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Wieviel "Wissen" ist Filmgenuß?

Begonnen von Intergalactic Ape-Man, 10 Februar 2010, 18:38:08

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Bretzelburger

Filme, die nur funktionieren, wenn man als Eingeweihter auch die Zusammenhänge kennt, halte ich auch für schwächer als diejenigen, die beiden Seiten etwas geben können. Ich bin kein Argento-Kenner, kann mir aber nicht vorstellen, dass man seine Filme nur geniessen kann, wenn man entsprechendes Wissen hat. Jeder hat ja mal bei Null angefangen.

Ein individuelles Beispiel dazu auch von mir - gestern abend sah ich von Ettore Scola "Wir waren sehr verliebt" - einen Film, den ich zuvor nie sah und zudem es auch kaum Hintergrundinformationen gibt. Ich bin also "ohne Wissen" daran gegangen, habe dann aber feststellen dürfen, dass er in seinem 30jährigen Erzählbogen viele Filme und Regisseuren aus der Zeit zitierte. So kommt z.B. Fellini in einer kleinen Rolle als er selbst vor, während er gerade "La dolce vita" dreht (auch Mastroianni ist bei ihm). Eine andere Szene spielt während einer Quizshow, bei der sich der Befragte, der sich für einen großen Filmkenner hält, mit der Fernsehanstalt über eine Szene aus De Sicas "Fahrraddiebe" streitet. Er verklagt sie, weil sie ihn als Verlierer sehen, aber verliert auch vor Gericht, bis De Sica (übrigens in einer dokumentarischen Szene) seine Version am Ende scheinbar bestätigt. Auch diverse Selbstzitate (wenn Sandrelli wieder eine Möchtegern-Schauspielerin spielt wie in Pietrangelis "Ich habe sie sehr gut gekannt", zu dem Scola das Drehbuch schrieb) werden offensichtlich.

Die eigentliche Aussage des Films - die Beschreibung der Lebensgeschichte von drei Widerstandskämpfern und ihre Beziehung untereinander - funktioniert auch ohne dieses Hintergrundwissen, aber die Kenntnis dieser Details bereitet zusätzlichen Genuss. Nur ist das (siehe oben bei Argento) eine Frage der natürlichen Entwicklung durch das Ansehen von Filmen - das hat mit krampfhaftem Anreichern von Fakten nichts zu tun, sondern das lässt sich für einen Filmfan (je nach Genre) einfach nicht verhindern.

Mr. Blonde

15 Februar 2010, 18:42:17 #31 Letzte Bearbeitung: 15 Februar 2010, 18:44:36 von Mr. Blonde
Bei Lynch lasse ich mich immer beim ersten Sichten vom Film tragen und lasse mich "berauschen". Erst bei zweitem Sichten oder danach setze ich mich wirklich hin und versuche zu interpretieren. Eraserhead z.B. funktioniert nur so, da es keine offizielle Erklärung gibt. David Lynch besitzt das Talent den Filmfan trotz des großen Vorwissens in seine Filme zu reißen und ich komme mir immer ein Stück weit verloren bei ihm vor. Das ist das interessante an ihm. Seine Filme kann man analysieren oder sich berieseln lassen, hier funktioniert beides.

Zitat von: pm.diebelshausen am 15 Februar 2010, 17:57:45
denn Anspielungen zu verstehen, bedeutet, den Film (auch) auf einer anderen Ebene zu sehen.

Für mich bedeutet das eher, dass man auf einem anderen "Niveau" sieht, aber nicht direkt anders hinschaut oder wahrnimmt. Mir fallen die Dinge ganz nebensächlich auf und doch weiß ich, dass ich mich schnell wieder auf das Wesentliche, den Film konzentrieren muss.

Und trotzdem hast Du recht, als Kind sieht man ganz anders. Als Erwachsener wusste ich nicht, dass Freddy Krueger ein Schauspieler in einem Kostüm ist, als Erwachsener sieht man aber eben diesen in der Figur. Dieses naive Gefühl fehlt auch mir manchmal, aber so ist das nunmal, wenn man erstmal reifer wird.


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pm.diebelshausen

15 Februar 2010, 19:11:35 #32 Letzte Bearbeitung: 15 Februar 2010, 19:44:17 von pm.diebelshausen
Das mit den "offiziellen Erklärungen" ist doch auch so eine Sache. Gerade Lynch hält sich da gerne zurück oder verwirrt eher noch mehr. Mir fällt da auch Michael Haneke ein, der nicht müde wird, in Interviews keinerlei Interpretationen zu seinen oft sehr offenen Filmen zu geben oder nahezulegen. Das gefällt mir sogar besser als seine Filme. ;O) Von der Frage "Was will der Künstler uns damit sagen" habe ich mich schon lange verabschiedet. Zugunsten der eigenen Freiheit, aber auch, weil es, obwohl ein Genuss an sich und mit dem gewissen Thrill der Ostereiersuche, relativ uninteressant ist, verglichen mit den viel reichhaltigeren Möglichkeiten all der Sehweisen all der Leute, die einen Film oder ein anderes Kunstwerk sehen.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

Reiben

Also als ich "Lost Highway" von Lynch das erste mal gesehen habe, hatte ich überhaupt keine Ahnung, was mich erwartet. Lynch war mir natürlich ein Begriff, aber ich kannte nichts von ihm. Von Lost Highway hatte ich auch noch nichts gelesen oder gehört. der Film hat mich dann vollkommen erschlagen und als er zu Ende war dachte ich nur "krass". Ich saß aber natürlich da und wusste erstmal auch überhaupt nicht, was das da alles sollte, was ich gesehen hatte. Also hab ich mir einige Bücher und das Internet vorgenommen und hab jeden Menge zu dem Film gelesen und nach und nach eröffnete sich der Film mir. Ich habe ihn mir dann mit diesem Wissen nochmal angeschaut und war noch mehr begeistert als beim ersten mal. Das Gefühl, wenn man von einem Film volllkommen überrascht wird, ist natürlich auch etwas besonderes und so auch nur bedingt willentlich reproduzierbar, aber ästhetische Genuss war mit Wissen wesentlich höher.

Das sehe ich bei eigentlich allen Filmen so. Es hat keinen Zweck sich die Handlung zu spoilern, aber fundiertes Wissen ermöglicht einfach ein viel höheres Verständnis eines Films. Ich meine kein Wissen über Special-Effekt XY, warum der Hund des Hauptdarstellers Ingo heißt, oder wieviel die explodierenden Torte gekostet hat. Ich meine übergeordnetes Wissen. Bildsprache, Symbolik, Filmtechnik, kulturelle Faktoren - das sind alles essentielle Dinge um einen Film zu verstehen undich glaube je mehr man davon weiß, umso mehr kann man auch genießen. Solches Wissen macht sich dann meist nur auf einer rein intuitiven Ebene bemerkbar.
Ein Beispiel: Wenn man nicht weiß, dass es den Hays-Code gab und auch keine Anung hat, was der gemacht hat, dann fällt es einem schwer überhaupt daauf zu kommen, dass bei älteren Filmen aus den USA häufig Symbole und Metaphern den Inhalt vermitteln und eben nicht das explizit Gezeigte oder Gesagte.

