Weil es hier (http://www.gemeinschaftsforum.com/forum/index.php?topic=150239.msg958069#msg958069) gerade wieder aufkam, ich aber nicht dort antworten wollte, weil es ein eigenständiges, weitreichendes Thema ist, mache ich mal diesen Thread auf.
Und bitte hier die Spoilerfunktion nutzen, damit niemand Schaden nimmt!Es geht um die Vorkenntnisse beim Sehen eines Films und die Frage danach, ob Kenntisse bezüglich Plottwists, Clous und andere irgendwie bekannte oder gespoilerte Informationen, die der Film selber nicht sofort verrät, die Qualität des Filmerlebnisses schmälern. Und wenn ja, in welcher Hinsicht.Dass ich oben um Nutzung der Spoilerfunktion bitte, zeigt ja schon, dass Mancher (ich auch) sich in seiner Auseinandersetzung mit Film verletzt sieht, wenn man ihm Infos vorwegnimmt und aufzwingt. Ganz allgemein bezüglich "Film" kann man die Frage wahrscheinlich nicht sinnvoll beantworten. Muss man auch nicht, aber man kann ja mal darüber diskutieren. Ich finde das Thema spannend, zumal nicht nur in der Werbung oft Dinge verraten werden, die man vom Film selbst erst spät erfährt, sondern auch das mehrmalige Sehen eines Films ein Aspekt ist: was passiert, wenn ich einen Film bereits gesehen und ihn mir sozusagen selbst gespoilert habe (und was ist eigentlich mit Vergesslichkeit)?
Ich frage mich immer wieder, wie wichtig es Filmen im Allgemeinen ist, dass sie unvorhersehbar sind. Bretzelburgers Argument, dass es Filmen nicht (unbedingt) darum gehen muss, ein Rätselraten als Unterhaltungswert zu bieten und den Zuschauer zum Ostereiersucher zu machen, ist mir dabei immer im Hinterkopf. Und ich glaube vermute mittlerweile, dass da eine enorme Konsum-und-Wegwerf-Gesellschafts-Mentalität hinter steckt, wenn dem Überraschungsmoment aus Unbekanntheit bei Filmen sehr viel Bedeutung beigemessen wird. Klar gibt es Filme, die, nachdem man sie gesehen hat und den Clou kennt, öde sind - die haben dann halt nicht mehr zu bieten als eine Ein-Weg-Rasierklinge. Trifft dann selbes nicht zu auf Filme, die im Vorfeld schon offiziell gespoilert werden?
Ist es also eine Frage der Qualität des Films, wenn er über das Dosieren von und Überraschen mit bestimmten Elementen in der Story kaum hinausgeht, oder ist es eine Frage der Qualität des Zuschauens? Und was ist mit allgemein bekannten Inhalten (z.B. Untergang der Titanic) oder den Erwartungen des geschulten Zuschauers (z.B. Happy-Ends in manchen Genres oder das Überleben der Hauptfigur)? Mit diesen Erwartungen spielen viele Filme, andere erfüllen sie immer und immer wieder. Wie oft kann man
"The Sting", "Psycho", "Fight Club"
sehen und ist es schon notwendig hier die Spoilerfunktion zu nutzen, damit künftige Erstsichtungen nichteinmal wissen, dass diese Filme überhaupt einen Plottwist haben? :icon_mrgreen: :viney:
Ich bin mal gespannt, wie andere das sehen, denn das Thema ist wirklich komplex.
Also hätte ich das Ende von The 6. Sense schon gekannt, wäre ich nicht ins Kino gegangen und hätte nicht diesen WOW Effekt gehabt.
D.h., Du guckst ihn Dir auch kein zweites Mal an?
Eine coole/unvorhersehbare Offenbarung oder Wendung ist ein großes Plus für einen Film - aber erst wenn das Werk beim zweiten oder gar mehrfachen Sichten noch immer funktioniert, also aus wer weiß welchen Gründen weiterhin zu unterhalten weiß, kann man imo von einem wirklich guten Ergebnis sprechen.
"Fight Club" kann mich etwa auch heute noch prima zufrieden stellen. Beim "6.Sinn" (z.B.) bin ich dagegen auf die Auflösung schon nach wenigen Minuten gekommen, einfach weil sie aus dem Kontext heraus (zumindest für mich) recht offensichtlich war - fortan war der ganze Streifen für mich dahin, weil er sonst kaum mehr etwas zu bieten hatte (war halt "Stir of Echoes" zu ähnlich). Bei manchen Werken ist allerdings eher "der Weg das Ziel" (vgl. "Moon" oder auch "Shutter Island") - da vermag der Verlauf auch unabhängig der eigentlichen Auflösung gut zu unterhalten. Kommt im Prinzip also immer aufs "Gesamtbild" an...
StS war wohl etwas schneller als ich und hat mir das meiste meines Textes zwar anders formuliert, aber trotzdem vorweggenommen, während ich meinen eigenen Roman verfasst habe, sodass mir jetzt nur bleibt, ihm unter völliger Abänderung meines bisherigen Geschreibsels meine absolute Zustimmung zu geben.
"Sorry" :icon_lol:
Es kommt immer darauf an, ob der Film noch was anderes außer einem Plottwist oder originellem Ende zu bieten hat. Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass das Filmeschauen wie eine Achterbahnfahrt ist - manchmal weiß man genau, was kommen wird und trotzdem ist es spannend und macht Spaß. Genau so sehe ich das auch. Natürlich ist es ärgerlich, wenn einem das Ende vorgesagt wird oder man es selber kommen sieht, aber wenn der Film noch genug andere Qualitäten zu bieten hatte und es vielleicht sogar bei mehrmaligem Sehen schafft, einen davon abzulenken, dann geht das schon in Ordnung.
"Fight Club" oder "Die üblichen Verdächtigen" sind da so zwei Beispiele, die bei mir trotzdem immer wieder bestens funktionieren.
Zuletzt wurde mir Shutter Island vorgesagt, aber der Film war trotzdem exzellent und Scorsese wollte imo auch, dass man schon früh auf diese gewisse Idee kommt.
Im Grunde ist es natürlich schon was tolles, wenn man beim ersten Sichten eben einen unvorhersehbaren Streifen vor sich hat. Ich kenne leider auch viele, bei denen ich glaube, sie schauen bestimmte Filme nicht aus Liebe zum Film, sondern um sich selbst als tollen Dedektiv zu präsentieren. Da wird dann alle 5 Min nachgefragt "Ist der der Mörder?" etc. Dann wird auch gerne angegeben, man hätte bei Film XYZ ja bereits nach 5 Minuten gewusst, wie er ausgeht. Da muss ich meist müde lächeln und denke mir, dass eine Vermutung nichts mit Wissen zu tun hat. Vor allem nicht dann, wenn diese Zuschauer sowieso 10 Theorien entwickeln, wobei ja eine immer passen kann. So könnte ich einen Film gar nicht genießen und darum versuche ich mich auch immer auf das einzulassen, was der Regisseur beabsichtigt bzw. wo er mich hinführen will.
Filme die mir gefallen schaue ich mir mehrmals an, ob sie nun Wendungen haben oder nicht.
Den 6. Sinn habe ich danach noch 1x gesehen, quasi als Überprüfung wegen Filmfehlern z.B.
Bei Fight Club sehe ich die Wendung als eine der Kerzen auf einer großen Torte, da gibt es so viele sehenswerte Szenen und Dialoge das die Wendung nur ein marginaler Teil ist.
Ich für meinen Teil kann sagen, je mehr Sehenswürdigkeiten ein Film hat desto öfter schau ich mir den Film an obwohl ich das Ende/die Wendung schon kenne.
Generell erfreue ich mich auch gern an Gesichtern und Reaktionen meiner Sitznachbarn zu Hause, das Gefühl kommt meiner Erstsichtung sehr nahe. ;)
Ist natürlich nicht immer leicht, wenn bestimmte Sachen schon weiß. Bei diversen "großen" Filmen ist es wohl unvermeidbar. Als ich neulich endlich "Soylent Green" gesehen habe, war zwar schon klar, worauf es hinausläuft. Gefesselt hat mich der Film dennoch, Dystopie/Sci-Fi mag ich eben einfach. :D
Und wenn ich mir in absehbarer Zeit die "Planet of the Apes"-Filme mal zulege ist auch klar, what is was all along...
@Mr. Blonde:
Was wurde dir denn bei Shutter Island genau vorhergesagt?
EDIT: Muss mal wieder nach dem Thread mit dem "Spoiler"-T-Shirt suchen...
Ich finde, das ganze auf-einen-Plot-Twist-warten nimmt momentan wirklich überhand. Bestes Beispiel ist da für mich:
Da habe ich, als ich aus dem Kino herausging, Gesprächsfetzen mitbekommen, die fast alle in die Richtung "... aber das Ende war ja offensichtlich" gingen, während das Ende für mich überhand keinen Twist darstellte. Sprich: Das, was am Ende enthüllt wird (
dass Hanna ein Retortenkind und Eric Banas Charakter nicht ihr wirklicher Vater ist
), war für mich eigentlich nur eine Bestätigung dessen, was den ganzen Film über schon angedeutet wurde, die Spannung des Films zum Ende resultierte für mich nicht aus der Frage, ob es auch wirklich so ist, sondern daraus, wie sie denn auf die News reagieren würde und wie das letztlich
das Verhältnis zwischen ihr und ihrem vermeintlichen Vater
beeinflussen würde.
