Affekt zu verschwinden und die intellektuelle Reflexion oberhand zu gewinnen. Nicht, dass das an sich schlecht wäre, aber bezogen auf das Thema hier bedeutet das: mehr Wissen nimmt Einfluss. Ein so zeitintensives Projekt wie ein Film, kann kaum aus dem Affekt heraus entstehen. Eine Idee dazu vielleicht, aber ansonsten braucht man stets einen langen Atem, muss womöglich den ursprünglichen Ausgangspunkt selber immer wieder rekonstruieren, um in der gleichen Tonart den Film zu seinem fertigen Ende zu bringen. Deshalb ist das Ausleben irgendwelcher Obsessionen durch Filmschaffende ein Mythos, der meist dazu dient, Filmemacher und ihre Filme zu verunglimpfen. Spätestens seit Jackson "Herr der Ringe" gedreht hat, wirft man ihm nicht mehr vor, seine perversen Gedanken in einem Film wie "Braindead" umzusetzen. Und wer weiß, was es bedeutet, einen Film zu machen, wird sich auch hüten, Buttgereits "Necromantik" in die Nähe perverser Triebtäter zu stellen.

Auch die Musik finde ich da schon problematisch. Nehmen wir z.B. Eric Claptons "Tears in Heaven": eine kreative Reaktion auf den Tod seines Sohnes. Aber wan genau war die emotionale Haltung denn "echt" oder überhaupt "vorhanden"? Beim Schreiben des Songs? Am wahrscheinlichsten. Bei der Schallplattenaufnahme? Vielleicht, aber in gewisser Weise längst rekonstruiert und künstlerisch eingesetzt, um den Song entsprechend aufzunehmen. Bei der 250. Aufführung während eines Konzertes? Kaum. Da veschiebt sich die Qualität des Affektes zugunsten der Erninnerung.

Zu Apes Beispielfilm: nicht möglich, pauschal zu sagen, was solch ein Film will. Unterhalten, Zeigen/Belehren, Versuchen/Experimentieren (auch mit dem Zuschauer!), inneren Drang in eine Form bringen? Alles möglich. Und alles auch als Zugänge(offene Kanäle) beim Zuschauer möglich. Mir is wichtig, dass man sich Kunstwerken aussetzt. Egal ob "Wolf Creek", "Star Wars", "Identificazione di una donna", "The Alphabet" oder "Daniel der Zauberer" - man stellt sich einem Film gegenüber, setzt sich ihm aus und dadurch entsteht ein Spannungsverhältnis, in dem Vieles möglich ist. Dieses Spannungsverhältnis ist für mich noch am ehesten das, was man "Kunst" nennen kann. In einer Ausstellung auf Korsika stand ich einmal mit ein paar Freunden vor einem Kunsterk: drei Surfbretter, dahinter drei Surfsegel an der Wand. Was das war, was das sein sollte/wollte - keine Ahnung, ist auch egal. Aber wir standen eine Stunde lang dort und unterhielten uns, ausgehend von diesen blöden Surfbrettern. Und es war kein Gespräch, wie wir es im Sportatrikelladen geführt hätten! DAS nenne ich Kunst. Immer wieder wird gesagt: Gähn - das könnte ich auch, das hätte ich auch machen können, sogar besser! Da liegt meiner Meinung nach ein Missverständnis vor: ein Künstler ist keiner, der das, was er macht, besser machen kann als andere. Kunst kommt keineswegs von können! Kunst kommt von machen! Ein Künstler kann nur eines besser als andere: ein Leben führen, in dem er solche Dinge macht, wie er sie macht. (Heißt auch: er befindet sich in einem Spannungsverhältnis, da auf ihn nicht nur die Freiheit wirkt, sondern auch die Zwänge, die Kill genannt hat.) Deshalb lautet die einzige Antwort auf den Vorwurf "das hätte ich auch machen können": hast du aber nicht!

Das, was ich jetzt schrieb ist ein wenig verstiegen und nicht so nah am Thema, aber es geht um das Fundament für alles Weitere: die Perspektive der Filmemacher auf das Publikum, die Art und Weise, wie man Filme betrachtet, als was man sie betrachtet und eben auch, wieviel Wissen für Genuss nötig ist.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Bretzelburger am 14 Februar 2010, 20:00:49
Ich denke, "Wissen" kann den Genuss sowohl steigern, als auch mindern. Das hängt zum Einen vom Film ab, zum Anderen vom Betrachter. So profan das klingt, ist es letztlich auch - und es dürfte allgemeine Einigkeit darin bestehen, dass Jeder einen Film geniessen kann, auch wenn er nichts über diesen wusste. Umgekehrt ist es genauso möglich - das erst ein gewisses Grundwissen zu einem Film den Genuss ermöglicht.

Das die Meinungen hier auseinandergehen, hängt letztlich vom persönlichen Interesse ab und hat wenig damit zu tun, ob man "weiß" oder "nicht weiß". Wer sich die fünfte Harry Potter-Folge ansieht, geniesst den Film vielleicht erst richtig, weil er die Bücher gelesen hat, ein Anderer ärgert sich aus dem selben Grund. Ein Dritter geniesst den Film, weil er die Bücher gerade nicht gelesen hat. Wir hatten hier ja schon einen Thread zu Filmen, die man jedes Jahr anschaut - seltsamerweise kann man bei bestimmten Filmen seine kindliche Begeisterung auch über das zehnte Sehen hinaus behalten. Viel über einen Film zu wissen, kann z.B. neue Blickwinkel eröffnen, indem man abseits der Story kleine Details entdeckt, die wiederum Freude bereiten.

Schon alleine die Frage, wie sich Freude und Begeisterung ausdrücken, würde hier in Jahren zu keinem Konsens führen. Auch wenn Eric das intensive Sammeln von Informationen als Nerd-Attitüde geisselt, kann genau das diese Freude gegenüber einem Film auslösen. Es gibt nicht ohne Grund einige Filme, die vor allem mit ihren versteckten Anspielungen punkten. Der Eingeweihte erkennt, was gemeint ist, und empfindet deshalb Freude an einem Film, weil er viel über dessen Hintergründe "weiß". Wer will das letztlich beurteilen? - Mir persönlich ist es nur wichtig, dass man offen auf einen Film zugeht und ihn nicht von vornherein wegen Äußerlichkeiten verurteilt. Das hat aber nichts mit der Frage, ob "Wissen" Genuss bereitet oder nicht, zu tun, sondern nur mit meiner persönlichen Sympathie.

Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: pm.diebelshausen am 14 Februar 2010, 20:29:22
Zitat von: diebelshausenFilmgenuss wird weniger durch Grundwissen gehoben, als durch Offenheit, Wohlwollen und Neugier dem Film gegenüber.
Zitat von: bretzelMir persönlich ist es nur wichtig, dass man offen auf einen Film zugeht und ihn nicht von vornherein wegen Äußerlichkeiten verurteilt. Das hat aber nichts mit der Frage, ob "Wissen" Genuss bereitet oder nicht, zu tun, sondern nur mit meiner persönlichen Sympathie.

Da sind wir ja mal absolut einer Meinung.  ;)
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Mr. Blonde am 15 Februar 2010, 17:42:44
Filmgenuss kann jeder auslegen wie er möchte, ich bin aber dennoch der Meinung, dass ein gewiefert Filmfan besser dran ist, als ein Durchschnittskonsument. Ich empfinde es als Genuss, wenn ich Anspielungen an andere Filme oder Schauspieler verstehe, während alle anderen nur verdutzt die Köpfe schütteln. Somit hat ein wahrer Filmfan einen Trumpf im Ärmel, der anderen verwehrt bleibt. Ansonsten kann natürlich jeder Film Spaß machen, ob man nun 10000 Filme gesehen hat oder eben nur zehn. Wenn man den Anspruch, den der Film stellt, erfüllt, ist das gar kein Problem.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: pm.diebelshausen am 15 Februar 2010, 17:57:45
Zitat von: Mr. Blonde am 15 Februar 2010, 17:42:44
Ich empfinde es als Genuss, wenn ich Anspielungen an andere Filme oder Schauspieler verstehe, während alle anderen nur verdutzt die Köpfe schütteln. Somit hat ein wahrer Filmfan einen Trumpf im Ärmel, der anderen verwehrt bleibt.

Ja, zum Teil sehe ich das auch so und nachdem man eine gewisse Anzahl von Filmen gesehen hat, kommt man ja auch fast nicht drumrum, die Zusammenhänge zu sehen. Aber ich verstehe auch, dass man da anderer Meinung sein kann, denn Anspielungen zu verstehen, bedeutet, den Film (auch) auf einer anderen Ebene zu sehen. Man ist da nicht gänzlich vom Film eingelullt, nicht versunken in seiner Welt, sondern geht durch die Ebene der Veweise und Anspielungen auf Distanz. Gerade das ist bei einem Kind ja anders. Da gibt es nichts als pure Direktheit, grausam, aber auch 100% ehrlich. Was würde ich z.B. darum geben, "Für Elise" von Beethoven einmal ohne all das unterschwellige Wissen (z.B. die Verbratung dieses Stücks in der Werbung) erstmalig zu hören! Trumpf im Ärmel - kann ich verstehen, macht mir ja auch Spaß und Genuss. Aber kann auch im Weg stehen und einen aus der Filmwelt entrücken, bzw. einem diese versperren.

Richtig oder falsch, gibt es da jedenfalls nicht, das stimmt.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Eric am 15 Februar 2010, 18:15:06
Thema Anspielungen:
Es kommt immer auf die Art der Anspielungen/Verweise an, die ein Regisseur beabsichtigt.

Möchte da gerne mal zwei Beispiele nennen.

Angefangen bei den ganzen Argento Filmen:
Warum er welche Art von Musik oder Farben einsetzt entzieht sich dem "Normalseher" nahezu vollkommen. Da ist auf jeden Fall etwas Hintergrundwissen gefragt. Dadurch hat man, meiner Meinung nach, bei dieser Art von Film mehr "Spass an der Sache" wenn man über dieses Hintergrundwissen verfügt.

Anders ist es zum Beispiel bei Filme ala SHAUN OF THE DEAD, HOT FUZZ oder auch SCREAM.
Für die ganzen Querverweise und Anspielungen braucht man natürlich ein gewisses Hintergrundwissen, aber auch Nichtkenner der Materie haben an solchen Filmen einen großen Spass auch wenn sie keine der Anspielungen zur Kenntnis nehmen.

Meiner Meinung nach sind daher Regisseure dieser 2. Kategorie von Filmen besser, da sie es schaffen ein größeres Publikum anzusprechen, da deren Filmen auf verschiedenen Ebenen (sowohl für den "Normalo", als auch für den Freak) sehr gut funktionieren.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: pm.diebelshausen am 15 Februar 2010, 18:28:50
Zitat von: Eric am 15 Februar 2010, 18:15:06
Meiner Meinung nach sind daher Regisseure dieser 2. Kategorie von Filmen besser, da sie es schaffen ein größeres Publikum anzusprechen, da deren Filmen auf verschiedenen Ebenen (sowohl für den "Normalo", als auch für den Freak) sehr gut funktionieren.

Da würde ich jetzt nicht mitgehen, denn "besser" ist ein Film für mich nicht, wenn er von mehr Leuten gesehen und irgendwie verstanden wird als andere Filme. Aber das ist dann wohl ein anderes, zu weites Feld.

Dann möchte ich doch, was ich mir hier schonmal dachte, David Lynch ins Spiel. Das passt nämlich jetzt auf zweierlei Weise: einmal wegen dem "naiven" sehen und zum Anderen wegen der oben besprochenen Freiheit des filmenden Künstlers.

Für mich ist "Inland Empire" wenn nicht sein konsequentester, dann doch sein konsequentester Film seit langem, da er finanziell ziemlich unabhängig (Digitalkamera) filmen konnte, wie er wollte. Herausgekommen ist ein purer Lynch, sehr unzugänglich, aber auch im doppelten Sinne traumhaft, wenn man sich drauf einlassen kann. Am besten wenig denken und den Film "mitträumen". Jetzt frage ich mich, ob man besser dran ist d.h. mehr davon hat, wenn man andere Filme von Lynch und seine Konzepte kennt, wenn man etwas über Freud und die Psychologie weiß, wenn man Wissen über die Strukturen in Hollywood hat. Oder ob es nicht am hilfreichsten ist, wenn man sabbernd auf die Leinwand stiert und sich durch diese Lynchlandschaft bewegen lässt.

Ohne Zweife jedenfalls ist es so, dass Lynch-Filme immer wieder Zuschauer verschrecken und überfordern: sowohl solche, die was wissen, als auch solche, die völlig "nackt" da rangehen. Da ist wohl die bereits genannte Offenheit wieder am Wichtigsten, denn wenn man mit bestimmten fixen Erwartungen an Lynchs Kino herangeht, hat man schon halb verloren, statt etwas zu gewinnen.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Bretzelburger am 15 Februar 2010, 18:33:40
Filme, die nur funktionieren, wenn man als Eingeweihter auch die Zusammenhänge kennt, halte ich auch für schwächer als diejenigen, die beiden Seiten etwas geben können. Ich bin kein Argento-Kenner, kann mir aber nicht vorstellen, dass man seine Filme nur geniessen kann, wenn man entsprechendes Wissen hat. Jeder hat ja mal bei Null angefangen.

Ein individuelles Beispiel dazu auch von mir - gestern abend sah ich von Ettore Scola "Wir waren sehr verliebt" - einen Film, den ich zuvor nie sah und zudem es auch kaum Hintergrundinformationen gibt. Ich bin also "ohne Wissen" daran gegangen, habe dann aber feststellen dürfen, dass er in seinem 30jährigen Erzählbogen viele Filme und Regisseuren aus der Zeit zitierte. So kommt z.B. Fellini in einer kleinen Rolle als er selbst vor, während er gerade "La dolce vita" dreht (auch Mastroianni ist bei ihm). Eine andere Szene spielt während einer Quizshow, bei der sich der Befragte, der sich für einen großen Filmkenner hält, mit der Fernsehanstalt über eine Szene aus De Sicas "Fahrraddiebe" streitet. Er verklagt sie, weil sie ihn als Verlierer sehen, aber verliert auch vor Gericht, bis De Sica (übrigens in einer dokumentarischen Szene) seine Version am Ende scheinbar bestätigt. Auch diverse Selbstzitate (wenn Sandrelli wieder eine Möchtegern-Schauspielerin spielt wie in Pietrangelis "Ich habe sie sehr gut gekannt", zu dem Scola das Drehbuch schrieb) werden offensichtlich.

Die eigentliche Aussage des Films - die Beschreibung der Lebensgeschichte von drei Widerstandskämpfern und ihre Beziehung untereinander - funktioniert auch ohne dieses Hintergrundwissen, aber die Kenntnis dieser Details bereitet zusätzlichen Genuss. Nur ist das (siehe oben bei Argento) eine Frage der natürlichen Entwicklung durch das Ansehen von Filmen - das hat mit krampfhaftem Anreichern von Fakten nichts zu tun, sondern das lässt sich für einen Filmfan (je nach Genre) einfach nicht verhindern.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Mr. Blonde am 15 Februar 2010, 18:42:17
Bei Lynch lasse ich mich immer beim ersten Sichten vom Film tragen und lasse mich "berauschen". Erst bei zweitem Sichten oder danach setze ich mich wirklich hin und versuche zu interpretieren. Eraserhead z.B. funktioniert nur so, da es keine offizielle Erklärung gibt. David Lynch besitzt das Talent den Filmfan trotz des großen Vorwissens in seine Filme zu reißen und ich komme mir immer ein Stück weit verloren bei ihm vor. Das ist das interessante an ihm. Seine Filme kann man analysieren oder sich berieseln lassen, hier funktioniert beides.