Querverweise und nette Nebensählichkeiten zum Hintergrund machen natürlich auch Spaß, sind aber imo nicht so wichtig, wie ein umfangreiches Hintergrundwissen über einen Film. Ich finde auch nicht, dass durch solches allgemeines Hintergrundwissen, der "Zauber" eines Films nicht rüberkommt. Wenn es dagegen um konkretes Wissen über einen speziellen Film geht, dann mag das natürlich wieder anders aussehen.
.mirrorS arE morE fuN thaN televisioN

ratz

Zitat von: Bretzelburger am 15 Februar 2010, 18:33:40

Filme, die nur funktionieren, wenn man als Eingeweihter auch die Zusammenhänge kennt, halte ich auch für schwächer als diejenigen, die beiden Seiten etwas geben können.


Das ist ja nun Quark. Es gab und gibt immer Kunst, die sich an Spezialisten richtet, also zielgruppenorientiert ausgerichtet ist. Da kann man dann als Nicht-Eingeweihter davorstehen und greinen, oder halt einsehen, daß man einfach nicht zur Zielgruppe gehört. Nicht jede Kunst ist für jeden gedacht: Würde man Duchamp nach seinen Ready-mades, Schmidt nach Zettels Traum, oder Bela Tarr nach dem Mann aus London im Hinblick auf Massentauglichkeit befragen, müsste man das alles für Schrott erklären. Stellt man die Sachen in den spezifischen künstlerischen Kontext (Wissen, das sich angeeignet werden muß), ergeben die Sachen plötzlich einen Sinn. Es hat schon seinen Grund, warum die Leute eher Warhols Monroe an die Wände pappen als die Campbell Suppendose. Oder ist die weiche Schreibmaschine je in Serie gegangen?

Jedenfalls sollte man sich nicht zu schade dafür sein, fehlendes Wissen zu aquirieren, um die Dimensionen eines Werks durchleuchten zu können. Dann investiere ich schon mal in einen Kommentarband zum Ulysses, weil aus meinem speziellen kulturellen Kontext sonst einfach kein Drankommen ist. Ist der Roman deswegen "schwach"?

cu, r.

Bretzelburger

Du musst genau hinlesen, was ich geschrieben habe, bevor du Quark schreibst. Ich habe nicht gesagt, dass ich einen zielgruppenorientierten Film für schwach halte oder für nicht gerechtfertigt (das hängt ja schliesslich von der individuellen Qualität ab), sondern dass ich Filme, die beides miteinander vereinbaren können - also zielgruppenorientiert funktionieren (sozusagen für den Spezialisten), aber auch Anfängern den Einstieg ermöglichen (und damit diese quasi dazu einladen, sich Wissen anzueignen) - grundsätzlich noch höher ansiedele.

Intergalactic Ape-Man

Zitat von: Bretzelburger am 14 Februar 2010, 20:00:49
Wir hatten hier ja schon einen Thread zu Filmen, die man jedes Jahr anschaut - seltsamerweise kann man bei bestimmten Filmen seine kindliche Begeisterung auch über das zehnte Sehen hinaus behalten. Viel über einen Film zu wissen, kann z.B. neue Blickwinkel eröffnen, indem man abseits der Story kleine Details entdeckt, die wiederum Freude bereiten.

Nun gibt es dabei zwar deutliche Überschneidungen, aber dennoch hat auch hier ja jeder seinen persönlichen Lieblingsfilm. Man kann also nicht pauschal von einer höheren Qualität eines solchen Filmes ausgehen. Aber was macht letztlich dann dessen Stärke aus? War dieser Moment des Entdeckens für seinen Zuschauer wie das Stranden in einem fremden Land? Mußte er gerade hier Sitten und Gebräuche erst über die Zeit erlernen?

Zitat von: Mr. Blonde am 15 Februar 2010, 17:42:44
Filmgenuss kann jeder auslegen wie er möchte, ich bin aber dennoch der Meinung, dass ein gewiefert Filmfan besser dran ist, als ein Durchschnittskonsument. Ich empfinde es als Genuss, wenn ich Anspielungen an andere Filme oder Schauspieler verstehe, während alle anderen nur verdutzt die Köpfe schütteln. Somit hat ein wahrer Filmfan einen Trumpf im Ärmel, der anderen verwehrt bleibt. Ansonsten kann natürlich jeder Film Spaß machen, ob man nun 10000 Filme gesehen hat oder eben nur zehn. Wenn man den Anspruch, den der Film stellt, erfüllt, ist das gar kein Problem.

Ich würde auch dazu tendieren, zu sagen, daß dieser "gewiefte Filmfan" nur eine andere Form der Rezeption für sich gefunden hat. Ob das nun ein Trumpf ist, glaube ich eher nicht, denn einen Trumpf spielt man gegen jemanden aus. Allerdings ist er über das Erkennen von Anspielungen in einen Sog geraten, der sehr unwiderstehlich sein kann. Ist es nicht viel mehr sogar so, daß sich über diese Ebene auch Filme empfehlen, die man noch gar nicht gesehen hat? Es gibt doch, ganz spezifisch, auch diese Filme, die man sogar kennen kann, obwohl man sie nicht kennt. Einfach, weil sie so massenhaft zitiert werden. Und nun noch einmal der Einfluß auf die Filmauswahl: Laßt ihr euch über diese Schiene beeinflussen? Interessiert es euch, wenn ihr herausfindet, was die Inspirationsquelle für einen gesehenen Film gewesen ist? Kann dieser Umstand Hemmungen abbauen, sich einen eher unscheinbaren Film doch anzusehen?

Zitat von: pm.diebelshausen am 15 Februar 2010, 17:57:45
Was würde ich z.B. darum geben, "Für Elise" von Beethoven einmal ohne all das unterschwellige Wissen (z.B. die Verbratung dieses Stücks in der Werbung) erstmalig zu hören!

Ist mir passiert. Als Soundtrack eines LCD-Spiels. Ich mag die Melodie auch immer noch.

Zitat von: Eric am 15 Februar 2010, 18:15:06
Meiner Meinung nach sind daher Regisseure dieser 2. Kategorie von Filmen besser, da sie es schaffen ein größeres Publikum anzusprechen, da deren Filmen auf verschiedenen Ebenen (sowohl für den "Normalo", als auch für den Freak) sehr gut funktionieren.