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich glaube, wir sind momentan durch Plottwists und überraschende Endungen in jedem zweiten Film schon so sehr verwöhnt, dass ein Ende, dass ausnahmsweise mal
nicht überraschend daherkommt, sondern einfach nur die logische, sinnvolle Konsequenz der "restlichen" Handlung des Films darstellt, teilweise schon als enttäuschend und "schlechtes" Ende empfunden wird.
Was das ganz allgemeine Thema angeht: Ein Film muss für mich auch unter Kenntnis des Twists am Ende trotzdem noch ein zweites, drittes Mal funktionieren - dann geht das alles in Ordnung. Die bereits angesprochenen
"Fight Club" und "Psycho"
gehören definitiv dazu, bei letzterem bin ich sogar schon vor Erstsichtung gespoilert worden - trotzdem hat der Film wunderbar funktioniert und mich auch beim zweiten und dritten Mal noch gefesselt. Der Film funktioniert nicht nur in der Form, dass er einen Twist vorbereitet (wie zum Beispiel der schon angesprochene
), sondern auch als vollständiger Film mit abendfüllender Laufzeit
an sich. Allerdings hat Mr. Shyamalan was das angeht meiner Meinung nach im Laufe der Jahre auch ein bisschen dazugelernt:
habe ich mir auch zwei, drei Mal angesehen und fand ihn trotz Kenntnis des Twists noch gut. :icon_smile:
Zitat von: pm.diebelshausenBretzelburgers Argument, dass es Filmen nicht (unbedingt) darum gehen muss, ein Rätselraten als Unterhaltungswert zu bieten und den Zuschauer zum Ostereiersucher zu machen, ist mir dabei immer im Hinterkopf. Und ich glaube vermute mittlerweile, dass da eine enorme Konsum-und-Wegwerf-Gesellschafts-Mentalität hinter steckt, wenn dem Überraschungsmoment aus Unbekanntheit bei Filmen sehr viel Bedeutung beigemessen wird.
Beide Argumente, Bretzelburgers und deins, unterstütze ich übrigens völlig. Ein Film ist halt für viele Leute gerade meines Alters (sagen wir Altersklasse der 18- bis 25-jährigen) ein einmaliges Konsumgut, das beim Vorsaufen eben schnell nebenher laufengelassen wird, damit was im Hintergrund läuft. Danach hat man einen Film dann "gesehen" und löscht ihn wieder von der Festplatte. Gerade auch auf "Filmabenden" gut zu beobachten - da wird teilweise so viel nebenher geredet, dass es mich auch schon echt auf die Palme gebracht und zum Gehen bewegt hat. :viney:
Die Frage an welchen simpel gestrickten Versuchsobjekten die im anderen Thread erwähnte Studie durchgeführt wurde - ich persönlich bin immer begeistert, wenn mir ein Film den Boden unter den Füßen wegzieht oder mich überrascht. Im Falle von "Abduction" kann es durchaus sein, dass ich bei Ansehen des Films vielleicht gesagt hätte: "Mein Gott, das war mir schon nach 5 Minuten klar" - aber dann habe ich es eben herausgefunden, kann auch das Überraschungspotential des Films dementsprechend einstufen. Wenn der Trailer mir das schon verrät, fällt dies eben weg.
Filme mit Twists können auch bei mehrmaligem Sehen funktionieren. "The Sixth Sense" oder "Die üblichen Verdächtigen" sind Beispiele, die ich bei mehrmaligem Sehen darauf abklappere: Wo gibt der Regisseur schon Hinweise? Woran hätte ich das Ende bereits erahnen können? Welche Szenen versteht gerade bei Kenntnis des Endes erst beim zweiten oder dritten Ansehen?
Ich persönliche finde Spoiler immer sehr ärgerlich, auch wenn man in unserer Informationsgesellschaft selten drum herum kommt. Ein aktueller Wehrmutstropfen ist bei mir aktuell bei der Serie "The Shield".
Verfolge das Ganze gebannt, habe aber bereits erfahren, dass ein Sympathieträger sterben wird. Als ich mich dann über einen Darsteller der Serie, einen Regular, in der imdb informiert habe, fiel mir auf, dass er in späteren Staffeln nicht mehr dabei sind wird. Also vermute ich sehr stark, dass diese Figur, die zu meinen persönlichen Lieblingsfiguren der Serie gehört, irgendwann draufgehen wird - wie groß wäre der Schock, wenn dieser Sympathieträger ohne Vorwarnung versterben würde, das würde bei mir noch viel stärker wirken. Großartig wäre es natürlich, wenn sich meine Vermutung als falsch herausstellen würde, aber das glaube ich nicht.
Zitat von: MMeXX am 13 August 2011, 16:20:48
@Mr. Blonde:
Was wurde dir denn bei Shutter Island genau vorhergesagt?
Mir wurde schon detailiert das Ende erzählt, die
Identitätskrise des Protagonisten
und gleich noch ne Interpretation an den Kopf geknallt. Manchmal geht sowas so schnell, das man gar nicht "HAAAAAAAALT" schreien kann. Ärgerlich wird es dann, wenn das gegenüber davon ausgeht, man hätte den Film schon gesehen und mit Plappern gar nicht mehr aufhört. Mache ich aber auch ganz gerne mal. :icon_mrgreen:
Dazu muss natürlich gesagt werden, dass die Trailer zu SI genug über dieses
verraten haben, aber den sah ich erst später. Quasi ein Neuerforschen.
Am Ende macht das Internet dann natürlich auch einen Strich durch die Rechnung, man verliest sich ja doch oft schneller, als man denkt und Dinge, die für den einen völlig unwichtig sind, kommen bei einem selbst schon wie Spoiler an.
Ansonsten ist das tolle bei mehrmaligem Sichten, wie McClane erklärt, dass man auf die Hinweise in der Story achtet. Wann wollte der Regisseur, dass man auf die Idee kommt? Wo wurden erste Hinweise gegeben? Da macht ein Film noch ein Mal auf eine andere Weise Spaß.
Das ist ein spannendes Thema pm.
Also ich kann es grundsätzlich nicht ausstehen wenn mir jemand Plot-Twists oder ähnliches schon vorher erzählt.
Zum Beispiel will man bei einem guten Thriller oder Krimi nicht im Vorraus wissen wer der Mörder ist. Schließlich geht einem sonst der ganze Rätselspaß verloren. Viele Filme leben ja auch davon das der Zuschauer auf falsche Fährten gelockt wird, oder sich in seinem Kopf die wildesten Theorien zur Auflösung machen soll. Wenn ich vorher schon alles weiß macht das Ganze dann natürlich keinen Spaß mehr.
Zum Thema Wiederschauwert:
Ich denke wenn es sich um einen richtig guten Film handelt, wie z.B. bei dem bereits oben genannten "Fight Club", kann ich mir den Film auch öfters anschauen.
Wenn Filme generell keinen Wiederschauwert hätten, dann wäre unsere DVD-Sammelleidenschaft schließlich sinnlos. Je nach Film und Genre ist natürlich der Abstand zwischen den einzelnen Sichtungen entsprechend kürzer. Ein reinrassiger Actionstreifen z.B. macht eben in kürzeren Abständen mehr Spaß als ein Krimi, in dem ich noch alle Wendungen im Kopf abrufen kann. Hier muss dann schon das Vergessen mitspielen wie du oben schon erwähnt hast. ^^
Aber bei einer DVD-Sammlung geht es schließlich auch darum, einen besonderes empfehlenswerten Film seinen Bekannten/Freunden vorzuführen. Denn gemeinsam macht das Filmeschauen bekanntlich am meinsten Spaß.
Fängt Spoilern nicht schon da an, wo Vergleiche angestellt werden wie "Im Stile von '6th Sense'" oder "Der neue Schocker aus Korea nach 'Old Boy'"? Die allermeisten Filme, die ich sehe, sehe ich (vielleicht leider) nicht völlig aus dem Blauen heraus. Sei es nun weil ich was gehört habe, weil ich was gelesen habe oder "nur" weil ich den Regisseur/Hauptdarsteller kenne oder weiß, welches Genre/Zielpublikum der Film bedient: all das bereitet mich auf einen Film schon so vor, dass ich als geübter Seher gewisse Erwartungen/Vorausahnungen habe, die mehr oder weniger erfüllt werden. Und auch die Erwartung des Ungewissen gehört ja dazu.
Psycho ist insofern ein interessantes Beispiel, als dass Hitchcock gerade da mit den Erwartungen des Zuschauers spielte, dieser "Gag" inzwischen historisch ist, ebenso wie die Hauptdarsteller, der Film also heute anders gesehen wird und noch dazu das Remake von Gus van Sant bekommen hat, das diese Historizität nochmal auf eine weitere Ebene hebt. Der suchende Blick McClanes bekommt da ja Metafutter.
