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Warum sind deutsche Serien so mies?

Begonnen von wusselpompf, 4 April 2012, 09:50:12

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wusselpompf

http://www.spiegel.de/kultur/tv/0,1518,822803,00.html

Das Interview bringt durchaus einige interessante Aspekte auf den Tisch, finde ich. Allerdings würde ich nicht den Fehler machen, das europäische Fernsehen in einen Topf zu werfen. Allein aus Großbritannien kommt doch verhältnismäßig wesentlich mehr hochwertige Fernsehunterhaltung als aus deutschen Landen.
Galactic President Superstar McAwesomeville

"You're not married, you haven't got a girlfriend and you never watched Star Trek? Good Lord" - Patrick Stewart "Extras"

Eric

Och, würde ich so jetzt nciht mal sagen. Es gibt schon durchaus gute deutsche Formate.
Sei es jetzt im Bereich Krimi (TATORT) oder Komödie (BERLIN, BERLIN zum Beispiel). Aber auch verschiedene andere Formate. Ich sehe zum Beispiel wahnsinnig gerne GERNSTL UNTERWEGS auf BAYERN.

Ich denke, dass Problem liegt eher daran, dass die Macher immer versuchen ausländische Konzepte zu übernehmen und ihnen dann einen "deutschen Touch" zu verpassen. Und der Schuss geht, meiner Meinung nach, meistens nach hinten los.
Natürlich gibt es auch Ausnahmen (Nenne hier jetzt mal BORGIA), aber die sind doch eher selten.

Ich denke dass könnte auch daran liegen, dass sich die deutschen Macher an schwierigere Stoffe einfach nicht ran trauen. So etwas wie z. B. GAME OF THRONES, WALKING DEAD, 24, LOST, FLASHPOINT, ..., wird es bei uns wohl nie geben.
Dann "lieber" wieder LENZEN UND PARTNER, SALESCH, KOCHDUELL, BERLIN BEI NACHT und wie der ganze Rotz sonst noch heisst. Formate, mit denen man verlässlich sein Zielpublikum anspricht ohne viel Arbeit reinzustecken.
Liebe Ursula,
wünsch dir frohe Ostern, nen tollen Namenstag und nen guten Rutsch ins Jahr 1978!
Grüsse aus der Alzheimergruppe, deine Tante Günther!

Ich hasse Menschen, Tiere + Pflanzen. Steine sind ok.

Akayuki

Sehr interessantes Interview.  :respekt:

Ich denke den hiesigen Sendern fehlt auch einfach der Mut, innovativere Formate umzusetzen. In den deutschen Serien sollen oftmals aktuelle Themen, oder allerlei kontroverses verwurstet werden. Sowas schadet natürlich der eigenen Kreativität. Von den seichten Telenovela Sachen will ich besser mal gar nicht erst sprechen. Da kann man doch wirklich froh sein, dass man zur arbeitenden Bevölkerung gehört und sich diesen Unsinn nicht antun muss.

Allerdings denke ich, dass vom Qualitätsmangel nicht nur die deutschen TV-Formate betroffen sind, sondern auch viele Filmproduktionen.
Original Zitat: "Ey Leute, Hard Boiled ist besser als Sex! Da hast du zwei Stunden pure Äckschen!"


wusselpompf

Zitat von: Eric am  4 April 2012, 10:21:20
Och, würde ich so jetzt nciht mal sagen. Es gibt schon durchaus gute deutsche Formate.
Sei es jetzt im Bereich Krimi (TATORT) oder Komödie (BERLIN, BERLIN zum Beispiel). Aber auch verschiedene andere Formate. Ich sehe zum Beispiel wahnsinnig gerne GERNSTL UNTERWEGS auf BAYERN.
[...]
Ich denke dass könnte auch daran liegen, dass sich die deutschen Macher an schwierigere Stoffe einfach nicht ran trauen. So etwas wie z. B. GAME OF THRONES, WALKING DEAD, 24, LOST, FLASHPOINT, ..., wird es bei uns wohl nie geben.
Dann "lieber" wieder LENZEN UND PARTNER, SALESCH, KOCHDUELL, BERLIN BEI NACHT und wie der ganze Rotz sonst noch heisst. Formate, mit denen man verlässlich sein Zielpublikum anspricht ohne viel Arbeit reinzustecken.
So grundsätzlich habe ich die Kritik gar nicht verstanden, Scheißserien gibt es natürlich überall, genauso wie es in Deutschland gute TV-Kost gibt. Allerdings denke ich, dass der Tatort ganz gut das einfängt, was der Autor sagen will... Derartige deutsche Produktionen können in keinerlei Hinsicht mit den Produktion Values amerikanischer Serien mithalten - und zwar durch die Bank. Da stellt sich schon die Frage, warum das so ist?
Mich würde im Vergleich auch mal interessieren, wie das Frankreich aussieht, wo regelmäßig teure, gut ausgestatte Filme produkziert werden. Ist das bei Fernsehserien ähnlich?