Es ist auf jeden Fall eine Stärke, für beide Seiten etwas bereit zu halten, ohne eine davon zu verschrecken. Um auf PMs Kinderbeispiel zurückzugreifen denke ich an dieser Stelle z.B. an Katze mit Hut, die ich kürzlich mit den Kindern ansah. Ich habe die Serie selber als Kind geliebt, aber festgestellt, daß meine Wahrnehmung hier altersbedingt wie mit Scheuklappen gewesen ist. Es sind mir bestimmte Details der Geschichte damals gar nicht so aufgefallen. Als Erwachsener kann man sich außerdem Gedanken über die dargestellten sozialen Verhältnisse machen und erfreut sich an der gewählten Sprache. Es gibt aber natürlich auch Filme, die ihr Einstiegsalter höher ansetzen. Jeder erinnert sich bestimmt daran, einen Film gesehen zu haben, mit dem er überhaupt nichts anfangen konnte und später plötzlich Zugang gefunden hat. Hier sehe ich den Knackpunkt. Ist ein solcher Film deshalb dann etwas schlechter als ein Kinderfilm, der für Erwachsene etwas bietet? Wenn man hier eine Einschränkung macht, dann muß sich ein Film jede Nische erlauben dürfen, ohne dadurch schlechter zu werden.

Zitat von: pm.diebelshausen am 15 Februar 2010, 18:28:50
Ohne Zweife jedenfalls ist es so, dass Lynch-Filme immer wieder Zuschauer verschrecken und überfordern: sowohl solche, die was wissen, als auch solche, die völlig "nackt" da rangehen. Da ist wohl die bereits genannte Offenheit wieder am Wichtigsten, denn wenn man mit bestimmten fixen Erwartungen an Lynchs Kino herangeht, hat man schon halb verloren, statt etwas zu gewinnen.

Ich hatte von Lynch keine Ahnung, als ich Lost Highway gesehen habe. Ich war entsetzt, verwirrt, abgestoßen. Deshalb habe ich mir lange keinen seiner Filme angesehen. Als ich dann eine ungefähre Vorstellung von Lynch oder dem, wie sein Film aussehen konnte, hatte, habe ich mir Eraserhead angesehen. Ich habe bis heute keine Ahnung, was Lynch damit aussagen wollte. Dennoch mag ich den Film sehr. Er spielt irgendwie in meiner Welt. Es fühlt sich natürlich an. Vielleicht trifft das am ehesten die Attribute von Kunst.

pm.diebelshausen

16 Februar 2010, 06:24:13 #37 Letzte Bearbeitung: 16 Februar 2010, 06:28:21 von pm.diebelshausen
Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 16 Februar 2010, 05:57:45
Ich habe die Serie selber als Kind geliebt, aber festgestellt, daß meine Wahrnehmung hier altersbedingt wie mit Scheuklappen gewesen ist. Es sind mir bestimmte Details der Geschichte damals gar nicht so aufgefallen. Als Erwachsener kann man sich außerdem Gedanken über die dargestellten sozialen Verhältnisse machen und erfreut sich an der gewählten Sprache.

Und doch hat man durch sein Erwachsensein nicht nur dazugewonnen und sieht jetzt ohne Scheuklappen klar und richtig. Denn man hat auch etwas verloren, sieht mit anderen Scheuklappen und vernachlässigt das Unklare als wäre es etwas Falsches. Wir reden hier von derselben Sache, die z.B. durch den Mythos von der Vertreibung aus dem Paradies beschrieben ist. Und Kleists Marionettentheater! Die stimmige Einheit, als die wir als Kinder die Dinge wahrnehmen, verblasst in der strahlenden Vorherrschafft des klaren Denkens, das es liebt, Widersprüche zu erkennen, um die Welt in Wahres und Falsches aufzuteilen. Das hilft zwar klar sehen und damit auch beim Überleben, aber es kostet Harmonie und Schönheit aus Unmittelbarkeit. Amen.


Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 16 Februar 2010, 05:57:45
Ist es nicht viel mehr sogar so, daß sich über diese Ebene auch Filme empfehlen, die man noch gar nicht gesehen hat? Es gibt doch, ganz spezifisch, auch diese Filme, die man sogar kennen kann, obwohl man sie nicht kennt. Einfach, weil sie so massenhaft zitiert werden. Und nun noch einmal der Einfluß auf die Filmauswahl: Laßt ihr euch über diese Schiene beeinflussen? Interessiert es euch, wenn ihr herausfindet, was die Inspirationsquelle für einen gesehenen Film gewesen ist? Kann dieser Umstand Hemmungen abbauen, sich einen eher unscheinbaren Film doch anzusehen?

Das "Kennen" von Filmen, die man noch nicht gesehen hat, ist ein Trugschluss und bleibt nichts weiter als ein Vorurteil. Wenn man dann die persönliche Erfahrung mit einem sochen Film schließlich macht, passieren ganz andere Dinge, als wir uns verstandesmäßig dazu ausmalen und erträumen konnten. Wir einverleiben uns Filme und machen sie zu unseren eigenen, zu einem Teil von uns. All das findet in der Antizipation überhaupt nicht statt. Sogar noch weiter: selbst Filme, die wir bereits kennen und gesehen haben, sind ja nicht die selben, wenn wir sie erneut uns zu eigen machen. Denn wir selbst sind nicht mehr die selben. Ein Spiel, das stets auf's Neue stattfindet, keine Gewinner, keine Verlierer, nichts wird besser oder schlechter, klüger oder dümmer - bloß anders: und darin bewahrt es Lebendigkeit.

Die "Schiene", von der Du sprichst: ja, das sind Anknüpfungspunkte. Alles ist miteinander vernetzt und man geht schrittweise durch das Universum "Film". Manchmal auch sprunghaft. Aber ich sehe darin nichts Besonderes, die Dinge müssen miteinander verbunden sein, wenn wir sie verstehen wollen. Hemmungen vor Unscheinbarkeit gibt es nicht zu überwinden, wenn man offen auf die Welt zugeht.

Jetzt habe ich mich aber um Kopf und Kragen philosophiert.  :pidu:
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

ratz

Zitat von: Bretzelburger am 15 Februar 2010, 23:29:02
Du musst genau hinlesen, was ich geschrieben habe, bevor du Quark schreibst. Ich habe nicht gesagt, dass ich einen zielgruppenorientierten Film für schwach halte oder für nicht gerechtfertigt (das hängt ja schliesslich von der individuellen Qualität ab), sondern dass ich Filme, die beides miteinander vereinbaren können - also zielgruppenorientiert funktionieren (sozusagen für den Spezialisten), aber auch Anfängern den Einstieg ermöglichen (und damit diese quasi dazu einladen, sich Wissen anzueignen) - grundsätzlich noch höher ansiedele.

