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Die Filme Paul Verhoevens (Ex-Film der Woche-Thread)

Begonnen von Mr. Blonde, 14 Dezember 2011, 19:56:08

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ratz


Fein. Aber Türkische Früchte mit O-Ton zu kriegen erweist sich als kostspielig ... mal sehn.

Mr. Blonde

Muss ich mit Showgirls anfangen?  :icon_mrgreen:

Wäre für den 29.1.

Sollte ich aus irgend einem Grund den Termin nicht einhalten, würde ich mich freuen, wenn jemand anders den Einstieg übernimmt. Showgirls wollten wir ja eh' alle schon immer mal gucken.  :icon_mrgreen:


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pm.diebelshausen

Ich dachte, wir machen das so wie mit Aronofsky und beginnen eine allgemeine (Werk-)Diskussion. Welche Filme dabei im Vordergrund stehen werden, ist ja jetzt klar (bei Aronofsky gab es ja nicht mehr), aber ich würde jetzt keinen Fahrplan mit einer Filmreihenfolge machen. Wer was sehen will und anschafft und sich wie in die Diskussion einbringen will, steht ja auch jedem frei. Guckt einfach Verhoeven-Filme.  :icon_mrgreen:
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

MäcFly

23 Januar 2012, 11:02:01 #33 Letzte Bearbeitung: 23 Januar 2012, 11:24:33 von MäcFly
Bevor es hier los geht, noch ein Hinweis an alle, die noch "Türkische Früchte" brauchen:

Die DVD gibt es derzeit bei Amazon in der Aktion 6 DVDs für 20 Euro.

EDIT: Der Soldat von Oranien ist ebenfalls bei der Aktion dabei - stelle aber gerade fest, dass beide Scheiben leider keinen O-Ton haben.
"Man muss immer darauf achten, dass man ein gewisses Niveau nicht unterschreitet - sonst ist es schnell aus."

"Wenn man Mubarak heißt oder Kosslick, dann kann man alles machen." (Uwe Boll)

Mr. Blonde

Leider hat sich die Bestellung von "Showgirls" etwas verzögert. Nun könnt Ihr entweder warten oder ein anderer wirft den ersten Stein. Bitte in beiden Fällen um Verständnis.


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pm.diebelshausen

Also, irgendwie tut sich hier nix. Nochmal der Vorschlag: wir müssen ja nicht eine Reihe Filme abarbeiten und damit die kommenden Monate verbringen, sondern sollten es vielleicht lieber wie bei Aronofsky machen. Ein Gespräch über das Werk so far sozusagen. Fünf Filme im Vordergrund gingen aus der Abstimmung hervor, die können ja ruhig Hauptaufhänger sein. Mag nicht einer der Verhoeven-Kenner (oder bissl-Kenner) einen allgemeinen Starttext hinwerfen?
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

PierrotLeFou

19 Februar 2012, 23:18:10 #36 Letzte Bearbeitung: 20 Februar 2012, 02:44:40 von PierrotLeFou
Ich möchte jetzt keinen Starttext schreiben... aber so ein paar Überlegungen zu bestimmten Filmen werfe ich jetzt einfach mal ein, vielleicht passiert ja hier was, wenn erstmal was passiert ist...



Mein Lieblings-Verhoeven ist mit einigem Abstand "Türkische Früchte"... in erster Linie vielleicht deshalb, weil sich hier Sex und Gewalt als typische Verhoeven-Motive bereits in teils typisch provozierender Weise finden lassen, allerdings auch in einer Art und Weise, die sich später bei Verhoeven so kaum wieder zeigte: Natürlich nutzt auch "Türkische Früchte" Sex und Gewalt - also den Körper und seine Ausscheidungen und seine Auflösung - dazu, den Zuschauer mal zu schocken und die Provokation, die in dem Film mitschwingt ist spürbar und hat etwas sehr wildes, angriffslustiges... zugleich aber wird vieles auch sehr eindringlich als letztlich Natürliches präsentiert: da greift Hauer schonmal ohne Hemmungen mit bloßer hand nach der vermeintlich blutigen Stuhlprobe seiner Freundin um in ihr bloß Rote-Bete-Reste zu entdecken, da hat unter den Liebenden das Gespräch über Scheiße etwas liebevoll-neckendes, unverklemmtes...
Und diese Kombination aus "Einserseits natürlich" und "andererseits trotzdem Provokation" wird im Film dann selbst zum eigentlichen Thema: Ein Auge in der Suppe reicht dann aus, um einen Restaurantbesuch zu "sprengen", austretendes Fruchtwasser verunmöglicht das Ritual Eheschließung, das Erbrechen am Esstisch auf einer Party verdirbt auch dort sofort allen die Stimmung... Dass etwas natürliches tabu ist, darauf besteht der Film immer wieder und präsentiert immer wieder auch beide Seiten: die intime Stellung zum eigenen Körper und zum Körper des Partners, die öffentliche Haltung zum Körper...
Ein wirklich schöner Film, der das Verhältnis zum Körper hinterfragt... Da fällt es dann auch für mich nicht mehr ins Gewicht, dass diese
Spoiler: zeige
"Frau stirbt, Mann leidet"
-Geschichte die Geschlechterverhältnisse noch weitestgehend traditionell behandelt (Bronfens Schneewittchen-Effekt): Da ist mir das Männerbild in "Der 4. Mann" schon lieber, zumal die Frau dort auch als Klischee, als femme fatal, als Kunstprodukt gesehen werden darf und der Film damit kein Frauenbild erzeugt, sondern über ein Frauenbild nachdenkt... (Etwas milder, aber nicht weniger spannend, scheint mir auch "Basic Instinct" in diese Richtung zu zielen.)

Dagegen habe ich mit der exzessiven Gewalt in "Starship Troopers", den ich dennoch gerne geschaut habe, so meine Probleme: Natürlich ist die Satire kaum zu übersehen, aber Verhoeven sorgt dafür, dass man - ist man nur kurzsichtig genug - den Film auch als bloße Schlachtplatte, als Actionorgie ansehen kann... Und als Faschismus-Satire und Kriegsfilm-Parodie kann er es sich meines Erachtens nicht so wirklich leisten, sich AUCH als Kriegsfilm anschauen zu lassen... Natürlich ist er das nicht (und der damalige Vorwurf, Verhoeven habe einen faschistischen Film gedreht, ist so formuliert natürlich völlig unhaltbar), aber er macht große Eingeständnisse an Zuschauer, die ihn so sehen wollen... Splatter ist dort nicht ausschließlich das Mittel der Überspitzung, die den Film ad absurdum führt: zum einen spielen andere Gags da eine größere Rolle, vor allem aber scheint mir Splatter dort in erster Linie ein Mittel zu sein, um die Schauwerte ins Spiel zu bringen, die ich letztlich als bloß spekulativ betrachten kann...
Die Satire bleibt mir zu flach, der Actionanteil zu vordergründig...
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

