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Gemeinschaftsforum => Allgemeines Filmforum => Thema gestartet von: digdog am 9 September 2010, 00:05:12

Titel: Goethe Film
Beitrag von: digdog am 9 September 2010, 00:05:12
Hallo, liebe Community! Bin hier zwar noch nicht allzu lange angemeldet, aber doch vertraut mit anderen Filmforen. Da meine Interessen etwas mehr dem anspruchsvollen Film zugetan sind (wobei ich andere Genres nicht abwerten möchte) stelle ich hier einmal den neuen Film von Phillip Stölzl "Goethe" vor! Der Cast ist auch nicht ohne, da hier Schauspieler wie Alexander Fehling, Miriam Stein, Moritz Bleibtreu und Burghard Klaußner mit von der Partie sind! Kinostart ist am 14.10.2010! Da es natürlich auch vorher schon andere Goethe Verfilmungen gegeben hat und diese nicht selten in einem Desaster endeten (siehe "Die Braut" mit Veronica Ferres und Herbert Knaupp) ist die Erwartungshaltung natürlich nicht besonders hoch. Aber nach Betrachtung der beiden Trailer darf man durchaus gespannt sein, natürlich kann man diesem Mann nicht mit einer Verfilmung gerecht werden, sondern immer nur Teilaspekte beleuchten. Der erste Trailer ist schon ca 4 Monate alt, der 2te jedoch neu. Bin gespannt auf eure Meinungen. ;)
Nr 1:
Goethe! | Trailer deutsch/german (2010) (http://www.youtube.com/watch?v=02FTZzok9fY#ws)

Nr.: 2 Goethe! | Deutscher Kino-Trailer HD (http://www.youtube.com/watch?v=16FFoWMNn4E#ws)

Sollte es das Thema schon geben, so habe ich das übersehen.
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: SutterCain am 9 September 2010, 00:23:49
Also meinen Geschmack treffen diese überweigend im Werbefernsehen-Frühstücksbutter-Licht gedrehten Bilder überhaupt nicht. Abgesehen davon spricht Goethe hier reinstes Hochdeutsch und das Drehbuch scheint sich lediglich an Herzschmerz und billigen Lachern entlangzuseilen. Meine Erwartungen halten sich also in Grenzen und ich werde dafür nicht ins Kino gehen. Aber da das sowieso nach einem Machwerk aussieht, was mit Hilfe etlicher Förderanstalten produziert worden ist, wird's sicherlich nicht lange dauern, bis man den Film im TV begutachten kann.

Ich bezweifle also ernsthaft, dass "Goethe" eine ähnliche Qualität wie "Schiller (http://www.imdb.com/title/tt0458469/)" erreicht, den ich für äußerst gelungen halte.
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: Hedning am 9 September 2010, 00:34:21
Goethe! | Deutscher Kino-Trailer HD (http://www.youtube.com/watch?v=16FFoWMNn4E#ws)

Als Deutscher schäme ich mich für diesen Trailer.
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: digdog am 9 September 2010, 00:41:11
Zitat von: Hedning am  9 September 2010, 00:34:21
Goethe! | Deutscher Kino-Trailer HD (http://www.youtube.com/watch?v=16FFoWMNn4E#ws)

Als Deutscher schäme ich mich für diesen Trailer.
Warum, wenn man fragen darf?  ;)
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: Hedning am 9 September 2010, 00:49:38
Naja, erstens scheint Goethe hier vorrangig als Witzfigur präsentiert zu werden und außerdem tut die dümmlich wirkende Art, wie der Hauptdarsteller die Zitate aufsagt und überhaupt da agiert, geradezu weh.

Ich finde nicht, dass in einer Verfilmung von Goethes Leben Heiligenverehrung oder sonst irgendwas Steifes betrieben werden sollte. Von mir aus könnte Goethe auch als Unsympath präsentiert werden, wäre einen Versuch wert. Aber das da kommt mir wie eine billig gemachte Komödie in historischen Kostümen vor, mit der Spekulation auf Schulklassen, die zum gemeinschaftlichen Kinobesuch gezwungen werden.  