Hm, nach nochmaligem Hin- und auch Herlesen störe ich mich wohl an den unpräzisen Formulierungen "für schwächer halten" und "höher ansiedeln". Heißt das, lieber oder weniger mögen? Oder bezieht sich das auf das Wohl der Volksbildung? Den allgemeinen künstlerischen Demokratisierungsprozess? Angesichts Deines hohen Spezialisierungsgrades auf ein bestimmtes Genrefach treffen die letzten beiden Punkte wohl kaum zu. Insofern halte ich meinen Quarkverdacht erstmal fest. Oder droht hier wieder die Keule der political correctness, die ja auch pm. schon einen anständigen Scheitel gezogen zu haben scheint?

Wir müssen das hier auch nicht ausdiskutieren, eigentlich bin ich solcher Diskussionen schon einige Jahre überdrüssig. Habe sie einfach zu oft führen müssen und hatte doch immer recht  :icon_mrgreen:

cu, r.

pm.diebelshausen

Zitat von: ratz am 16 Februar 2010, 20:41:55
Wohl der Volksbildung
allgemeinen künstlerischen Demokratisierungsprozess
political correctness, die ja auch pm. schon einen anständigen Scheitel gezogen zu haben scheint

Erklärungsbedürftig. Falls Überdruss übermächtig: einfach lassen. Vermutung: off-topic.

Diskussion/Ausdiskutieren: gibt es hier nicht. Außer Du willst Andersmeinende unbedingt von Deiner Meinung überzeugen (vgl. bitte "überdrüssig").
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

Bretzelburger

Zitat von: ratz am 16 Februar 2010, 20:41:55
Angesichts Deines hohen Spezialisierungsgrades auf ein bestimmtes Genrefach treffen die letzten beiden Punkte wohl kaum zu. Insofern halte ich meinen Quarkverdacht erstmal fest.

Im Grunde finde ich Diskussionen immer sinnvoll, nur verstehe ich in diesem Fall den Anlass nicht. Das mit dem "Quark" habe ich nur bestritten, weil ich gar nicht das Gegenteil ausdrücken wollte von dem, was du für richtig hältst. Natürlich haben künstlerisch anspruchsvolle Werke ihre Rechtfertigung, auch wenn sie ganz gezielt Vorwissen beanspruchen - worin liegt also dein Problem ?

Aber noch mehr hätte ich gerne eine Erklärung zu deinem oben zitierten Satz. Worin liegt mein Spezialisierungsgrad ? - Wenn du meinen Italo-Blog meinst, irrst du. Ich hätte genauso gerne einen über den deutschen Film oder den französischen gemacht, mir fehlt nur die Zeit dazu, außerdem ist mein Italienisch viel besser als mein Französisch, weshalb ich für französische Filme immer Untertitel benötige, was die Auswahl deutlich einschränkt. Auch der aktuelle Film interessiert mich, nur gibt es zu dem schon genügend Meinungsmacher. Aber vielleicht meinst du mit diesem satz auch etwas ganz anderes ?

pm.diebelshausen

16 Februar 2010, 23:02:27 #41 Letzte Bearbeitung: 16 Februar 2010, 23:04:14 von pm.diebelshausen
Zitat von: Bretzelburger am 16 Februar 2010, 22:41:35
außerdem ist mein Italienisch viel besser als mein Französisch, weshalb ich für französische Filme immer Untertitel benötige, was die Auswahl deutlich einschränkt.

Was Du da nebenbei bzw. in einem anderen Zusammenhang sagst, benutze ich mal, um auf die Thread-Ausgangsfrage zurück zu kommen: Wieviel "Wissen" ist Filmgenuss?

Für mich als unbedingter O-Ton-Verfechter eine klare Sache: wer Sprachen kennt (auch das ist "Wissen" und auch das ist "soziale Kompetenz"), verfügt über Genussvorteil. Das hat deutliche Grenzen, denn wer beherrscht schon mehr als 3 Sprachen derart sicher, dass er Filme ohne Untertitel auf bereichernde Art und Weise sehen kann? Und wer von denen, die sprachlich umfangreich begabt und gebildet sind, ist dann auch noch Filmfan? Aber außer Frage steht für mich, dass ich weit mehr Genuss erlebe, seit ich Filme im O-Ton sehe. Leute: seid offen für Sprachen. Dann klappt's auch mit dem Nachbarn.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

Chowyunfat2

Vorweg erst Entschuldigung, daß ich das Niveau dieser Diskussion ein wenig nach unten ziehe, aber ich möchte aus gegebenen Anlaß an dieser Stelle ein Beispiel nennen, warum ein Film auch manchmal ein höherer Genuß sein kann, nachdem man sich das Making-Of dazu angesehen hat, und zwar meine ich "Hellboy - Die goldene Armee" . Als ich diesen Film zum ersten mal sah, fand ich ihn zwar nicht direkt schlecht (Hellboy ist und bleibt eine coole Sau), aber auch nicht beeindruckend, eben ein weiteres CGI-Feuerwerk von der "Blockbuster"-Stange. Wenn sich dann aber offenbart, daß mindestens die Hälfte der "Computer-Spezialeffekte" in Wahrheit aus reinem Handwerk und (mechanischen) Kostümen besteht, lässt das einem (mir jedenfalls) beim wiederholten Betrachten des Films die Kinnlade herunterklappen. Eine Szene, die man während des Films nur ein paar Sekunden sieht, sich nur denkt "ganz nett" und schnell wieder vergißt, weiß man dieselbe einfach mehr zu schätzen, wenn sich einem das ganze handwerkliche Geschick und der Aufwand, der für diese paar Sekunden nötig gewesen sein muß, auf einmal gewahr wird. In diesem Fall lohnte sich für mich also dieses Vorwissen, denn es steigerte die Faszination und ließ meine "Augen leuchten".
Ohne in Nostalgie schwelgen zu wollen, wenn so die Zukunft des "Blockbuster"-Kinos aussieht, freu ich ich wieder auf Popcorn-Kinobesuche. Es steht ja schließlich nirgendwo gesetzlich festgeschrieben, das sich technischer Fortschritt ausschließlich auf sterile digitale CGI-Effekte beschränken muß.
Oh Mann, ich hoffe sehr, daß sich Guillermo Del Toro diese Philosophie auch für den "Kleinen Hobbit" bewahrt...

Intergalactic Ape-Man

Eigentlich ist das ein super Beispiel, weil es die Frage aufwirft, ob deine Wertschätzung für die handgemachten Effekte (mag ich persönlich auch sehr gern) in diesem Fall eher subjektiv ist bzw. ob gute CGIs, die ja zumindest nicht ohne entsprechende Vorarbeit aus dem Ärmel zu schütteln sind, für sich nicht auch zumindest eine technische Faszination ausüben können. Wie würdest du das sehen?