Mr. Blonde

20 Februar 2012, 00:24:15 #37 Letzte Bearbeitung: 20 Februar 2012, 00:28:11 von Mr. Blonde
Schön, dass sich noch jemand getraut hat.  :respekt:

Zu "Starship Troopers": Unterschreibe ich so glatt und das kann man auch genau so auf "RoboCop" ummünzen (auch wenn der hier ja nicht so ganz Thema sein soll), man kann die beiden Filme als bloße Actionfilme verstehen und dann geht der satirische Teil natürlich flöten. Ich denke, dass war für Verhoeven aber ein notwendiges Übel, auch wenn ich nicht weiß, wie stark die Produzenten ihm immer auf die Finger gehauen haben.
Wer nur die Gewalt sehen will oder Action, der bekommt auch nur genau das. Die Essenz des Ganzen kann für manchen dann natürlich völlig verloren gehen und ich kenne leider genug, die sich Verhoevens Sci-Fi-Filme nur wegen der Action anschauen.

Warum aber gerade ich meinen Spaß mit diesen Werken habe ist, dass ich die Filme dann schon als augenzwinkernde Actionsatire verstehe, voller Gewalt UND voller Schelte gegen die Medien und die Gesellschaft. Das geht einfach Hand in Hand und die Mischung macht es so interessant. Das finde ich hat außer Verhoeven eigentlich überhaupt niemand mehr geschafft, jedenfalls will mir da beim besten Willen keiner einfallen. Ich denke, da macht sich auch einfach dieser "europäische Mut" zu was anderem bemerkbar und mit dem ist Verhoeven imo viele Jahre gut in amerikanischen Gefilden gefahren.


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RoboLuster

Zitat von: Mr. Blonde am 20 Februar 2012, 00:24:15
Zu "Starship Troopers": Unterschreibe ich so glatt und das kann man auch genau so auf "RoboCop" ummünzen (auch wenn der hier ja nicht so ganz Thema sein soll), man kann die beiden Filme als bloße Actionfilme verstehen und dann geht der satirische Teil natürlich flöten. ...

Wer nur die Gewalt sehen will oder Action, der bekommt auch nur genau das. Die Essenz des Ganzen kann für manchen dann natürlich völlig verloren gehen und ich kenne leider genug, die sich Verhoevens Sci-Fi-Filme nur wegen der Action anschauen.

Kann man, bei Starship Troopers geht das auch leicht und da kenne ich auch viele, die den Film geil finden wegen der Action. Das ist auch das, was man über den Film immer zu hören bekommt.

Aber, ich kenne niemanden der sich RoboCop nur wegen der Action ansieht. Der satirische Anteil ist dort viel deutlicher auszumachen und fast ständig zugegen. Man kann es praktisch nicht übersehen, sogar Menschen die nicht wissen was Satire oder Sozialkritik ist, lachen in Momenten wo etwas davon mehr in den Vordergrund tritt. Auch wird unter Fans imo doch meist erstmal über diese Satire Elemente gesprochen, wenn es um RoboCop geht. Die unbedarfteren, die nur Action wollen, tendieren auch eher zum 2. Teil. Der aber auch gut ist.

Also bei Starship Troopers kann man schon, nur die Action sehen, aber bei RoboCop ist das imo viel schwerer, wem da der satirische Anteil flöten geht, der ist entweder zu jung, oder schon tot.^^
https://youtu.be/RPQOMyyg9b8                          
"Shoot first, think never!" - Ash

PierrotLeFou

Zitat von: RoboLuster am 20 Februar 2012, 00:59:31
Zitat von: Mr. Blonde am 20 Februar 2012, 00:24:15
Zu "Starship Troopers": Unterschreibe ich so glatt und das kann man auch genau so auf "RoboCop" ummünzen (auch wenn der hier ja nicht so ganz Thema sein soll), man kann die beiden Filme als bloße Actionfilme verstehen und dann geht der satirische Teil natürlich flöten. ...

Wer nur die Gewalt sehen will oder Action, der bekommt auch nur genau das. Die Essenz des Ganzen kann für manchen dann natürlich völlig verloren gehen und ich kenne leider genug, die sich Verhoevens Sci-Fi-Filme nur wegen der Action anschauen.

Kann man, bei Starship Troopers geht das auch leicht und da kenne ich auch viele, die den Film geil finden wegen der Action. Das ist auch das, was man über den Film immer zu hören bekommt.

Aber, ich kenne niemanden der sich RoboCop nur wegen der Action ansieht.

Mit "RoboCop" habe ich da auch keine Probleme... das scheint mir eine Frage des Genres zu sein: ein extrem expliziter Sci-Fi-Cop-Thriller birgt meines Erachtens weniger Gefahren in sich, wenn man alle satirischen und reflektierenden Momente ausblendet und den als rasanten Splatter-Sci-Fi-Copthriller sieht... Ein Kriegsfilm, der Propaganda und Faschismus durch den Kakao zieht, indem er beides ins Absurde gleiten lässt, vermittelt aber falsch verstanden plötzlich doch viel eher fragwürdige Inhalte... (ob und wem das in der Praxis überhaupt schadet, ist natürlich auch wieder eine ganz andere Frage...)
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RoboLuster

20 Februar 2012, 01:47:45 #40 Letzte Bearbeitung: 20 Februar 2012, 02:56:15 von RoboLuster
Zitat von: PierrotLeFou am 20 Februar 2012, 01:23:18
Zitat von: RoboLuster am 20 Februar 2012, 00:59:31
Aber, ich kenne niemanden der sich RoboCop nur wegen der Action ansieht.

Mit "RoboCop" habe ich da auch keine Probleme... das scheint mir eine Frage des Genres zu sein


Sicher? Ich schätze dich nicht als einen Mensch ein, der sich gerne "Sci-Fi-Trash B-Stangenware", a la Cyborgcop und Konsorten, ansieht, denn so etwas wäre RoboCop, wenn er nur auf die Action beschränkt worden wäre, wahrscheinlich im gehobenem Maßstab, aber dennoch nach paar Jahren nur noch den Genrefans bekannt. Und falls es wirklich mal ein Remake geben wird, dann wird es sehr wahrscheinlich genau so etwas sein, ein teurer, aber seelenloser extrem expliziter Sci-Fi-Cop-Thriller von der Stange, der vergessen wird. Starship Troopers allerdings, könnte imo ohne seine satirischen Momente genauso bestehen, wie er es jetzt tut.