Zitat von: pm.diebelshausen am 15 Februar 2010, 17:57:45
denn Anspielungen zu verstehen, bedeutet, den Film (auch) auf einer anderen Ebene zu sehen.

Für mich bedeutet das eher, dass man auf einem anderen "Niveau" sieht, aber nicht direkt anders hinschaut oder wahrnimmt. Mir fallen die Dinge ganz nebensächlich auf und doch weiß ich, dass ich mich schnell wieder auf das Wesentliche, den Film konzentrieren muss.

Und trotzdem hast Du recht, als Kind sieht man ganz anders. Als Erwachsener wusste ich nicht, dass Freddy Krueger ein Schauspieler in einem Kostüm ist, als Erwachsener sieht man aber eben diesen in der Figur. Dieses naive Gefühl fehlt auch mir manchmal, aber so ist das nunmal, wenn man erstmal reifer wird.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: pm.diebelshausen am 15 Februar 2010, 19:11:35
Das mit den "offiziellen Erklärungen" ist doch auch so eine Sache. Gerade Lynch hält sich da gerne zurück oder verwirrt eher noch mehr. Mir fällt da auch Michael Haneke ein, der nicht müde wird, in Interviews keinerlei Interpretationen zu seinen oft sehr offenen Filmen zu geben oder nahezulegen. Das gefällt mir sogar besser als seine Filme. ;O) Von der Frage "Was will der Künstler uns damit sagen" habe ich mich schon lange verabschiedet. Zugunsten der eigenen Freiheit, aber auch, weil es, obwohl ein Genuss an sich und mit dem gewissen Thrill der Ostereiersuche, relativ uninteressant ist, verglichen mit den viel reichhaltigeren Möglichkeiten all der Sehweisen all der Leute, die einen Film oder ein anderes Kunstwerk sehen.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Reiben am 15 Februar 2010, 19:33:55
Also als ich "Lost Highway" von Lynch das erste mal gesehen habe, hatte ich überhaupt keine Ahnung, was mich erwartet. Lynch war mir natürlich ein Begriff, aber ich kannte nichts von ihm. Von Lost Highway hatte ich auch noch nichts gelesen oder gehört. der Film hat mich dann vollkommen erschlagen und als er zu Ende war dachte ich nur "krass". Ich saß aber natürlich da und wusste erstmal auch überhaupt nicht, was das da alles sollte, was ich gesehen hatte. Also hab ich mir einige Bücher und das Internet vorgenommen und hab jeden Menge zu dem Film gelesen und nach und nach eröffnete sich der Film mir. Ich habe ihn mir dann mit diesem Wissen nochmal angeschaut und war noch mehr begeistert als beim ersten mal. Das Gefühl, wenn man von einem Film volllkommen überrascht wird, ist natürlich auch etwas besonderes und so auch nur bedingt willentlich reproduzierbar, aber ästhetische Genuss war mit Wissen wesentlich höher.

Das sehe ich bei eigentlich allen Filmen so. Es hat keinen Zweck sich die Handlung zu spoilern, aber fundiertes Wissen ermöglicht einfach ein viel höheres Verständnis eines Films. Ich meine kein Wissen über Special-Effekt XY, warum der Hund des Hauptdarstellers Ingo heißt, oder wieviel die explodierenden Torte gekostet hat. Ich meine übergeordnetes Wissen. Bildsprache, Symbolik, Filmtechnik, kulturelle Faktoren - das sind alles essentielle Dinge um einen Film zu verstehen undich glaube je mehr man davon weiß, umso mehr kann man auch genießen. Solches Wissen macht sich dann meist nur auf einer rein intuitiven Ebene bemerkbar.
Ein Beispiel: Wenn man nicht weiß, dass es den Hays-Code gab und auch keine Anung hat, was der gemacht hat, dann fällt es einem schwer überhaupt daauf zu kommen, dass bei älteren Filmen aus den USA häufig Symbole und Metaphern den Inhalt vermitteln und eben nicht das explizit Gezeigte oder Gesagte.

Querverweise und nette Nebensählichkeiten zum Hintergrund machen natürlich auch Spaß, sind aber imo nicht so wichtig, wie ein umfangreiches Hintergrundwissen über einen Film. Ich finde auch nicht, dass durch solches allgemeines Hintergrundwissen, der "Zauber" eines Films nicht rüberkommt. Wenn es dagegen um konkretes Wissen über einen speziellen Film geht, dann mag das natürlich wieder anders aussehen.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: ratz am 15 Februar 2010, 22:17:25
Zitat von: Bretzelburger am 15 Februar 2010, 18:33:40

Filme, die nur funktionieren, wenn man als Eingeweihter auch die Zusammenhänge kennt, halte ich auch für schwächer als diejenigen, die beiden Seiten etwas geben können.


Das ist ja nun Quark. Es gab und gibt immer Kunst, die sich an Spezialisten richtet, also zielgruppenorientiert ausgerichtet ist. Da kann man dann als Nicht-Eingeweihter davorstehen und greinen, oder halt einsehen, daß man einfach nicht zur Zielgruppe gehört. Nicht jede Kunst ist für jeden gedacht: Würde man Duchamp nach seinen Ready-mades, Schmidt nach Zettels Traum, oder Bela Tarr nach dem Mann aus London im Hinblick auf Massentauglichkeit befragen, müsste man das alles für Schrott erklären. Stellt man die Sachen in den spezifischen künstlerischen Kontext (Wissen, das sich angeeignet werden muß), ergeben die Sachen plötzlich einen Sinn. Es hat schon seinen Grund, warum die Leute eher Warhols Monroe an die Wände pappen als die Campbell Suppendose. Oder ist die weiche Schreibmaschine je in Serie gegangen?

Jedenfalls sollte man sich nicht zu schade dafür sein, fehlendes Wissen zu aquirieren, um die Dimensionen eines Werks durchleuchten zu können. Dann investiere ich schon mal in einen Kommentarband zum Ulysses, weil aus meinem speziellen kulturellen Kontext sonst einfach kein Drankommen ist. Ist der Roman deswegen "schwach"?

cu, r.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Bretzelburger am 15 Februar 2010, 23:29:02
Du musst genau hinlesen, was ich geschrieben habe, bevor du Quark schreibst. Ich habe nicht gesagt, dass ich einen zielgruppenorientierten Film für schwach halte oder für nicht gerechtfertigt (das hängt ja schliesslich von der individuellen Qualität ab), sondern dass ich Filme, die beides miteinander vereinbaren können - also zielgruppenorientiert funktionieren (sozusagen für den Spezialisten), aber auch Anfängern den Einstieg ermöglichen (und damit diese quasi dazu einladen, sich Wissen anzueignen) - grundsätzlich noch höher ansiedele.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Intergalactic Ape-Man am 16 Februar 2010, 05:57:45
Zitat von: Bretzelburger am 14 Februar 2010, 20:00:49
Wir hatten hier ja schon einen Thread zu Filmen, die man jedes Jahr anschaut - seltsamerweise kann man bei bestimmten Filmen seine kindliche Begeisterung auch über das zehnte Sehen hinaus behalten. Viel über einen Film zu wissen, kann z.B. neue Blickwinkel eröffnen, indem man abseits der Story kleine Details entdeckt, die wiederum Freude bereiten.

Nun gibt es dabei zwar deutliche Überschneidungen, aber dennoch hat auch hier ja jeder seinen persönlichen Lieblingsfilm. Man kann also nicht pauschal von einer höheren Qualität eines solchen Filmes ausgehen. Aber was macht letztlich dann dessen Stärke aus? War dieser Moment des Entdeckens für seinen Zuschauer wie das Stranden in einem fremden Land? Mußte er gerade hier Sitten und Gebräuche erst über die Zeit erlernen?

Zitat von: Mr. Blonde am 15 Februar 2010, 17:42:44
Filmgenuss kann jeder auslegen wie er möchte, ich bin aber dennoch der Meinung, dass ein gewiefert Filmfan besser dran ist, als ein Durchschnittskonsument. Ich empfinde es als Genuss, wenn ich Anspielungen an andere Filme oder Schauspieler verstehe, während alle anderen nur verdutzt die Köpfe schütteln. Somit hat ein wahrer Filmfan einen Trumpf im Ärmel, der anderen verwehrt bleibt. Ansonsten kann natürlich jeder Film Spaß machen, ob man nun 10000 Filme gesehen hat oder eben nur zehn. Wenn man den Anspruch, den der Film stellt, erfüllt, ist das gar kein Problem.

Ich würde auch dazu tendieren, zu sagen, daß dieser "gewiefte Filmfan" nur eine andere Form der Rezeption für sich gefunden hat. Ob das nun ein Trumpf ist, glaube ich eher nicht, denn einen Trumpf spielt man gegen jemanden aus. Allerdings ist er über das Erkennen von Anspielungen in einen Sog geraten, der sehr unwiderstehlich sein kann. Ist es nicht viel mehr sogar so, daß sich über diese Ebene auch Filme empfehlen, die man noch gar nicht gesehen hat? Es gibt doch, ganz spezifisch, auch diese Filme, die man sogar kennen kann, obwohl man sie nicht kennt. Einfach, weil sie so massenhaft zitiert werden. Und nun noch einmal der Einfluß auf die Filmauswahl: Laßt ihr euch über diese Schiene beeinflussen? Interessiert es euch, wenn ihr herausfindet, was die Inspirationsquelle für einen gesehenen Film gewesen ist? Kann dieser Umstand Hemmungen abbauen, sich einen eher unscheinbaren Film doch anzusehen?

Zitat von: pm.diebelshausen am 15 Februar 2010, 17:57:45
Was würde ich z.B. darum geben, "Für Elise" von Beethoven einmal ohne all das unterschwellige Wissen (z.B. die Verbratung dieses Stücks in der Werbung) erstmalig zu hören!

Ist mir passiert. Als Soundtrack eines LCD-Spiels. Ich mag die Melodie auch immer noch.

Zitat von: Eric am 15 Februar 2010, 18:15:06
Meiner Meinung nach sind daher Regisseure dieser 2. Kategorie von Filmen besser, da sie es schaffen ein größeres Publikum anzusprechen, da deren Filmen auf verschiedenen Ebenen (sowohl für den "Normalo", als auch für den Freak) sehr gut funktionieren.

Es ist auf jeden Fall eine Stärke, für beide Seiten etwas bereit zu halten, ohne eine davon zu verschrecken. Um auf PMs Kinderbeispiel zurückzugreifen denke ich an dieser Stelle z.B. an Katze mit Hut, die ich kürzlich mit den Kindern ansah. Ich habe die Serie selber als Kind geliebt, aber festgestellt, daß meine Wahrnehmung hier altersbedingt wie mit Scheuklappen gewesen ist. Es sind mir bestimmte Details der Geschichte damals gar nicht so aufgefallen. Als Erwachsener kann man sich außerdem Gedanken über die dargestellten sozialen Verhältnisse machen und erfreut sich an der gewählten Sprache. Es gibt aber natürlich auch Filme, die ihr Einstiegsalter höher ansetzen. Jeder erinnert sich bestimmt daran, einen Film gesehen zu haben, mit dem er überhaupt nichts anfangen konnte und später plötzlich Zugang gefunden hat. Hier sehe ich den Knackpunkt. Ist ein solcher Film deshalb dann etwas schlechter als ein Kinderfilm, der für Erwachsene etwas bietet? Wenn man hier eine Einschränkung macht, dann muß sich ein Film jede Nische erlauben dürfen, ohne dadurch schlechter zu werden.

Zitat von: pm.diebelshausen am 15 Februar 2010, 18:28:50
Ohne Zweife jedenfalls ist es so, dass Lynch-Filme immer wieder Zuschauer verschrecken und überfordern: sowohl solche, die was wissen, als auch solche, die völlig "nackt" da rangehen. Da ist wohl die bereits genannte Offenheit wieder am Wichtigsten, denn wenn man mit bestimmten fixen Erwartungen an Lynchs Kino herangeht, hat man schon halb verloren, statt etwas zu gewinnen.

Ich hatte von Lynch keine Ahnung, als ich Lost Highway gesehen habe. Ich war entsetzt, verwirrt, abgestoßen. Deshalb habe ich mir lange keinen seiner Filme angesehen. Als ich dann eine ungefähre Vorstellung von Lynch oder dem, wie sein Film aussehen konnte, hatte, habe ich mir Eraserhead angesehen. Ich habe bis heute keine Ahnung, was Lynch damit aussagen wollte. Dennoch mag ich den Film sehr. Er spielt irgendwie in meiner Welt. Es fühlt sich natürlich an. Vielleicht trifft das am ehesten die Attribute von Kunst.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: pm.diebelshausen am 16 Februar 2010, 06:24:13
Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 16 Februar 2010, 05:57:45
Ich habe die Serie selber als Kind geliebt, aber festgestellt, daß meine Wahrnehmung hier altersbedingt wie mit Scheuklappen gewesen ist. Es sind mir bestimmte Details der Geschichte damals gar nicht so aufgefallen. Als Erwachsener kann man sich außerdem Gedanken über die dargestellten sozialen Verhältnisse machen und erfreut sich an der gewählten Sprache.

Und doch hat man durch sein Erwachsensein nicht nur dazugewonnen und sieht jetzt ohne Scheuklappen klar und richtig. Denn man hat auch etwas verloren, sieht mit anderen Scheuklappen und vernachlässigt das Unklare als wäre es etwas Falsches. Wir reden hier von derselben Sache, die z.B. durch den Mythos von der Vertreibung aus dem Paradies beschrieben ist. Und Kleists Marionettentheater! Die stimmige Einheit, als die wir als Kinder die Dinge wahrnehmen, verblasst in der strahlenden Vorherrschafft des klaren Denkens, das es liebt, Widersprüche zu erkennen, um die Welt in Wahres und Falsches aufzuteilen. Das hilft zwar klar sehen und damit auch beim Überleben, aber es kostet Harmonie und Schönheit aus Unmittelbarkeit. Amen.


Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 16 Februar 2010, 05:57:45
Ist es nicht viel mehr sogar so, daß sich über diese Ebene auch Filme empfehlen, die man noch gar nicht gesehen hat? Es gibt doch, ganz spezifisch, auch diese Filme, die man sogar kennen kann, obwohl man sie nicht kennt. Einfach, weil sie so massenhaft zitiert werden. Und nun noch einmal der Einfluß auf die Filmauswahl: Laßt ihr euch über diese Schiene beeinflussen? Interessiert es euch, wenn ihr herausfindet, was die Inspirationsquelle für einen gesehenen Film gewesen ist? Kann dieser Umstand Hemmungen abbauen, sich einen eher unscheinbaren Film doch anzusehen?

Das "Kennen" von Filmen, die man noch nicht gesehen hat, ist ein Trugschluss und bleibt nichts weiter als ein Vorurteil. Wenn man dann die persönliche Erfahrung mit einem sochen Film schließlich macht, passieren ganz andere Dinge, als wir uns verstandesmäßig dazu ausmalen und erträumen konnten. Wir einverleiben uns Filme und machen sie zu unseren eigenen, zu einem Teil von uns. All das findet in der Antizipation überhaupt nicht statt. Sogar noch weiter: selbst Filme, die wir bereits kennen und gesehen haben, sind ja nicht die selben, wenn wir sie erneut uns zu eigen machen. Denn wir selbst sind nicht mehr die selben. Ein Spiel, das stets auf's Neue stattfindet, keine Gewinner, keine Verlierer, nichts wird besser oder schlechter, klüger oder dümmer - bloß anders: und darin bewahrt es Lebendigkeit.