Wie ist das denn mit Stereotypen und Klischees, die aus historischen Zusammenhängen entstehen? Nazis sind meistens dumm und böse, aber inzwischen nicht immer - auf jeden Fall aber sind sie diejenigen, die den Krieg verloren haben. Anders kann ich einen Film mit Nazis ja nicht mehr sehen, auch wenn er lange vor Kriegsende spielt. Ich meine natürlich nicht, dass es ein besonderer Plottwist wäre, wenn man in einem Film erfährt, die Nazis haben verloren (welcher Film macht das außerdem schon?), aber der Denkzusammenhang für mich als Zuschauer ist doch ein ähnlicher: ich bin vorbelastet und beeinflusst.
Bei "Shutter Island" hatte ich in den ersten 10 Minuten genügend Hinweise - allein das Setting hat ja eine gewisse (auch literarische) Tradition, die Welt, die der Film erschafft, fesselte mich beim ersten und zweiten Ansehen gleichermaßen. Die Sache mit dem Qualitätsmerkmal "Überraschungspotenzial" wird da insofern schwierig, als dass ich zunächst immer herausfinden muss, was der Film will, um dann einordnen zu können, ob er das bei mir erreicht hat, oder ob er oder ich zu dumm oder zu clever war.
Zitat von: pm.diebelshausen am 13 August 2011, 17:05:35
Fängt Spoilern nicht schon da an, wo Vergleiche angestellt werden wie "Im Stile von '6th Sense'" oder "Der neue Schocker aus Korea nach 'Old Boy'"? Die allermeisten Filme, die ich sehe, sehe ich (vielleicht leider) nicht völlig aus dem Blauen heraus. Sei es nun weil ich was gehört habe, weil ich was gelesen habe oder "nur" weil ich den Regisseur/Hauptdarsteller kenne oder weiß, welches Genre/Zielpublikum der Film bedient: all das bereitet mich auf einen Film schon so vor, dass ich als geübter Seher gewisse Erwartungen/Vorausahnungen habe, die mehr oder weniger erfüllt werden. Und auch die Erwartung des Ungewissen gehört ja dazu.
Ich finde es sogar wesentlich gewichtiger ein Vorurteil oder falsche Erwartungen zu haben, als zuviel über den Film zu wissen. Ein guter Film ist nicht angreifbar dadurch, daß man der Bauernfängerei einer plötzlichen Überraschung erliegt. Im Gegenteil wächst ein Film möglicherweise, wenn man belanglose Details wie die Identität eines Mörders bereits kennt. Die Kunst der Inszenierung ist gerade im Genrekino das eigentliche Highlight. Wer einen Film macht, malt ein Lichtbild, welches er nicht z.B. in Öl auf eine Leinwand fixiert, sondern welches unabhängig von der Fläche ist, weshalb der Filmschaffende eine größere Bewegungsfreiheit erlangt.
Ohne Frage bieten sich durch diesen Umstand vollkommen andere Techniken an. Spezialeffekte und eben plötzliche Wendungen oder auftauchende Geisterbahnschocks gehören dazu, hebeln aber nicht aus, daß es gestalterische Anforderungen z.B. hinsichtlich Stimmungen gibt, die es ebenfalls zu erfüllen gilt. Gerade die bei Hitchcock so beliebte Suspense ist ein edles Mittel, die Figur bei jedem Abspielvorgang wieder in die Position des Unwissenden zu versetzen. Der Zuschauer weiß bereits bei der ersten Vorstellung, was passiert. Daß die Figur (z.B. des Opfers) es nicht weiß, das macht die Szene so spannend. Was ändert sich nun bei Wiederholungen daran, daß so eine Sequenz toll gelöst wird? Wenn der Zuschauer sich an seinem Wissen nun reibt, fehlt ihm vielleicht das Kunstverständnis - den Film macht es jedoch nicht schlechter.
Wie ist es denn in der Musik? Hören wir hier nicht auch bestimmte Stücke immer wieder? Ist es nicht umso toller, wenn wir wissen, welche Berg- und Talfahrt das Arrangement beschreibt, welches wir mitdirigieren, mitpfeifen, mitsingen? Können wir uns in besonders tolle Stücke nicht immer fallen lassen und werden durch ein subito forte aus den Träumen gerissen? Filme sind doch Traumbilder und es ist Aufgabe der Filmemacher uns in ihre Welt zu saugen. Wenn das gelingt, dann kann einem der "Spoiler" doch noch so geläufig sein, man ist immer voll dabei.
Dennoch ist auch der Spoiler ein nicht zu unterschätzendes Moment. Wer spoilert reißt ein ius primae noctis piratenhaft an sich, indem er uns die eigene Entjungferung des Films vorwegnimmt. Ein Spoiler ist deshalb vielleicht eher ein Eifersuchtsmoment.
Mal was Eigenes von (StS: Sorry ist natülich nicht nötig, bloss weil Alterchen zu lahm ist) mir. Habe mir die DVD von "The Tourist" gegönnt und da ich den Vorgänger "Anthony Zimmer" und somit den Plot schon kannte, verkam die Jolie/Depp-Version bei mir leider zu einem schnöden Werbefilm für Venedig (so sauberes Wasser hatten die Jahrzehnte nicht mehr) mit internationaler Besetzung.
Zu diebels Beitrag: Natürlich steht ein Film immer in einem Kontext. Gerade Shyamalan war jahrelang nur der "Twist-Mann", da erwartete man von jedem neuen Film ein überraschendes Ende. Ähnlich wie bei der "Saw"-Reihe, wo es dann vor einigen Teilen hieß: Der Twist ist diesmal, dass es keinen Twist gibt. Seit "The Sixth Sense" und "Ringu", spätestens auf jeden Fall seit "Saw" ist der Last Minute Twist zur Masche geworden, weshalb der Zuschauer schon erwartet, dass kurz vor Ende noch einmal alles auf den Kopf gestellt wird, egal wie hanebüchen das manchmal gemacht ist - ein Beispiel hierfür "Perfect Stranger", der auf der Welle dieser extrem gewollt wirkenden Filme mitschwimmt.
Zu dem, was Angelus angeschnitten hatte: Natürlich ist immer die Frage, was ein "Twist-Film" ist. Bei "Wer ist Hanna?" ging es mir ähnlich wie dir.
Die ganzen Gen-Experiment-Klon-sonstwas-Filme gab es schon zur Genüge, insofern hatte ich nie das Gefühl, dass Hannas Herkunft ein Geheimnis sein sollte. Gerade die Tests an ihr im Labor und die Reaktion der Wissenschaftler zeigen ja schon wie der Hase läuft - vermutlich brauchen einige Zuschauer das Ganze noch einmal als gesprochenen Satz, um es als "Enthüllung" des Films zu verstehen.
Oft sind solche Fragen ja auch genre-abhängig. Es dürfte kaum jemanden wundern, wenn ein Fantasyfilm, ein Actionreißer oder ein Western mit dem Tod des Oberbösewichts endet. Hier als Beispiel mal "The Losers".
Dass der Oberfiesling am Ende nicht umgebracht oder verhaftet wird, sondern mit dem Bus fahren muss, wo er wohl von ein paar Schlägern verprügelt wird, das ist ein amüsanter Bruch mit Genrekonventionen, hat meinen Gesamteindruck des Films aber kaum beeinflusst, im Gegensatz zu den Twists eines Thrillers.
Ähnlich sieht es bei Horrorfilmen aus, wenn das Böse zwar temporär besiegt wird, am Schluss aber eine Andeutung kommt, dass es (für die Fortsetzung) erneut zuschlagen wird. Das führte zu einem amüsanten Kinobesuch von "The Grudge" (US).
Ich und eine Horror-erfahrene Freundin saßen in dem Film, neben uns ein paar Prolls mit ihren Prollofreunden, die von einem Film wohl erwarteten, dass am Ende alles ausbuchstabiert und abgeschlossen ist. Als dann der finale Schockeffekt zeigte, dass es noch nicht vorbei ist, und der Abspann zu laufen begann, stieß die eine Prollobraut neben mir nur: "Is vorbei? Ey laber!" hervor.
Zum Thema "Shutter Island":
Da stöhnte ich ja schon beim Trailer und den Postern/DVD-Covern mit Leos Fresse über der Insel bereits: "Bitte nicht wieder so ein Schizofilm, in dem sich der Protagonist alles einbildet" und war dann ganz positiv übe Filmrrascht, dass es zwar ungefähr so kam, aber Scorseses das Ganze dann doch noch etwas abgewandelt hatte. So kann man auch mit Trends und Publikumserwartungen spielen.
A propos "Shutter Island": Beispiel Literaturverfilmungen - da haben Leser als Filmbesucher noch eine ganz besonders exquisite Arschkarte gezogen. Muss aber eben nicht heißen, dass das Filmerlebnis geringer sein müsste.
Shyamalan wurde ungerechtfertigt in diese Schublade geschubst. Von seinen 8 Regiearbeiten seit 1998 haben nur 2 einen Endtwist, nämlich die von 1999 und 2002 2004. Davor, dazwischen und danach spielt diese Konstruktion keine Rolle. (Und sein eigentliches Thema sind Figuren, die ihre eigene Bestimmung/ihr eigenes Wesen entdecken - das erzählt er mal mit, mal ohne Umstülpen des Weltbildes.) Wahrscheinlich liegt diese falsche Wahrnehmung tatsächlich am Twist-Hype, von dem MClane spricht und der auch von Se7en und Usual Suspects (beide 1995) etabliert wurde.