Goethe ist natürlich der nassforsche provozierende Chaot, der rebellische Jungdichter, dessen Talent keiner erkennen will, der böse Vater bzw. Vormund verbietet den Kontakt usw. Das kommt mir doch sehr schematisch vor. Außerdem das Klischee, dass berühmte Liebesgedichte natürlich immer aus persönlichen Liebesgeschichten der Dichter entstanden sind.
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: PierrotLeFou am 9 September 2010, 01:24:04
Zitat von: Hedning am  9 September 2010, 00:49:38
Naja, erstens scheint Goethe hier vorrangig als Witzfigur präsentiert zu werden und außerdem tut die dümmlich wirkende Art, wie der Hauptdarsteller die Zitate aufsagt und überhaupt da agiert, geradezu weh.

Ich finde nicht, dass in einer Verfilmung von Goethes Leben Heiligenverehrung oder sonst irgendwas Steifes betrieben werden sollte. Von mir aus könnte Goethe auch als Unsympath präsentiert werden, wäre einen Versuch wert. Aber das da kommt mir wie eine billig gemachte Komödie in historischen Kostümen vor, mit der Spekulation auf Schulklassen, die zum gemeinschaftlichen Kinobesuch gezwungen werden.  

Goethe ist natürlich der nassforsche provozierende Chaot, der rebellische Jungdichter, dessen Talent keiner erkennen will, der böse Vater bzw. Vormund verbietet den Kontakt usw. Das kommt mir doch sehr schematisch vor. Außerdem das Klischee, dass berühmte Liebesgedichte natürlich immer aus persönlichen Liebesgeschichten der Dichter entstanden sind.

Oh ja :love:

Darauf warte ich schon seit langem :D Ein Film, in dem Goethe als egozentrischer Größenwahnsinniger dem armen Kleist sein Theaterstück versaubeutelt; ein Goethe, der ihn anhimmelnden Anhängern, die meilenweit zu Fuß anreisen bloß um ihn zu treffen, die Tür öffnet und sie dann nicht mal hereinbittet; ein irrer Traumtänzer, der auszieht die Urpflanze zu suchen...
möglichst schrill und polemisch wie Ken Russells Biographie-Spielfilme und gleichzeitig so mitleidig mit dem eitlen Geck von Protagonisten wie Fellinis Casanova... das wäre schön... :love:
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: pm.diebelshausen am 9 September 2010, 01:48:16
Hey, Leute, ist doch klasse: Goethes frühe Jahre von Rosamunde Pilcher gepimpt! Da braucht man dann beider Werk nicht mehr lesen, man kann ja ins Kino gehen. Na, ernsthaft: sieht aus wie ein Schmarrn.

Hedning & Pierrot: bin dabei, was Euren Goethe-Film angeht! Nicht zu vergessen: Goethe als einer, der immer laufen gegangen ist, wenn's mit einem Mädel Ernst wurde.
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: ratz am 9 September 2010, 02:05:50

@Trailer: Bah. Würd/werd ich nicht mit dem Arsch ankucken.

Im Übrigen hatte ich erst vor wenigen Wochen magnifiques Vergnügen bei Manns Lotte in Weimar, was eine köstlich-ironische, dabei unglaublich kenntnisreiche und, soweit möglich, authentisch wirkende Goethe-Abarbeitung ist. Es gibt sogar ein Stream-of-consciousness-Kapitel, aber nicht so grausam wie im Ulysses, d.h. mit Interpunktion und allem  ;) - aber eben aus Götes Kopp!
Jedenfalls wurde der sogar von Egon Günther (!) verfilmt (http://www.ofdb.de/film/33878,Lotte-in-Weimar), hab ich aber noch nicht gesehen und ziemlich opponierende Meinungen darüber gehört. Kennt den zufällig jemand? Behandelt natürlich gerade den alten Goethe in seinem ganzen Olympiertum.

cu, r.
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: Hedning am 9 September 2010, 02:14:25
Zitat von: PierrotLeFou am  9 September 2010, 01:24:04Ein Film, in dem Goethe als egozentrischer Größenwahnsinniger dem armen Kleist sein Theaterstück versaubeutelt; ein Goethe, der ihn anhimmelnden Anhängern, die meilenweit zu Fuß anreisen bloß um ihn zu treffen, die Tür öffnet und sie dann nicht mal hereinbittet; ein irrer Traumtänzer, der auszieht die Urpflanze zu suchen...