Ich sehe darin eigentlich auch keine Gefahr, wenn jemand Starship Troopers nicht "versteht". Ich glaube auch, dass sich Verhoeven bei Troopers größtenteils mal wieder austoben und nochmal zeigen wollte, wer im Scifi Action Sektor die Hosen an hat. Mit dem Schuss Satire und Sozialkritik, hat er nur noch seinen Stempel aufgedrückt und somit sein Werk veredelt. Im Vordergrund steht imo aber die Action, die gewollt zu keiner Zeit ernstgenommen werden will und Gewallt, welche plakativ als Mittel zum Zweck, viele schöne Menschen von garstigen Rieseninsekten in Stücke reißen zu lassen, währen die Gewalt bei RoboCop näher am man, am Zuschauer ist.

Seinen Starship Troopers lässt Verhoeven genialerweise, ausgerechnet von solchen Schauspielern tragen, die als Darsteller genau solche Abziehbilder sind, wie die Charaktere, die sie verkörpern. Die Nebenrollen, wurden allerding weitaus qualitativer besetzt um dadurch jeden ihrer Charaktere mehr Tiefe und Charisma ausstrahlen zu lassen, als der gesammte Rekrutentrupp zusammen. Wenn einer der Hauptpersonen, während einer Schlacht, nebenbei verloren gegangen wäre, ich hätte es vielleicht nicht mal bemerkt. Genausogut hätte er seinen Film auch The Expendables, also Die Austauschbaren, nennen können.

Ich finde Starship Troopers hat einige hervorragende Schauwerte und sehr unterhaltsam, aber abseits des Kriegsgetümmel, empfinde ich ihn, als eher schwachen Verhoeven Film. Zum Glück wird man als Zuschauer aber meist nicht abseits davon gehalten.

Starship Troopers wird zwar vielerorts als satirischen Film tituliert, aber es gibt genug, die gar nicht wissen was genau gemeint ist, weil es imo, kein tragendes Element ist, nicht wie bei RoboCop, der ohne diesem Faktum, gar nicht bestehen könnte, ohne mehr als ein Robotertrasher zu sein. Satire gehört zu RoboCop einfach dazu, deshalb hat sie es auch noch bis in den 2. Teil geschafft, der deshalb, als einziger Beitrag, auch noch sehr gut ist. Aber war bei den Starship Troopers Sequels noch etwas Satire zu erkennen?
https://youtu.be/RPQOMyyg9b8                          
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PierrotLeFou

20 Februar 2012, 03:25:39 #41 Letzte Bearbeitung: 20 Februar 2012, 03:33:13 von PierrotLeFou
Zitat von: RoboLuster am 20 Februar 2012, 01:47:45
Zitat von: PierrotLeFou am 20 Februar 2012, 01:23:18
Zitat von: RoboLuster am 20 Februar 2012, 00:59:31
Aber, ich kenne niemanden der sich RoboCop nur wegen der Action ansieht.

Mit "RoboCop" habe ich da auch keine Probleme... das scheint mir eine Frage des Genres zu sein


Sicher? Ich schätze dich nicht als einen Mensch ein, der sich gerne "Sci-Fi-Trash B-Stangenware", a la Cyborgcop und Konsorten, ansieht, denn so etwas wäre RoboCop, wenn er nur auf die Action beschränkt worden wäre
Ich wollte auch nicht sagen, dass Verhoeven den Film ruhig ohne satirische und ernstere Elemente hätten drehen können (natürlich hätte sich dann qualitativ was geändert, wobei man nun auch gar nicht sagen kann, wie er dann ausgesehen hätte), sondern bloß, dass ich den Eindruck habe, dass ein Zuschauer diese Elemente ausblenden kann, ohne dass die Unterhaltung durch den Film dann gleich moralisch fragwürdig wird...
Ich kann es jetzt aber zugegebenermaßen noch nicht präzisieren, weshalb mir eine Zuschauerhaltung, die einen Kriegsfilm einzig im Hinblick auf die Actionszenen und die Gewaltdarstellung "genießt", im Gegensatz dann unangenehm aufstößt... (vielleicht fällt mir die Tage was dazu ein...)

(Italienische "Sci-Fi-Trash B-Stangenware" bis Mitte der 80er schaue ich übrigens sogar ganz gerne mal...)


ZitatIch sehe darin eigentlich auch keine Gefahr, wenn jemand Starship Troopers nicht "versteht". Ich glaube auch, dass sich Verhoeven bei Troopers größtenteils mal wieder austoben und nochmal zeigen wollte, wer im Scifi Action Sektor die Hosen an hat. Mit dem Schuss Satire und Sozialkritik, hat er nur noch seinen Stempel aufgedrückt und somit sein Werk veredelt. Im Vordergrund steht imo aber die Action, die gewollt zu keiner Zeit ernstgenommen werden will und Gewallt, welche plakativ als Mittel zum Zweck, viele schöne Menschen von garstigen Rieseninsekten in Stücke reißen zu lassen, währen die Gewalt bei RoboCop näher am man, am Zuschauer ist.

Ich würde den Film vielleicht auch nicht unbedingt als gefährlich bezeichnen, sondern eher als spekulativ und heuchlerisch, als letztlich kaum an der eigenen Aussage interessiert, insofern er einer Lesart in die Arme arbeitet, die sein kritisches Moment völlig unberücksichtigt lässt...
"Gefährlich" also in dem Sinne, dass er trotz seines satirischen Anliegens, das ja vorhanden ist, letztlich weniger aufklärend, erhellend, zum Nachdenken anregend daherkommt, als vielmehr sensationslüsternd...
(Quasi keine Gefahr, sondern eher "unterlassene Hilfeleistung" :zwangsjacke: )


ZitatStarship Troopers wird zwar vielerorts als satirischen Film tituliert, aber es gibt genug, die gar nicht wissen was genau gemeint ist, weil es imo, kein tragendes Element ist, nicht wie bei RoboCop, der ohne diesem Faktum, gar nicht bestehen könnte, ohne mehr als ein Robotertrasher zu sein. Satire gehört zu RoboCop einfach dazu, deshalb hat sie es auch noch bis in den 2. Teil geschafft, der deshalb, als einziger Beitrag, auch noch sehr gut ist. Aber war bei den Starship Troopers Sequels noch etwas Satire zu erkennen?

Ehrlich gesagt habe ich die ST-Sequels weitestgehend verdrängt, meine mich aber daran erinnern zu können, dass mindestens einer dieser Filme durchaus recht viel Satire ins Spiel bringt... als schwächer habe ich die vor allem aufgrund formaler Aspekte empfunden, aber da kann ich jetzt wirklich kaum was zu sagen...
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

ratz

Huch, gehts schon los?  :icon_mrgreen: Ich spring mal etwas zurück...

Zitat von: PierrotLeFou am 19 Februar 2012, 23:18:10

Mein Lieblings-Verhoeven ist mit einigem Abstand "Türkische Früchte"... in erster Linie vielleicht deshalb, weil sich hier Sex und Gewalt als typische Verhoeven-Motive bereits in teils typisch provozierender Weise finden lassen,

Ich mußte auch sehr schmunzeln, als ich den neulich zum ersten Mal sah, und dachte so bei mir, die kleine Drecksau, ist ja tatsächlich alles schon da!