Die "Schiene", von der Du sprichst: ja, das sind Anknüpfungspunkte. Alles ist miteinander vernetzt und man geht schrittweise durch das Universum "Film". Manchmal auch sprunghaft. Aber ich sehe darin nichts Besonderes, die Dinge müssen miteinander verbunden sein, wenn wir sie verstehen wollen. Hemmungen vor Unscheinbarkeit gibt es nicht zu überwinden, wenn man offen auf die Welt zugeht.

Jetzt habe ich mich aber um Kopf und Kragen philosophiert.  :pidu:
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: ratz am 16 Februar 2010, 20:41:55
Zitat von: Bretzelburger am 15 Februar 2010, 23:29:02
Du musst genau hinlesen, was ich geschrieben habe, bevor du Quark schreibst. Ich habe nicht gesagt, dass ich einen zielgruppenorientierten Film für schwach halte oder für nicht gerechtfertigt (das hängt ja schliesslich von der individuellen Qualität ab), sondern dass ich Filme, die beides miteinander vereinbaren können - also zielgruppenorientiert funktionieren (sozusagen für den Spezialisten), aber auch Anfängern den Einstieg ermöglichen (und damit diese quasi dazu einladen, sich Wissen anzueignen) - grundsätzlich noch höher ansiedele.

Hm, nach nochmaligem Hin- und auch Herlesen störe ich mich wohl an den unpräzisen Formulierungen "für schwächer halten" und "höher ansiedeln". Heißt das, lieber oder weniger mögen? Oder bezieht sich das auf das Wohl der Volksbildung? Den allgemeinen künstlerischen Demokratisierungsprozess? Angesichts Deines hohen Spezialisierungsgrades auf ein bestimmtes Genrefach treffen die letzten beiden Punkte wohl kaum zu. Insofern halte ich meinen Quarkverdacht erstmal fest. Oder droht hier wieder die Keule der political correctness, die ja auch pm. schon einen anständigen Scheitel gezogen zu haben scheint?

Wir müssen das hier auch nicht ausdiskutieren, eigentlich bin ich solcher Diskussionen schon einige Jahre überdrüssig. Habe sie einfach zu oft führen müssen und hatte doch immer recht  :icon_mrgreen:

cu, r.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: pm.diebelshausen am 16 Februar 2010, 22:07:15
Zitat von: ratz am 16 Februar 2010, 20:41:55
Wohl der Volksbildung
allgemeinen künstlerischen Demokratisierungsprozess
political correctness, die ja auch pm. schon einen anständigen Scheitel gezogen zu haben scheint

Erklärungsbedürftig. Falls Überdruss übermächtig: einfach lassen. Vermutung: off-topic.

Diskussion/Ausdiskutieren: gibt es hier nicht. Außer Du willst Andersmeinende unbedingt von Deiner Meinung überzeugen (vgl. bitte "überdrüssig").
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Bretzelburger am 16 Februar 2010, 22:41:35
Zitat von: ratz am 16 Februar 2010, 20:41:55
Angesichts Deines hohen Spezialisierungsgrades auf ein bestimmtes Genrefach treffen die letzten beiden Punkte wohl kaum zu. Insofern halte ich meinen Quarkverdacht erstmal fest.

Im Grunde finde ich Diskussionen immer sinnvoll, nur verstehe ich in diesem Fall den Anlass nicht. Das mit dem "Quark" habe ich nur bestritten, weil ich gar nicht das Gegenteil ausdrücken wollte von dem, was du für richtig hältst. Natürlich haben künstlerisch anspruchsvolle Werke ihre Rechtfertigung, auch wenn sie ganz gezielt Vorwissen beanspruchen - worin liegt also dein Problem ?

Aber noch mehr hätte ich gerne eine Erklärung zu deinem oben zitierten Satz. Worin liegt mein Spezialisierungsgrad ? - Wenn du meinen Italo-Blog meinst, irrst du. Ich hätte genauso gerne einen über den deutschen Film oder den französischen gemacht, mir fehlt nur die Zeit dazu, außerdem ist mein Italienisch viel besser als mein Französisch, weshalb ich für französische Filme immer Untertitel benötige, was die Auswahl deutlich einschränkt. Auch der aktuelle Film interessiert mich, nur gibt es zu dem schon genügend Meinungsmacher. Aber vielleicht meinst du mit diesem satz auch etwas ganz anderes ?
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: pm.diebelshausen am 16 Februar 2010, 23:02:27
Zitat von: Bretzelburger am 16 Februar 2010, 22:41:35
außerdem ist mein Italienisch viel besser als mein Französisch, weshalb ich für französische Filme immer Untertitel benötige, was die Auswahl deutlich einschränkt.

Was Du da nebenbei bzw. in einem anderen Zusammenhang sagst, benutze ich mal, um auf die Thread-Ausgangsfrage zurück zu kommen: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuss?

Für mich als unbedingter O-Ton-Verfechter eine klare Sache: wer Sprachen kennt (auch das ist "Wissen" und auch das ist "soziale Kompetenz"), verfügt über Genussvorteil. Das hat deutliche Grenzen, denn wer beherrscht schon mehr als 3 Sprachen derart sicher, dass er Filme ohne Untertitel auf bereichernde Art und Weise sehen kann? Und wer von denen, die sprachlich umfangreich begabt und gebildet sind, ist dann auch noch Filmfan? Aber außer Frage steht für mich, dass ich weit mehr Genuss erlebe, seit ich Filme im O-Ton sehe. Leute: seid offen für Sprachen. Dann klappt's auch mit dem Nachbarn.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Chowyunfat2 am 27 März 2010, 17:20:59
Vorweg erst Entschuldigung, daß ich das Niveau dieser Diskussion ein wenig nach unten ziehe, aber ich möchte aus gegebenen Anlaß an dieser Stelle ein Beispiel nennen, warum ein Film auch manchmal ein höherer Genuß sein kann, nachdem man sich das Making-Of dazu angesehen hat, und zwar meine ich "Hellboy - Die goldene Armee" (http://www.ofdb.de/film/152340,Hellboy---Die-goldene-Armee) . Als ich diesen Film zum ersten mal sah, fand ich ihn zwar nicht direkt schlecht (Hellboy ist und bleibt eine coole Sau), aber auch nicht beeindruckend, eben ein weiteres CGI-Feuerwerk von der "Blockbuster"-Stange. Wenn sich dann aber offenbart, daß mindestens die Hälfte der "Computer-Spezialeffekte" in Wahrheit aus reinem Handwerk und (mechanischen) Kostümen besteht, lässt das einem (mir jedenfalls) beim wiederholten Betrachten des Films die Kinnlade herunterklappen. Eine Szene, die man während des Films nur ein paar Sekunden sieht, sich nur denkt "ganz nett" und schnell wieder vergißt, weiß man dieselbe einfach mehr zu schätzen, wenn sich einem das ganze handwerkliche Geschick und der Aufwand, der für diese paar Sekunden nötig gewesen sein muß, auf einmal gewahr wird. In diesem Fall lohnte sich für mich also dieses Vorwissen, denn es steigerte die Faszination und ließ meine "Augen leuchten".
Ohne in Nostalgie schwelgen zu wollen, wenn so die Zukunft des "Blockbuster"-Kinos aussieht, freu ich ich wieder auf Popcorn-Kinobesuche. Es steht ja schließlich nirgendwo gesetzlich festgeschrieben, das sich technischer Fortschritt ausschließlich auf sterile digitale CGI-Effekte beschränken muß.
Oh Mann, ich hoffe sehr, daß sich Guillermo Del Toro diese Philosophie auch für den "Kleinen Hobbit" bewahrt...
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Intergalactic Ape-Man am 28 März 2010, 03:17:28
Eigentlich ist das ein super Beispiel, weil es die Frage aufwirft, ob deine Wertschätzung für die handgemachten Effekte (mag ich persönlich auch sehr gern) in diesem Fall eher subjektiv ist bzw. ob gute CGIs, die ja zumindest nicht ohne entsprechende Vorarbeit aus dem Ärmel zu schütteln sind, für sich nicht auch zumindest eine technische Faszination ausüben können. Wie würdest du das sehen?
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Chowyunfat2 am 28 März 2010, 13:22:09
Natürlich ist es auch Arbeit, einen CGI-Effekt zu produzieren, aber im Gegensatz zum Zeichentrick oder Stop-Motion braucht man nur einmal das Grundgerüst erzeugen, was sich anschließend relativ bequem beliebig verbiegen, bewegen und verzerren läßt. Das Problem, das ich mit CGI-Effekten habe, ist, daß diese in ihrer Art und Weise immer den Anspruch haben, irgendwie perfekt, glaubwürdig und realistisch rüberzukommen, und das eben NIE schaffen. Sie sind meist ZU perfekt für meinen Geschmack, also steril, kalt, porentief rein. Vieleicht sehe ich das zu eng, ich werd halt einfach nicht richtig "warm" mit diesen Pixel-Gestalten und Explosionen ohne Rauchentwicklung. Die Faszination bei handgemachten Effekten ist für mich (neben meiner persönlichen Affinität zur Handwerks-Kunst) auch immer dieses "Boah! Wie-haben-die-das-bloß-ganz-ohne-Computer-nur-so-hingekriegt?"-Erlebnis.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: pm.diebelshausen am 28 März 2010, 14:26:22
Die Explosionen mit (schwarzer) Rauchentwicklung sind Benzinverbrennungen - besonders in den 70ern und 80ern also meist fehl am Platze, wenn etwas in die Luft fliegt, was weder einen Tank hat, noch in Kuweit liegt. Und ich vermute, die guten CGI-Effekte hast Du zwar gesehen, aber als solche nicht erkannt, weil ja nicht jeder Film mit diesem Aspekt hausieren geht.

Zum Teil stimme ich Dir ja zu. Zum Beispiel ist sehr wissenswert, dass Coppolas Dracula ganz bewusst und konzeptionell mit handgemachten Tricks gestaltet wurde - eine gewisse Wärme (entgegen der von Dir angemäkelten Kälte der digitalen Effekte) erklärt sich daraus. Oder dass Tarsim für "The Fall" lediglich Computerüberarbeitungen der Bilder genutzt hat, um Störendes wie moderne Strommasten zu entfernen, die blaue Stadt aber so existiert.

Andererseits bin ich aber der Meinung, dass Bilder zunächst einmal überzeugen und bannen oder nicht. Was hilft mir das (nachträgliche) Wissen bei "Hellboy", wenn mich die Szenen im Film aber kaum interessiert haben. Ich bevorzuge Filme, die nicht nur beeindrucken (und das tut ja ein Film, wenn man ihn wegen der Technik seiner Machart lobt), sondern bei denen die Technik im Dienst der Erzählung steht. ("Hellboy" fand ich übrigens absolut ok - auf Augenhöhe mit dem ersten, unterhaltsam, kann man sich reinziehen, wenn man lustig ist, und sonst nicht der Rede wert - Machart hin oder her).
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Chowyunfat2 am 2 April 2010, 02:10:34
Zitat von: pm.diebelshausen am 28 März 2010, 14:26:22
Ich bevorzuge Filme, die nicht nur beeindrucken (und das tut ja ein Film, wenn man ihn wegen der Technik seiner Machart lobt), sondern bei denen die Technik im Dienst der Erzählung steht.
Ich würde lügen, wenn ich sage, daß ich z. B. das Monster aus "Cloverfield" nicht auch irgendwie beeindruckend fand, aber als der Film zu Ende war, hatte ich nicht das Bedürfnis, den nochmal zu sehen (auch nicht das Monster). Im Gegensatz zur "Unendlichen Geschichte" oder zu "Kampf der Titanen" zu welchem ja jetzt das neue Ultra-Blockbuster-Remake vor der Tür steht, und das nicht, weil die Macher die Geschichte nochmal neu erzählen wollen, sondern nur, um anhand ihrer supertollen Computergrafiken fette Kohle zu machen. Und nicht nur in diesem Fall dient die Geschichte dem protzigen Bombast-Effekt, und nicht umgekehrt, wie du es vorhin angemerkt hast, und wie es ja auch sein sollte.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: pm.diebelshausen am 2 April 2010, 02:37:01
Und wenn das Cloverfield-Viech aus Schaumgummi und Slikon gewesen wäre, wär das anders gewesen und Du hättest den Film lieber nochmal gesehen? Das Monster schien mir gar nicht so wichtig (und es hat ja auch relativ geringe Screentime) wie die unglaubliche Ausnahmesituation der Story. Insofern ist der Vergleich mit der "Unendlichen Geschichte" auch etwas unfair, da die Wesen dort viel mehr Charakter bekamen und Handlung tragen. Aber wenn Du durchaus drauf beharrst: gut, ich fände die Muppet-Show auch wesentlich uninteressanter, weil ästhetisch sicher schwächer, wenn Gonzos Hühner gerendert wären.

Ich kann weder CGI noch Basteltricks vorwerfen oder danken, wenn eine Story gut oder schlecht, langweilig oder spannend ist. Es sei denn, die Effekte sind so mies, dass sie mich aus der Welt des Films raushauen.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Chowyunfat2 am 2 April 2010, 02:49:33
Zitat von: pm.diebelshausen am  2 April 2010, 02:37:01
Und wenn das Cloverfield-Viech aus Schaumgummi und Slikon gewesen wäre, wär das anders gewesen und Du hättest den Film lieber nochmal gesehen?
Hm..ja! Stell dir mal vor, sie hätten es mit styropor und holz so hinbekommen, wie mit dem Computer ;-)
Aber ich gebe zu zu, daß meine Vergleiche etwas hinken. Vielleicht mache ich aus meiner Sentimentalität zu sehr eine Ideologie..
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: pm.diebelshausen am 2 April 2010, 02:56:34
Ich kann ja verstehen, dass man mehr oder weniger von einer Leistung beeindruckt sein kann, je nachdem mit welchen Mitteln und welchem Aufwand sie erbracht wurde. Aber was einen Film, ein Bild angeht, ist doch eigentlich egal, ob das Monster aus Pixeln, Pappmaché, Pralinen oder Popeln gemacht wurde, wenn es so aussieht, wie es aussieht. Ist doch wie die Frage, ob ein Kilo Blei schwerer ist als ein Kilo Federn. Außerdem heißt CGI auch überhaupt nicht, dass man die Dinge mit Links hinbekommt und einem alles Gestalterische zufliegt! Zeit, Genauigkeit, Ideen, Geduld, Kenntnis der Materie - all das braucht es am PC ebenso wie an der Werkbank. Manches ist einfacher, dafür anderes schwieriger. Die Ansprüche verschieben sich mit den Möglichkeiten.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: lastboyscout am 2 April 2010, 03:49:49
Eine sehr interessante Diskussion, die wirklich interessante Sichtweisen offenbahrt.
Bei mir verhaelt es sich folgendermassen:
Ich kann einen Film komplett ohne Vorwissen ansehen und geniessen. Im Kino oder bei Freunden zum Beispiel.
Wenn ich mir jedoch einen Film leihe, und ihn in meinen eigenen vier Waenden ansehen kann, wird meistens die Wikipedia, die IMDB, die HKMDB und die OFDB fuer Reviews und Hintergrundinformationen ueber die Filme konsultiert. Wenn es fuer mich eine Zweitsichtung ist, wird das meistens simultan erledigt. Audiokommentare sind da auch sehr hilfreich.
Auf diese Weise kann ich viele Dinge entdecken, die mir sonst vielleicht entgangen waeren.
Egal wie erfahren man auf dem Gebiet Film ist, man kann nicht Alles wissen, und fuer mich gehoert Hintergrundwissen zur Entstehung, den Effekten, Querverweisen, den Dreharbeiten usw. einfach dazu.
Sehr interessant finde ich auch, wenn man Gefallen an den Werken eines bestimmten Regisseurs findet, man sich seine Entwicklung als solcher ansehen kann, seinen Werdegang, wie sich sein Schaffen veraenderte usw.
Ebenso finde ich es ungeheuer interessant, die gesamten Verbindungen zu sehen, zum Beispiel "The Six Degrees Of Kevin Bacon". Auch wenn es im Endeffekt nur eine Spielerei ist, so sind die Ergebnisse manchmal doch erstaunlich.