Nicht zu vergessen ein Goethe, der dem armen Franz Schubert nicht ein Wort des Lobes bzw. Dankes für dessen Vertonungen spendet... :icon_sad:

Und das muss ja noch lange nicht heißen, ihm seine künstlerischen Leistungen abzusprechen. Mich würde aber eher die Verfilmung des Lebens von Oswald von Wolkenstein, Grimmelshausen, Kleist, Theodor Körner oder Georg Büchner interessieren, oder anderer Dichter, dessen Leben etwas extremer verlaufen sind als das von Goethe. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Schriftstellern, die im Ersten Weltkrieg gefallen sind, aber dafür ist die Zeit wohl noch nicht reif.

Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: pm.diebelshausen am 9 September 2010, 02:26:34
... oder des zu nicht viel Leben gekommenen Georg Heym! Ich fürchte nur, es sind erstmal keine guten Zeiten für derlei unbequeme und nicht Event-Movie-tauglichen Lebensstories und deshalb ist es vielleicht auch erstmal besser, dass diese Stoffe weiterhin ruhen, bevor Bockmist gemacht (wie anscheinend bei Goethe) und damit die Aussicht auf eine interessantere Verfilmung gar auf Jahrzehnte versemmelt ist. Denkt mal an den "Luther"-Film. Das meinst Du ja ielleicht auch mit "Zeit noch nicht reif".
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: PierrotLeFou am 9 September 2010, 02:44:16
...oder Hanns Heinz Ewers... auch eine ungeheuer schillernde Persönlichkeit, hübsch widersprüchlich, eitel, selbstbewusst, verantwortungslos und manchmal arg bedenklich, aber auch frech, unkonventionell, innovativ und seiner Zeit voraus.

Ich habe ja gerade für Exzentriker, narzistische Genies und heilige Narren ein Faible und unter Künstlern gibt es davon ja gottseidank reichlich...
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: pm.diebelshausen am 9 September 2010, 07:52:46
Ja, kennst Du denn Hans Jürgen von der Wense, Pierrot? Wenn nicht, MUSST Du Dich mal dem annehmen. Eine Verfilmung dessen Leben müsste allerdings kongenial sein und ein eigenes Form/Inhalt Konzept bringen, aber das heute sichtbare Thema des Wense-Lebens, nämlich ein Genie ohne Publikation und Publikum zu sein, hätte auch was für sich.

Ich seh schon, dass wird hier locker off-topic in dem Thread. Aber das ist bei anspruchsvollen Filmen ja immer so. ;O)
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: PierrotLeFou am 9 September 2010, 20:37:50
Zitat von: pm.diebelshausen am  9 September 2010, 07:52:46
Ja, kennst Du denn Hans Jürgen von der Wense, Pierrot? Wenn nicht, MUSST Du Dich mal dem annehmen. Eine Verfilmung dessen Leben müsste allerdings kongenial sein und ein eigenes Form/Inhalt Konzept bringen, aber das heute sichtbare Thema des Wense-Lebens, nämlich ein Genie ohne Publikation und Publikum zu sein, hätte auch was für sich.

Ich seh schon, dass wird hier locker off-topic in dem Thread. Aber das ist bei anspruchsvollen Filmen ja immer so. ;O)
Von der Wense kenne ich nicht... aber ich werde dann wohl mal Ausschau halten müssen :D
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: Akayuki am 9 September 2010, 23:25:13
Ich kann mich hier den meisten Vorrednern anschließen. Der Trailer verspricht einen erheblichen Anflug von Kitsch. Goethe wirkt hier schon fast eher wie ein introvertierter Schuljunge. Tja, das wird wohl nichts mit einem konstruktiven Beitrag aus dem Land der Dichter und Denker. Den Kinobesuch werde ich mir definitiv verkneifen...
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: digdog am 13 September 2010, 18:04:15
Zitat von: 2BerettaZKiller am  9 September 2010, 23:25:13
Ich kann mich hier den meisten Vorrednern anschließen. Der Trailer verspricht einen erheblichen Anflug von Kitsch. Goethe wirkt hier schon fast eher wie ein introvertierter Schuljunge. Tja, das wird wohl nichts mit einem konstruktiven Beitrag aus dem Land der Dichter und Denker.