Chowyunfat2

Natürlich ist es auch Arbeit, einen CGI-Effekt zu produzieren, aber im Gegensatz zum Zeichentrick oder Stop-Motion braucht man nur einmal das Grundgerüst erzeugen, was sich anschließend relativ bequem beliebig verbiegen, bewegen und verzerren läßt. Das Problem, das ich mit CGI-Effekten habe, ist, daß diese in ihrer Art und Weise immer den Anspruch haben, irgendwie perfekt, glaubwürdig und realistisch rüberzukommen, und das eben NIE schaffen. Sie sind meist ZU perfekt für meinen Geschmack, also steril, kalt, porentief rein. Vieleicht sehe ich das zu eng, ich werd halt einfach nicht richtig "warm" mit diesen Pixel-Gestalten und Explosionen ohne Rauchentwicklung. Die Faszination bei handgemachten Effekten ist für mich (neben meiner persönlichen Affinität zur Handwerks-Kunst) auch immer dieses "Boah! Wie-haben-die-das-bloß-ganz-ohne-Computer-nur-so-hingekriegt?"-Erlebnis.

pm.diebelshausen

Die Explosionen mit (schwarzer) Rauchentwicklung sind Benzinverbrennungen - besonders in den 70ern und 80ern also meist fehl am Platze, wenn etwas in die Luft fliegt, was weder einen Tank hat, noch in Kuweit liegt. Und ich vermute, die guten CGI-Effekte hast Du zwar gesehen, aber als solche nicht erkannt, weil ja nicht jeder Film mit diesem Aspekt hausieren geht.

Zum Teil stimme ich Dir ja zu. Zum Beispiel ist sehr wissenswert, dass Coppolas Dracula ganz bewusst und konzeptionell mit handgemachten Tricks gestaltet wurde - eine gewisse Wärme (entgegen der von Dir angemäkelten Kälte der digitalen Effekte) erklärt sich daraus. Oder dass Tarsim für "The Fall" lediglich Computerüberarbeitungen der Bilder genutzt hat, um Störendes wie moderne Strommasten zu entfernen, die blaue Stadt aber so existiert.

Andererseits bin ich aber der Meinung, dass Bilder zunächst einmal überzeugen und bannen oder nicht. Was hilft mir das (nachträgliche) Wissen bei "Hellboy", wenn mich die Szenen im Film aber kaum interessiert haben. Ich bevorzuge Filme, die nicht nur beeindrucken (und das tut ja ein Film, wenn man ihn wegen der Technik seiner Machart lobt), sondern bei denen die Technik im Dienst der Erzählung steht. ("Hellboy" fand ich übrigens absolut ok - auf Augenhöhe mit dem ersten, unterhaltsam, kann man sich reinziehen, wenn man lustig ist, und sonst nicht der Rede wert - Machart hin oder her).
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

Chowyunfat2

Zitat von: pm.diebelshausen am 28 März 2010, 14:26:22
Ich bevorzuge Filme, die nicht nur beeindrucken (und das tut ja ein Film, wenn man ihn wegen der Technik seiner Machart lobt), sondern bei denen die Technik im Dienst der Erzählung steht.
Ich würde lügen, wenn ich sage, daß ich z. B. das Monster aus "Cloverfield" nicht auch irgendwie beeindruckend fand, aber als der Film zu Ende war, hatte ich nicht das Bedürfnis, den nochmal zu sehen (auch nicht das Monster). Im Gegensatz zur "Unendlichen Geschichte" oder zu "Kampf der Titanen" zu welchem ja jetzt das neue Ultra-Blockbuster-Remake vor der Tür steht, und das nicht, weil die Macher die Geschichte nochmal neu erzählen wollen, sondern nur, um anhand ihrer supertollen Computergrafiken fette Kohle zu machen. Und nicht nur in diesem Fall dient die Geschichte dem protzigen Bombast-Effekt, und nicht umgekehrt, wie du es vorhin angemerkt hast, und wie es ja auch sein sollte.

pm.diebelshausen

Und wenn das Cloverfield-Viech aus Schaumgummi und Slikon gewesen wäre, wär das anders gewesen und Du hättest den Film lieber nochmal gesehen? Das Monster schien mir gar nicht so wichtig (und es hat ja auch relativ geringe Screentime) wie die unglaubliche Ausnahmesituation der Story. Insofern ist der Vergleich mit der "Unendlichen Geschichte" auch etwas unfair, da die Wesen dort viel mehr Charakter bekamen und Handlung tragen. Aber wenn Du durchaus drauf beharrst: gut, ich fände die Muppet-Show auch wesentlich uninteressanter, weil ästhetisch sicher schwächer, wenn Gonzos Hühner gerendert wären.

Ich kann weder CGI noch Basteltricks vorwerfen oder danken, wenn eine Story gut oder schlecht, langweilig oder spannend ist. Es sei denn, die Effekte sind so mies, dass sie mich aus der Welt des Films raushauen.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

Chowyunfat2

Zitat von: pm.diebelshausen am  2 April 2010, 02:37:01
Und wenn das Cloverfield-Viech aus Schaumgummi und Slikon gewesen wäre, wär das anders gewesen und Du hättest den Film lieber nochmal gesehen?
Hm..ja! Stell dir mal vor, sie hätten es mit styropor und holz so hinbekommen, wie mit dem Computer ;-)
Aber ich gebe zu zu, daß meine Vergleiche etwas hinken. Vielleicht mache ich aus meiner Sentimentalität zu sehr eine Ideologie..

pm.diebelshausen

2 April 2010, 02:56:34 #49 Letzte Bearbeitung: 2 April 2010, 02:58:12 von pm.diebelshausen
Ich kann ja verstehen, dass man mehr oder weniger von einer Leistung beeindruckt sein kann, je nachdem mit welchen Mitteln und welchem Aufwand sie erbracht wurde. Aber was einen Film, ein Bild angeht, ist doch eigentlich egal, ob das Monster aus Pixeln, Pappmaché, Pralinen oder Popeln gemacht wurde, wenn es so aussieht, wie es aussieht. Ist doch wie die Frage, ob ein Kilo Blei schwerer ist als ein Kilo Federn. Außerdem heißt CGI auch überhaupt nicht, dass man die Dinge mit Links hinbekommt und einem alles Gestalterische zufliegt! Zeit, Genauigkeit, Ideen, Geduld, Kenntnis der Materie - all das braucht es am PC ebenso wie an der Werkbank. Manches ist einfacher, dafür anderes schwieriger. Die Ansprüche verschieben sich mit den Möglichkeiten.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

lastboyscout

Eine sehr interessante Diskussion, die wirklich interessante Sichtweisen offenbahrt.
Bei mir verhaelt es sich folgendermassen:
Ich kann einen Film komplett ohne Vorwissen ansehen und geniessen. Im Kino oder bei Freunden zum Beispiel.
Wenn ich mir jedoch einen Film leihe, und ihn in meinen eigenen vier Waenden ansehen kann, wird meistens die Wikipedia, die IMDB, die HKMDB und die OFDB fuer Reviews und Hintergrundinformationen ueber die Filme konsultiert. Wenn es fuer mich eine Zweitsichtung ist, wird das meistens simultan erledigt. Audiokommentare sind da auch sehr hilfreich.
Auf diese Weise kann ich viele Dinge entdecken, die mir sonst vielleicht entgangen waeren.
Egal wie erfahren man auf dem Gebiet Film ist, man kann nicht Alles wissen, und fuer mich gehoert Hintergrundwissen zur Entstehung, den Effekten, Querverweisen, den Dreharbeiten usw. einfach dazu.
Sehr interessant finde ich auch, wenn man Gefallen an den Werken eines bestimmten Regisseurs findet, man sich seine Entwicklung als solcher ansehen kann, seinen Werdegang, wie sich sein Schaffen veraenderte usw.
Ebenso finde ich es ungeheuer interessant, die gesamten Verbindungen zu sehen, zum Beispiel "The Six Degrees Of Kevin Bacon". Auch wenn es im Endeffekt nur eine Spielerei ist, so sind die Ergebnisse manchmal doch erstaunlich.