Eine andere Art von Hintergrundwissen, die man meiner Meinung nach fuer manche Filme mitbringen sollte, ist der kulturelle Hintergrund bei einem Film, im speziellen das Land oder die Religion. Viele Leute sind zum Beispiel mit asiatischen Filmen komplett ueberfordert, weil sie keinerlei Ahnung haben von deren Gepflogenheiten, und somit viele Dinge einfach nur merkwuerdig fuer sie erscheinen.
Ging mir ja selber so, als ich meine ersten Asienklopper sichtete, dann spaeter ins japanische Kino einstieg mit Kitano und als krassem Gegensatz Chiba.

Wer von wem geklaut hat, ob das eine Hommage ist, ne Parodie, ne Anspielung, eine Querverbindung zwischen verschiedenen Werken usw. usw., ich will das wissen, sowas macht fuer mich das Filmeschauen viel interessanter.
Auch hab ich feststellen muessen, dass viele Bekannte es interessant finden, wenn man solche Informationen mit ihnen teilt, vor allem wenn es sich um Filme handelt, die ihnen gefallen.  :icon_mrgreen:

Die von Eric erwaehnte Gruppe von Filmsehern, die sich ihr sogenanntes Filmwissen fast ausschliesslich aus Buechern holen, fuer die hab ich wirklich nur ein muedes Laecheln uebrig.
Man wird ja auch kein Meister-Mechaniker vom Buecher lesen, da gehoert praktisches Training dazu.  ;)
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Bretzelburger am 12 April 2010, 14:05:14
Man könnte die Frage auch andersrum stellen - Wieviel "Wissen" bringt Filmgenuss ? - Was gleichzeitig auch Rückschlüsse auf die Ausgangsfrage zuliesse.

Es war schon in der Schule so, wenn man sich für ein Fach ernsthaft interessierte, lernte es sich leichter. Wer Filmansehen nicht nur als
reinen Konsum betrachtet (was hier im Forum sicherlich selten vorkommt), erfährt automatisch mehr über sein Interessensgebiet. Das nimmt
dem Ganzen zwar eine gewisse Naivität, erweitert aber gleichzeitig auch den Horizont. Ich bin mir sicher, dass das Ansehen eines Films in Originalsprache
dem Betrachter auf Dauer mehr Interesse an anderen Sprachen (und dem dazugehörigen Kulturkreis) entlockt, als langweiliger Schulunterricht. Und wer mehr über sein Lieblingsgenre, Lieblingsdarsteller (beliebig erweiterbar) erfahren will, wird zunehmend an Informationen aus erster Hand interessiert sein. Das hat nichts mit nerdigem Ansammeln von Wissen zu tun, sondern entsteht ganz automatisch - und erhöht mit Sicherheit letztlich auch den Filmgenuss in diesem Bereich. Und ist auch kein Widerspruch zur manchmal gewünschten Naivität, denn sämtliche Gefilde der Filmbranche wird Niemand je vollständig erfassen können.

Diese Gedanken kamen mir, als ich mich für meinen Italo-Blog mit dem Mord an "Aldo Moro" beschäftigte. Jetzt könnte man sagen, dass das ein Spezialgebiet von mir wäre, aber das ist es im wissenschaftlichen Sinne natürlich nicht, denn es berührt letztlich nur eine kleine Anzahl von Filmen, die ich mir ansehe und besprechen möchte. Natürlich bin ich dafür auch immer auf der Suche nach Informationen und stiess per Google auf eine Semesterarbeit, die Jemand an der Uni Rostock fertigte und 2008 auf einer speziellen Seite für wissenschaftliche Texte veröffentlichte. Zum Einen war daran interessant, einmal die von mir schon durch die Filme in Erfahrung gebrachten Fakten, zusammengefasst und geordnet überprüfen zu können, zum Anderen fiel auf, dass der Autor bis auf einige interessante Details nicht viel mehr gefunden hatte. Im Gegenteil beging er einen schweren Fehler, indem er das Entstehungsjahr des Films über den Moro-Mord "Die Affäre Moro" (Il caso moro) in das Jahr 1976 versetzte, anstatt wie es korrekt gewesen wäre, 1986. Dazu verstieg er sich zu der Aussage, die Fiktion des Films wäre später (der Mord geschah 1978) Realität geworden, dabei ist es das genaue Gegenteil
- nämlich der Versuch, die 8 Jahre zurückliegenden Ereignisse nachzuvollziehen. Dem '86 entstandenen Film lag zudem einige Literatur zugrunde, die im Text auch erwähnt werden, aber durch die falsche Jahresangabe nicht richtig in Zusammenhang gebracht werden. Wahrscheinlich war das nur ein kleiner Lesefehler (7 statt 8), der Jedem hätte unterlaufen können, aber dadurch das der Autor sich mit den Filmen nicht auskannte, konnte er den Fehler nicht erkennen.

Es wäre natürlich besser gewesen, er hätte sich einfach mit einer Aussage zurückgehalten, da er selbst wusste, dass er nichts genaues darüber weiß, aber wie so oft in der wissenschaftlichen Aufarbeitung, traut man seinem Quellenstudium und historischen Texten mehr zu, als dem Medium Film - dabei kann man dokumentarische Aufnahmen, Zeitungsartikel, und die Aufarbeitung in Buch- und Bildform gar nicht mehr trennen, aber es zeigt sich, dass das Medium Film als Ausgangspunkt auch nicht schlecht ist, sein Wissen anzusammeln. Vorausgesetzt man öffnet sich selbst auch anderen Quellen.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Intergalactic Ape-Man am 13 April 2010, 01:37:09
Zitat von: lastboyscout am  2 April 2010, 03:49:49
Eine andere Art von Hintergrundwissen, die man meiner Meinung nach fuer manche Filme mitbringen sollte, ist der kulturelle Hintergrund bei einem Film, im speziellen das Land oder die Religion. Viele Leute sind zum Beispiel mit asiatischen Filmen komplett ueberfordert, weil sie keinerlei Ahnung haben von deren Gepflogenheiten, und somit viele Dinge einfach nur merkwuerdig fuer sie erscheinen.

Ich stimme dir unbedigt zu, daß es diesen Konflikt gibt. Eingangs ging es zwischenzeitlich ja auch schon um das naive Grundverständnis des Films, der eigentlich zunächst ein relativ niedriges Bildungsniveau zu seinem Verständnis erfordert. Anstatt nun aber einen Film bewußt intellektuell hochzuschrauben, geht es in deinem Beispiel um ein viel interessanteres Problem: Die Kultur als solche.
Film ist ja bereits ein Stück Kultur und hat in jeden Land auf die Grundbedingungen reduziert den gleichen Entstehungsprozeß. Eine Kamera nimmt etwas auf und ein Publikum guckt es sich zeitversetzt an. Nun sind es nicht nur die asiatischen Filme, die das Publikum irritieren oder überfordern können, sondern es gibt zum Beispiel eine immer wieder festzustellende Abneigung z.B. gegenüber alten Filmen.
Ich frage mich in diesem Zusammenhang immer, durch wen nun dieses Problem entstehen kann. Ist es der unaufgeschlossene Zuschauer, der sich nicht auf diese Filme, die vielleicht ebenso simpel gestrickt sind, wie andere, einlassen will? Oder ist es tatsächlich der Film, der sich nicht an einen verbreiteten Kodex hält? Und falls ja, gibt es einen universellen, vielleicht dauerhaften, Kulturkodex?

Darüber hinaus habe ich mich kürzlich z.B. wieder darüber gefreut, an einem Ort aus einem Film schon einmal selbst gewesen zu sein. Das gibt einen gewissen Bezug und ein persönlicher Bezug ist wohl eine der ausschlaggebensten Bindungen an ein Kunstwerk überhaupt. Reist jemand vielleicht sogar seinen Lieblingsfilmen hinterher?
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: lastboyscout am 13 April 2010, 03:53:31
@Ape-Man
Wobei ich hier noch etwas hinzufuegen moechte.
Wenn man Filme aus einem bestimmten Kulturkreis sieht kommt es definitiv auf deren Entstehungsland an.
Wurde der Film zum Beispiel in den USA gedreht, wird einem meist vorgekaut, wieso und weshalb.
Ist der Film jedoch in Japan entstanden, wird vom Zuschauer einfach erwartet, dass man ein bestimmtes Grundwissen mitbringt, und der Zuschauer das versteht.

Oft ist es wirklich vorhersehbar, wenn man mit bestimmten Leuten Filme kuckt, man kann fast auf die Sekunde vorhersagen, wenn man diesen fragenden Blick bekommt.  :icon_mrgreen:
Und im Endeffekt ist es ja nix Schlimmes, solange man den Film nicht automatisch als Scheiss abstempelt, nur weil man bestimmte Elemente nicht versteht.
Ich habe es auch ziemlich oft erlebt, dass die Sprachbarriere eine sehr grossen Rolle spielt fuers Filmverstaendnis.
Hier mal ein Link zu einer Bewertung zu dem (btw. hervorragenden) Film 50 Dead Men Walking, den ich erst kuerzlich sah:
http://www.imdb.com/title/tt1097643/board/nest/155027172 (http://www.imdb.com/title/tt1097643/board/nest/155027172)  :LOL:
Sowas stimmt mich einfach traurig, das Sprichwort "Perlen vor die Saeue" trifft es wohl am besten.  :icon_rolleyes:

Oft habe ich es einfach aufgegeben, mit bestimmten Leuten ueber Filme zu diskutieren, weil sie sich vehement weigern, bestimmte Fakten in ihre Wertung einzubeziehen.
Womit ich wiederum den Bogen zu dem Argument von dir schlagen kann, dass viele Leute alte Filme ablehnen.
Schwarz-Weiss? Sowas seh ich mir garnicht erst an.
1954? Sowas Altes? Ne, die reden so komisch, ausserdem ist da zu wenig Aektschn.  :icon_rolleyes:
Traurig, sehr traurig.  :wallbash:

Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: MMeXX am 13 April 2010, 10:13:52
Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 13 April 2010, 01:37:09Reist jemand vielleicht sogar seinen Lieblingsfilmen hinterher?

Nicht unbedingt den Lieblingsfilmen, aber ich kann mal Fotos vom Schwedenurlaub raussuchen, bei denen wir quasi "Schloss Gripsholm" imitiert haben.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Intergalactic Ape-Man am 20 April 2010, 17:55:47
Zitat von: lastboyscout am 13 April 2010, 03:53:31
Ich habe es auch ziemlich oft erlebt, dass die Sprachbarriere eine sehr grossen Rolle spielt fuers Filmverstaendnis.
Hier mal ein Link zu einer Bewertung zu dem (btw. hervorragenden) Film 50 Dead Men Walking, den ich erst kuerzlich sah:
http://www.imdb.com/title/tt1097643/board/nest/155027172 (http://www.imdb.com/title/tt1097643/board/nest/155027172)  :LOL:
Sowas stimmt mich einfach traurig, das Sprichwort "Perlen vor die Saeue" trifft es wohl am besten.  :icon_rolleyes:

Das ist aber schlicht uralte Ignoranz. So wie es britische Musikgruppen auch oft schwer auf dem amerikanischen Markt haben. Zumindest bestätigt der Thread dort einen doch darin, daß man auch bei besten Englischkenntnissen ab und zu Untertitel benötigen darf. Ich lass auch meistens englische Untertitel mitlaufen, wenn sie vorhanden sind, weil oft einzelne Figuren schlecht zu verstehen sind. Greise in Western z.B. machen es mir oftmals schwer, wenn sie um ihr Gebiß herum nuscheln. Oder irgendwelche hippen Gangster, die in einer mir nicht geläufigen Umgangssprache reden. Auch deutsche Dialekte machen es einem manchmal nicht unbedingt einfach. Sind wir da nun besser, weil unsere Filme seltener von Mundarten Gebrauch machen? Vielleicht ist für einen Amerikaner Irisch ja so, wie für uns Schwietzerdütsch?

Zitat von: lastboyscout am 13 April 2010, 03:53:31
Oft habe ich es einfach aufgegeben, mit bestimmten Leuten ueber Filme zu diskutieren, weil sie sich vehement weigern, bestimmte Fakten in ihre Wertung einzubeziehen.
Womit ich wiederum den Bogen zu dem Argument von dir schlagen kann, dass viele Leute alte Filme ablehnen.
Schwarz-Weiss? Sowas seh ich mir garnicht erst an.
1954? Sowas Altes? Ne, die reden so komisch, ausserdem ist da zu wenig Aektschn.  :icon_rolleyes:
Traurig, sehr traurig.  :wallbash:

Das kann man aber auch umdrehen. Ich guck z.B. eher selten neuere Filme, weil ich lieber an meiner Basis arbeite (was das Wissen über alte Filme angeht), weil es teurer ist, immer das Neueste zu gucken und weil mich aktuelle Filme oftmals nicht direkt ansprechen. Ich lerne dann aber doch immer wieder neuere Titel kennen, die mir gefallen. Oft auch erst nach mehreren Jahren. Da ich mich grundsätzlich für Film als solches interessiere, also kein Genre kategorisch ausschließe, überlege ich tatsächlich immer wieder, um das Themengebiet etwas einzugrenzen, mein Hauptinteresse noch mehr auf eine abgeschlossene Zeitepoche zu beschränken. Ist das nicht auch schon ignorant?
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Chief Guard Ritter am 21 April 2010, 01:09:25
Man kommt nicht umhin zu bemerken, dass ein voll entwickelter Gebildeter es sich eher erlauben kann, die trivialsten und vulgärsten Wissenszonen im Film zu überblicken. Man kann ihm (dem Gebildeten) wenigstens (entschuldigend) unterstellen, er interessiere sich nur im Lichte übergeordneter Zusammenhänge für diese Schmuddelecke und könne daraus Funken überraschender Signifikanz schlagen. Der Dumme dagegen verrät ein Gemüt, das sich von Schwachsinn ernähren muss.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: ratz am 21 April 2010, 01:14:33

Soll das ein Gedicht sein? Trotzdem stimmt die Kommasetzung nicht. Und nichts gegen einen Einstand mit Nachdruck, aber man kann's auch übertreiben - diesen Stil hälst Du eh nicht durch  :icon_mrgreen:

cu, r.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: pm.diebelshausen am 21 April 2010, 01:15:49
Andererseits: schön, dass es endlich mal jemand ausspricht. Aber schade, dass ich es nicht verstehe.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: lastboyscout am 21 April 2010, 03:42:17
Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 20 April 2010, 17:55:47
Zitat von: lastboyscout am 13 April 2010, 03:53:31
Ich habe es auch ziemlich oft erlebt, dass die Sprachbarriere eine sehr grossen Rolle spielt fuers Filmverstaendnis.
Hier mal ein Link zu einer Bewertung zu dem (btw. hervorragenden) Film 50 Dead Men Walking, den ich erst kuerzlich sah:
http://www.imdb.com/title/tt1097643/board/nest/155027172 (http://www.imdb.com/title/tt1097643/board/nest/155027172)  :LOL:
Sowas stimmt mich einfach traurig, das Sprichwort "Perlen vor die Saeue" trifft es wohl am besten.  :icon_rolleyes:

Das ist aber schlicht uralte Ignoranz. So wie es britische Musikgruppen auch oft schwer auf dem amerikanischen Markt haben. Zumindest bestätigt der Thread dort einen doch darin, daß man auch bei besten Englischkenntnissen ab und zu Untertitel benötigen darf. Ich lass auch meistens englische Untertitel mitlaufen, wenn sie vorhanden sind, weil oft einzelne Figuren schlecht zu verstehen sind. Greise in Western z.B. machen es mir oftmals schwer, wenn sie um ihr Gebiß herum nuscheln. Oder irgendwelche hippen Gangster, die in einer mir nicht geläufigen Umgangssprache reden. Auch deutsche Dialekte machen es einem manchmal nicht unbedingt einfach. Sind wir da nun besser, weil unsere Filme seltener von Mundarten Gebrauch machen? Vielleicht ist für einen Amerikaner Irisch ja so, wie für uns Schwietzerdütsch?