Zitat von: PierrotLeFou am 19 Februar 2012, 23:18:10

Und diese Kombination aus "Einserseits natürlich" und "andererseits trotzdem Provokation" wird im Film dann selbst zum eigentlichen Thema: Ein Auge in der Suppe reicht dann aus, um einen Restaurantbesuch zu "sprengen", austretendes Fruchtwasser verunmöglicht das Ritual Eheschließung, das Erbrechen am Esstisch auf einer Party verdirbt auch dort sofort allen die Stimmung... Dass etwas natürliches tabu ist, darauf besteht der Film immer wieder und präsentiert immer wieder auch beide Seiten: die intime Stellung zum eigenen Körper und zum Körper des Partners, die öffentliche Haltung zum Körper...
Ein wirklich schöner Film, der das Verhältnis zum Körper hinterfragt... Da fällt es dann auch für mich nicht mehr ins Gewicht, dass diese
Spoiler: zeige
"Frau stirbt, Mann leidet"
-Geschichte die Geschlechterverhältnisse noch weitestgehend traditionell behandelt (Bronfens Schneewittchen-Effekt)

Ja, in die Körper-Debatte, die ja erst einige Jahre später richtig an Fahrt gewann, paßt das natürlich sehr gut. Der Körper ist für Verhoeven immer schon das große sinnliche, identitätsstiftende Zentrum, gleichzeitig das Zerstör- und Ersetzbare (zu welchem Preis?). Man denke nur an Robocops künstliche Glieder, an die Mutationen in Total Recall, an das Massengemetzel in Starship Troopers, an den Körper als Ware in Show Girls etc. Trotzdem ist ja V. alles andere als ein Akademiker, und ob er bewußt diese Diskurse angeschnitten hat oder instinktsicher aufgegriffen hat, was in der Luft lag, wage ich nicht zu spekulieren.
Und evtl. hat er mit dem Ausscheidungs-Spektakel in Türkische Früchte einfach nur seine eigene frühkindlich-anale Phase noch einmal lustvoll zelebriert.  ;)

Zitat von: PierrotLeFou am 19 Februar 2012, 23:18:10
Dagegen habe ich mit der exzessiven Gewalt in "Starship Troopers", den ich dennoch gerne geschaut habe, so meine Probleme: Natürlich ist die Satire kaum zu übersehen, aber Verhoeven sorgt dafür, dass man - ist man nur kurzsichtig genug - den Film auch als bloße Schlachtplatte, als Actionorgie ansehen kann...

Eben das gefällt mir an Starship Troopers besonders gut, weil es nämlich am Grundproblem von guter Propaganda rührt: Sie ist immer verführerisch, auch wenn man es moralisch viel besser weiß oder wenn die Geschichte inzwischen sonstwas bewiesen hat. Man kann keine knackige Satire über Propaganda machen, wenn man nicht auf die Intelligenz des Zuschauers vertraut und seine Fähigkeit, die Satire selbst zu erkennen, der Verführung zu widerstehen. Denn wenn letztere überhaupt nicht gegeben ist, kann es keinen Effekt des Durchschauens geben. Der Reiz an Starship Troopers liegt für mich darin, in der Propaganda gleichzeitig zu schwelgen und sie als solche zu erkennen und mich der Manipulation zu entziehen.
Daß man davor hierzulande immer noch besondere Angst hat, sieht man am ängstlichen Wegschließen der Propagandawerke des Nationalsozialismus – man traut keinem Deutschen zu, in Mein Kampf zu lesen oder Jud Süß zu schauen, ohne sofort den rechten Arm hochzureißen.

Noch eine kleine Anekdote zu Starship Troopers: Als ich den damals im Kino als eingefleischter Trekkie sah, entging mir die Schlußpointe vollkommen und ich war total empört über dieses sinnlose Gemetzel  :icon_eek: :viney: Naja, wir waren ja alle mal jung  :icon_mrgreen:

cu, r.

vodkamartini

Ich bin auch immer wieder überrascht, wie häufig "Starship Troopers" als "reiner Actionfilm mit ordentlich Splatter" konsumiert und auch abgefeiert wird. Obwohl ich finde, dass die satirischen Elemente bezüglich Faschismus, Propaganda, aber auch des amerikanischen Selbstverständnisses hinsichtlich Krieg sehr deutlich vorhanden sind - und zudem sogar auch noch mehrfach von Verhoeven bestätigt wurden - , kenne ich einige Leute (Akademiker wohlgemerkt), die auch noch nach längeren Diskussionen bei ihrer Haltung bleiben.
Man kann allerdings darüber diskutieren, ob die Satire nicht ein wenig zu schwachbrüstig daherkommt - was ich nicht finde - und die Schauwerte zu selbstzweckhaft sind - was ich ebenfalls nicht finde. Ich kann mir vielmehr die diebische Freude Verhoevnes angesichts der Tatsache vorstellen, dass er dem US-Verleih eine knackige Satire im Gewand eines Actionfeuerwerks unterjubelt und dieser es nicht bemerkt. Ich glaube nicht, dass er bei den satirischen Elementen eingebremst wurde - sie sind wie gesagt imo sehr deutlich zu erkennen -, sondern genau diese Mischung beabsichtigt hatte.

@ratz
Volle Zustimmung zu der These, dass Propaganda immer auch sehr verführerisch ist - sonst ist sie schlecht gemacht - und Verhoeven dies mit "Starship Troopers" belegt.

Für mich ein doppelbödiger, subversiver Spaß und klar einer von Verhoevens besten Filmen.
www.vodkasreviews.de

There's a saying in England: Where there's smoke, there's fire. (James Bond, From Russia with love)

pm.diebelshausen

Wenn ich "Starship Troopers" mal als Anti-Kriegsfilm bezeichne (ohne diesen bekannt problematischen Begriff vertiefen zu wollen) oder als Anti-Faschismus-Satire, dann zeigt sich das übliche Rezeptionsproblem: wer in seiner allgemeinen Weltsicht keine kriegs- oder faschismuskritische Haltung hat, ist blind für die kriegskritischen Aspekte und sieht in Verhoevens Film bloß die Gaudi und das Gematsche.