Ich bin auch kein Freund von Spoilern, aber es gibt ein sehr einfaches Mittel, diesem zumindest in einem hohen Prozentsatz zu entgehen - man sieht sich auch Filme an, zu denen es weder Trailer, noch vorherige Informationen gibt - und das sind die meisten Filme. Die hier beispielhaft genannten Filme gehören größtenteils auch zu meinen Lieblingsfilmen, aber gerade diese funktionieren auch beim wiederholten Sehen. Selbst "The sixth sense" sah ich mir letztens, als er zufällig im Fernsehen lief, wieder komplett an, aber gemessen an der Gesamtproduktion an Filmen, sind das nur marginal geringe Stückzahlen.
Jeder Film, den ich zum Beispiel neu entdecke - gerade in meinem Lieblingsgebiet des italienischen Films - ist immer voller überraschender Wendungen, gerade im dramatischen Genre. In diesen Filmen kann man sich nie sicher sein, weiß man nie, ob eine Beziehung scheitert oder ein Protagonist stirbt, aber über solche Filme spricht hier im Grunde Niemand. Bei den sogenannten "Plot-Twists" geht es doch immer um spezielle Genres, die versuchen erfahrene Genre Liebhaber an der Nase herum zu führen. Das mag hier im Forum eine überproportionale Bedeutung haben, ist aber innerhalb der Kunstform Film eher ein Spezialgebiet. Sieht man sich dagegen den letzten Berlinale-Sieger "Nader und Simin" aus dem Iran an, der auf den Spuren Douglas Sirks wandelt, dann erlebt man einen Film voller Spannung bis zum Schluss, ohne voraussagen zu können, wie dieser ausgeht. Das hat aber nichts mit einer genial konstruierten Idee zu tun (wie etwa in "Shutter Island", den ich auch mit Wissen sehr gut finde), sondern mit dem Leben, das - wie wir alle wissen - genügend überraschende Wendungen zu bieten hat.
Zitat von: pm.diebelshausen am 13 August 2011, 19:50:36
Shyamalan wurde ungerechtfertigt in diese Schublade geschubst. Von seinen 8 Regiearbeiten seit 1998 haben nur 2 einen Endtwist, nämlich die von 1999 und 2002.
Ich würd da noch zwei draufpacken, nämlich die von 2000 und 2004.
"Unbreakable": Am Ende stellt sich heraus, dass Jackson Willis' Schurke ist, was sich ja auch der Comiclogik ergibt, womit man aber nicht rechnet, da man ihn halt in die Rolle des freundlichen Mentors steckt.
"The Village": Dass die Handlung nicht wie man anfangs annimmt in der Vergangenheit sondern in der heutigen Zeit spielt ist ja definitiv so ein Endtwist. Ob man die Monster-ja/nein-Geschichte ebenfalls dazu zählen möchte, das ist sicherlich Ermessenssache.
"Unbreakable": stimmt.
"Village": den meinte ich, hab mich im Jahr vertan.
Ich hasse Spoiler.
Ich geriet in Streitgespraeche mit Leuten, die meinten, den ganzen Film oder zumindest den Schlusstwist verraten zu muessen.
Da wurde ich auch schon ausfallend.
Ausserdem ist es nervig, wenn jemand waehrend des Films staendig fragt, wer ist der Taeter oder so?
Man sieht sich doch den Film an, um das herauszufinden. :00000109:
Auch muss man machen Leuten den Film vorkauen, weil sie halbwegs durch den Film schon wieder Dinge vergessen, warum und weshalb. Die haben die Aufmerksamkeitsspanne eines Goldfischs. :icon_mrgreen:
Aber ich schweife ab.
Trailer sollten keine Schluesselszenen verraten.
Heutzutage muss anscheinend so viel im Trailer gezeigt werden, um ueberhaupt noch jemanden zu interessieren.
Dazu noch Ausschnitte online, und nicht zu vergessen, etliche Trailer-Versionen.
Deswegen versuche ich, Trailer meistens zu vermeiden.
Oft genuegt mir ne grobe Zusammenfassung in schriftlicher Form oder die Empfehlung eines Freundes, um Interesse an einem Film bei mir zu wecken. Manchmal sind es sogar nur bestimmte Schauspieler oder Regisseure.
Aber die wahre Informationsflut inklusive Spoiler bzw. Filmszenen BEVOR ich einen Film sehe, ist mir ein Greuel.
Zitat von: lastboyscout am 14 August 2011, 16:56:24Ausserdem ist es nervig, wenn jemand waehrend des Films staendig fragt, wer ist der Taeter oder so?
Man sieht sich doch den Film an, um das herauszufinden. :00000109:
HIerbei sticht natürlich die Sorte Filmseher hervor, die bestimmte Fragen genau dann stellt, wenn sie maximal 1-2 Szenen später (ausführlich) beantwortet/geklärt werden. :icon_mrgreen:
Trailer sind mittlerweile echt so ne Sache. Meißt schaue ich mir nur den ersten Trailer/Teaser an um zu sehen, ob mich der Film überhaupt interessiert. Bei Filmen wo ich im vornherein weiß, dass ich sie sehen will, lasse ich das ganz. Bei "Cloverfield" ging ich doch unvorbereitet ins Kino, hatte mir vorher keine Infos geholt und mich hats glatt umgehauen. Trotzdem ist es eben ein Film den ich immer wieder sehen kann. Bei Sachen im Actionbereich gibts ja nix groß zu spoilern, da kann man sich schon vorher ausführlich mit beschäftigen. Wobei selbst bei "2012" und auch "Inception" bestimmte Actionszenen verraten wurden und dadurch der "WOW"-Effekte stellenweise wegfiel. Auch wenn man vermeidet, etwas zu erfahren, einem Trailer kann man leider schlecht entkommen, wenn man im Kino sitzt. Und 80% des Filmes zu zeigen ist ein sehr trauriger Trend.
Gerade bei dem Thema Trailer würde ich vorschlagen eine Spoilerwarnung zu setzen, wenn man den Trailer gesehen hat. Ich habe/mache das gerne, wenn er erwünscht ist, allerdings schaue ich mir längst nicht alle Trailer an.
Ich muss gestehen, dass ich was dieses Thema angeht (zum Glück) wohl noch nicht so abgeklärt bin wie die meisten hier ;) Zumindest kann man mich nachwievor leicht überraschen, so z. B. auch
.
Ich würde grundlegend sagen, dass die meisten dieser Filme mir auch mit Kenntnis des Clous gefallen haben / hätten wie bspw.
Identity, Death Road, oder trotz Kenntnis Fight Club und Die üblichen Verdächtigen
. Einzig der hier schon öfter genannte 6. Sinn war wirklich nur darauf aufgebaut und für mich bis heute keine Zweitsichtung wert.
Was mich manchmal ärgert ist, wenn ich ungewollt durch andere Filme den Clou schon kenne, bei mir passiert das besonders oft durch Komödien:
Sehr Verdächtig =
Twist von Die üblichen Verdächtigen
vor sehen des Films gekannt
Spaceballs =
Mitlerweile gucke ich manchmal auch Filme fast ohne Vorkenntnisse wie Inhaltsangabe oder Genre. Ich schaue einfach in die ofdb-Topliste um ein gewisses Niveau zu garantieren und dann besorg ich mir den Film. Klappt wunderbar. Besonders gut war zuletzt
Der Mieter von Roman Polanski
. Ich wusste nicht ob der Film in Richtung Horror gehen will, oder Krimi, oder Drama... man hat absolut keine Erwartungen was als nächstes passiert, super.
Zitat von: pm.diebelshausen am 13 August 2011, 14:49:30
Wie oft kann man "The Sting", "Psycho", "Fight Club"
sehen und ist es schon notwendig hier die Spoilerfunktion zu nutzen, damit künftige Erstsichtungen nichteinmal wissen, dass diese Filme überhaupt einen Plottwist haben? :icon_mrgreen: :viney:
:D
Naja, die Titel zu spoilern erscheint mir schon recht ungünstig... gewiss kann man zwar erahnen, worum es in einem fünften Film geht, wenn er in einen Zusammenhang mit vier einander sehr ähnlichen Filmen gebracht wird, die man bereits kennt... aber ich fürchte, damit muss man einfach leben (können)... wenn ich jetzt etwas über Filme schreibe, in denen sich ein Unbekannter durch beinahe verlassene Theaterräume mordet, kann ich dabei
,
oder
im Sinn haben... aber welcher Film davon jetzt von dem betroffen ist, was ich dazu schreiben könnte, weiß ich als Leser ja erst, wenn ich das Geheimnis der Spoilerbalken lüfte... ob ich das Geheimnis lüften will, hängt doch aber davon ab, ob ich den Film schon kenne, noch sehen will, er mir egal ist etc. (was ich aber eben nur weiß, wenn ich weiß, von welchem Film die Rede ist...)