Ich lasse englische Untertitel mitlaufen, um bei der Rechtschreibung so gut wie moeglich zu werden.
Ganz selten dass ich wirklich noch Probleme mit gewissen Akzenten oder Rumgenuschle habe. Es hat wirklich Vorteile, taeglich mit der Sprache umgehen zu muessen, einen besseren Lehrer als das taegliche Leben gibt es in der Hinsicht nicht.
Und ich lerne immer wieder was Neues, es ist wirklich erstaunlich, wie viele Redewendungen und Mehrdeutigen die amerikanische Sprache zu bieten hat.  :eek:



Zitat von: lastboyscout am 13 April 2010, 03:53:31
Oft habe ich es einfach aufgegeben, mit bestimmten Leuten ueber Filme zu diskutieren, weil sie sich vehement weigern, bestimmte Fakten in ihre Wertung einzubeziehen.
Womit ich wiederum den Bogen zu dem Argument von dir schlagen kann, dass viele Leute alte Filme ablehnen.
Schwarz-Weiss? Sowas seh ich mir garnicht erst an.
1954? Sowas Altes? Ne, die reden so komisch, ausserdem ist da zu wenig Aektschn.  :icon_rolleyes:
Traurig, sehr traurig.  :wallbash:

Das kann man aber auch umdrehen. Ich guck z.B. eher selten neuere Filme, weil ich lieber an meiner Basis arbeite (was das Wissen über alte Filme angeht), weil es teurer ist, immer das Neueste zu gucken und weil mich aktuelle Filme oftmals nicht direkt ansprechen. Ich lerne dann aber doch immer wieder neuere Titel kennen, die mir gefallen. Oft auch erst nach mehreren Jahren. Da ich mich grundsätzlich für Film als solches interessiere, also kein Genre kategorisch ausschließe, überlege ich tatsächlich immer wieder, um das Themengebiet etwas einzugrenzen, mein Hauptinteresse noch mehr auf eine abgeschlossene Zeitepoche zu beschränken. Ist das nicht auch schon ignorant?


Ich hab dasselbe Problem.
Wenn ich eine meiner Online-DVDs zu Blockbuster in den Laden zurueckbringe, wandere ich oft fuer ne halbe Stunde ziellos umher, weil sie fast nur Schrott haben.
Meist versuche ich irgendwas Auslaendisches zu finden, irgendwas Unbekanntes. Die sogenannten Blockbuster-Filme lasse ich meist links liegen, richtige Filme gehen vor.  :icon_mrgreen:
Wenn ich so meine Online-Leihliste durchgehe, ist so gut wie garnix Neues dabei. Gut 95 Prozent sind Filme von vielleicht Mitte Neunziger und aelter.
Auch wie dir, so geht es mir wirklich darum, mir eine viel breitere Basis zu erarbeiten. Dabei wird (fast) kein Genre ausgelassen.


Habt ihr es andererseits schon erlebt, dass ihr im Endeffekt zuviel ueber Filme wisst?
Ich habe ehrlich gesagt das Problem, das in meinem kompletten Bekanntenkreis genau zwei Leute genuegend Wissen haben, damit ich eine interessante Diskussion ueber Filme mit ihnen fuehren kann.
Das soll keinesfalls ueberheblich klingen, es ist halt einfach interessanter, mit jemand ueber dieses Thema zu diskutieren, wenn er wirklich Ahnung von der Materie hat.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Intergalactic Ape-Man am 9 Mai 2010, 14:40:28
Zitat von: lastboyscout am 21 April 2010, 03:42:17
Habt ihr es andererseits schon erlebt, dass ihr im Endeffekt zuviel ueber Filme wisst?
Ich habe ehrlich gesagt das Problem, das in meinem kompletten Bekanntenkreis genau zwei Leute genuegend Wissen haben, damit ich eine interessante Diskussion ueber Filme mit ihnen fuehren kann.
Das soll keinesfalls ueberheblich klingen, es ist halt einfach interessanter, mit jemand ueber dieses Thema zu diskutieren, wenn er wirklich Ahnung von der Materie hat.

Das erlebe ich ein bisschen anders und zwar z.B. auch im Zusammenhang mit dem "Film der Woche" Thread so, daß ich zu dem Zeitpunkt, wo jemand anderes mit mir über den Film diskutieren möchte, nicht unbedingt die Lust oder den Film aktuell genug gesehen habe, um Details außerordentlich zu zerkauen. Da rächt sich natürlich die Abwendung vom aktuellen Geschehen, also von Filmen, die relativ viele Menschen gleichzeitig gesehen haben. Die "Film der Woche" Idee ist insofern gut, daß sie einem gemeinsamen Kinobesuch/Filmabend gleich kommt, an dessen Ende man sich dann frisch über die Materie austauschen kann. Den Elan dort einzusteigen hatte ich dennoch nicht, da mir die Vielfalt des Angebotes dazwischen kommt und ich nicht unbedingt die Lust hatte, DVDs von ganz unten-hinten herauszuwühlen (wobei ich den Deer Hunter auch gar nicht selber besitze). Überhaupt kommt mir die angebotene Vielfalt durchaus größer vor, als du es beschreibst, was mich zu folgendem Gedankengefüge antreibt.

Im Zusammenhang mit dem aktuellen Lena Meyer-Landrut Hype wird ja davon gesprochen, daß ihre individuellen Einflüsse daher rühren, daß sie einer Generation entstamme, die sich den Musikgeschmack individuell aus dem breiten Angebot zusammen stelle und viele Interpreten über das Internet oder die Musiksammlungen von Freunden kennenlernen würde. Ähnlich würde ich die/meine Filmsituation auffassen. Vor allem aber habe ich in meinen nun aktiven zwei Jahren bei der OFDb festgestellt, daß es tatsächlich einen unmittelbaren Zusammenhang aus Angebot und Interesse (nicht spezifisch Nachfrage) zu geben scheint. Gerade kürzlich habe ich zum Beispiel etwas zu einem wirklich nicht guten Film von Umberto Lenzi geschrieben und das Interesse war anhand der Klickzahlen eher mau. Nun gab es von diesem Film aber bisher auch keine deutsche DVD. Wenig später habe ich mich mit weit höherem Wertungssignal einem frühen Film Noir gewidmet, der nie in Deutschland aufgeführt wurde und auch nur in den USA auf DVD erhältlich ist. Der Zuspruch war praktisch gleich.
Anders sieht es da mit weit verbreiteten Titeln aus. Diese erreichen je nach aktuellem Anlaß ein durchaus reges Interesse - und das unabhängig davon, wie lange so ein Review unter den letzten 5 auf der Startseite steht. Überwältigend sind aber die Klickzahlen, sobald eine deutsche DVD (neu) verfügbar ist. Besonders bei Veröffentlichungen von Hartboxlabels ist mir aufgefallen, daß der Zähler urplötzlich einige Hundert nach oben schnellen kann.

Meine vorläufige Schlußfolgerung daraus bezieht sich auf mein eigenes Verhalten. Entgegen früher, wo ich z.B. noch ein oder mehrere Magazine zum Thema verfolgt habe, kann und will ich mich gar nicht auf regelmäßigen Input einlassen. Ich betreibe Recherchen nach Bedarf, was hauptsächlich auf die Vergangenheit abzielt, also filmographische und filmhistorische Lücken schließt. Ansonsten bin ich der totale Drifter geworden. Auf viele Filme werde ich aufmerksam, weil mir jemand direkt sagt, daß ich mir diesen einmal ansehen solle. Oder ich entdecke einen Film in der Fernsehzeitung, zu dem ich mir kurzfristig Informationen beschaffe.
Durch die breite Verfügbarkeit von verschiedensten Filmen und die in jüngerer Zeit attraktive Preisstruktur suche ich meistens bestimmte Titel von meiner Suchliste aus, die mir gerade besonders wichtig sind. Dann stöbere ich nach Sonderangeboten und Titeln, die mir ins Auge stechen. Erst dann fange ich an, mich mit Titeln, die mir bisher nichts sagten, näher zu beschäftigen. Den Zuschlag erhält dann das interessanteste Paket mit dem günstigsten Durchschnittspreis. Ähnlich schätze ich aus der Beobachtung der Klickzahlen die Wirkung von Neuveröffentlichungen ein. Andernfalls nämlich wirkt es fast wie eine Belastung, sich darüber hinaus mit der Existenz und der möglichen Qualität von Filmen zu beschäftigen und daher lese ich z.B. Reviews auch nicht deshalb, weil sie gerade geschrieben wurden.
Kritiken lese ich übrigens dann nach der Filmansicht je nach Inspiration nochmal genauer. Wann ich den gekauften Film allerdings ansehe ist beliebig, da ich - mea culpa - einen Berg ungesehenen Materials angehäuft habe, aus dem ich mich nach spontaner Eingebung bediene.

Nun aber zu den resultierenden Fragen, die ich hiermit in den Raum stellen möchte:
Wie gestaltet sich euer Filmfinden bzw. wie werdet ihr auf einen Film aufmerksam?
Wieviel Raum läßt uns das breite Angebot überhaupt für eine eigene Suche?
Inwiefern hat sich eurer Meinung nach die Angebotsstruktur über die Jahre verändert und wie schätzt ihr den jeweiligen Einfluß ein?
Welche Rolle spielen das Internet und im speziellen Kommunikationsplattformen für das Interesse an einem Film?
Ist es heute leichter/salonfähiger einen individuellen Geschmack auszuprägen?
Welche Wechselwirkung haben (anbetrachts der verfügbaren Titel) individueller Filmgeschmack und Kanonisierung im Zusammenhang mit strukturierter Filmwissenschaft?
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: lastboyscout am 10 Mai 2010, 14:14:07
Zitat von: Intergalactic Ape-Man am  9 Mai 2010, 14:40:28
Nun aber zu den resultierenden Fragen, die ich hiermit in den Raum stellen möchte:
Wie gestaltet sich euer Filmfinden bzw. wie werdet ihr auf einen Film aufmerksam?
Viele Anregungen finde ich hier im Gemeinschaftsforum, vor allem was neue Filme betrifft.
Fuer aeltere Filme durchforste ich meist das Internet. Sehr oft helfen mir dabei auch einschlaegige Seiten, die sehr informativ sind, vor allem was Reviews angeht.
An allerletzter Stelle fuer Reviews ist dabei die IMDB, da wird viel zu viel Schrott verzapft meiner Meinung nach.
Die OFDB ist da sehr hilfreich. Fuer asiatische Filme bevorzuge ich die HKMDB, sehr sehr gute Seite fuer Reviews ueber weniger bekannte, vor allem aeltere Asienfilme.

Wieviel Raum läßt uns das breite Angebot überhaupt für eine eigene Suche?
Das breite Angebot muss wirklich sehr gruendlich durchforstet werden. Es ist sehr zeitintensiv, fast schon muehsam, sich durch den Wust an Veroeffentlichungen zu kaempfen. Aber mit der Zeit bekommt man ein Gespuer fuer interessante Titel.
Wobei ich jedoch sagen muss, das ich bei bevorzugten Genres gerne mal ein Auge zudruecke, und den Film trotz Vorurteilen (die meist bestaetig werden) ansehe.
Vor allem im Horror und Actionbereich gibt es ja doch etliche Gurken.  ;)

Inwiefern hat sich eurer Meinung nach die Angebotsstruktur über die Jahre verändert und wie schätzt ihr den jeweiligen Einfluß ein?
Das ist etwas, was mich wirklich extrem stoert. Das Angebot ist zwar riessig, aber man muss sich selber durchkaempfen. Denn was im Kino und im TV und auf Plakatwaenden angepriesen wird, ist eher selten was ich wirklich sehen will. Ausnahmen bestaetigen die Regel, aber 95 Prozent der Filme werden kaum oder garnicht beworben, und ich muss mich selber darum kuemmern, wann er rauskommt, wo er gezeigt wird usw. Das Angebot ist gross und gut, aber man muss wirklich was dafuer tun.

Welche Rolle spielen das Internet und im speziellen Kommunikationsplattformen für das Interesse an einem Film?
Wie schon frueher in diesem Beitrag erwaehnt, das Internet ist wirklich meine Hauptquelle fuer Informationen. Aus Mangel an Filmfans in meinem Umfeld bin ich darauf angewiesen. Was ich dabei wirklich am meisten schaetze, ist wohl die Fuelle an Informationen, die man sich besorgen kann, wenn man nur weis wo man suchen muss. Oft will ich den Werdegang eines Regisseurs oder Schauspielers verfolgen, dann wird einfach jeder Film auf ne Liste gesetzt, auch wenn das Genre mich nur am Rande interessiert. Und viele Buecher die ich frueher las, stellten sich mit ihren Informationen als lueckenhaft oder schlicht als falsch dar.
Das Internet ist da schon etwas zuverlaessiger, aber, wieder einmal, wenn man weis wo man suchen muss. Denn auch hier gibt es leider viel zu viele Unwissende mit Webspace zur Verfuegung.  ;)

Ist es heute leichter/salonfähiger einen individuellen Geschmack auszuprägen?
Hm, gute Frage. Viele Leute finden es erstaunlich, wieviel jemand (ohne Mithilfe des Internets oder Internet-Handys) aus dem Stegreif ueber Filme weiss, andererseits ist es fuer viele Leute seltsam, welchen Filmgeschmack man abseits der ueblichen Verdaechtigen hat. Japan? Korea? Spanien? Russland?
Da schliesst sich der Kreis zur Ignoranz dann wieder.


Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: MMeXX am 10 Mai 2010, 16:26:21
Zitat von: Intergalactic Ape-Man am  9 Mai 2010, 14:40:28
Wie gestaltet sich euer Filmfinden bzw. wie werdet ihr auf einen Film aufmerksam?
Aufmerksam werde ich durch Listen (z.B. "Polizeifilme"-Thread und die 2 Gangsterfilmlisten - deren Abarbeitung nur in kleinsten, langwierigen Schritten erfolgt), Vergleiche mit Filmen, die ich bereits kenne, durch Hinweise anderer Leute (Eltern, Freundin, Kumpels).