Dabei ist der Film schon von seiner Grundidee her absolut subversiv: er zwingt den Zuschauer in die Faschismus-Sympathie, weil es im Kostüm des Science-Fiction-Films nicht um diese oder jene so oder anders geartete Menschen als Feindbild und Zielscheibe geht, sondern um außerirdisches Ungeziefer. Damit spekuliert der Film darauf, dass kein Zuschauer diesen Viechern die Arterhaltung wünscht und für sie beim WWF spenden würde. Ist der Zuschauer damit in die Ecke gedrängt, lässt Verhoeven ihm nur den satirisch überzeichneten Faschismus als Aufenthaltsort während des Films und der Gewaltexzess schwebt über allem - sehr unangenehm für Menschen, die das wahrnehmen, aber mit dem Ventil des Lachens versehen, das jeder Satire zu eigen ist.

Verhoeven hat da für meinen Geschmack alles richtig gemacht und "Starship Troopers" würde in sich zusammenfallen, wenn man die Satire weggelassen würde: sie ist in jedem Moment vorhanden, weil der Film von Grund auf auf ihr basiert. Sie ist nicht ein stilistisches Sahnehäubchen, sondern der Boden, den uns Verhoeven frecher als andere Filmemacher (auch Stone mit "Natural Born Killers") unter unseren Füßen wegzieht. Dass es Leute gibt, die das nicht sehen, kann ich dem Film schlecht vorwerfen und es stellt sich die Frage, mit welcher Art von Film diese Leute denn erreichbar wären, wenn man ihnen das selbe inhaltliche Anliegen näherbringen möchte. Film muss da niemanden an die Hand nehmen und ihm Wahrheiten sagen, sondern darf zeigen, auch überspitzt zeigen, und sich selbst entlarven lassen.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

Reiben

21 Februar 2012, 00:18:58 #45 Letzte Bearbeitung: 21 Februar 2012, 10:51:18 von Reiben
Ich kann mich meinen Vorrednern zu Starship Troopers nur anschließen. Filme erzeugen Emotionen; wenn es rein um inhaltliche Aspekte ging, dann wäre das Medium Buch immer die bessere Wahl. Und genau das macht ST eben auch: Wir werden in den Bann gezogen, wir sympathisieren mit dem, was wir eigentlich verabscheuen wollten und wir fiebern mit. Dazu erliegen wir dem Actionspektakel, dem Splatter und der damit verbundenen Skandalwirkung. All das sind bewusste propagandistische Mittel, die auf den Zuschauer angewandt werden und zumindest emotional erliegen dem die meisten, während dem reflektierenden Zuschauer natürlich bewusst ist, was geschieht. Das ist der Kniff der Starship Troopers zugrunde liegt. Das die Satire zu knapp daher kommt, lässt sich allerhöchstens inhaltich diskutieren, aber Filme sollte man eben nie unter rein inhaltichen Aspekten sehen. Da neigt man leicht zu Über- bzw Fehlinterpretationen.

Im Übrigen ist mir bei Starship Troopers zum ersten mal der metaphorische Sinn von Aliens aufgefallen: "Alien" heißt ja nichts anders als "fremd" und sind somit eine reine Projektionsfläche für (einen latenten) Rassismus. Hier ist das natürlich noch satirisch verwendet, aber wenn man sich mal anschaut, was das Alien in Scotts "Alien" ist und was die Aliens in bspw. World Invasion: Battle of Los Angeles sind, dann ist das genau dieser Unterschied. Bei Scott war das Alien eine manifestierte psychologische Urangst (ich verweise an der Stelle mal auf Slavoj Zizek, der den Film sehr treffend analysiert hat), während World Invasion die Aliens eben genaue jene Projektion eines durch political correctness unterdrückten Rassismus sind, den die USA im Kampf gegen den Terror entwickelt haben.

Ich möchte aber auch noch mal auf die anderen Verhoeven Filme zu sprechen kommen:
Bei Robocop habe ich ehrlich gesagt nur bedingt die Satire erkennen können. Ich fand den Film eher langweilig und uninteressant und habe auch kein einziges mal gelacht, was ich bei einer Satire doch eher erwarten dürfte. Wikipedia verrät mir natürlich, was den Film inhaltlich ausmacht, aber für mich war das beim Schauen nicht wirklich erschließbar, weswegen ich mich wie gesagt nur bedingt unterhalten fühlte.

Total Recall finde ich ehrlich gesagt auch nicht besonders überzeugend. Die Frage nach Realität und Traum ist natürlich ganz nett, aber der grell-bunte 90er-Look lässt mich den Film einfach nicht ernstnehmen. Zumal die besagt Frage nach Realität natürlich der Buchvorlage zugerechnet werden muss, so dass für mich am Ende nicht mehr als maue Schwarzenegger-Kost übrig blieb, für die ich mich noch nie begeistern konnte.

Noch gar nicht erwähnt wurde glaube ich Hollow Man, obwohl er im Voting auch als einer der zentralen drei herauskam. Die Handlung ist ein Gemisch aus Turmbau zu Babel und Zauberlehrling, was man schon zigfach besser umgesetzt gesehen hat. Mäßig spannend da völlig klischeehaft und vorhersehbar ist dann auch der restliche Handlungsverlauf. Effekte und Action waren damals nett, aber reißen nicht vom Hocker, so dass ich auch hier am Ende mehr als enttäuscht war. Einzig erinnerungswürdig fand ich die Szene, wo er unsichtbar
Spoiler: zeige
seine Nachbarin vergewaltigt
. Da dachte ich damals "Krass, dass die soweit gehen!", aber als ich den Film gesehen habe, hatte ich noch keine Ahnung wer Verhoeven ist. Für mich auf jedenfall eine der wenigen Stellen im Film, wo Verhoevens Handschrift deutlich erkennbar ist.

Zuletzt dann endlich Showgirls: Auch diesen Film habe ich vor Jahren das erste mal im TV gesehen und war über die doch recht schonungslose Darstellung des Showbiz überrascht. Das hatte ich so damals noch nicht gesehen. Die mäßige Leistung der Hauptdarstellerin bleibt wohl das schlechteste an dem Film, dem ich inhaltlich sonst gar nicht wirklich etwas vorwerfen kann. Zwar mag man kritisieren, dass die Handlung zu klischeehaft und einseitig bleibt (es sind ja nun wirklich alle Charaktere Arschlöcher), aber genau darum geht es doch. Letzlich ist das auch nur eine Reise ins "Heart of Darkness", wo es um den abgründigen Sog des Bösen geht und nicht um eine differenzierte Darstellung des hart umkämpfte Showbiz in Las Vegas. Das Ende war dann zwar etwas aufgesetzt und wirkte mit der scheinbaren Läuterung der Hauptdarstellerin irgendwie unpassend.

