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Helft mir bei meiner Promotion

Begonnen von Seemops, 15 Mai 2010, 12:04:16

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Seemops

Ich hoffe, Ihr könnt mir helfen - ich bin mir eigentlich sogar ganz sicher, dass Ihr mir helfen könnt.

Ich hab mein Studium letztes Jahr beendet und nun möchte ich noch die Promotion draufsatteln. Mein Thema steht schon, aber an Beispielen, an denen es durchexerziert werden soll, daran mangelt es noch.

Es geht um Folgendes: Mein Thema ist die Konstruktion von Wirklichkeit, Identität, Rollen etc. Es geht also darum, dass alles, was wir wahrnehmen, nicht der tatsächlichen Wirklichkeit entspricht, sondern eben gefiltert durch unsere Wahrnehmung konstruiert ist. Dies kann auch durch die fünf Sinne geschehen. Mir geht es jetzt darum, dieses Thema anhand von fünf Beispielen zu vertiefen, die allesamt einen der fünf Sinne ins Zentrum stellen.

Um Euch ein Beispiel zu geben, das Euch das verdeutlichen soll: Nehmen wir "Das Parfum" (den Roman), worin der Protagonist seine Welt in erster Linie durch die Nase wahrnimmt. Seine Welt ist nicht visuell geprägt, wie es in der allg. Gesellschaft der Fall ist, sondern olfaktorisch. Dies bedeutet auch ein völlig anderes Wertesystem und eine andere Beziehung zu Menschen. Dies zeigt aber auch, dass unsere Weltwahrnehmung nicht absolut wahr ist, sondern dass diese - bedingt durch den überproportional ausgeprägten Sinn - auch ganz anders von statten gehen kann.

Daher ist "Das Parfum" auch mein Beispiel für den Geruchssinn. Den Sehsinn habe ich bereits mit einem anderen Roman besetzt.

Mir fehlen nun noch Beispiele für die anderen drei Sinne. Dabei könnte ich mir sehr gut vorstellen, dass eines der Beispiele ein Film sein könnte.

Daher meine Frage an Euch, ob Euch da nicht ein paar Filme in den Sinn kommen, die sowohl mein Thema in den Vordergrund stellen als auch einen der drei verbliebenden Sinne - gerne auch in Variation (also essen statt schmecken). Nach Möglichkeit sollte dieser Sinn aber nicht "fehlen" - ich kann das schlecht daran aufziehen, dass jemand nicht schmecken kann, wenn es darum geht zu zeigen, wie er durch schmecken seine Welt anders erfährt (obwohl: wenn ich es mir recht überlege, sagt einfach, was Euch in den Sinn kommt).

Da ich vorhabe, meine Beispiele nach 1945 zu datieren, wäre es gut, wenn auch der Film nicht älter ist. Sprache/Land ist egal, es sollte nur nicht irgendein völlig unbekannter B-Film sein.

Wenn euch auch literarische Beispiele einfallen, dann her damit.

So - ich hoffe auf zahlreiche Antworten - Ihr könnt natürlich gerne auch das Thema allgemein diskutieren. Danke schön! :D
"Ford - ich glaube, ich bin ein Sofa!"

ratz


Zum Thema Essen gibts natürlich Ferreris Das große Fressen, oder am anderen Ende der Skala Knut Hamsuns Roman Hunger, der auch verfilmt wurde (hier).

Hören: Jenseits der Stille, und ein vermutlich sehr grottiger Beethoven-Film

cu, r.

shellat

15 Mai 2010, 12:56:12 #2 Letzte Bearbeitung: 15 Mai 2010, 13:23:33 von shellat
Wahrnehmungspsychologie ist ja schon ein sehr breit gefächertes Thema, sie allein füllt schon so einige Bibliotheken, von daher ist eine Auswahl gar nicht so leicht zu treffen.

Zum Thema Essen empfehle ich folgenden Film, er lässt sich vielleicht noch zusätzlich durch nationale Unterschiede in diesem sensiblen Bereich erweitern:

Brust oder Keule

http://www.ofdb.de/film/5476,Brust-oder-Keule




Allgemein ließe sich die Thematik außerordentlich gut noch mit der Synästhesie verknüpfen, ein Feld mit gut wissenschaftlich belegten Daten und Fakten:

http://de.wikipedia.org/wiki/Syn%C3%A4sthesie
"Elucidarium: Dino-Idiotica"

http://elucidarium.bplaced.net/

Chowyunfat2

15 Mai 2010, 14:56:11 #3 Letzte Bearbeitung: 15 Mai 2010, 15:14:28 von Chowyunfat2
Zitat von: ratz am 15 Mai 2010, 12:40:02
Hören: Jenseits der Stille, und ein vermutlich sehr grottiger Beethoven-Film
Nochmal 'Hören': Schlafes Bruder
*edit*
Ist übrigens eine Literaturverfilmung des gleichnamigen Romans.