Kurz: Titel zu "schwärzen" macht wirklich wenig Sinn...
Ich selbst stoße mich ohnehin nicht an Spoilern... im Gegenteil ärgert es mich oftmals, dass ich über einen schwer zu bekommenden Film etwa keine ausführlichen Infos bekommen kann, weil das, was ich dazu finde, aus Angst zu Spoilern das Entscheidende verschweigt...
Ich genieße es eigentlich besonders, Filme zu schauen, wenn ich weiß, was läuft (sei es, weil ich viele Details mitgeteilt bekommen habe, sei es, weil ich ihn schon kenne)... Die Inszenierung (gerade auch im Zusammenhang mit Plot-Twist-Filmen & Unzuverlässigem Erzählen) kann ich ja oftmals erst würdigen, wenn ich den Film zum wiederholten Male sichte oder vorher auf Entscheidendes hingewiesen werde... Wer etwa "Mulholland Drive" sieht, wird doch meist erst im letzten Drittel erahnen, dass
der Beginn nicht real, sondern eträumt ist...
Hat man durch vorherige Sichtung oder Berichte von Freunden das schon erkannt, kann man gleich zu Beginn einiges anders sehen (bzw. gleich sehen, aber anders nach-denken)...
Freilich: Es macht für einige wohl einen großen Unterschied, ob ich einen Film schon "kenne", weil ich ihn selbst schonmal gesehen habe - oder weil man mir viel von ihm erzählt hat... Im ersten Fall habe ich schließlich den Überraschungsaspekt... Ich persönlich kann diesem Aspekt nicht allzuviel abgewinnen: Ich genieße lieber die dauernden "Situationen", die plötzlichen Überraschungen erscheinen mir da zu flüchtig... zudem verschwindet mit der Überraschung ja die Spannung nicht - im Gegenteil: Filme, bei denen ich weiß, welche Figur gleich sterben (oder anderes) wird, rufen bei mir ein erregtes Mitfiebern hervor, ein Hoffen darauf, dass eine Figur ihrem vorgeschriebenen Schicksal doch noch entgehen kann... diese Unausweichlichkeit verstärkt die Spannung nur.
Und viele Filme funktionieren ja auch bei einem Massenpublikum ganz hervorragend, wenn klar ist, was passieren wird: ob es ein 08/15-Slasher ist oder ein James Bond Film (und der Zuschauer ist sich im Klaren darüber, dass Bond am Ende
und
seinen Gegenspieler überwältigt haben
wird), einmal wird gerade wegen fehlender Überraschungen, einmal trotz fehlender Überraschungen ein offenbar wirksames Maß an Spannung geliefert...
Ich will freilich keinem seine Freude an Überraschungen nehmen, aber mir sind diese 80-120 Minuten eines Durchschnittsfilms einfach zuviel Zeit, als dass ich sie für einen Überraschungseffekt opfern möchte um mir die anderen Vorzüge dann für eine Zweitsichtung aufheben zu müssen... (denn ich sehe zwar durchaus gerne gute Filme ein zweites, drittes, viertes Mal, aber noch lieber sehe ich weitere mir unbekannte Filme...)
Zitat von: Bretzelburger am 13 August 2011, 19:51:49
Ich bin auch kein Freund von Spoilern, aber es gibt ein sehr einfaches Mittel, diesem zumindest in einem hohen Prozentsatz zu entgehen - man sieht sich auch Filme an, zu denen es weder Trailer, noch vorherige Informationen gibt - und das sind die meisten Filme.
Was mich auf eine ganz andere Frage bringt, die mir immer wieder mal durch den Kopf geht: woher kommt eigentlich diese Vorliebe für neue Filme (oder auch für neue Musik, im Hinblick auf Literatur ist mir das bisher eher weniger aufgefallen)? Weshalb dieses Misstrauen oder Desinteresse im Hinblick auf alte Schinken? Dass man "berüchtigte" Autorenfilmer meidet, wenn man sie "kennt" (zB: Tarkowskij: schnarchig, Bunuel: sinnlos, Godard: verkopft...), kann ich vollkommen verstehen... aber wieso hat etwa "Casino Royal" knapp 1800 Bewertungen, "Dr. No" hingegen bloß 1051? Gut: "nicht bewertet" ungleich "nicht gesehen", aber ich wage zu behaupten, dass etwa Billy Wilders "Spirit of St. Louis" oder John Fords "Prisoner of Shark Island" heute einfach extrem viel weniger Zuschauer finden wird als die meisten aktuellen Direct-to-Video-Veröffentlichungen, die man in der Videothek so vorfinden kann... es kann doch nicht wahr sein, dass die Werbemaßnahmen aktueller Filme allein solch einen Einfluss haben... :00000109: Und dass manche Elemente eines älteren Film entsprechend veraltet erscheinen mögen, scheint mir auch eine nur wenig befriedigende Erklärung zu sein... :00000109:
Du sprichst damit ein generelles Thema an, dass nichts direkt mit dem Thread-Titel zu tun haben scheint, diesen aber letztlich doch erfasst, denn die gesamte Trailer/Spoiler - Problematik betrifft letztlich nur aktuelle, zudem zu den populären Genres zählende Filme. Selbst bei den aktuellen Filmen ist es immer ein schmaler Grat zwischen Information (und damit oft erst Kenntnisnahme des Films) und zu viel Vorwegnahme. Man kann das übrigens gut beobachten, wenn man sich Trailer mit Menschen gemeinsam ansieht, die sich weniger mit Filmen beschäftigen (und damit auskennen) als wir hier im Forum (also etwa 99,999999% der Menschheit).
Während wir hier auf Basis des Regisseurs, Autors, Darstellers und Genres schon auf den kommenden Film gespannt sind und möglichst wenig inhaltlich darüber wissen wollen, ist das den meisten Kinobesuchern fremd. Die müssen erst einmal mit fettem Trailer darauf hingewiesen werden. Zudem beobachten sie die Trailer deutlich ungenauer, auch weil sie sie viel seltener sehen, und verfügen nicht über das instinktive Erkennen, dass bestimmte Szenen schon grundsätzliche Details verraten. Wie oft habe ich mich schon über reißerische, aber verfälschende Filmtitel geärgert, wie oft haben Trailer schon sämtliche Gags oder sämtliche Actionszenen komplett gezeigt? - Darüber könnte hier jeder Aufsätze schreiben, betrifft für die Vermarkter aber nur einen verschwindend kleinen Teil möglicher Kinobesucher oder DVD-Käufer/Ausleiher. Ich bin mir sicher, das ein DVD-Cover mit möglichst krachendem Text, und ein aufgepeppter Trailer die halbe Miete ist beim Erfolg eines Films, von den wenigen Selbstläufern einmal abgesehen.
Ich bin mir nicht einmal sicher, das "früher alles mal besser war", denn ich kann mein eigenes Empfinden nicht generalisieren. Ich selbst habe mich als Jugendlicher immer über ältere Filme gefreut, voller Entdeckerfreude, so wie es mir ähnlich geht wie meinem Vorschreiber. Ich wäre froh, es gäbe viel mehr Informationen zu unbekannten Filmen - egal ob neu oder älter - die mir helfen könnten, im undurchsichtigen Dschungel der Filmindustrie gewisse Perlen zu entdecken. Wie oft hat hier schon jemand erlebt, dass er zufällig einen Film eines Regisseurs sah, den er zuvor nicht kannte, und sich dann bei der Durchsicht seiner früheren Filme erstaunliche Erlebnisse ergaben? - Ich habe das schon mehrfach erlebt. Spoiler ist eben nicht gleich Spoiler, ausführliche Hintergründe können erst dazu führen, sich einen Film anzusehen, neugierig zu werden. Und für jemanden, der nur ganz selten ins Kino geht, ist vielleicht der alles schon verratende Trailer notwendig, damit er seinen Arsch nochmal in den Kinosessel bewegt - alles eine Frage der persönlichen Hemmschwelle.
Ich bin bezogen auf Spoiler sicher ein Extremfall, denn sobald ich weiß, dass ich einen Film höchstwahrscheinlich sehen will, vermeide ich tunlichst jede Inhaltsangabe. Es gibt neben einigen wirklich schlimmen Fällen von Inhaltsangaben, die freimütig den Schluss erzählen, auch noch welche, die alles bis auf den Schluss erzählen. Auch das ist mir aber viel zu viel des Guten. Ich möchte allerhöchstens die Ausgangskonstellation wissen und es kann sein, dass ich selbst Ereignisse aus den ersten ca. 10 Minuten, falls sie denn überraschend sein sollten, nicht wissen will.
Mir ist das Gefühl beim Sehen eines Films wichtig, dass möglichst vieles geschehen kann, möglichst vieles noch offen ist. Ich mag es beispielsweise nicht, den Weg einer Figur 30, 45, 60 Minuten lang zu mitzuverfolgen, in dem Wissen, dass diese Figur dann umgebracht wird - ob darauf nun ein Rachefeldzug der Hauptfigur oder was auch immer folgt. Die emotionale Wirkung, wenn der Tod der Figur unerwartet kommt, ist zumindest für mich deutlich stärker und lässt mich näher an dem Erleben der Hauptfigur dran sein, die ja ebenfalls nicht damit rechnet.