Ohne dass ich mich näher damit beschfätigt hätte, basiert der schlechte Ruf des Films (Goldene Himbeere, schlechtester Film der letzten 25 Jahre) meiner Meinung nach wohl eher auf einer gezielten Diskreditierung durch entsprechende Interessengruppen in den USA, für die der Film wohl einfach zu frivol und anstößig war. Und entgegen des häufigen Selbstbildes von gebildeten und aufgeklärten Menschen (und Filmfreunden) unterliegen auch wir wieder nur allzu leicht einer solchen Propagandamaschine, womit wir auch wieder am bei Starship Troopers wären...
.mirrorS arE morE fuN thaN televisioN

ratz

Zitat von: Reiben am 21 Februar 2012, 00:18:58

Ohne dass ich mich näher damit beschftigt hätte, basiert der schlechte Ruf des Films [Showgirls] (Goldene Himbeere, schlechtester Film der letzten 25 Jahre) meiner Meinung nach wohl eher auf einer gezielten Diskreditierung durch entsprechende Interessengruppen in den USA

Ich hab den jetzt noch nicht gesehen, aber das klingt glaubhaft. Vielleicht könnte man Verhoevens Karriereknick in den USA mit dem Wiederaufkommen der Neocons in Verbindung bringen...?

Ich würde Verhoeven seine weniger cleveren oder schlechten Filme gar nicht vorwerfen. Der Sprung vom auteur-haften Türkische Früchte zu Robocop und der anschließenden Hollywood-Karriere zeigen ja, was er eigentlich machen wollte: Krachendes US-Mainstream-Kino, mit ungewöhnlichen (europäischen) Einsprengseln. Mir kommt er eher wie ein Action-Handwerker mit Hang zu kleinen Sauereien und Provokationen vor, der aber letzten Ende doch ein gutes Drehbuch braucht, um einen entsprechend guten Film zu machen. Ein gutes Beispiel ist Das schwarze Buch, den er wieder in Holland gemacht hat, und der inhaltlich solide bis unspektakulär ist. Verhoeven erkennt man hier, wenn überhaupt, an der flotten Inszenierung und an ein paar blankziehenden Damen.

Hedning

Zitat von: ratz am 21 Februar 2012, 09:20:37Ein gutes Beispiel ist Das schwarze Buch, den er wieder in Holland gemacht hat, und der inhaltlich solide bis unspektakulär ist. Verhoeven erkennt man hier, wenn überhaupt, an der flotten Inszenierung und an ein paar blankziehenden Damen.

Das sehe ich anders, der Film hat doch auch diese für Verhoeven typische moralische Ambivalenz. Z. B. wer eine bittere Verhoeven-Pointe par excellence sehen will, braucht sich nur die im Schlussbild anrollenden Panzer anzuschauen. Ganz großes Kino für meine Begriffe.

vodkamartini

Ich sehe "Black Book" ebenfalls als typischen Verhoeven, vor allem auch mit all seinen Stärken. Man kann den Film auf einer oberflächlichen Ebene durchaus als schmissigen WK-Thriller und actionreiches Kriegsabenteuer mit Verhoeven-typischen hohen Gewalt- und Sexanteilen konsumieren und dabei eine Menge Spaß haben. Allerdings gibt es auch hier wieder eine zweite Ebene, auf der Verhoeven provoziert und gewohnt bissig wie genüßlich Gesellschaftskritik betreibt.
Als Holländer einen Film über den holländischen Widerstand gegen die NS-Besatzer zu drehen, bei dem eben dieser Widerstand alles andere als gut wegkommt, erfordert schon eine ordentliche Portion Chuzpe. Zudem werden die Deutschen - anders als in so gut wie jedem US Genrefilm bis heute - ebenfalls ambivalent gezeichnet, was bedeutet, dass hier gänzlich auf plakative Schwarz-weiß-Malerei verzichtet wird. Die von Hedning erwähnte Schlusseinstellung in Israel ist dabei das Sahnehäubchen.
Ein toller Film, den ich immer wieder gerne sehe (8-9 Punkte).
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There's a saying in England: Where there's smoke, there's fire. (James Bond, From Russia with love)

Riddick

Zitat von: vodkamartini am 21 Februar 2012, 17:32:59
Ich sehe "Black Book" ebenfalls als typischen Verhoeven, vor allem auch mit all seinen Stärken. Man kann den Film auf einer oberflächlichen Ebene durchaus als schmissigen WK-Thriller und actionreiches Kriegsabenteuer mit Verhoeven-typischen hohen Gewalt- und Sexanteilen konsumieren und dabei eine Menge Spaß haben. Allerdings gibt es auch hier wieder eine zweite Ebene, auf der Verhoeven provoziert und gewohnt bissig wie genüßlich Gesellschaftskritik betreibt.
Als Holländer einen Film über den holländischen Widerstand gegen die NS-Besatzer zu drehen, bei dem eben dieser Widerstand alles andere als gut wegkommt, erfordert schon eine ordentliche Portion Chuzpe. Zudem werden die Deutschen - anders als in so gut wie jedem US Genrefilm bis heute - ebenfalls ambivalent gezeichnet, was bedeutet, dass hier gänzlich auf plakative Schwarz-weiß-Malerei verzichtet wird. Die von Hedning erwähnte Schlusseinstellung in Israel ist dabei das Sahnehäubchen.
Ein toller Film, den ich immer wieder gerne sehe (8-9 Punkte).


Dem schließe ich mich an. "Black Book" ist in meinen Augen auch ein sehr guter Kriegsfilm (falls man ihn so bezeichnen kann) und ich bin ehrlich gesagt froh, dass er Verhoeven ihn in Holland und nicht in den USA gedreht hat, denn dann wäre er mit Sicherheit nicht so geworden, wie er jetzt ist. Der Film bietet wirklich sehr starke Szenen und klasse Darsteller. Außerdem bietet er auch einige typische Verhoeven-Szenen, z.B. ein paar "nackte Tatsachen" (welche in Amerika wahrscheinlich wieder für ein R Rating hätten weichen müssen) oder die Gülledusche.
"Schnell rennt das kriminelle Element,wenn es Dieter Krause kennt." - Tom Gerhardt (Hausmeister Krause)

Hedning

Sehr gefallen hat mir auch die unorthodoxe Fiesling-Rolle von Waldemar Kobus. Mal werden die üblichen Filmnazi-Klischees angetäuscht, dann läuft er nackt in der Damentoilette rum und ein andermal schmachtet er mit in einem (für sich gesehen) wunderbaren Liebesduett.

ratz


Hm. Ich will den Film niemandem madig machen, und natürlich liegt er in allen Aspekten qualitativ um einiges höher, als man selbst vom europäischen Durchschnitt in diesem Bereich gewohnt ist - aus Deutschland z.B. könnte der Film so nie kommen.

Zitat von: vodkamartini am 21 Februar 2012, 17:32:59
Zudem werden die Deutschen - anders als in so gut wie jedem US Genrefilm bis heute - ebenfalls ambivalent gezeichnet, was bedeutet, dass hier gänzlich auf plakative Schwarz-weiß-Malerei verzichtet wird.