Zitat von: Intergalactic Ape-Man am  9 Mai 2010, 14:40:28
Welche Rolle spielen das Internet und im speziellen Kommunikationsplattformen für das Interesse an einem Film?
Eine große Rolle, da ich viele Infos/Filmtitel erstmalig im Netz finde. Der Weg über Sekundärliteratur ist meist erst der zweite.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: pm.diebelshausen am 10 Mai 2010, 18:09:36
Wie gestaltet sich euer Filmfinden bzw. wie werdet ihr auf einen Film aufmerksam?
Total bunt. Ich bummle durch Läden, bummle auch durch's Netz, orientiere mich dabei vor allem an Regisseuren, manchmal auch Schauspielern, auch Genres, manchmal sogar Laufzeiten (wenn ein Film als Epos beworben wird und 95 Minuten läuft, werde ich schon mal skeptisch), manchmal Tipps von Freunden (aber meistens gebe ich denen welche), auch an Preisen (Filmpreise ebenso wie DVD-Preise), auch an der Filmgeschichte. Schwer auseinander zu klamüsern, was da wann welchen Einfluss auf die Entscheidung für die Anschaffung hat(tte). Die Bewertungen in der OFDb sind für mich durchaus relevant. Und auch dieses Forum hier.

Wieviel Raum läßt uns das breite Angebot überhaupt für eine eigene Suche?
Weiß nicht, wie ich die Frage verstehen soll. Meinst Du, dass mit einem großen Angebot auch immer gewisse/ungewisse/bestimmte Wege durch dieses Angebot nahegelegt werden, eine Art Kanon für den Konsumenten? Ein breites Angebot bietet mir Möglichkeiten. Ich habe meine persönlichen Interessen, manchmal phasenweise und dann kann ich im Angebot rumsuchen. Für mich sind Zugänglichkeit/Verfügbarkeit von Filmen schon dadurch relativ eingeschränkt, dass ich weder auf's Fernsehen zurückgreife, noch Filme runterlade. Ob ich nun im Wald Pilze suche oder im Saturn Filme, ob ich im Steinbruch Fossilien suche, oder im Amazon-Marketplace Schnäppchen - da gibt es für mich keinen Unterschied.

Inwiefern hat sich eurer Meinung nach die Angebotsstruktur über die Jahre verändert und wie schätzt ihr den jeweiligen Einfluß ein?
Keine Ahnung. Aber mein Kaufverhalten hat sich geändert: ist spezieller ausgerichtet.

Welche Rolle spielen das Internet und im speziellen Kommunikationsplattformen für das Interesse an einem Film?
Siehe oben.

Ist es heute leichter/salonfähiger einen individuellen Geschmack auszuprägen?
Keine Ahnung. Für mich: ich war schon immer etwas anders. Allgemein: ich glaube eher andersherum wird ein Schuh draus: heute ist es einfacher, sich einer Mode, einem Hype, einer Konvention oder einem Kanon, also einer kollektiven Meinung/Auswahl anzuschließen. Das liegt weniger am Angebot, sondern an den modernen Kommunikations- und Vernetzungsmöglichkeiten. Selbst wenn Du ein relativ seltenes Faible für irgendwas hast, ist es heute leicht, Gleichgesinnte zu finden - und das heißt, aus dem Individuellen eine Konvention zu machen, indem man sich zusammenschließt.

Welche Wechselwirkung haben (anbetrachts der verfügbaren Titel) individueller Filmgeschmack und Kanonisierung im Zusammenhang mit strukturierter Filmwissenschaft?
Was?
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Intergalactic Ape-Man am 11 Mai 2010, 08:26:57
Zitat von: MMeXX am 10 Mai 2010, 16:26:21
Zitat von: Intergalactic Ape-Man am  9 Mai 2010, 14:40:28
Wie gestaltet sich euer Filmfinden bzw. wie werdet ihr auf einen Film aufmerksam?
Aufmerksam werde ich durch Listen

Würdest du einen Kanon also eher hilfreich als störend/limitierend einstufen? Wie würdest du z.B. so eine Liste verarbeiten?
http://www.listology.com/flogged/list/1001-movies-you-must-see-you-die (http://www.listology.com/flogged/list/1001-movies-you-must-see-you-die)

Zitat von: lastboyscout am 10 Mai 2010, 14:14:07
Wieviel Raum läßt uns das breite Angebot überhaupt für eine eigene Suche?
Das breite Angebot muss wirklich sehr gruendlich durchforstet werden. Es ist sehr zeitintensiv, fast schon muehsam, sich durch den Wust an Veroeffentlichungen zu kaempfen. Aber mit der Zeit bekommt man ein Gespuer fuer interessante Titel.
Wobei ich jedoch sagen muss, das ich bei bevorzugten Genres gerne mal ein Auge zudruecke, und den Film trotz Vorurteilen (die meist bestaetig werden) ansehe.
Vor allem im Horror und Actionbereich gibt es ja doch etliche Gurken.  ;)

Dennoch wette ich, daß du auch einige Titel auf dem Zettel hast, die es all die Jahre nie ins digitale Zeitalter geschafft haben. Und es gibt sicher noch einige Filme mehr, die man theoretisch entdecken könnte. Du siehst andererseits aber auch die Bewältigung des Angebotes schon als Mühe. Inwiefern bleibt dir denn noch die Möglichkeit, Interesse an Filmen zu entwickeln, die noch gar nicht auf DVD/BluRay veröffentlicht wurden?

Zitat von: pm.diebelshausen am 10 Mai 2010, 18:09:36
Weiß nicht, wie ich die Frage verstehen soll. Meinst Du, dass mit einem großen Angebot auch immer gewisse/ungewisse/bestimmte Wege durch dieses Angebot nahegelegt werden, eine Art Kanon für den Konsumenten?

Wie oben angedeutet zielte ich tatsächlich auch in diese Richtung. Findet eine solche Steuerung denn statt und ist diese eher bewußt oder unbewußt? Könnte man das Auslassen von Titeln z.B. auch mit einer Evolution (im Bezug auf den Filmkatalog) vergleichen?

Zitat von: lastboyscout am 10 Mai 2010, 14:14:07
Inwiefern hat sich eurer Meinung nach die Angebotsstruktur über die Jahre verändert und wie schätzt ihr den jeweiligen Einfluß ein?
Das ist etwas, was mich wirklich extrem stoert. Das Angebot ist zwar riessig, aber man muss sich selber durchkaempfen. Denn was im Kino und im TV und auf Plakatwaenden angepriesen wird, ist eher selten was ich wirklich sehen will. Ausnahmen bestaetigen die Regel, aber 95 Prozent der Filme werden kaum oder garnicht beworben, und ich muss mich selber darum kuemmern, wann er rauskommt, wo er gezeigt wird usw. Das Angebot ist gross und gut, aber man muss wirklich was dafuer tun.

Würdest du (würdet ihr) denn sagen, daß die Verfügbarkeit von Filmen heute anders ist, als z.B. zur Videozeit? Spielt es z.B. auch eine Rolle, daß man heute dank Internet gleich mehrere regionale Märkte in Augenschein nehmen kann? Welche Vor- und Nachteile hat dies tatsächlich?

Zitat von: lastboyscout am 10 Mai 2010, 14:14:07
Welche Rolle spielen das Internet und im speziellen Kommunikationsplattformen für das Interesse an einem Film?
Wie schon frueher in diesem Beitrag erwaehnt, das Internet ist wirklich meine Hauptquelle fuer Informationen...

Und wie würdest du (würdet ihr) die globale Rolle des Internets sehen? Wieviel Einfluß hat das Internet im Vergleich zu Printmedien? Du sprichst selber an, daß beide Medien Falschinformationen oder Lücken enthalten können. Wie wirken sich diese denn aus?

Zitat von: pm.diebelshausen am 10 Mai 2010, 18:09:36
Ist es heute leichter/salonfähiger einen individuellen Geschmack auszuprägen?
Keine Ahnung. Für mich: ich war schon immer etwas anders. Allgemein: ich glaube eher andersherum wird ein Schuh draus: heute ist es einfacher, sich einer Mode, einem Hype, einer Konvention oder einem Kanon, also einer kollektiven Meinung/Auswahl anzuschließen. Das liegt weniger am Angebot, sondern an den modernen Kommunikations- und Vernetzungsmöglichkeiten. Selbst wenn Du ein relativ seltenes Faible für irgendwas hast, ist es heute leicht, Gleichgesinnte zu finden - und das heißt, aus dem Individuellen eine Konvention zu machen, indem man sich zusammenschließt.

Das finde ich jetzt hochinteressant und weiterer Ausführung würdig. Du würdest also die Individualisierung nur als Schein wahrnehmen und eher viele kleine Modeströmungen dahinter vermuten? Wie geht deiner Meinung nach die Industrie, die ja immer regelmäßig über einbrechende Umsatzzahlen klagt, mit diesem Phänomen um?

Zitat von: pm.diebelshausen am 10 Mai 2010, 18:09:36
Welche Wechselwirkung haben (anbetrachts der verfügbaren Titel) individueller Filmgeschmack und Kanonisierung im Zusammenhang mit strukturierter Filmwissenschaft?
Was?

:icon_lol: Ok, ich versuche es mal aufzuschlüsseln. Ich sehe zum einen die Filmwissenschaft, die zur Bewältigung einer immensen Anzahl von Filmen diese quasi zu einem Kanon zusammenstauchen muß, um eine Entwicklung darzustellen. Darüber hinaus gibt es eben die Freiheit der Auswahl, in der sich Leute spezialisieren und vielleicht abseits eines solchen Kanons ganz andere Titel favorisieren oder gar fest stellen, daß populäre Beispiele gar nicht ihren repräsentativen Status innehaben dürften, weil z.B. eine Technik von ganz jemand anderem eingeführt wurde. Beide Parteien stehen aber einer Zahl von Filmen gegenüber, die niemand alleine bewältigen könnte. Ist nun ein Kanon überhaupt noch modern oder wird dieser durch die "freie Auswahl" quasi ausgehebelt? Ist ein Kanon sinnvoll und müßte/kann ein solcher um ganz andere Aspekte erweitert werden? Sorgt die "Individualisierung" von Filmauswahl/-geschmack anders herum für eine Zerstreuung der Filmwissenschaft, macht die Filmwelt, in der man einst z.B. bestimmte "Klassiker" hervorhob, gewissermaßen unstrukturierter?
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: MMeXX am 11 Mai 2010, 09:52:40
Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 11 Mai 2010, 08:26:57
Zitat von: MMeXX am 10 Mai 2010, 16:26:21
Zitat von: Intergalactic Ape-Man am  9 Mai 2010, 14:40:28
Wie gestaltet sich euer Filmfinden bzw. wie werdet ihr auf einen Film aufmerksam?
Aufmerksam werde ich durch Listen

Würdest du einen Kanon also eher hilfreich als störend/limitierend einstufen? Wie würdest du z.B. so eine Liste verarbeiten?
http://www.listology.com/flogged/list/1001-movies-you-must-see-you-die (http://www.listology.com/flogged/list/1001-movies-you-must-see-you-die)
Hm, schwer zu sagen. Einerseits immer recht interessant, um auch mal zu resümieren, was man selbst schon gesehen hat. Z.B. sechs aus den ersten 41. :D Andererseits wird hier ja versucht, eine Liste der "Must-Sees" aller je gedrehten Filme aufzustellen, was ohnehin von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Daher picke ich mir da meine Sachen raus ("Genre"/Stilrichtung, Regie) und gut ist. Ein Kanon stört mich nicht wirklich. Er ist meines Erachtens schon fast per se unvollständig/muss Auslassungen vornehmen. Daher finde ich beispielsweise die Reclam-"Genre"-Heftchen recht praktisch, da hier klipp und klar festgehalten wird, dass die folgende Filmauswahl bestimmten Kriterien unterworfen wurde und man (mindestens im Groben) nachvollziehen kann, warum manche Filme (nicht) genannt werden. Das fehlt mir zum Beispiel bei dieser konkreten 1001-Liste. Hier ist unklar, warum welcher Film sich für die Liste (dis)qualifiziert.

Die Verarbeitung erfolgt also zunächst nach einfachem Lesen der Liste und Abgleich mit bereits gesehenen Filmen (im O-Ton [da fallen dann bspw. Jurassic Park und Schindler's List wieder raus]). Dann ein Abgleich mit ohnehin irgendwo (Wunschlisten, Einkaufszettel, Hinterkopf) abgespeicherten Filmtiteln und schließlich eventuell noch ein "Überprüfen" bisher unbekannter Titel via OFDb/IMDb.




Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 11 Mai 2010, 08:26:57
:icon_lol: Ok, ich versuche es mal aufzuschlüsseln. Ich sehe zum einen die Filmwissenschaft, die zur Bewältigung einer immensen Anzahl von Filmen diese quasi zu einem Kanon zusammenstauchen muß, um eine Entwicklung darzustellen. Darüber hinaus gibt es eben die Freiheit der Auswahl, in der sich Leute spezialisieren und vielleicht abseits eines solchen Kanons ganz andere Titel favorisieren oder gar fest stellen, daß populäre Beispiele gar nicht ihren repräsentativen Status innehaben dürften, weil z.B. eine Technik von ganz jemand anderem eingeführt wurde. Beide Parteien stehen aber einer Zahl von Filmen gegenüber, die niemand alleine bewältigen könnte. Ist nun ein Kanon überhaupt noch modern oder wird dieser durch die "freie Auswahl" quasi ausgehebelt? Ist ein Kanon sinnvoll und müßte/kann ein solcher um ganz andere Aspekte erweitert werden? Sorgt die "Individualisierung" von Filmauswahl/-geschmack anders herum für eine Zerstreuung der Filmwissenschaft, macht die Filmwelt, in der man einst z.B. bestimmte "Klassiker" hervorhob, gewissermaßen unstrukturierter?
Das größere Angebot lässt natürlich immer wieder Entdeckungen zu und ermöglicht so Aktualisierungen, Korrekturen und Überarbeitungen früherer Thesen. Ich halte jedoch eine Filmauswahl in Folge aufgestellter Thesen nicht zwingend für einen Kanon, sondern lediglich für eine Sammlung von Beispielen, anhand derer eben bestimmte Aspekte verdeutlicht werden. Es ist also ein Unterschied, ob jemand sagt: "Nosferatu muss man gesehen haben, weil der Film einfach gut ist!" (Kanon) oder eben "Nosferatu sollte man gesehen haben, da er als einer der ersten Horror-/Gruselfilme viele Handlungen/Einstellungen/Figuren/o.ä. verwendet, welche heute noch in Filmen genutzt werden und mittlerweile zu Klischees geworden sind." (Heranziehen als Beispiel für eine These).
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: lastboyscout am 11 Mai 2010, 13:58:27
Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 11 Mai 2010, 08:26:57

Zitat von: lastboyscout am 10 Mai 2010, 14:14:07
Wieviel Raum läßt uns das breite Angebot überhaupt für eine eigene Suche?
Das breite Angebot muss wirklich sehr gruendlich durchforstet werden. Es ist sehr zeitintensiv, fast schon muehsam, sich durch den Wust an Veroeffentlichungen zu kaempfen. Aber mit der Zeit bekommt man ein Gespuer fuer interessante Titel.
Wobei ich jedoch sagen muss, das ich bei bevorzugten Genres gerne mal ein Auge zudruecke, und den Film trotz Vorurteilen (die meist bestaetig werden) ansehe.
Vor allem im Horror und Actionbereich gibt es ja doch etliche Gurken.  ;)

Dennoch wette ich, daß du auch einige Titel auf dem Zettel hast, die es all die Jahre nie ins digitale Zeitalter geschafft haben. Und es gibt sicher noch einige Filme mehr, die man theoretisch entdecken könnte. Du siehst andererseits aber auch die Bewältigung des Angebotes schon als Mühe. Inwiefern bleibt dir denn noch die Möglichkeit, Interesse an Filmen zu entwickeln, die noch gar nicht auf DVD/BluRay veröffentlicht wurden?