Das ist ja das Problem bei deutschen Filmen, sobald versucht wird, etwas Romantik zu erzeugen, heißt es Kitsch und das Gegenteil davon ist dann Trash. Goethes Person war so vielfältig, daß man aber sowohl den Schuljungen als auch dem späteren Gelehrten und Geheimrat eine eigene Identität andichten kann!
Ich werde mir den Film nicht entgehen lassen, weil ich den Score und auch die dazu passenden Bilder wunderschön finde.  ;)
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: Akayuki am 13 September 2010, 19:56:57
Zitat von: digdog am 13 September 2010, 18:04:15Das ist ja das Problem bei deutschen Filmen, sobald versucht wird, etwas Romantik zu erzeugen, heißt es Kitsch und das Gegenteil davon ist dann Trash. Goethes Person war so vielfältig, daß man aber sowohl den Schuljungen als auch dem späteren Gelehrten und Geheimrat eine eigene Identität andichten kann!
Ich werde mir den Film nicht entgehen lassen, weil ich den Score und auch die dazu passenden Bilder wunderschön finde.  ;)

Wie du schon bereits festgestellt hast, "versuchen" deutsche Filme oftmals Romantik zu erzeugen. Allerdings driften die meisten Werke fast immer auf Telenovela-Niveau ab. Die Folge sind unerträgliche Herzschmerz-Plattitüden unterlegt mit pseudoromantischem Gedudel als Hintergrundmusik. Und dabei stehe ich romantischen Stoffen nicht grundsätzlich abgeneigt gegenüber.
Ich dachte mir eben, dass bei einem Goethe Film der Fokus mehr auf sein literarisches Schaffen und dem Menschen an sich gerichtet werden sollte. Der Trailer verspricht dies jedenfalls nicht...
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: digdog am 13 September 2010, 20:43:24
Zitat von: 2BerettaZKiller am 13 September 2010, 19:56:57
Wie du schon bereits festgestellt hast, "versuchen" deutsche Filme oftmals Romantik zu erzeugen. Allerdings driften die meisten Werke fast immer auf Telenovela-Niveau ab. Die Folge sind unerträgliche Herzschmerz-Plattitüden unterlegt mit pseudoromantischem Gedudel als Hintergrundmusik. Und dabei stehe ich romantischen Stoffen nicht grundsätzlich abgeneigt gegenüber.
Ich dachte mir eben, dass bei einem Goethe Film der Fokus mehr auf sein literarisches Schaffen und dem Menschen an sich gerichtet werden sollte. Der Trailer verspricht dies jedenfalls nicht...

Wobei man dann natürlich sagen kann, daß, wenn der Film tatsächlich schwerpunktmäßig Goethes literarisches Schaffen darstellen würde, es einem Teil des Publikums wiederrum zu kopflastig wird, was gerade dem deutschen Film in der Vergangenheit immer angelastet wurde.  ;)
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: Roughale am 14 September 2010, 11:12:53
Der Trailer ist echt mies. Das mag daran liegen, dass mal wieder, wie so oft in deutschen Filmen, versucht wird, was ganz Grosses zu schaffen, aber man zum Beispiel nicht die talentierten Schauspieler dazu hat. Nicht, dass es die nicht gibt, aber entweder wollen sie nicht mitmachen, oder die Macher haben keine Ahnung, was gutes Schauspiel ausmacht. Egal, man hat ja eine bekannte Persönlichkeit, auf die man sich stützen kann: Den, meiner Meinung nach, gross überschätzten JWvG - fein, macht da noch der Moritz mit, dann kann es ja nicht schiefgehen - zur Not bekommt die wissenschaftlich bemerkenswerte (Ironie!) Farbentheorie des Schmierfinks eben das 3D Treatment - wird schon klappen ... oder eben wahrscheinlich nicht!
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: McKenzie am 15 September 2010, 00:58:39
Also ich freue mich auf den Film. Der Trailer sieht nach einer grandios eklektizistischen Sternstunde filmischer deutscher Selbstwahrnehmung aus, verbunden mit dem subversiven Charme, den bereits Tykwers PARFUM im Umgang mit seiner heiligen Vorlage aufwies!  :D :icon_mrgreen: :icon_twisted:
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: Hedning am 15 September 2010, 02:07:22
Zum Thema "deutsche Selbstwahrnehmung":

Ich mit meinen einfachen Denkstrukturen würde das, was sich in diesem Trailer andeutet, eher als den zeitgeistsymptomatischen Versuch beschreiben, ein deutsches Thema (um nicht zu sagen einen deutschen Fetisch) namens Goethe möglichst undeutsch (nämlich als seichte US-Teenklamotte) zu verfilmen.