Das allerdings darf man inzwischen von europäischen Filmemachern wohl erwarten. – Ich habe den Film vor nicht all zu langer Zeit gesehen, und er hat mich irgendwie überhaupt nicht gepackt. Ich bin aber gern bereit, das meinen persönlichen Genrevorlieben und Scheuklappen anzulasten. Und sobald ich Nazi-Uniformen sehe, erlahmt mein Interesse sowieso reflexartig. Bei Verhoeven sind es immer noch die überdrehten Sci-Fi-Klamotten, die mir am meisten Spaß machen. Die "Action-Abenteuer" wie Felsh + Blood und in gewisser Weise auch Das schwarze Buch (den Soldat von Oranien kenn ich nicht) sehe ich gern, wenn ich gerade nichts Wichtigeres da habe  ;), eben weil sie doch immer den speziellen V.-Touch haben.

PierrotLeFou

23 Februar 2012, 01:43:02 #52 Letzte Bearbeitung: 23 Februar 2012, 01:45:58 von PierrotLeFou
Zitat von: vodkamartini am 21 Februar 2012, 17:32:59
Als Holländer einen Film über den holländischen Widerstand gegen die NS-Besatzer zu drehen, bei dem eben dieser Widerstand alles andere als gut wegkommt, erfordert schon eine ordentliche Portion Chuzpe. Zudem werden die Deutschen - anders als in so gut wie jedem US Genrefilm bis heute - ebenfalls ambivalent gezeichnet, was bedeutet, dass hier gänzlich auf plakative Schwarz-weiß-Malerei verzichtet wird. Die von Hedning erwähnte Schlusseinstellung in Israel ist dabei das Sahnehäubchen.
Ein toller Film, den ich immer wieder gerne sehe (8-9 Punkte).
Dass es im Widerstand auch Antisemitismus gab – ganz zu schweigen von den ganz normalen Schweinen, die es überall gibt – ist durchaus ein netter Zug des Films... die Ambivalenz im Hinblick auf die Deutschen kann ich so nicht sehen... Verhoeven betreibt da ganz extrem s/w-Malerei: da gibt es den netten, schmucken Münze (?), charismatisch, sympathisch, keinesfalls fanatisch, irgendwie doch ein Menschenfreund... und dann den bösen Gegenspieler (Name ist mir entfallen), so richtig schön fett, mit starkem Haarausfall und natürlich so durch und durch böse, extrem rachsüchtig und egoistisch... dazu kein bisschen sensibel, sondern ungeniert, derbe, ungehobelt, angetrunken in der Damentoiletten-Szene... sehr einfache Gleichung: schön = nett, hässlich = böse... (wird auch beibehalten wenn unsere schöne Heldin nach Kriegsende von einer alten Aufseherin herumgeschubst wird...)

Für mich ist das tatsächlich in erster Linie eine WK2-Kolportage-Schnulze, die – mitunter völlig ungebrochen – Klischees herbeibemüht, um sich in der emotionalen Wirkung voll entfalten zu können. Spaß macht der Film, aber gerade auch Szenen wie die Insulin/Schokolade-Stelle oder der vergossene Scheißekübel machen auf mich den Eindruck eines flott und sorgfältigt verfilmten Groschenromans... (mit seichten Anflügen einer Kritik, die auch verschiedene Nicht-Nazis trifft...)
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

Dr. Schnabel

Zitat von: vodkamartini am 21 Februar 2012, 17:32:59
Ich sehe "Black Book" ebenfalls als typischen Verhoeven, vor allem auch mit all seinen Stärken. Man kann den Film auf einer oberflächlichen Ebene durchaus als schmissigen WK-Thriller und actionreiches Kriegsabenteuer mit Verhoeven-typischen hohen Gewalt- und Sexanteilen konsumieren und dabei eine Menge Spaß haben. Allerdings gibt es auch hier wieder eine zweite Ebene, auf der Verhoeven provoziert und gewohnt bissig wie genüßlich Gesellschaftskritik betreibt.
Als Holländer einen Film über den holländischen Widerstand gegen die NS-Besatzer zu drehen, bei dem eben dieser Widerstand alles andere als gut wegkommt, erfordert schon eine ordentliche Portion Chuzpe. Zudem werden die Deutschen - anders als in so gut wie jedem US Genrefilm bis heute - ebenfalls ambivalent gezeichnet, was bedeutet, dass hier gänzlich auf plakative Schwarz-weiß-Malerei verzichtet wird. Die von Hedning erwähnte Schlusseinstellung in Israel ist dabei das Sahnehäubchen.
Ein toller Film, den ich immer wieder gerne sehe (8-9 Punkte).


Sehe ich auch so. "Black Book" ist ein fairer Film, der nie besserwisserisch bevormundet. So etwas kenne ich aus den USA, zumindest wenn es um den Zweiten Weltkrieg geht, nicht. Da wird immer die Propagandamaschine angekurbelt, entweder platt und voll ins Gesicht (wie bei "Pearl Harbor") oder etwas subtiler (wie bei "Saving Private Ryan") - stets wird den US-Soldaten ein Denkmal gesetzt. "Black Book" erzählt einfach eine spannende Geschichte, ohne irgendwen auf ein Podest zu stellen.

... alias: Der Zerquetscher

pm.diebelshausen

25 Februar 2012, 02:25:21 #54 Letzte Bearbeitung: 25 Februar 2012, 02:29:30 von pm.diebelshausen
Black Book: Da sehe ich manche Dinge, die hier genannt werden, nicht. Verhoeven ist durchaus mit seinem Interesse am moralisch Ambivalenten erkennbar, aber das bezieht sich tatsächlich nur auf die niederländischen Charaktere. Ich stimme Pierrot zu: auf deutscher Seite herrscht in dem Film die hinlänglich bekannte Schwarz-Weiß-Malerei und damit rückt der Film doch in die Nähe (nur in die Nähe!) von Hollywoods vereinfachenden Erzählweisen gerade bei Nazibildern. Das ist nicht unbedingt ein Vorwurf gegen den Film und ist auch nicht Verhoeven-untypisch. "Flesh & Blood" beispielsweise stellt einerseits derartige Ambivalenz und die Frage nach den Motivationen für das eigene Handeln eines Charakters sogar noch mehr in Vordergrund, dennoch gibt es in beiden Filmen die Megabösen und die auch nicht frei von Stereotypen.

Um Pierrot zu widersprechen: der Scheißekübel hat mich aber getroffen, so weit war meine Sympathie mit der Hauptfigur dann doch fortgeschritten und hier funktioniert der Film insofern gut und viel besser als jeder Groschenroman, als dass er Erniedrigung empathisch spürbar macht und damit auch die himmelschreiende Selbstgerechtigkeit, die bei Erniedrigungen egal gegen wen zum Tragen kommt. Und ja, es ist etwas billig und altbacken, wenn danach die Genugtuung der Gerchtigkeit inszeniert wird, aber das wirkt immerhin emotional stark. Und es ist eben nicht das Ende, sondern nur ein Moment dieser Geschichte, bezüglich der die Hauptfigur fragt, ob das denn niemals aufhöre. Übrigens eine glänzend besetzte und cineastisch schön zeitkoloriert gefilmte Hauptfigur - in manchen Szenen empfand ich diesen Marlene-Dietrich-Touch als sehr lässig und stimmig integriert.