Neben Inhaltsangaben meide ich auch die referierenden Teile von Rezensionen und versuche mich auf das Fazit zu beschränken, was oft schwierig ist, denn nicht alle Filmkritiken sind derart klar gegliedert und mitunter scheuen sich auch sehr erfahrene OFDb-Autoren nicht, in ihren Texten ohne Vorwarnung das Filmende zu spoilern. Deshalb lese ich Rezensionen grundsätzlich erst nach Sichtung des Films mehr oder weniger ganz durch.
Mal kurz halb OT:
Zitat von: Hedning am 19 August 2011, 03:04:40
Es gibt neben einigen wirklich schlimmen Fällen von Inhaltsangaben, die freimütig den Schluss erzählen, auch noch welche, die alles bis auf den Schluss erzählen.
Bei den IAs, die ich in letzter Zeit häufiger für die OFDb geschrieben habe, gehöre ich ganz klar zu den Letztgenannten. Das ist aber auch Absicht, denn 1. rechne ich nicht damit, daß sich jemand vor dem Ansehen eines Films den Inhalt durchliest (wozu denn bloß?), und 2. will ich mich genau von den banalen DVD-Covertexten unterscheiden, die die ersten 10 Minuten und nichts weiter schildern. Das ist dann keine
Inhaltsangabe des Films, sondern eben die der ersten 10 Minuten. Unverhoffte Twists oder Pointen spare ich natürlich aus, aber versuche schon, den großen Handlungsbogen abzubilden.
cu, r.
Die Wahrheit für IAs liegt irgendwo dazwischen.
Der grobe Handlungsbogen soll schon erzählt werden - aber bitte nicht nur den Schlußtwist und den Showdown auslassen.
Zitat von: ratz am 19 August 2011, 09:43:09
1. rechne ich nicht damit, daß sich jemand vor dem Ansehen eines Films den Inhalt durchliest (wozu denn bloß?)
Z.B. um festzustellen, ob der Film von Interesse ist? Wie oft würde ich mich über eine Inhaltsangabe von relativ nackten Filmeinträgen freuen, um mir in etwa eine Vorstellung davon machen zu können, ob ich den Film sehen will? Ich überfliege zwar in der Regel gewisse Informationen, um mir lediglich für mich entscheidende Eckdaten herauszufiltern, jedoch muß diese Info erstmal da sein. Ausführliche Reviews usw. vermeide ich auch, sobald ich mich festgelegt habe.
Überhaupt rechne ich eher damit, daß sich jemand nach Genuß des Films die Inhaltsangabe nicht mehr durchliest, weil er den Film doch schon kennt. Dann weiss er doch was passiert. :00000109:
Weiß auch nicht, warum jemand nach einem Film das Bedürfnis haben sollte, eine Inhaltsangabe zu lesen. "Inhaltsangabe" ist aber tatsächlich irreführend, denn gerade das, was in der OFDb darunter verstanden wird, soll ja bloß das leisten, was auch Ape benennt: ein paar Eckpfeiler des Inhalts und bestenfalls Neugier auf den Film schaffen. Das sind also keine eigentlichen Inhaltsangaben, sondern Werbetexte - eben ähnlich den Covertexten. Mit "Eckpfeiler" meine ich Zeit und Ort, Hauptfiguren/Figurenkonstellation und das äußere Hauptthema (d.h. natürlich keine Interpretation) - aufgrund dieser Infos, die dann z.B. nicht die Lösung, sehr wohl aber das Dilemma der Hauptfigur enthalten, kann man - in Kombination mit Infos über Genre, Darsteller, Regie, was auch immer - entscheiden, ob man irgendetwas an dem Film interessant finden könnte. Trugschlüsse, Misinformation, zu starke Reduzierung, falsche Gewichtungen, Fehlentscheidungen usw. natürlich eingeschlossen.
Zitat von: pm.diebelshausen am 19 August 2011, 17:17:57
Weiß auch nicht, warum jemand nach einem Film das Bedürfnis haben sollte, eine Inhaltsangabe zu lesen.
Manchmal habe ich diesen Tick: Szene oder Szenenablauf nicht verstanden, Film wird weiter geschaut und hinterher Wikipedia o.ä. konsultiert, um Plot nochmal aufzufrischen, was eben diese Szene anging. Das natürlich nur, wenn man davon ausgehen kann, dass die Szene nicht absichtlich so konfus gehalten wurde, weil man sich selber Gedanken machen sollte.
Inhaltsangaben lese ich übrigens wie Ape um zu schauen, ob ein Film von Interesse ist. Das ist beim aussortieren von Horrorfilmen schon ganz nützlich, wo man mittlerweile schon nach den Worten "Eine Gruppe von Jugendlichen..." aufhört weiterzulesen. :icon_lol:
Also ich denke eine Inhaltsangabe sollte wirklich nur grob den Handlungsrahmen eines Films wiedergeben.
Dinge wie Figurenentwicklungen oder Wendepunkte in der Handlung, sind einfach besser in Reviews aufgehoben. :andy:
@ratz:
Ich denke das sich die Hauptleserschaft von Inhaltsangaben bereits im Voraus über den Film informieren will.^^
Also bei den Inhaltsangaben die ich in der OFDb schreibe achte ich deshalb immer peinlichst darauf, keine Spoiler einzubauen.
Die 10 Minuten Aussage finde ich im Übrigen etwas schwammig. Sicherlich gibt es für das Schreiben von Inhaltsangaben keine wissenschaftlich vorgeschriebene Norm bzw. Form. Dennoch versuche ich wenn ich eine Inhaltsangabe schreibe ca. ein Drittel der Handlung darin zu beschreiben.
Bei meinen Texten zu Serien sieht das Ganze natürlich anders aus, da ich dort diese Faustregel nicht mehr anwenden kann. Hier schildere ich lediglich die groben Hintergründe, das Setting, die Figuren oder etwa das Hauptthema.
Oder, um mit der 3-Akt-Theorie zu argumentieren: eine Inhaltsangabe im Sinne der OFDb würde (im Gegensatz zu z.B. den plots in Wiki) hinsichtlich dieses Schemas vermeiden, den dritten Akt zu beschreiben, sondern spätestens am Schluss-Wendepunkt des zweiten Aktes aufhören. Und drei Punkte setzen...
;)
Mit einer Beschreibung der ersten 10 Minuten von Spiel mir das Lied vom Tod käme ich auch nicht weit, kaum bis Bronson aussteigt... :LOL:
Zitat von: Moonshade am 19 August 2011, 20:32:42
Mit einer Beschreibung der ersten 10 Minuten von Spiel mir das Lied vom Tod käme ich auch nicht weit, kaum bis Bronson aussteigt... :LOL:
Odyssee im Weltraum wäre auch nicht schlecht. :icon_lol:
Zitat von: 2BerettaZKiller am 19 August 2011, 20:38:18
Zitat von: Moonshade am 19 August 2011, 20:32:42
Mit einer Beschreibung der ersten 10 Minuten von Spiel mir das Lied vom Tod käme ich auch nicht weit, kaum bis Bronson aussteigt... :LOL:
Odyssee im Weltraum wäre auch nicht schlecht. :icon_lol:
Naturfilm mit Affen, great! :dodo:
Zitat von: pm.diebelshausen am 19 August 2011, 19:18:51
Oder, um mit der 3-Akt-Theorie zu argumentieren: ... spätestens am Schluss-Wendepunkt des zweiten Aktes aufhören. Und drei Punkte setzen...
Genau, oder nach dem aristotelischen Modell bis an die Peripetie heran. Denn wenn man nicht wenigsten die Art der Konfliktentwicklung andeutet, bleibt es bei "Es geschieht ein Mord, dann noch einer. Inspektor Barnaby ermittelt ..."
Verallgemeinern kann man sowieso nicht, jedes Genre bringt seine eigenen Anforderungen mit sich. Auch wenn ich manchmal weit in den Film hineigehe, verbiete dem Leser an keiner Stelle, mit dem Lesen einfach aufzuhören. Mir selbst reichen bei ungesehenen Filmen auch meist die anderthalb Zeilen der OFDb-IAs in der Übersicht.
Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 19 August 2011, 17:08:04
Überhaupt rechne ich eher damit, daß sich jemand nach Genuß des Films die Inhaltsangabe nicht mehr durchliest
Doch, um zu kontrollieren, ob sie stimmt :icon_mrgreen: – im Ernst, ich gehe vielleicht zu sehr von mir selbst aus: Die tatsächliche Handlung spielt bei den Filmen, die mich interessieren, die geringste Rolle. Da reicht die vorherige Kombination von Regisseur, Schauspielern, Land, Genre, übrige Quellen und Filmwissen, damit die Entscheidung zum Ansehen fallen konnte. Außerdem hoffe ich Leuten zu helfen, die verflixt noch mal den DDR-Film mit der großen FDJ-Kundgebung am Schluß suchen (kommt garantiert ständig vor), und da erwähne ich sie halt.
cu, r.
Eine Inhaltsangabe sollte auch vor Filmgenuß lesbar. In der imdb gibt es ja mittlerweile "summary" und "synopsis", die IAs in der ofdb sollten nach ersterem Modell gehalten werden.