Eine andere Art von Hintergrundwissen, die man meiner Meinung nach fuer manche Filme mitbringen sollte, ist der kulturelle Hintergrund bei einem Film, im speziellen das Land oder die Religion. Viele Leute sind zum Beispiel mit asiatischen Filmen komplett ueberfordert, weil sie keinerlei Ahnung haben von deren Gepflogenheiten, und somit viele Dinge einfach nur merkwuerdig fuer sie erscheinen.
Ging mir ja selber so, als ich meine ersten Asienklopper sichtete, dann spaeter ins japanische Kino einstieg mit Kitano und als krassem Gegensatz Chiba.

Wer von wem geklaut hat, ob das eine Hommage ist, ne Parodie, ne Anspielung, eine Querverbindung zwischen verschiedenen Werken usw. usw., ich will das wissen, sowas macht fuer mich das Filmeschauen viel interessanter.
Auch hab ich feststellen muessen, dass viele Bekannte es interessant finden, wenn man solche Informationen mit ihnen teilt, vor allem wenn es sich um Filme handelt, die ihnen gefallen.  :icon_mrgreen:

Die von Eric erwaehnte Gruppe von Filmsehern, die sich ihr sogenanntes Filmwissen fast ausschliesslich aus Buechern holen, fuer die hab ich wirklich nur ein muedes Laecheln uebrig.
Man wird ja auch kein Meister-Mechaniker vom Buecher lesen, da gehoert praktisches Training dazu.  ;)
I`m a tragic hero in this game called life,
my chances go to zero, but I always will survive.
( Funker Vogt - Tragic Hero )

What is your pleasure, sir? This is mine:
http://www.dvdprofiler.com/mycollection.asp?alias=lastboyscout

Bretzelburger

Man könnte die Frage auch andersrum stellen - Wieviel "Wissen" bringt Filmgenuss ? - Was gleichzeitig auch Rückschlüsse auf die Ausgangsfrage zuliesse.

Es war schon in der Schule so, wenn man sich für ein Fach ernsthaft interessierte, lernte es sich leichter. Wer Filmansehen nicht nur als
reinen Konsum betrachtet (was hier im Forum sicherlich selten vorkommt), erfährt automatisch mehr über sein Interessensgebiet. Das nimmt
dem Ganzen zwar eine gewisse Naivität, erweitert aber gleichzeitig auch den Horizont. Ich bin mir sicher, dass das Ansehen eines Films in Originalsprache
dem Betrachter auf Dauer mehr Interesse an anderen Sprachen (und dem dazugehörigen Kulturkreis) entlockt, als langweiliger Schulunterricht. Und wer mehr über sein Lieblingsgenre, Lieblingsdarsteller (beliebig erweiterbar) erfahren will, wird zunehmend an Informationen aus erster Hand interessiert sein. Das hat nichts mit nerdigem Ansammeln von Wissen zu tun, sondern entsteht ganz automatisch - und erhöht mit Sicherheit letztlich auch den Filmgenuss in diesem Bereich. Und ist auch kein Widerspruch zur manchmal gewünschten Naivität, denn sämtliche Gefilde der Filmbranche wird Niemand je vollständig erfassen können.

Diese Gedanken kamen mir, als ich mich für meinen Italo-Blog mit dem Mord an "Aldo Moro" beschäftigte. Jetzt könnte man sagen, dass das ein Spezialgebiet von mir wäre, aber das ist es im wissenschaftlichen Sinne natürlich nicht, denn es berührt letztlich nur eine kleine Anzahl von Filmen, die ich mir ansehe und besprechen möchte. Natürlich bin ich dafür auch immer auf der Suche nach Informationen und stiess per Google auf eine Semesterarbeit, die Jemand an der Uni Rostock fertigte und 2008 auf einer speziellen Seite für wissenschaftliche Texte veröffentlichte. Zum Einen war daran interessant, einmal die von mir schon durch die Filme in Erfahrung gebrachten Fakten, zusammengefasst und geordnet überprüfen zu können, zum Anderen fiel auf, dass der Autor bis auf einige interessante Details nicht viel mehr gefunden hatte. Im Gegenteil beging er einen schweren Fehler, indem er das Entstehungsjahr des Films über den Moro-Mord "Die Affäre Moro" (Il caso moro) in das Jahr 1976 versetzte, anstatt wie es korrekt gewesen wäre, 1986. Dazu verstieg er sich zu der Aussage, die Fiktion des Films wäre später (der Mord geschah 1978) Realität geworden, dabei ist es das genaue Gegenteil
- nämlich der Versuch, die 8 Jahre zurückliegenden Ereignisse nachzuvollziehen. Dem '86 entstandenen Film lag zudem einige Literatur zugrunde, die im Text auch erwähnt werden, aber durch die falsche Jahresangabe nicht richtig in Zusammenhang gebracht werden. Wahrscheinlich war das nur ein kleiner Lesefehler (7 statt 8), der Jedem hätte unterlaufen können, aber dadurch das der Autor sich mit den Filmen nicht auskannte, konnte er den Fehler nicht erkennen.

Es wäre natürlich besser gewesen, er hätte sich einfach mit einer Aussage zurückgehalten, da er selbst wusste, dass er nichts genaues darüber weiß, aber wie so oft in der wissenschaftlichen Aufarbeitung, traut man seinem Quellenstudium und historischen Texten mehr zu, als dem Medium Film - dabei kann man dokumentarische Aufnahmen, Zeitungsartikel, und die Aufarbeitung in Buch- und Bildform gar nicht mehr trennen, aber es zeigt sich, dass das Medium Film als Ausgangspunkt auch nicht schlecht ist, sein Wissen anzusammeln. Vorausgesetzt man öffnet sich selbst auch anderen Quellen.

Intergalactic Ape-Man

Zitat von: lastboyscout am  2 April 2010, 03:49:49
Eine andere Art von Hintergrundwissen, die man meiner Meinung nach fuer manche Filme mitbringen sollte, ist der kulturelle Hintergrund bei einem Film, im speziellen das Land oder die Religion. Viele Leute sind zum Beispiel mit asiatischen Filmen komplett ueberfordert, weil sie keinerlei Ahnung haben von deren Gepflogenheiten, und somit viele Dinge einfach nur merkwuerdig fuer sie erscheinen.