Auf mich wirkt der Film wie ein heimgekommener Verhoeven - d.h. nicht back to the roots, sondern eine ausgereifte Verbindung seiner von Anfang an bestehenden thematischen Interessen mit amerikanisch geschultem Kino und europäischer Filmkultur. Und ein wenig hat er da Tarantino vorweggenommen, indem er 2006 bereits das Nazi-Setting für spannendes und im Verlauf zunehmend spannendes Unterhaltungskino nutzte. Dennoch möchte ich Folgendes bestreiten:

Zitat von: vodkamartini am 21 Februar 2012, 17:32:59
Ich sehe "Black Book" ebenfalls als typischen Verhoeven, vor allem auch mit all seinen Stärken. Man kann den Film auf einer oberflächlichen Ebene durchaus als schmissigen WK-Thriller und actionreiches Kriegsabenteuer mit Verhoeven-typischen hohen Gewalt- und Sexanteilen konsumieren und dabei eine Menge Spaß haben.

Der Spaßfaktor (meine ich auch nicht als vereinfachenden Begriff!) ist absolut gering, kommt meines Erachtens nur in der Szene mit der Kugelentfernung und nötigen Betäubung wirklich zum Tragen und dort auch nur, um ein großes Emotionales Gefälle zu erzeugen, wenn die gute Laune dadurch gebrochen wird, dass da Jemand ein Problem damit hat, dass er gerade einen Mord verübt haben und es weiterhin um Leben und Tod von zig Menschen geht. Mehr von diesem Stil ohne Brechung und der Film wäre eine Gaudi, ist er aber nicht und unvergleichlich weniger als "Inglousious Basterds". Und da von typisch hohen Anteilen an Sex und Gewalt zu sprechen, gitb meines Erachtens auch ein falsches Bild des Films wieder. Wenn man bei Verhoeven von Sex und Gewalt spricht, sollte man wie oben bereits angesprochen den Körperdiskurs in den Blick nehmen, der Ähnlichkeiten mit den Filmen Cronenbergs sichtbar macht. Dieses Verhoeven-typische Interesse an Fragen der Körperlichkeit ist in "Black Book" vielleicht vorhanden (Körper und Identität im Falle des Färbens der Haare zum Beispiel) aber auf reduziertem konventionellem Niveau. Gut, den Dödel hätte man auf einem amerikanischen holländischen Klo nicht baumeln sehen, aber das, was manch andere Verhoeven-Filme in dieser Hinsicht geradezu auszeichnet, sehe ich hier nicht baumeln.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

ratz

Zitat von: PierrotLeFou am 23 Februar 2012, 01:43:02

Für mich ist das tatsächlich in erster Linie eine WK2-Kolportage-Schnulze


Ich bin ja ein bißchen erleichtert, daß vielleicht mein Tunnelblick doch nicht allein am Desinteresse an Black Book schuld ist  :icon_mrgreen:

Ich würde prinzipiell sagen, daß Verhoeven nie ein Mann der feinen Differenzierungen, der leisen Zwischentöne oder sonstirgendwie "tiefenscharfen" Zeichnung von Charakteren war. Bei ihm geht es un erster Linie um eine der Urtugenden des Kinos: Um Dynamik. Es muß fetzig sein, darf provozieren oder schockieren, aber es muß vor allem zügig vorangehen, egal, welches Genre gerade bedient wird. Das ist völlig legitim und macht macht gewiß einen guten Teil der Qualität seiner Filme aus.

Wenn ich kurz mal zu Showgirls umschwenken darf (hab ihn gestern nach über 10 Jahren noch mal gesehen): Das eben Gesagte gilt genau so für diesen Film. Ein technisch makelloser, inhaltlich (für Verhoeven ungewohnt) simpler Plot, holzschnittartige Figuren, aber es ist immer was los, so daß keine Langeweile aufkommt. Außerdem eine schöne Melange aus Tanzfilm, Aufsteigerdrama und Rachegeschichte (oder Exploitation? Kenn mich da nicht aus) – für Erwachsene natürlich (@pm: auch hier mußte ich ein bißchen an Tarantino denken: B-Movie in hoher Qualität, freilich ohne Blabla und Zitatewut). Die ständige Nacktheit und gelegentlicher Sex werden dabei nie zum Softporno oder Selbstzweck, sondern sind immer der Geschichte untergeordnet – ob das ein anderer (amerikanischer) Regisseur so hingekriegt hätte, ist unwahrscheinlich. Ein schlechter Film ist es damit überhaupt nicht, er läßt höchstens das vermissen, was andere V.-Filme hatten, nämlich den Zugang zu akademischen Diskursen. Es ist eine einfache Geschichte, die gut gemacht ist, was sie zum Flop hat werden lassen, sind vielleicht einfach die falschen Erwartungen im Vorfeld gewesen oder die o.g. Fallstricke der Filmindustrie).

cu, r.

MMeXX

Ich habe mir eben mal wieder RoboCop gegeben. Und da bei dem Film ja von Jesus bis Hitchcock schon alles untersucht und alles Wichtige gesagt wurde, wollte ich nur kurz eine völlig "blöde" Szene anmerken. Als Boddicker zu Nash sagt: "He's in the Steel Mill. Let's get him!" und dann ins Auto steigt, klopft Nash noch aufs Auto, um den anderen Bescheid zu geben. Dabei fällt doch tatsächlich der Rückspiegel im Auto ab! :LOL: Herrlich lustig! Solche Kleinigkeiten machen für mich den Spaß an Filmen aus, man entdeckt immer was Neues.

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Mr. Blonde

 :algo:

Das ist mir noch nie aufgefallen, muss ich das nächste mal drauf achten. Sowas nennt sich aber mal Epic Fail!  :rofl:

Aber den Trashcharme hat der Film ja sowieso gepachtet und das ist auch gut so. Das Multimillionendollar-Remake wird es da schwer haben, da zu konkurrieren.


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pm.diebelshausen

Wieso? Die können den Rückspiegel doch dann per CGI tricksen, da muss das Geld doch reichen.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

Riddick

Das mit dem Rückspiegel ist mir schon vor langem aufgefallen. Dachte immer, dass das ein allseits bekannter Goof ist  ;)
"Schnell rennt das kriminelle Element,wenn es Dieter Krause kennt." - Tom Gerhardt (Hausmeister Krause)

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