Eine IA zu "Reservoir Dogs" (als willkürliches Beispiel) sollte am besten erwähnen, dass es um Gangster geht, die sich nach einem Coup mit diversen Toten in einer Lagerhalle treffen und dabei mutmaßen, dass er von ihnen ein Polizist ist. Damit hat man das Genre, die Figuren und die Grundzüge des Plots etabliert. Es wäre falsch,
die Handlung komplett nachzuerzählen inklusive Erwähnung der Identität des Verräters oder alles bis auf die Identität des Verräters und das Schicksal der verbliebenen zwei Figuren.
Gerade zufällig gesehen, passt hier gut rein, weil es belegt, dass das Spoilern von offizieller Seite nichts Neues ist - bzw. dass Spoilern und Filmgenuss sich nicht widersprechen müssen:
DING DONG: Wer Fritz Langs "Das wandernde Bild" nicht kennt und noch sehen will, sollte vielleicht nicht weiterlesen. :icon_mrgreen:
Nee, ich schwärze das Zitat, der Rest spoilert nichts. ;O)
In der restaurierten Fassung wurde als letzter Zwischentitel ein Zitat aus dem Premieren-Programmheft von 1920 eingefügt:
ZitatFreudig willigt Irmgard ein, mit ihm in die Berge zu gehen und fern von den Menschen, die er auch ferner meiden will, mit ihm zu leben. Fest aneinander geschmiegt gehen Georg und Irmgard, vereint durch die wahre, reine Liebe, einer neuen, glücklichen Zukunft entgegen.
Dieser neue Zwischentitel kompensiert fehlende (Schluss-)Bilder, wie es an mehreren Stellen des Films der Fall ist (ca. 1/4 des Films fehlen). Das heißt nun, dass im Progerammheft seinerzeit der ganze Film erzählt wurde, einschließlich seines Endes. Und bringt mich auf den Gedanken, dass gerade zur Stummfilmzeit neben den Bildern, den Zwischentiteln, der Musik und dem Erklärer auch solche Informationen dazugehört und zum Genuss beigetragen haben dürften. Ähnlich den Begleitheften in Theater oder Oper - gerade bei letzterer habe ich, wenn ich das Werk nicht kannte und auch nicht im Programmheft gelesen hatte, oft genug das Problem, der Geschichte nicht wirklich folgen zu können, weil die Figuren zwar allesamt ganz toll singen können, ich sie aber kaum verstehe. Auch im Stummfilm geht es mir manchmal so, dass mir nicht klar ist, was genau da gerade vor sich geht.
Das gehört einerseits zu meinem Stummfilmgenuss, nicht zuletzt hält es mich aufmerksam. Andererseits zeigt das Beispiel oben aber auch, dass der Film an sich womöglich wichtiger ist als das, was er erzählt. Nur mal angenommen, die Geschichte von den verängstigten Zuschauern von
L'Arrivée d'un train en gare de La Ciotat, die sich vor dem Zug auf der Leinwand wegducken, stimmt: wieviele Leute fanden den Film dann wohl uninteressant, nachdem sie ihn gesehen hatten. Und wieviele duckten sich beim zweiten, fünften, zwanzigsten Mal? Rethorische Frage - mir ging es nur darum, zu zeigen, dass das Thema dieses Threads schon von Anbeginn der Filmgeschichte relevant ist und die Idee, Filme zu sehen sei so etwas wie ein Wettkampf, bei dem der Klügere gewinnt, weil er sich nicht überrumpeln lässt, vielleicht am Wesen von Film und Kino vorbeigeht. Am ehesten "gewinnt" doch noch derjenige, der sich illusionieren lässt - egal mit welcher Vorkenntnis.
Als jemand, der über Filme schreibt und zunächst (im Detail vielleicht mitunter doch) im Prinzip keinen Wert auf Handlung und deren Konstruktion sondern auch zu allererst auf die Inszenierung, auf ihre Bewegung, auf ihre Beobachtung oder ihre Überhöhung legt, halte ich Spoiler-Warnungen und die panische Angst vor Spoilern für extrem unverständlich. Niemand kann mich dazu zwingen, etwas zu tun, was ich nicht verstehe und daher mit berechtigter Skepsis beäuge. Daher setze ich nie Spoilerwarnungen (müsste es aber oft auch nicht, weil ich auf die Handlung nur im Vorbeilaufen eingehe) und würde mich auch gehörig ärgern, wenn in diesem Forum irgendein Administrator in einen meiner Beiträge nachträglich eine solche einfügen würde.
Wer sich vor Spoilern fürchtet, soll einfach nichts über Filme lesen, keine Besprechungen, keine Foren-Postings, gar nichts. Dann kann er sich in Sicherheit wiegen und muss nicht andere in der Freiheit ihrer Meinungsäußerung beeinträchtigen.
Ich finde es höchst anmaßend, wenn man mir als Autor und / oder filmbegeistertem Menschen auf die Finger klopft weil ich angeblich "gespoilert" habe. Sehr oft ist es nicht möglich, über einen Film zu schreiben, ohne "wesentliche Details" der verfickten, dritt- oder viertrangigen Handlung vorwegzunehmen. Und an diesen Stellen schwarze Balken oder weiße Schrift einzusetzen, das hat für mich etwas vom Niveau einer Fan-Postille oder Schülerzeitung.
Es kommt mitunter, selten, schon auch mal vor, dass ich selbst genug Freude an einer Überraschung hatte (oder überhaupt einmal eine solche erlebt habe - ich sehe pro Jahr ca. 400 Filme, mich schockt so leicht nichts mehr), dass ich sie den Lesern meiner Texte nicht verderben möchte. Allerdings, wie gesagt, eher selten, denn ich achte auf Derartiges nicht. Wer Filme nur aus der Ungewissheit über ein Handlungsmoment und im Rätseln genießen kann, wer Spannung beim Filmegucken nur aus dem Film und nicht zugleich auch aus sich selbst und den Texturen des Films zu beziehen weiß, wen Filme nur in Unkenntnis von Plotpoint A und Twist B zu fesseln wissen, der tut mir, ich kann es nicht anders sagen und es ist auch nicht überheblich sondern aufrichtig gemeint, ein bischen leid. Vielleicht sogar auch mehr als ein bischen. Ich hätte so schon längst jede Lust am Kino verloren. Der Spielraum von Filmhandlungen ist in etwa der einer musikalischen Oktave. Es gibt da nur 12 Töne. Es ist daher auf Dauer nicht wichtig, welche man spielt sondern welche Akkorde man anschlägt, mit welchen Instrumenten und welcher Intonation man sie in welchem Raum und wie schnell man sie spielt. Und das lässt sich m. E. auch auf Film und Handlung übertragen.
Ganz abgesehen davon, dass es Filme gibt, die den Ultra-Suspense aufbauen und dabei nicht den Hauch einer Handlung besitzen. Bei denen kann man dann, Gottseidank, auch nichts spoilern. :icon_twisted:
Zitat von: McClane am 20 August 2011, 13:19:04
Eine Inhaltsangabe sollte auch vor Filmgenuß lesbar. In der imdb gibt es ja mittlerweile "summary" und "synopsis", die IAs in der ofdb sollten nach ersterem Modell gehalten werden.
Eine IA zu "Reservoir Dogs" (als willkürliches Beispiel) sollte am besten erwähnen, dass es um Gangster geht, die sich nach einem Coup mit diversen Toten in einer Lagerhalle treffen und dabei mutmaßen, dass er von ihnen ein Polizist ist. Damit hat man das Genre, die Figuren und die Grundzüge des Plots etabliert. Es wäre falsch, die Handlung komplett nachzuerzählen inklusive Erwähnung der Identität des Verräters oder alles bis auf die Identität des Verräters und das Schicksal der verbliebenen zwei Figuren.
Ich kann mich zwar damit anfreunden, dass es hier so gehandhabt wird, dass Inhaltsangaben spoilerfrei sind (und sein sollen)... ich möchte aber dennoch anmerken, dass die andere Version nicht "falsch" ist...
Um mal beim Beispiel "Reservoir Dogs" zu bleiben: angenommen, ich habe vor - aus Spaß an der Sache, für einen Artikel, für eine Filmreihe, für einen Videoabend (oder weshalb auch immer) - eine gewisse Menge an Filmen zu sammeln, die sich mit den Themenfeldern
/
/
usw. beschäftigen... und ich habe jetzt nicht gerade schon zigtausende von Filmen gesehen, an die ich mich bis ins Detail erinnern kann (was eine erhebliche Erleichterung beim Erstellen einer entsprechenden Titelliste wäre)... dann wäre eine spoilernde IA zu RD (im Vergleich mit der beschriebenen spoilerfreien) wohl die dringlichere Empfehlung, den Film auf jeden Fall mal zu sichten, in die engere Wahl kommen zu lassen (wie auch immer)...