wusselpompf

zum Thema fühlen vielleicht "Johnny got his Gun" http://www.ofdb.de/film/10001,Johnny-zieht-in-den-Krieg

Auf jeden Fall ein sehr spannendes Thema für die Diss. Als "Leidensgenosse" von mir viel Erfolg dafür :)
Galactic President Superstar McAwesomeville

"You're not married, you haven't got a girlfriend and you never watched Star Trek? Good Lord" - Patrick Stewart "Extras"

Chowyunfat2

15 Mai 2010, 15:34:36 #5 Letzte Bearbeitung: 15 Mai 2010, 16:36:22 von Chowyunfat2
Dann drängen sich ja eigentlich auch Filme auf, deren Hauptprotagonist blind oder taub ist (gibt es ja so einige z. B. Der Duft der Frauen) oder ist das zu billig?
*edit*
Wohl zu billig, weil es da wohl eher um den Verzicht, als um eine Fixierung/Orientierung durch eine Sinneswahrnehmung geht. Aber zum Thema Schmecken ist mir der noch eingefallen: Bittersüße Schokolade

pm.diebelshausen

Was ist denn eigentlich Dein Fach? Psychologie, Philosophie, Kulturtheorie, Kunstgeschichte?
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

Seemops

Danke schon mal für Eure Antworten, da werd ich mich gleich mal drüber machen ;)

Zitat von: pm.diebelshausen am 15 Mai 2010, 16:23:43
Was ist denn eigentlich Dein Fach? Psychologie, Philosophie, Kulturtheorie, Kunstgeschichte?

Neuere deutsche Literaturwissenschaft. Allerdings ist das Thema so übergeordnet, dass es wohl schon ok wäre, wenn ich einen Film dazu nehme. Es sollten nur hauptsächlich deutschsprachige Literatur sein.
"Ford - ich glaube, ich bin ein Sofa!"

pm.diebelshausen

Dann fällt mir ganz spontan Peter Bichsels "Kindergeschichten" ein und darin vor allem "Ein Tisch ist ein Tisch", weil Du von der "Konstruktion von Wirklichkeit, Identität" schreibst. Wahrscheinlich ist dir das in der Linguistik schonmal begegnet, die Geschichte wird von Sprachwissenschaftlern gerne zur Illustrierung der Arbitrarität von Worten/Sprache herangezogen. Ist aber generell ein klasse Buch, das man schnell mal lesen kann.

Berührst Du denn das Thema Identität auch in Hinblick auf Körper/künstliche Körper? Als Schlagworte E.T.A.Hoffmann, Golem, Blade Runner, "A.I.": und dann die spannende Frage, wie die Selbstwahrnehmung künstlicher Intelligenz ist. Frankensteins Monster oder HAL in "2001 - Odyssee im Weltraum". Ich spinne grad nur mal so rum. Sind natürlich die ersten Dinge, die da einfallen und ich weiß nicht ob das für eine Promotion dann genügend Neuland bietet.

Die (Spiel-)Dokumentationen "What the Bleep Do We Know" und "Further Down the Rabbit Hole" (Fortsetzung) sind dann genrell wahrscheinlich interessant für Dich, was die Erschaffung von Realität angeht (auch im Hinblick auf Gehörlosigkeit) - vielleicht kommst Du beim Ansehen auf Ideen. Ebenso vielleicht "Waking Life" von Richard Linklater.

Wie man die Welt durch den Geschmackssinn wahrnimmt ist ja mal spannend. Aber da fällt mir außer Kannibalen leider nix ein.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

ratz


Evtl. gibt ja die (mir nicht bekannte) Woyzeck-Verfilmung von Herzog was her? Und in der Blechtrommel sind doch auch, wie bei Grass überhaupt, viele sensuelle Reize plaziert.


Fastmachine

Zum "Sehen" fiele mir sogar ein deutscher Roman samt Verfilmung ein.

Lion Feuchtwanger veröffentlichte 1951 seit Spätwerk "Goya oder Der arge Weg der Erkenntnis". Es geht um den Weg, den Goya in seiner Kunst zurücklegt, bis er die Wirklichkeit seines Landes, Spanien im späten achtzehnten Jahrhundert, richtig sieht und zur Darstellung bringt. Goya macht die Angst sichtbar, die das Land beherrscht. Die Kunst bringt ihn dann auch dazu, seiner eigenen Postion in der Gesellschaft bewusst zu werden. Also ein Künstlerroman.

Von Konrad Wolf gibt des dazu eine Verfilmung aus dem Jahr 1971. Die habe ich vor sehr langer Zeit einmal gesehen und fand sie damals recht gelungen.

Goya oder Der arge Weg der Erkenntnis



Ich mag keine Filme; die verblöden nur. (Alfons d. Ä.)

McClane

Der Film ist zwar echt kein Highlight und hat einen etwas anstößigen Ruf, aber zum Thema Fühlen und/oder Schmecken könnte man natürlich "9 1/2 Wochen" heranziehen, da es ja die ganze Zeit um diese sensorischen Reize geht, während man das Teil narrativ so ziemlich in die Tonne treten kann.