Auf alle Faelle existiert diese Liste. Und selbst wenn ich ein riessiges Angebot bereits erhaeltlicher Titel habe, so wird die Warterei bzw. Suche nach noch nicht veroeffentlichten Filmen niemals eingestellt. Das macht ja den Reiz aus.
Und so eine Liste, wie die oben erwaehnte 1001 Movies To See Before You Die sind manchmal hilfreich. Auch wenn sich manches nach Sichtung doch als arg ueberhypt herausstellte, so wanderten doch fast alle nicht gesehenen Filme des Buches auf meine Liste.
Oft leihe ich mir einen Film, den ich zwar vor gut zehn Jahren mal sah, wobei aber meine Erinnerung nachlies. Vor allem die allseits beliebten Megaklassiker, von denen ich dann masslos enttaeuscht bin. Bestes Beispiel der letzten Zeit war fuer mich Harry und Sally sowie Some Like It Hot,


Zitat von: lastboyscout am 10 Mai 2010, 14:14:07
Inwiefern hat sich eurer Meinung nach die Angebotsstruktur über die Jahre verändert und wie schätzt ihr den jeweiligen Einfluß ein?
Das ist etwas, was mich wirklich extrem stoert. Das Angebot ist zwar riessig, aber man muss sich selber durchkaempfen. Denn was im Kino und im TV und auf Plakatwaenden angepriesen wird, ist eher selten was ich wirklich sehen will. Ausnahmen bestaetigen die Regel, aber 95 Prozent der Filme werden kaum oder garnicht beworben, und ich muss mich selber darum kuemmern, wann er rauskommt, wo er gezeigt wird usw. Das Angebot ist gross und gut, aber man muss wirklich was dafuer tun.

Würdest du (würdet ihr) denn sagen, daß die Verfügbarkeit von Filmen heute anders ist, als z.B. zur Videozeit? Spielt es z.B. auch eine Rolle, daß man heute dank Internet gleich mehrere regionale Märkte in Augenschein nehmen kann? Welche Vor- und Nachteile hat dies tatsächlich?

Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. Zur Videozeit kaempfte ich mich durch Listen mit haufenweise Falschinformationen, musste etliche Blindkaeufe machen, sogar als ich mit DVDs anfing war ich darauf angewiesen, weil ich erst ein Jahr nach Start der Sammelsucht einen Internetanschluss bekam.
Das war natuerlich ein Augenoeffner.
Auf der anderen Seite machte es einfach herrlichen Spass zur Videozeit etwas hinterherzujagen. Dieses "Jagdfieber" vermisse ich etwas, das ist aber auch schon der einzige Nachteil fuer mich, welcher wohl eher aus nostalgischen Gefuehlen besteht.  ;)


Zitat von: lastboyscout am 10 Mai 2010, 14:14:07
Welche Rolle spielen das Internet und im speziellen Kommunikationsplattformen für das Interesse an einem Film?
Wie schon frueher in diesem Beitrag erwaehnt, das Internet ist wirklich meine Hauptquelle fuer Informationen...

Und wie würdest du (würdet ihr) die globale Rolle des Internets sehen? Wieviel Einfluß hat das Internet im Vergleich zu Printmedien? Du sprichst selber an, daß beide Medien Falschinformationen oder Lücken enthalten können. Wie wirken sich diese denn aus?

Das Internets spielt fuer mich eigentlich die groesste Rolle. Ich wuerde sagen Printmedien schrumpften zu einem 5 Prozentanteil zusammen.
Anfangs, trotz Internets, hatte ich noch TV Movie, Moviestar, DVD Vision usw. usw.
Jetzt sind es meistens Buecher, die ich aber eher am Rande konsumiere.
Und deine Frage ist, wie sich die Falschinformationen oder Luecken auswirken?
Man ist vorsichtiger, versucht eine Bestaetigung fuer die zuerst gelesene Information finden. Ja, Vorsicht ist wirklich die Mutter der Porzellankiste in dem Falle.
Bestes Beispiel fuer Deutschansaessige: BluRay-Regioncodes zum Beispiel.

Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Bretzelburger am 11 Mai 2010, 14:28:42
Es ist die klassische Frage von Chance und Fluch eines Mediums, wie es spätestens seit Beginn der Radioübetragungen diskutiert wird. Wenn man sich die Statistiken über Internet-User ansieht, fällt dabei auf, dass die Nutzunghäufigkeit mit der Bildung steigt. Sprach- und Vorkenntnisse erschliessen eben ganz andere Bereiche, aus denen man dann weiteres Wissen schöpfen kann. Für die große Mehrzahl meiner Bekannten wäre so ein "1000-Film-Kanon" ein Buch mit sieben Siegeln, weil sie nur einen verschwindend kleinen Teil der Filme kennen und mit dem Rest wenig anfangen können. Erst wenn man Filme einem bestimmten Genre, Regisseur usw. zuordnen kann, werden Filme, die man noch nicht kennt, interessant - und wenn dann tatsächlich noch ein paar dabei sind, von denen man bisher gar nichts gehört hat, dann weckt das die Neugierde erst richtig. Das ist die alte Regel vom Wissenanreichern - wer über ein Fachgebiet schon etwas weiß, kann viel leichter dieses erweitern als Unkundige.

Ich selbst habe ein - aus heutiger Sicht - noch sehr reduziertes Angebot zur Verfügung gehabt, aus dem ich meine Filmbegeisterung gewann. Zwei Fernsehkanäle, die nachmittags begannen und Mitternacht aufhörten und das aktuelle Kinoprogramm. Die Möglichkeit etwas auszuleihen oder aufzunehmen existierte nicht. Trotzdem empfinde ich die Vergangenheit inhaltlich als vielfältiger - regelmässig gab es thematische Blöcke (Genre, Regisseure), und das Fernsehen scherte sich nicht um Einschaltquoten, sondern brachte auch zu besten Zeiten artifizielle Filme. Meine gesamte Filmsozialisation stammt aus dieser Zeit und deshalb ist für mich das Internet heute das Paradies, denn nur diesem habe ich es zu verdanken, dass ich auf dieser Basis heute noch massenhaft Neuentdeckungen machen kann (und viele schon vergessene Perlen wiederfand).

Wer allerdings ohne Vorkenntnisse oder spezielle Interessensgebiete das Internet nutzt, um sich kulturell zu bilden (gilt auch für das Fernsehen), dem kann ich nur viel Geduld und einen individuellen Kopf wünschen - ich halte das für sehr schwer, sich den oft praktizierten, unmerklichen Gruppenzwängen zu entziehen.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: lastboyscout am 11 Mai 2010, 15:01:00
@Bretzelburger
Dein letzter Absatz schliesst fuer mich den Kreis zu meiner Aussage mit den lueckenhaften bzw. Falschinformationen.
Denn wenn ich komplett undifferenziert an ein Thema herangehe, mich nicht anderweitig ueber das gleiche Thema informiere, quasi gegenlese, dann bekomme ich ein Geruest aus Halbwahrheiten, Geruechten und ein paar Fakten, was sich dann Filmwissen nennt fuer manche.  :icon_rolleyes:
Auch habe ich erleben muessen, das solche Leute oft fuer bare Muenze genommen werden, weil sie am lautesten Schreien. Marktschreier-Mentalitaet, ich schreie am lautesten, also ist mein Gemuese das beste.  ;)
Solche Leute dann mit einer sehr nuechternen Argumentation, manchmal nur einer Auflistung von Fakten, extrem dumm aussehen zu lassen, verschafft mir eine diebische Freude.  :icon_mrgreen:
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: pm.diebelshausen am 11 Mai 2010, 19:12:49
Mir fällt gerade auf, dass wir bei all dem nicht nur von uns ausgehen sollten. Wir sind doch schon die Mega-Nerds und damit eine Minderheit der Filmkonsumenten. Es gibt so viele Leute, die Filme sehen (ALLE, die ich kenne, sehen Filme, und nicht nur 2 x im Jahr), das aber überhaupt nicht für was Besonderes halten, bzw. es zu etwas Besonderem machen. Das sollte man nicht vergessen. Viele, sehr viele, ich vermute bei Weitem die meisten Filmgucker sehen und lassen sich unterhalten, kommen auch auf Gedanken durch die Geschichten der Filme, häufen aber weiter kein Wissen an, merken sich keine Regisseure, vielleicht noch Schauspielerinnen und Schauspieler, aber das, weil die attraktiv oder irgendwie anders auffällig, z.B. große Arschlöcher, sind. All das bedeutet aber nicht, dass diese Leute keinen Filmgenuss erleben und ich kann nichtmal sagen, dass sie einen geringeren Genuss erleben als ich oder Bretzel oder lastboy oder Ape oder MMeXX oder irgendein anderer, der aus Kino und Film ein Hobby macht, das irgendwie strukturiert und organisiert ist.

Zu Deiner Nachfrage, Ape, komme ich später noch, da will ich mir etwas Zeit für nehmen können.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: MMeXX am 11 Mai 2010, 19:41:16
Zitat von: lastboyscout am 11 Mai 2010, 13:58:27
Man ist vorsichtiger, versucht eine Bestaetigung fuer die zuerst gelesene Information finden. Ja, Vorsicht ist wirklich die Mutter der Porzellankiste in dem Falle.
Bestes Beispiel fuer Deutschansaessige: BluRay-Regioncodes zum Beispiel.
Dafür gibt es ja Codefree-Player. :D ;)
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Bretzelburger am 11 Mai 2010, 21:33:43
Zitat von: pm.diebelshausen am 11 Mai 2010, 19:12:49
Mir fällt gerade auf, dass wir bei all dem nicht nur von uns ausgehen sollten. Wir sind doch schon die Mega-Nerds und damit eine Minderheit der Filmkonsumenten. Es gibt so viele Leute, die Filme sehen (ALLE, die ich kenne, sehen Filme, und nicht nur 2 x im Jahr), das aber überhaupt nicht für was Besonderes halten, bzw. es zu etwas Besonderem machen. Das sollte man nicht vergessen.

Vergessen sollte man aber auch nicht, dass diese Nicht-Nerd-Filmseher keineswegs mit ihrem Urteil hinterm Berg halten. Und das klingt nicht nach "Ich habe zwar keine Ahnung, aber ich fand den Film gut/schlecht", sondern irgendwelche Pauschal-, Halbwahrheiten-Urteile rausposaunen, dass es die Sau graust. Ich habe in dieser Hinsicht (und da gebe ich "Lastboyscout" 100% recht) schon eine Menge Diskussionen gehabt, die ich keineswegs gewonnen habe, nur weil ich nerdige Filmahnung hatte. Ich kenne das auch von der Architektur - da weiß auch jeder Laie, wie man einen Grundriss entwirft oder eine Wohnung topp einrichtet. Ich nehme als Gegenbeispiel immer den Kauf im Wurstladen - dort sagt der Verbraucher nur, ob ihm die Wurst schmeckt oder nicht, aber er gibt dem Fleischermeister keine Tipps, wie er die Zusammensetzung hätte besser machen können.

Um zum eigentlichen Thema zurückzukommen. Es stimmt - die Meisten sehen Filme oft, aber ohne den Ehrgeiz irgendwelches Hintergrundwissen anzusammeln. Das ist mehr als legitim, aber nicht, dass die Meisten trotzdem glauben, bei Filmen alles beurteilen zu können. Abgesehen davon halte ich Filme für eine integrierte Kultur, die Schnittmengen zu Kunst ganz allgemein, Politik, Geschichte, Sozialisation und gesellschaftliche Belange beinhaltet. Wer das begreift, wird Film nie nur als gut konsumierbares Gut ansehen, sondern als Ausgangspunkt für viele Interessensbereiche.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: lastboyscout am 12 Mai 2010, 02:39:32
Zitat von: MMeXX am 11 Mai 2010, 19:41:16
Zitat von: lastboyscout am 11 Mai 2010, 13:58:27
Man ist vorsichtiger, versucht eine Bestaetigung fuer die zuerst gelesene Information finden. Ja, Vorsicht ist wirklich die Mutter der Porzellankiste in dem Falle.
Bestes Beispiel fuer Deutschansaessige: BluRay-Regioncodes zum Beispiel.
Dafür gibt es ja Codefree-Player. :D ;)

Diese Aussage sollten wir als permanenten Thread ganz oben auf der Hauptseite festmachen, damit jeder, der immer wieder rumquaekt, von wegen Regionalcode, einfach mal die Klappe haelt.  :icon_mrgreen:
Wer wirklich einen codefree Player (egal ob BluRay oder DVD) haben moechte, bekommt auch einen.

Aber zurueck zum Thema.
Wenn sich jemand von Filmen einfach nur berieseln lassen will als Feierabendentspannung, dann ist das sein gutes Recht.
Wenn diese Person dann jedoch denkt, dass sie die Weisheit mit Loeffeln gefressen hat, nur weil sie taeglich nen Film kuckt, dann platzt mir der Kragen.
Da wird dann versucht, mit Stammtischmentalitaet die nuechterne Argumentation meinerseits laecherlich zu machen.
Oft halte ich es dann wie Bretzel, und ziehe mich aus der Unterhaltung zurueck, weil es die Aufregung einfach nicht wert ist.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: pm.diebelshausen am 12 Mai 2010, 08:06:13
Zitat von: Bretzelburger am 11 Mai 2010, 21:33:43
Das ist mehr als legitim, aber nicht, dass die Meisten trotzdem glauben, bei Filmen alles beurteilen zu können.
Zitat von: lastboyscout am 12 Mai 2010, 02:39:32
Wenn diese Person dann jedoch denkt, dass sie die Weisheit mit Loeffeln gefressen hat

Beides gilt auch für die gebildeten Filmwissenanhäufer. Kommt ja immer drauf an, wie man seine Meinung rüberbringt - ob mit Stil und Toleranz oder mit Weisheitslöffel und Arroganz. Oh: und ob man über sich selbst lachen kann.
Aber ich weiß natürlich, was ihr meint. :O/
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Bretzelburger am 12 Mai 2010, 09:25:45
Zitat von: pm.diebelshausen am 12 Mai 2010, 08:06:13
Beides gilt auch für die gebildeten Filmwissenanhäufer. Kommt ja immer drauf an, wie man seine Meinung rüberbringt - ob mit Stil und Toleranz oder mit Weisheitslöffel und Arroganz.

Grundsätzlich hast du recht. Aber ich weiß nicht, in welcher Umgebung du lebst, denn ich freue mich immer, wenn ich auf Jemanden treffe, der von einer Sache richtig Ahnung hat - egal welche Thematik. Und - das ist meine persönliche Erfahrung - diese Menschen sind in der Regel zurückhaltend, wohl auch aus Erfahrung, dass man sie schnell für arrogant hält. Umgekehrt habe ich schon mehrfach erlebt (gilt natürlich nicht nur für den Film), dass ich Wetten abschliessen musste, um Jemanden, der partout den besten Argumenten nicht glauben wollte, zu überzeugen. Nur - selbst wenn ich diese gewonnen hatte - war da keine Einsicht, man hatte sich nur in diesem Fall vertan ("Aber, ich war mir ganz sicher!").
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: pm.diebelshausen am 12 Mai 2010, 18:43:33
Zitat von: Bretzelburger am 12 Mai 2010, 09:25:45
Aber ich weiß nicht, in welcher Umgebung du lebst

Köln-Nippes, bunt gemischt in jeder Hinsicht, Freunde sind Akademiker, Arbeitslose, Ärzte, Schreiner, Schüler. Aber jetzt mache ich mir Sorgen, in welcher Umgebung DU lebst.  :icon_neutral:
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: pm.diebelshausen am 12 Mai 2010, 21:30:19
So, jetzt aber:

Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 11 Mai 2010, 08:26:57
Zitat von: pm.diebelshausen am 10 Mai 2010, 18:09:36
Ist es heute leichter/salonfähiger einen individuellen Geschmack auszuprägen?
Keine Ahnung. Für mich: ich war schon immer etwas anders. Allgemein: ich glaube eher andersherum wird ein Schuh draus: heute ist es einfacher, sich einer Mode, einem Hype, einer Konvention oder einem Kanon, also einer kollektiven Meinung/Auswahl anzuschließen. Das liegt weniger am Angebot, sondern an den modernen Kommunikations- und Vernetzungsmöglichkeiten. Selbst wenn Du ein relativ seltenes Faible für irgendwas hast, ist es heute leicht, Gleichgesinnte zu finden - und das heißt, aus dem Individuellen eine Konvention zu machen, indem man sich zusammenschließt.