Also wird letztlich gerade nicht versucht, was ganz Großes zu schaffen. Kein "faustischer" Goethe, kein Pathos à la "Prometheus" (dieses Gedicht fällt ja auch in die im Film offenbar dargestellte Schaffensphase). Es wird eher eine neudeutsche Lockerheit à la Sommermärchen 2006 angestrebt, die nur eben sehr gewollt rüberkommt. "Wir sind die neuen Deutschen, bitte habt uns lieb" - das wird nie funktionieren.

Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: Mr. Blonde am 15 September 2010, 02:29:56
Bin ich der einzige, der sich bei dem Trailer an die überzogene (aber unterhaltsame) Charakterisierung von Mozart in "Amadeus" erinnert fühlt? Nur eben schlechter...  :icon_rolleyes:
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: Hedning am 15 September 2010, 03:03:53
Passt schon, der Vergleich. "Amadeus" könnte da tatsächlich Pate gestanden haben. Allerdings fand ich es da nicht viel weniger schlimm.
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: ratz am 15 September 2010, 09:21:03

... Und "die" deutsche Selbstwahrnehmung scheint ja schon innerhalb dies kleinen Threads in verschiedene Richtungen zu sprießen.

Irgendein unterschwelliger Reflex hat mich von den größeren deutschen "Prestige"produktionen - das gilt für das Parfum und etwa auch den Untergang - immer ferngehalten. Wie ein auf der Unterseite schimmeliges Brot, dem man sonst nichts ansieht, das man aber instinktiv nicht anrührt.
Auf der anderen Seite gibt es viele großartige kleinere Produktionen, die sich eben gerade nicht an Nationalheiligtümern vergreifen und (vielleicht deshalb) viel besser eine u.a. nationale Selbstwahrnehmung befördern. Bekanntestes Beispiel wäre Wer früher stirbt... oder so manche Perle, zu der ich mich nicht ins Kino aufraffen konnte und die dann im TV-Spätprogramm (z.B. Kleines Fernsehspiel) gefunden werden muß.

Dabei will ich gar nicht davon anfangen, daß ich Biopics sowieso überflüssig finde und besonders jene über Künstler, da damit nur der naive Zusammenhang zwischen Leben und Werk proklamiert wird, der nicht nur idiotisch, sondern sogar schädlich ist. Amadeus ist eine Ausnahme, weil er genügend Selbstreflexion aufbringt und seinen Gegenstand fortwährend ironisiert - so einen Film hätten Deutsche zu Mozart niemals hinbekommen.

cu, r.
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: pm.diebelshausen am 15 September 2010, 09:56:33
Ich warte in dem Zusammenhang übrigens seit Jahren auf den fetten, deutschen Blockbuster, in dem die Kanzlerin die Erde vor Meteoriten, Tsunamis und Plattentektonik rettet. Da wäre eine Klasse Nummer mit Acion und Ironie drin.

Ansonsten habe ich ja nix dagegen, wenn man sich an sog. Ikonen ordentlich vergreift, aber der Trailer zu diesem "Goethe" legt mir Nahe, dass da nur Klamauk rausgemolken werden soll, indem man jugendlichen Sturm und Drang mit pubertärem Rennen und Rutschen missinterpretiert und also "Geist" durch "dreist" ersetzt. Flach wie ne Goethe-Briefmarke.
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: PierrotLeFou am 15 September 2010, 19:55:04
Zitat von: Hedning am 15 September 2010, 02:07:22
Zum Thema "deutsche Selbstwahrnehmung":

Ich mit meinen einfachen Denkstrukturen würde das, was sich in diesem Trailer andeutet, eher als den zeitgeistsymptomatischen Versuch beschreiben, ein deutsches Thema (um nicht zu sagen einen deutschen Fetisch) namens Goethe möglichst undeutsch (nämlich als seichte US-Teenklamotte) zu verfilmen.