Ich stimme dir unbedigt zu, daß es diesen Konflikt gibt. Eingangs ging es zwischenzeitlich ja auch schon um das naive Grundverständnis des Films, der eigentlich zunächst ein relativ niedriges Bildungsniveau zu seinem Verständnis erfordert. Anstatt nun aber einen Film bewußt intellektuell hochzuschrauben, geht es in deinem Beispiel um ein viel interessanteres Problem: Die Kultur als solche.
Film ist ja bereits ein Stück Kultur und hat in jeden Land auf die Grundbedingungen reduziert den gleichen Entstehungsprozeß. Eine Kamera nimmt etwas auf und ein Publikum guckt es sich zeitversetzt an. Nun sind es nicht nur die asiatischen Filme, die das Publikum irritieren oder überfordern können, sondern es gibt zum Beispiel eine immer wieder festzustellende Abneigung z.B. gegenüber alten Filmen.
Ich frage mich in diesem Zusammenhang immer, durch wen nun dieses Problem entstehen kann. Ist es der unaufgeschlossene Zuschauer, der sich nicht auf diese Filme, die vielleicht ebenso simpel gestrickt sind, wie andere, einlassen will? Oder ist es tatsächlich der Film, der sich nicht an einen verbreiteten Kodex hält? Und falls ja, gibt es einen universellen, vielleicht dauerhaften, Kulturkodex?

Darüber hinaus habe ich mich kürzlich z.B. wieder darüber gefreut, an einem Ort aus einem Film schon einmal selbst gewesen zu sein. Das gibt einen gewissen Bezug und ein persönlicher Bezug ist wohl eine der ausschlaggebensten Bindungen an ein Kunstwerk überhaupt. Reist jemand vielleicht sogar seinen Lieblingsfilmen hinterher?

lastboyscout

@Ape-Man
Wobei ich hier noch etwas hinzufuegen moechte.
Wenn man Filme aus einem bestimmten Kulturkreis sieht kommt es definitiv auf deren Entstehungsland an.
Wurde der Film zum Beispiel in den USA gedreht, wird einem meist vorgekaut, wieso und weshalb.
Ist der Film jedoch in Japan entstanden, wird vom Zuschauer einfach erwartet, dass man ein bestimmtes Grundwissen mitbringt, und der Zuschauer das versteht.

Oft ist es wirklich vorhersehbar, wenn man mit bestimmten Leuten Filme kuckt, man kann fast auf die Sekunde vorhersagen, wenn man diesen fragenden Blick bekommt.  :icon_mrgreen:
Und im Endeffekt ist es ja nix Schlimmes, solange man den Film nicht automatisch als Scheiss abstempelt, nur weil man bestimmte Elemente nicht versteht.
Ich habe es auch ziemlich oft erlebt, dass die Sprachbarriere eine sehr grossen Rolle spielt fuers Filmverstaendnis.
Hier mal ein Link zu einer Bewertung zu dem (btw. hervorragenden) Film 50 Dead Men Walking, den ich erst kuerzlich sah:
http://www.imdb.com/title/tt1097643/board/nest/155027172  :LOL:
Sowas stimmt mich einfach traurig, das Sprichwort "Perlen vor die Saeue" trifft es wohl am besten.  :icon_rolleyes:

Oft habe ich es einfach aufgegeben, mit bestimmten Leuten ueber Filme zu diskutieren, weil sie sich vehement weigern, bestimmte Fakten in ihre Wertung einzubeziehen.
Womit ich wiederum den Bogen zu dem Argument von dir schlagen kann, dass viele Leute alte Filme ablehnen.
Schwarz-Weiss? Sowas seh ich mir garnicht erst an.
1954? Sowas Altes? Ne, die reden so komisch, ausserdem ist da zu wenig Aektschn.  :icon_rolleyes:
Traurig, sehr traurig.  :wallbash:

I`m a tragic hero in this game called life,
my chances go to zero, but I always will survive.
( Funker Vogt - Tragic Hero )

What is your pleasure, sir? This is mine:
http://www.dvdprofiler.com/mycollection.asp?alias=lastboyscout

MMeXX

Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 13 April 2010, 01:37:09Reist jemand vielleicht sogar seinen Lieblingsfilmen hinterher?

Nicht unbedingt den Lieblingsfilmen, aber ich kann mal Fotos vom Schwedenurlaub raussuchen, bei denen wir quasi "Schloss Gripsholm" imitiert haben.

Intergalactic Ape-Man

Zitat von: lastboyscout am 13 April 2010, 03:53:31
Ich habe es auch ziemlich oft erlebt, dass die Sprachbarriere eine sehr grossen Rolle spielt fuers Filmverstaendnis.
Hier mal ein Link zu einer Bewertung zu dem (btw. hervorragenden) Film 50 Dead Men Walking, den ich erst kuerzlich sah:
http://www.imdb.com/title/tt1097643/board/nest/155027172  :LOL:
Sowas stimmt mich einfach traurig, das Sprichwort "Perlen vor die Saeue" trifft es wohl am besten.  :icon_rolleyes:

Das ist aber schlicht uralte Ignoranz. So wie es britische Musikgruppen auch oft schwer auf dem amerikanischen Markt haben. Zumindest bestätigt der Thread dort einen doch darin, daß man auch bei besten Englischkenntnissen ab und zu Untertitel benötigen darf. Ich lass auch meistens englische Untertitel mitlaufen, wenn sie vorhanden sind, weil oft einzelne Figuren schlecht zu verstehen sind. Greise in Western z.B. machen es mir oftmals schwer, wenn sie um ihr Gebiß herum nuscheln. Oder irgendwelche hippen Gangster, die in einer mir nicht geläufigen Umgangssprache reden. Auch deutsche Dialekte machen es einem manchmal nicht unbedingt einfach. Sind wir da nun besser, weil unsere Filme seltener von Mundarten Gebrauch machen? Vielleicht ist für einen Amerikaner Irisch ja so, wie für uns Schwietzerdütsch?