Das finde ich jetzt hochinteressant und weiterer Ausführung würdig. Du würdest also die Individualisierung nur als Schein wahrnehmen und eher viele kleine Modeströmungen dahinter vermuten? Wie geht deiner Meinung nach die Industrie, die ja immer regelmäßig über einbrechende Umsatzzahlen klagt, mit diesem Phänomen um?

Dass Individualität nurmehr oder größtenteils nurmehr als Schein vorhanden/möglich ist, würde ich nicht sagen. Zumindest nicht, was die Komplexität einer Persönlichkeit angeht. Da gehe ich eher davon aus, dass jemand nicht bloß auf einem Gebiet sich individuell ausprägt, sondern sich oft in verschiedenen Belangen individualisiert. Ist natürlich, wie immer, wenn wir hier was wirklich diskutieren, ein schwieriger Begriff, "Individualität", schließlich kann auch das Individuelle in gewisser Weise eine Konvention sein und sich so selbst ad absurdum führen, ähnlich wie wenn man versucht, dem Befehl "Sei selbstständig!" Folge zu leisten. Aber da will ich die Diskussion gar nicht hinführen.

Ich sage mal, ich halte mich für relativ individuell, weil Menschen in meiner Umgebung und häufig die, die mich neu kennenlernen, überrascht sind, womit ich mich beschäftige, wie meine Wohnung eingerichtet ist, was für Musik ich manchmal auflege. Da bestehe ich einfach aus einer Offenheit für Vieles - die ist noch nicht individuell, aber das was ich dann zulasse, zu mir durchzudringen, macht es aus.

Viele kleine Modeströmungen: ja, naja, also zumindest, wenn man sozusagen kleine Kosmen betrachtet, Subkulturen oder besser Teilkulturen. Wie gesagt: für alles, sei es noch so normal oder krank, individuell, pervers, engagiert oder unnütz - durch die moderne Kommunikation, insbesondere das Internet, ist es ein Leichtes, sich mit seinem Spleen, seinem Hobby, seiner Krankheit nicht allein zu fühlen. Und daraus ergeben sich Gemeinsamkeiten, die, so man bereit ist, derlei Kontakt zuzulassen, ausreichen, um Gruppen zu bilden, teils ziemlich geschlossen, teils so offen, dass auch verschiedene Gruppen kollidieren und sich gegenseitig diffamieren. Emos haben's echt schwer, Rapper tun mir manchmal auch leid, obwohl mir persönlich nur ganz selten was Gerapptes wirklich gefällt usw. usf.

Gruppen brauchen Konventionen, um sich im Inneren zusammen zu halten und nach Außen abzugrenzen. Konventionen können immer versteinern und um ihrer selbst Willen erhalten werden - das ist etwas, wo ich versuche, beweglich zu bleiben, was wiederum zu dem gehört, was ich für mich "Individualität" nennen würde.

Industrie: hm... ich denke so wenig wirtschaftlich, dass ich auch kaum informiert bin, wie die Industrie im Filmbereich auf das Thema Individualität/Konvention eingeht oder nicht. Es gibt vieles, was mich ärgert, weil ich nicht drankomme, weil die Industrie entweder ein rechtliches oder finanzielles Problem hat, etwas auf den Markt zu bringen. Mir geht es aber beim Filmsehen wie vielen Regisseuren, die hauptsächlich eins wollen: dass ihr Film gesehen wird. Da sind mir Lizenzstreitigkeiten etc. ziemlich schnuppe. Wolle Film sehe. (Was mich da ärgert, kann ich zum Teil durch Importe kompensieren. Das ist ok.) Auf der anderen Seite bekomme ich aber eine Menge tolles Zeug für oft absolut bezahlbare Preise, ich fühle mich jetzt nicht völlig übergangen vom Angebot, dass mir zur Verfügung steht.

Habe ich eigentlich Deine Nachfrage irgendwie beantwortet?
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Bretzelburger am 12 Mai 2010, 22:18:18
Zitat von: pm.diebelshausen am 12 Mai 2010, 18:43:33
Zitat von: Bretzelburger am 12 Mai 2010, 09:25:45
Aber ich weiß nicht, in welcher Umgebung du lebst

Köln-Nippes, bunt gemischt in jeder Hinsicht, Freunde sind Akademiker, Arbeitslose, Ärzte, Schreiner, Schüler. Aber jetzt mache ich mir Sorgen, in welcher Umgebung DU lebst.  :icon_neutral:

Nix für ungut, aber du hast in deiner Aussage die große, sich an Filmen ohne nerdige Beschäftigung, erfreuende Masse erwähnt - und das fand ich sehr einseitig. In meiner unmittelbaren Umgebung mache ich auch keine negativen Erfahrungen, nur sobald einmal ein größerer Kreis zusammen kommt, bei dem sich nicht Alle untereinander kennen, können die von mir erwähnten Auswüchse schon vorkommen. Abgesehen davon, dass sich in meiner unmittelbaren Umgebung die meisten Kinogänger durchaus intensiv mit dem Medium beschäftigen, ohne deshalb in Foren mitzuwirken oder Reviews zu schreiben. Ich halte eine gewisse tieferes Interesse übrigens für völlig normal, egal um welche Sache es geht.
Titel: Re: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?
Beitrag von: Intergalactic Ape-Man am 13 Mai 2010, 14:38:10
Zitat von: MMeXX am 11 Mai 2010, 09:52:40
Das größere Angebot lässt natürlich immer wieder Entdeckungen zu und ermöglicht so Aktualisierungen, Korrekturen und Überarbeitungen früherer Thesen. Ich halte jedoch eine Filmauswahl in Folge aufgestellter Thesen nicht zwingend für einen Kanon, sondern lediglich für eine Sammlung von Beispielen, anhand derer eben bestimmte Aspekte verdeutlicht werden. Es ist also ein Unterschied, ob jemand sagt: "Nosferatu muss man gesehen haben, weil der Film einfach gut ist!" (Kanon) oder eben "Nosferatu sollte man gesehen haben, da er als einer der ersten Horror-/Gruselfilme viele Handlungen/Einstellungen/Figuren/o.ä. verwendet, welche heute noch in Filmen genutzt werden und mittlerweile zu Klischees geworden sind." (Heranziehen als Beispiel für eine These).

Damit magst du (wie auch in den Ausführungen zur verlinkten Liste) recht haben. Aber ist es nicht so, daß beidenfalls entweder konkrete Listen eine Auswahl möglicherweise schadhaft begrenzen oder durch eine zu große Vielfalt (verschiedener Ansichten) die Orientierung zerstreuen, Interessenten, die sich zwischen solchen Empfehlungen zu orientieren versuchen durch Fehlgriffe sogar demotivieren können?

Zitat von: Bretzelburger am 11 Mai 2010, 14:28:42
Ich selbst habe ein - aus heutiger Sicht - noch sehr reduziertes Angebot zur Verfügung gehabt, aus dem ich meine Filmbegeisterung gewann. Zwei Fernsehkanäle, die nachmittags begannen und Mitternacht aufhörten und das aktuelle Kinoprogramm. Die Möglichkeit etwas auszuleihen oder aufzunehmen existierte nicht. Trotzdem empfinde ich die Vergangenheit inhaltlich als vielfältiger - regelmässig gab es thematische Blöcke (Genre, Regisseure), und das Fernsehen scherte sich nicht um Einschaltquoten, sondern brachte auch zu besten Zeiten artifizielle Filme. Meine gesamte Filmsozialisation stammt aus dieser Zeit und deshalb ist für mich das Internet heute das Paradies, denn nur diesem habe ich es zu verdanken, dass ich auf dieser Basis heute noch massenhaft Neuentdeckungen machen kann (und viele schon vergessene Perlen wiederfand).

Würdest du demnach dem Fernsehen heute unterstellen, daß die Auswahl abzielend auf einen Massengeschmack mehr in eine Norm zwingt, als es zu Zeiten des rein öffentlich-rechtlichen Fernsehens der Fall war? Wie ließe sich dies auf die jeweilige Situation von Kino- und Heimvideomarkt übertragen?

Zitat von: Bretzelburger am 11 Mai 2010, 14:28:42
Wer allerdings ohne Vorkenntnisse oder spezielle Interessensgebiete das Internet nutzt, um sich kulturell zu bilden (gilt auch für das Fernsehen), dem kann ich nur viel Geduld und einen individuellen Kopf wünschen - ich halte das für sehr schwer, sich den oft praktizierten, unmerklichen Gruppenzwängen zu entziehen.

Könnte dieser "unmerkliche Gruppenzwang" denn auch damit zusammenhängen, daß die Masse sich eben meistens dann zu Äußerungen berufen fühlt, wenn der Film eine Regung (ob nun Ab- oder Zuneigung) hervorgerunfen hat? Das Mittelfeld dazwischen müßte doch dann chronisch unterrepräsentiert sein.

Zitat von: Bretzelburger am 11 Mai 2010, 21:33:43
Vergessen sollte man aber auch nicht, dass diese Nicht-Nerd-Filmseher keineswegs mit ihrem Urteil hinterm Berg halten. Und das klingt nicht nach "Ich habe zwar keine Ahnung, aber ich fand den Film gut/schlecht", sondern irgendwelche Pauschal-, Halbwahrheiten-Urteile rausposaunen, dass es die Sau graust. Ich habe in dieser Hinsicht (und da gebe ich "Lastboyscout" 100% recht) schon eine Menge Diskussionen gehabt, die ich keineswegs gewonnen habe, nur weil ich nerdige Filmahnung hatte.

Ich befürchte ja, auch ein Nerd zu sein. Das fällt mir immer dann auf, wenn ich einen Redeschwall herunterschlucke, von dem ich weiß, daß er an der falschen Adresse landen wird. Denn wie soll man ganz unarrogant etwas erklären, was für ein tieferes Verständnis eine Argumentationskette nach sich ziehen würde, die Stimmung und Abend ganz schnell vermiesen können? Was noch viel schlimmer ist, sind dann Zitate aus beliebigen 08/15 Filmen, die man doch hätte erkennen müssen, weil XY gesagt hätte, man sei der totale Filmfreak. Erstens halte ich dies für einen (Präventiv-)Schlag gegen eben diesen arroganten Eindruck, den Filmfans zu geben scheinen. Zweitens muß man meistens arrogant darauf reagieren, weil man diesen Film oftmals einfach mangels Interesse nicht gesehen hat. Drittens bin ich persönlich überhaupt nicht der Typ Nerd, der jeden Fitzel eines bestimmten Spezialbereichs auswendig kennt und da ich immer andere Filme gucke, weil es so viele gibt, habe ich auch weder Zeit noch Muße jedes Zitat auswendig zu lernen. Ein ähnliches Problem gibt es ja auch mit überzeugten Musikfreunden, wobei ich mich auch hier, wie beim Film, schwer auf ein Genre festlegen kann und so bestens in der Lage bin auch ausgesprochenen Freax mit meiner Ansicht auf die Füße zu treten.  :icon_lol:
Vielleicht ist es ja ein Gendefekt, der bedingt, daß man sich für möglicherweise schräge Dinge und Kombinationen erwärmen kann. Oder es liegt doch einfach an der eigenen Offenheit und zeitgleich dem persönlichen Horizont, wie bei jedem anderen auch. Ich persönlich verstehe jeden Austausch als Bereicherung (bin auch gewillt mich nach Lust und Laune selber zu tauschen) und so ist es vermutlich eher ein gereifter Balanceakt des gezeigten Interesses gestellt über die eigene Meinung, die bewirkt, daß man das Vorurteil der Arroganz abbauen kann. Dummerweise ist der Effekt eben seltener das Entdecken eines bisher unbekannten Highlights, sondern der Sieg des Gegenübers, dessen Meinung im morastigen Sog des absorbierenden "Nerds" versinkt. Hat man damit nicht auch heimlich gewonnen?
Übrigens, wo wir schon beim Glossar sind, wie ist es denn mit Fanboys? Nerd zu sein ist ja anscheinend nicht gleich Nerd zu sein. Sind nicht eher Fanboys die Posaunenbläser und der Normalmensch gar nicht?

Zitat von: pm.diebelshausen am 12 Mai 2010, 21:30:19
Dass Individualität nurmehr oder größtenteils nurmehr als Schein vorhanden/möglich ist, würde ich nicht sagen. Zumindest nicht, was die Komplexität einer Persönlichkeit angeht. Da gehe ich eher davon aus, dass jemand nicht bloß auf einem Gebiet sich individuell ausprägt, sondern sich oft in verschiedenen Belangen individualisiert. Ist natürlich, wie immer, wenn wir hier was wirklich diskutieren, ein schwieriger Begriff, "Individualität", schließlich kann auch das Individuelle in gewisser Weise eine Konvention sein und sich so selbst ad absurdum führen, ähnlich wie wenn man versucht, dem Befehl "Sei selbstständig!" Folge zu leisten. Aber da will ich die Diskussion gar nicht hinführen.
Ja, ich kann dem folgen. Es ging natürlich eher um die Individualität der Auswahl, als um den Umgang damit. Denn daß bspw. jeder Pokemon gucken und trotzdem anders damit umgehen kann, liegt ja auf der Hand, auch wenn sowas gerne pauschalisiert wird.

Zitat von: pm.diebelshausen am 12 Mai 2010, 21:30:19
Ich sage mal, ich halte mich für relativ individuell, weil Menschen in meiner Umgebung und häufig die, die mich neu kennenlernen, überrascht sind, womit ich mich beschäftige, wie meine Wohnung eingerichtet ist, was für Musik ich manchmal auflege. Da bestehe ich einfach aus einer Offenheit für Vieles - die ist noch nicht individuell, aber das was ich dann zulasse, zu mir durchzudringen, macht es aus.

Mir geht es da durchaus ähnlich. Aber warum sind Menschen dann so oft von einem überrascht? Liegt es daran, daß man nicht einfach so in eine Schublade hinein passt? Ist man die Kugel im Tetris-Spiel?

Zitat von: pm.diebelshausen am 12 Mai 2010, 21:30:19
Gruppen brauchen Konventionen, um sich im Inneren zusammen zu halten und nach Außen abzugrenzen. Konventionen können immer versteinern und um ihrer selbst Willen erhalten werden - das ist etwas, wo ich versuche, beweglich zu bleiben, was wiederum zu dem gehört, was ich für mich "Individualität" nennen würde.
Das provoziert noch einen weiteren Punkt. Wozu braucht man überhaupt Gruppen und Konventionen? Welchen Nutzen finden wir darin, die eigene Meinung bestätigt zu sehen?

Zitat von: pm.diebelshausen am 12 Mai 2010, 21:30:19
Habe ich eigentlich Deine Nachfrage irgendwie beantwortet?
Laß es einfach fließen.  :icon_lol:
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