Also wird letztlich gerade nicht versucht, was ganz Großes zu schaffen. Kein "faustischer" Goethe, kein Pathos à la "Prometheus" (dieses Gedicht fällt ja auch in die im Film offenbar dargestellte Schaffensphase). Es wird eher eine neudeutsche Lockerheit à la Sommermärchen 2006 angestrebt, die nur eben sehr gewollt rüberkommt. "Wir sind die neuen Deutschen, bitte habt uns lieb" - das wird nie funktionieren.

Hm, stimmt... da müsste sich schon ein Syberberg aus dem Ruhestand bequemen und einen "Goethe - Ein Film aus dem Lande der Richter und Henker" aus dem Boden stampfen - zumindest in Frankreich würde das dann als urdeutsch angesehen werden... :icon_mrgreen:
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: Bretzelburger am 16 September 2010, 16:45:23
Ihr macht euch unnötig sorgen, denn "Goethe!" ist, wider der in dem Trailer geschürten Erwartungshaltung, ein wirklich schöner, anrührender Film geworden. Kein großer philosophischer Wurf, sondern ein Liebesfilm, der sich die Freiheit zwischen Realität und "Den Leiden des jungen Werther" nimmt. Die wenigen albernen Szenen passen sehr gut in den Gesamtkontext und habe mit irgendeiner überdrehten Fassung nichts zu tun. Auch wenn das Tempo locker/schnell ist, wird man doch stimmig 250 Jahre zurückgesetzt, und bekommt eine "RomCom" serviert, die sich im amerikanischen Kino (und dem dieses nachmachende deutsches Kino) heute so keiner mehr traut. Sehr gut gespielt, vor allem von Moritz Bleibtreu, den ich lange nicht mehr (noch nie?) so gut gesehen habe. Unglückliche Liebesgeschichten sind eben doch die schönsten...
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: pm.diebelshausen am 16 September 2010, 18:17:47
Schön, schön. Und warum muss es dann Goethe sein? Oder klebt da am Ende Blut und Hirn an der Wand? o.O

Aber zugegeben: ist natürlich unfair, über den Film zu urteilen ohne ihn gesehen zu haben.
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: Bretzelburger am 16 September 2010, 18:21:52
Das hat schon direkt mit Goethe zu tun und seinem "Sturm und Drang" - die Liebesgeschichte ist auch auf erfrischende Weise altmodisch. Nur wie du auf Hirn kommst, ist mir ein Rätsel ???
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: pm.diebelshausen am 16 September 2010, 18:37:50
Oh, das war eine Hoffnung von mir, weil Du "Werther" gesagt hast. Wäre für mich ein Grund gewesen, den Film anzusehen, wenn da eine klassische RomCom im suizidalen Blutbad enden würde, aber die Eier hat man heute in D-Land wohl wirklich nicht. Schade. Mir scheint, dann hat man doch nur die seichten Aspekte aus Werther verwurstet, statt die ebenfalls darin enthaltenen Dimensionen zu nutzen. Wie gesagt: wozu dann Goethe, wenn man ja doch nur Utta Danella von ihm übriglässt?

:D
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: Bretzelburger am 16 September 2010, 19:24:27
Wenn's Utta Danella gewesen wäre, hätte es mir (wahrscheinlich) nicht gefallen, aber ob die radikale Hirn an Wand Version gleich besser wäre, da habe ich auch meine Zweifel. Mich hat der Film ernsthaft berührt - einfach eine schöne Liebesgeschichte.
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: pm.diebelshausen am 16 September 2010, 19:34:19
Nein, nein, natürlich nicht "gleich besser", sondern für mich ein Grund, den Film zu sehen, weil grundsätzlich interessanter klingend, als eine RomCom mit Goethe. Mehr nicht. (Um ihn auch gleich nochmal zu zitieren.)
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: digdog am 12 Oktober 2010, 23:18:18
Hier mal ein paar offizielle Kritiken zu diesem Film. Ich hatte das Glück und konnte ihn schon vor dem offiziellem Start sehen. Die Reaktionen im Kino waren überschwänglich, endlich mal ein frischer Goethe, dazu noch grandios gespielt.