Ich respektiere ja, dass es Rezipienten gibt, die bloß eine grobe Orientierung wollen und sich den Reiz des Unbekannten dabei nicht entgehen lassen wollen... aber wenn jemand Filme zu recht konkreten Themen sehr gezielt sucht, dann können spoilernde IA durchaus eine nicht zu verachtende Hilfestellung bieten... ;)
Zitat von: pm.diebelshausen am 22 August 2011, 00:50:34
Ähnlich den Begleitheften in Theater oder Oper - gerade bei letzterer habe ich, wenn ich das Werk nicht kannte und auch nicht im Programmheft gelesen hatte, oft genug das Problem, der Geschichte nicht wirklich folgen zu können, weil die Figuren zwar allesamt ganz toll singen können, ich sie aber kaum verstehe. Auch im Stummfilm geht es mir manchmal so, dass mir nicht klar ist, was genau da gerade vor sich geht.
Oh, dieser Hinweis auf Verständnisschwierigkeiten hat mir gerade noch etwas ins Gedächtnis gerufen...
es ist jetzt etliche Jahre her - ich ging damals noch zur Schule -, da saß ich mit ein paar Freunden und Freundinnen während zweier Freistunden in einem der Pausenräume und plötzlich erzählte eine von ihnen von einem Film, der damals im Kino lief und in aller Munde war... grobe Zusammenfassung des Inhalts und dann einen - die eigentliche Pointe scheinbar verratenden - Hinweis auf das Ende: "...und wirklich toll ist das Ende, das völlig offen lässt, wer der Mörder eigentlich gewesen ist." Jetzt die große Überraschung - der Film hieß "
".
Als ich den Film dann gesehen habe (ich hatte es nicht eilig, auch wenn ich den positiven Stimmen Glauben schenkte, aber schließlich gibt es noch zigtausende Filme, bei denen ich ebenfalls positiven Stimmen Glauben schenke) - war ich mir also recht sicher, zu wissen, wie er ausgeht... ABER: was weiß ich schon - ich meinte auch mal eine zeitlang, in "Clockwork Orange" wäre im Rahmen der Ludovico-Therapie in Großaufnahme die Spritze zu sehen, die Alex vorher (oder nachher) verabreicht bekommt, in welcher sich das Serum mit rotem Blut vermischt (quasi ein Verweis auf das Muster des Bademantels, den Alex und Mr. Alexander tragen)... als ich den Film später sah, war ich verwundert, dass ich es nicht gesehen habe, schaute mir die Szene erneut an und siehe da: die Einstellung gab es nicht... wieder etwas später, war ich mir nicht mehr sicher, ob ich bei der zuletzt beschriebenen Sichtung vielleicht eine sinnlos gekürzte Version gesehen haben könnte... jetzt in diesem Augenblick habe ich keine Ahnung, ob es diese Einstellung gab oder nicht, obwohl ich den Film etliche male gesehen habe...
Und wenn ich selber mich manchmal falsch erinnere (quasi: verinnere), mir also selbst nur bedingt glauben kann, wieso sollte ich ich der Meinung sein, etwas über einen Film zu wissen, über den mir andere etwas erzählen? (Ich weiß da gar nichts... das ist eine Glaubensfrage...)
Aber zurück: "American Beauty" läuft auf den Abspann zu - und siehe da:
der beknackte Nachbar ist der Täter...
Offenbar weiß ich erst im Zustand des Sehens, was im Film zu sehen ist... und nicht aufgrund von Berichten über das, was zu sehen ist... (und offenbar trifft das nichtmal immer zu - sonst hätte sich meine Klassenkameradin kaum irren können... es sei denn, es war Absicht...)
Also verrät mir der Spoiler letztlich herzlich wenig: ich weiß trotzdem nicht, wie der Film ausgeht, weil ich erst nach Sichtung weiß, ob der Spoiler ein Spoiler war oder ein Irrtum oder eine Verarsche... als ich den Richard Gere Streifen (Es geschah im September - oder so ähnlich) gesehen habe, meinte ich zunächst, man hätte mir die Wahrheit gesagt, als man mir sagte seine junge Geliebte
, aber trotz dieser Info und meines Wissens um den berühmten Schneewittchen-Effekt hielt ich es beim Betrachten schließlich für völlig undenkbar... und dann kommt es doch so:
. Man hatte es mir vorher gesagt, aber beim Betrachten zweifelte ich trotzdem... (ich musste sogar meine Tränen zurückhalten, obwohl der Film ja bloß ein rühriges Schnulzendrama ist...)
Und auch wenn sich der Erfahrung nach die meisten als Spoiler ausgewiesenen Aussagen bestätigen, weiß ich trotzdem immer erst hinterher, ob es wirklich Spoiler sind... die hohe Wahrscheinlichkeit ändert nichts daran, dass ich erstmal dennoch nichts weiß, sondern bloß glaube... (und wie immer, wenn ich glaube, zweifel ich im Hinterstübchen mächtig...) denn so unwahrscheinlich es auch sein mag, dass sich ein vermeintlicher Spoiler als Fehlinfo herausstellt, so kann es doch nicht endgültig ausgeschlossen werden (das ist ja der Charakter der Ausnahme: sie existiert nur dank der Regel, aus welcher sie als Aus-nahme genommen werden kann...)
insofern: streng genommen verraten Spoiler nichts, sie behaupten nur... die prüfende Sichtung bestätigt diese Behauptung (oder auch nicht), und im Laufe der Zeit wird diese bloß noch erinnerte Bestätigung wieder ein anzweifelbarer Glaube...
Bewegst du dich jetzt gerade in Richtung Zen oder Quantenmechanik?
Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 22 August 2011, 07:44:46
Bewegst du dich jetzt gerade in Richtung Zen oder Quantenmechanik?
...in Richtung Paranoia... :icon_mrgreen:
Zitat von: pm.diebelshausen am 22 August 2011, 00:50:34
Am ehesten "gewinnt" doch noch derjenige, der sich illusionieren lässt - egal mit welcher Vorkenntnis.
Du beschreibst genau, was ich meinte, Pierrot. Erkenntnistheorie angewendet auf Filmkunst. :respekt:
Oder ungefähr an McKenzie anknüpfend: wenn ein Film stets im Kopf seines jeweiligen Betrachters stattfindet, mehr noch: überhaupt als Ganzes während des jeweiligen Sehens entsteht, dann sind Filme ebenso wie Betrachtungsweisen, die es hauptsächlich auf Plottwists anlegen, die magere Realisation einer eigentlich viel vitaleren Kunstform.
Noch mal kurz eine Ergänzung zu dem, was ich weiter oben geschrieben habe, jetzt mal nur auf mein persönliches Empfinden bezogen.
Zum einen heißt, dass ich entscheidende Handlungswendungen eines Films nicht vor Erstsichtung eines Films wissen will, natürlich nicht, dass ohne diese der Film für mich uninteressant wäre oder dass andere Aspekte dieser Kunstform vor dem Handlungskonstrukt in den Hintergrund träten. Sonst würde ich mir ja nicht manche Filme zum x-ten Mal anschauen.
Zum anderen: Bei Texten, die solche Handlungselemente verraten, gibt es natürlich verschiedene Kontexte. Bei Inhaltsangaben, die m. E. reine Gebrauchstexte sind, ist es einfach unnötig. Bei Rezensionen gibt es verschiedene Fälle. Es gibt Fälle, da ist es ebenfalls unnötig. Ich habe schon Rezensionen gelesen, die klangen dann so, als ob das Ende aus reiner Mutwilligkeit verraten würde, da der Autor den Film nicht mochte und ihn möglichst auch anderen potentiellen Zuschauern madig machen wollte. Ist mir vielleicht auch schon mal unterlaufen.
Dann gibt es auf der anderen Seite natürlich Texte, die sich mit einem hohen Anspruch an die eigene Interpretation und mit einer Absicht der umfassenden Darstellung einem Film widmen. Wenn es hier nötig wird, auf "wesentliche Handlungselemente", und sei es der Schluss, einzugehen, ist das wegen der höheren Absicht fraglos legitim. Ich habe damit auch kein Problem, da ich solche Texte sowieso erst immer nach Filmsichtung lese. Es ging mir weiter oben auch mehr darum, meinen eigenen Umgang mit Inhaltsangaben und Rezensionen zu beschreiben, als womöglich anderen vorschreiben zu wollen, was in einer Rezension drinstehen darf.
Zitat von: Hedning am 23 August 2011, 16:28:15Zum einen heißt, dass ich entscheidende Handlungswendungen eines Films nicht vor Erstsichtung eines Films wissen will, natürlich nicht, dass ohne diese der Film für mich uninteressant wäre oder dass andere Aspekte dieser Kunstform vor dem Handlungskonstrukt in den Hintergrund träten.
So ganz verstehe ich den Satz nicht, weil da gleich vier Negationen drin sind und ich den Überblick verliere. Ohne entscheidende Handlungswendungen wäre der Film für Dich interessant? Wä? :icon_neutral:
War etwas blöde formuliert.
Ich meinte: Auch mit vorigem Wissen über die entscheidenden Handlungswendungen wäre ein Film für mich nicht rein deswegen uninteressant. Natürlich haben Filme viel mehr zu bieten als die Handlungskonstruktion. Ich kann trotzdem einen Film beim ersten Sehen einfach mehr genießen, wenn ich diese vorher nicht von vorne bis hinten bereits kenne.