Zitat von: lastboyscout am 13 April 2010, 03:53:31
Oft habe ich es einfach aufgegeben, mit bestimmten Leuten ueber Filme zu diskutieren, weil sie sich vehement weigern, bestimmte Fakten in ihre Wertung einzubeziehen.
Womit ich wiederum den Bogen zu dem Argument von dir schlagen kann, dass viele Leute alte Filme ablehnen.
Schwarz-Weiss? Sowas seh ich mir garnicht erst an.
1954? Sowas Altes? Ne, die reden so komisch, ausserdem ist da zu wenig Aektschn.  :icon_rolleyes:
Traurig, sehr traurig.  :wallbash:

Das kann man aber auch umdrehen. Ich guck z.B. eher selten neuere Filme, weil ich lieber an meiner Basis arbeite (was das Wissen über alte Filme angeht), weil es teurer ist, immer das Neueste zu gucken und weil mich aktuelle Filme oftmals nicht direkt ansprechen. Ich lerne dann aber doch immer wieder neuere Titel kennen, die mir gefallen. Oft auch erst nach mehreren Jahren. Da ich mich grundsätzlich für Film als solches interessiere, also kein Genre kategorisch ausschließe, überlege ich tatsächlich immer wieder, um das Themengebiet etwas einzugrenzen, mein Hauptinteresse noch mehr auf eine abgeschlossene Zeitepoche zu beschränken. Ist das nicht auch schon ignorant?

Chief Guard Ritter

21 April 2010, 01:09:25 #56 Letzte Bearbeitung: 21 April 2010, 01:27:36 von Chief Guard Ritter
Man kommt nicht umhin zu bemerken, dass ein voll entwickelter Gebildeter es sich eher erlauben kann, die trivialsten und vulgärsten Wissenszonen im Film zu überblicken. Man kann ihm (dem Gebildeten) wenigstens (entschuldigend) unterstellen, er interessiere sich nur im Lichte übergeordneter Zusammenhänge für diese Schmuddelecke und könne daraus Funken überraschender Signifikanz schlagen. Der Dumme dagegen verrät ein Gemüt, das sich von Schwachsinn ernähren muss.

ratz


Soll das ein Gedicht sein? Trotzdem stimmt die Kommasetzung nicht. Und nichts gegen einen Einstand mit Nachdruck, aber man kann's auch übertreiben - diesen Stil hälst Du eh nicht durch  :icon_mrgreen:

cu, r.

pm.diebelshausen

Andererseits: schön, dass es endlich mal jemand ausspricht. Aber schade, dass ich es nicht verstehe.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

lastboyscout

Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 20 April 2010, 17:55:47
Zitat von: lastboyscout am 13 April 2010, 03:53:31
Ich habe es auch ziemlich oft erlebt, dass die Sprachbarriere eine sehr grossen Rolle spielt fuers Filmverstaendnis.
Hier mal ein Link zu einer Bewertung zu dem (btw. hervorragenden) Film 50 Dead Men Walking, den ich erst kuerzlich sah:
http://www.imdb.com/title/tt1097643/board/nest/155027172  :LOL:
Sowas stimmt mich einfach traurig, das Sprichwort "Perlen vor die Saeue" trifft es wohl am besten.  :icon_rolleyes:

Das ist aber schlicht uralte Ignoranz. So wie es britische Musikgruppen auch oft schwer auf dem amerikanischen Markt haben. Zumindest bestätigt der Thread dort einen doch darin, daß man auch bei besten Englischkenntnissen ab und zu Untertitel benötigen darf. Ich lass auch meistens englische Untertitel mitlaufen, wenn sie vorhanden sind, weil oft einzelne Figuren schlecht zu verstehen sind. Greise in Western z.B. machen es mir oftmals schwer, wenn sie um ihr Gebiß herum nuscheln. Oder irgendwelche hippen Gangster, die in einer mir nicht geläufigen Umgangssprache reden. Auch deutsche Dialekte machen es einem manchmal nicht unbedingt einfach. Sind wir da nun besser, weil unsere Filme seltener von Mundarten Gebrauch machen? Vielleicht ist für einen Amerikaner Irisch ja so, wie für uns Schwietzerdütsch?

Ich lasse englische Untertitel mitlaufen, um bei der Rechtschreibung so gut wie moeglich zu werden.
Ganz selten dass ich wirklich noch Probleme mit gewissen Akzenten oder Rumgenuschle habe. Es hat wirklich Vorteile, taeglich mit der Sprache umgehen zu muessen, einen besseren Lehrer als das taegliche Leben gibt es in der Hinsicht nicht.
Und ich lerne immer wieder was Neues, es ist wirklich erstaunlich, wie viele Redewendungen und Mehrdeutigen die amerikanische Sprache zu bieten hat.  :eek:



Zitat von: lastboyscout am 13 April 2010, 03:53:31
Oft habe ich es einfach aufgegeben, mit bestimmten Leuten ueber Filme zu diskutieren, weil sie sich vehement weigern, bestimmte Fakten in ihre Wertung einzubeziehen.
Womit ich wiederum den Bogen zu dem Argument von dir schlagen kann, dass viele Leute alte Filme ablehnen.
Schwarz-Weiss? Sowas seh ich mir garnicht erst an.
1954? Sowas Altes? Ne, die reden so komisch, ausserdem ist da zu wenig Aektschn.  :icon_rolleyes:
Traurig, sehr traurig.  :wallbash:

Das kann man aber auch umdrehen. Ich guck z.B. eher selten neuere Filme, weil ich lieber an meiner Basis arbeite (was das Wissen über alte Filme angeht), weil es teurer ist, immer das Neueste zu gucken und weil mich aktuelle Filme oftmals nicht direkt ansprechen. Ich lerne dann aber doch immer wieder neuere Titel kennen, die mir gefallen. Oft auch erst nach mehreren Jahren. Da ich mich grundsätzlich für Film als solches interessiere, also kein Genre kategorisch ausschließe, überlege ich tatsächlich immer wieder, um das Themengebiet etwas einzugrenzen, mein Hauptinteresse noch mehr auf eine abgeschlossene Zeitepoche zu beschränken. Ist das nicht auch schon ignorant?


Ich hab dasselbe Problem.
Wenn ich eine meiner Online-DVDs zu Blockbuster in den Laden zurueckbringe, wandere ich oft fuer ne halbe Stunde ziellos umher, weil sie fast nur Schrott haben.
Meist versuche ich irgendwas Auslaendisches zu finden, irgendwas Unbekanntes. Die sogenannten Blockbuster-Filme lasse ich meist links liegen, richtige Filme gehen vor.  :icon_mrgreen:
Wenn ich so meine Online-Leihliste durchgehe, ist so gut wie garnix Neues dabei. Gut 95 Prozent sind Filme von vielleicht Mitte Neunziger und aelter.
Auch wie dir, so geht es mir wirklich darum, mir eine viel breitere Basis zu erarbeiten. Dabei wird (fast) kein Genre ausgelassen.


Habt ihr es andererseits schon erlebt, dass ihr im Endeffekt zuviel ueber Filme wisst?
Ich habe ehrlich gesagt das Problem, das in meinem kompletten Bekanntenkreis genau zwei Leute genuegend Wissen haben, damit ich eine interessante Diskussion ueber Filme mit ihnen fuehren kann.
Das soll keinesfalls ueberheblich klingen, es ist halt einfach interessanter, mit jemand ueber dieses Thema zu diskutieren, wenn er wirklich Ahnung von der Materie hat.
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What is your pleasure, sir? This is mine:
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