http://www.filmkunstkinos.de/filmtext.php?movie=goet10s (http://www.filmkunstkinos.de/filmtext.php?movie=goet10s)

Also, bitte nicht so schlecht über den mutigen neuen deutschen Film sprechen.  Mit schlechten Beurteilungen schießen wir uns nämlich ins eigene Knie  :icon_cool:
Moritz Bleibtreu spielt hier übrigens nach Andreas Baader im Film "Der Baader Meinhof Komplex" seine 2te wirklich große Rolle.  Seine Wandlungsfähigkeit ist erstaunlich.
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: Hedning am 14 Oktober 2010, 19:52:08
Zitat von: digdog am 12 Oktober 2010, 23:18:18Also, bitte nicht so schlecht über den mutigen neuen deutschen Film sprechen.  Mit schlechten Beurteilungen schießen wir uns nämlich ins eigene Knie

Im Prinzip bin ich an vorderster Front (!) dabei, wenn es gilt, den deutschen Film - zumindest dessen Potential - zu verteidigen. Aber der deutsche Film muss manchmal auch gegen sich selbst verteidigt werden, wie "Goethe" zeigt... nämlich wenn er in den immer gleichen Themen zu versanden droht und diese auch noch mit RomCom-Humor verwässert.

Das Problem des deutschen Films liegt m. E. darin, dass immer, wenn ein Regisseur Potential zu dem zeigt, was der deutsche Film braucht - nämlich, ganz platt gesagt, anspruchsvolle Unterhaltung - er umgehend nach USA abgesaugt wird, wie beispielsweise Mennan Yapo, der - nach seinem klasse deutschen Film-Debüt "Lautlos" - in den USA die vergleichsweise seichte "Premonition" mit Sandra Bullock abgedreht hat. So werden Talente verheizt...
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: digdog am 14 Oktober 2010, 22:25:05
In einigen Dingen gebe ich dir recht. Aber man kann das nicht an den Regiseuren festmachen. Bedenke bitte, daß es während des Nationalsozialimus genug Regisseure gegeben hat, die in die USA emigriert haben.  Billy Wilder, Robert Siodmak, Otto Preminger und viele andere sind Beispiele dafür.  Und sie alle haben Klassefilme gedreht
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: pm.diebelshausen am 15 Oktober 2010, 00:34:45
Zitat von: digdog am 12 Oktober 2010, 23:18:18
Also, bitte nicht so schlecht über den mutigen neuen deutschen Film sprechen.  Mit schlechten Beurteilungen schießen wir uns nämlich ins eigene Knie 

Aber mit guten Beurteilungen schlechter neuer deutscher Filme puhlen wir uns die andere Kniescheibe raus. Klar ist das zu einem großen Teil immer die berüchtigte Geschmackssache (ich fand z.B. "Lautlos" schlimm und vor allem mit Krol sehr fehlbesetzt), aber das macht nix, solange man ernsthaft, sprich argumentativ und nicht keulenmäßig diskutiert. Unbestreitbar hat der deutsche Film wieder an internationaler Aufmerksamkeit gewonnen, oder zumindest der international wahrnehmbare Aspekt des deutschen Films. Das heißt aber nun nicht, dass hierzulande nicht eine Unmenge an Schrott produziert würde, der Hednings Wunsch nach anspruchsvoller Unterhaltung absolut nicht gerecht wird. Und aus direkter wöchentlicher Erfahrung weiß ich auch, dass heutzutage der größte Mist sein jubilierendes Publikum findet: es gibt allerorts standing ovations, wo man sich besser unterm Parkettgestühl verstecken sollte, damit niemand sieht, man war da. Ist zum Großteil eine Frage des Marketings und der Promotion.
Titel: Re: Goethe Film
Beitrag von: Hedning am 15 Oktober 2010, 00:52:45
Zitat von: pm.diebelshausen am 15 Oktober 2010, 00:34:45ich fand z.B. "Lautlos" schlimm und vor allem mit Krol sehr fehlbesetzt

Diese Besetzungs-Entscheidung ist mir auch nach wie vor ein Rätsel. Das ist aber auch das einzige, was mich an dem Film nicht so recht überzeugt hat.
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