Ich habe "Harvard Man" nicht gesehen, aber laut dieser Kritik ( http://www.schnitt.de/202,2901,01 ) soll der ja von filmischer Seite durchaus interessante Ansätze zum Thema Audiowahrnehmung besitzen.
"Was würde Joe tun? Joe würde alle umlegen und ein paar Zigaretten rauchen." [Last Boy Scout]

"testosteronservile Actionfans mit einfachen Plotbedürfnissen, aber benzingeschwängerten Riesenklöten"
(Moonshade über yours truly)

pm.diebelshausen

16 Mai 2010, 11:00:29 #12 Letzte Bearbeitung: 16 Mai 2010, 11:02:08 von pm.diebelshausen
Da fällt mir gerade "L.A.Crash" ein, der ja auf der Schlüsselaussage aufbaut, dass sich die Menschen nur noch wirklich begegnen und wahrnehmen, wenn sie ineinander stoßen. Da kann man, was das Taktile angeht, was rausholen: die Grenzen der persönlichen Identität und die Sicherung dieser Grenzen, die Distanzierung von anderen und die Vermeidung von Kontakt, das Unfallhafte und Katastrophale an den verbleibenden Crash-Begegnungen...
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

barryconvex

Ich habe den Film nur sehr ausschnitthaft gesehen, möglicherweise paßt er zum Thema Geschmackssinn:

http://www.ofdb.de/film/95440,Snow-Cake

PierrotLeFou

"Hören" spielt in einigen Filmen eine große Rolle, in denen die Bildspur möglichst weit getilgt wird:

"Blue" von Jarman dürfte einen Blick Wert sein (ein Hinhören sowieso) und ist auch leicht zu bekommen...

"L'Àpat" von Carles Santos und Walter Ruttmanns "Weekend" (wobei der zu alt ist, um die Vorgaben zu erfüllen) fallen mir da auch noch ein, sind da allerdings vielleicht doch etwas "exotischer"...
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

TheDude

Zitat von: Seemops am 15 Mai 2010, 12:04:16
Es geht um Folgendes: Mein Thema ist die Konstruktion von Wirklichkeit, Identität, Rollen etc. Es geht also darum, dass alles, was wir wahrnehmen, nicht der tatsächlichen Wirklichkeit entspricht, sondern eben gefiltert durch unsere Wahrnehmung konstruiert ist. Dies kann auch durch die fünf Sinne geschehen. Mir geht es jetzt darum, dieses Thema anhand von fünf Beispielen zu vertiefen, die allesamt einen der fünf Sinne ins Zentrum stellen.

Moin moin,

das Thema "Selektive Wahrnehmung und Konstruktion von Wirklichkeit" erinnert mich an den radikalen Konstruktivismus von v.Glaserfeld und Foerster, aber da habe ich zu wenig Hintergrund.

Zum Aspekt "Fühlen" würde ich als Film an erster Stelle Die Hölle von Claude Chabrol vorschlagen, weiters Trainspotting, Altered States, Johnny got his gun, Lola rennt, Wer hat Angst vor Virginia Woolf, Week-end von Godard oder Der Trip von Roger Corman.
Ein im Alltag zu beobachtender Aspekt ist das reflexartige "Mitboxen" bzw. "Mittreten" bei Prügelszenen in Filmen bzw. Sportsendungen, aber das sprengt wahrscheinlich den Rahmen des Themas.

Für das "Sehen" präferiere ich ganz klar Koyaanisqatsi, der platzt ja fast vor assoziativer Konstruktion von Wirklichkeit. Dass darin die darstellenden Rollen und Identitäten nicht von Personen, sondern von... :icon_mrgreen: besetzt werden, setzt dem ganzen die Krone auf.
Jackie Treehorn: Die Menschen vergessen, dass das Gehirn die größte erogene Zone ist.
Dude: Bei Ihnen vielleicht.

Seemops

Danke für Eure vielen guten Vorschläge. Ich habe mich ein bisschen rar gemacht, da ich bis vor kurzem noch auf Jobsuche war. Da ich nun aber erfolgreich war, kann ich hier wieder ein bisschen schreiben.

Was haltet ihr denn von Peter Greenaways "Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber". Kann mir vielleicht jemand etwas über diesen Film erzählen? Besonders in Bezug auf die Darstellung des Essens?

Ich überlege gerade, ob ich nicht noch einen Film dazu nehmen und zwar zum Sinn "Hören". Mir schwebt da so etwas vor, wie: Jemand hat eine besondere Neigung zur Musik und baut sich entsprechend seine Welt anhand dieser auf und dies wird im Film z.B. durch eine starke Betonung der Hntergrundmusik dargestellt. Vielleicht ähnliches auch mit anderen Geräuschelementen.

Fällt Euch dazu etwas ein?
"Ford - ich glaube, ich bin ein Sofa!"

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