Das aus Deutschland keinerlei Genrekost (sowohl im TV als auch Filme) kommt, ist ja leider schon eine traurige Tradition (Ausnahmen wie Operation Ganymed und Schatz im Weltall bestätigen die Regel). Ich kenne mich da im Detail nicht aus, vermute aber dass das mit den Filmförderstrukturen hierzulande zu tun hat.
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Roughale

Der Artikel zeigt deutlich, dass das grösste Problem das Geld ist, er erwähnt ja, wie wichtig die Kohle ist und damit sind wir national halt im Nachteil, weil es nicht genug Zuschauer gibt, um vergleichbar hohe Budgets der Top US Serien zu rechtfertigen, das wär verbranntes Geld. Über die Sprachgrenze hinaus, kommt dann natürlich die jeweilige, nationale Konkurenz dazu. Oft ein schwieriges Feld...

Das Problem ist auch das andauernde vergleichen - ERIC hat ein paar gute Beispiele genannt, die wirklich auf ihre Art mithalten können, beim Tatort muss man aber ein paar Regionen ausklammern, besonders wahrscheinlich demnächst den TilOrt aus HH ;)

Und wenn man schon vergleicht, dann werden immer nur die Top Serien genannt, hat jemand schon mal in den USA verweilt und gezappt? Mit dem Schrott, den man da zu den schlechteren Sendezeiten vorgesetzt bekommt, können wir auch nicht mithalten, da bekommen sogar unsere miesesten Gurken noch Niveauansätze!

esta es la mejor mota
When there is no more room for talent OK will make another UFC

Eric

Zitat von: Roughale am  4 April 2012, 10:55:09
... hat jemand schon mal in den USA verweilt und gezappt? Mit dem Schrott, den man da zu den schlechteren Sendezeiten vorgesetzt bekommt, können wir auch nicht mithalten, da bekommen sogar unsere miesesten Gurken noch Niveauansätze!

Jep, war ja erst drüben.
Die Serien, die dort im Vorabend-Programm laufen kann man durchaus mit Pro7 oder RTL2 Niveau gleichsetzen, wobei es da auch absolute "Kracher" gibt wie z. B. PAWN SHOP (oder wie die heisst).  ;)

Was das Thema Geld betrifft:
Ich sehe das etwas anders. Schliesslich werden auch deutsche Serien EXTREM gut ins Ausland verkauft. Also der Markt wäre somit schon vorhanden, ..., nur der Mut fehlt, denke ich zumindest.
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Roughale

Zitat von: Eric am  4 April 2012, 10:58:54...

Was das Thema Geld betrifft:
Ich sehe das etwas anders. Schliesslich werden auch deutsche Serien EXTREM gut ins Ausland verkauft. Also der Markt wäre somit schon vorhanden, ..., nur der Mut fehlt, denke ich zumindest.

Wie gesagt: Da kommt die nationale Konkurenz ins Spiel, es ist nicht unmöglich, aber recht schwer, denn wenn was gut ist, dann machen die Amis zB lieber ein eigenes Remake, wie zB Verliebt in Berlin -> Ugly Betty - obwohl da ja Kolumbien den Ursprung lieferte...

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Moonshade

Ich denk, das Interview liefert wirklich die schlüssigen Gründe: wenig Geld, keine Autorenteams, kein Leistungsdruck - und natürlich wird so etwas die wildwachsende Kreativität abgewürgt.

Letztendlich sind viele Serien einfach zu verkopft angegangen, wie Ulmens "Dr.Psycho", der als Monk-Derivat eine Riesenchance hatte, aber einfach zu beliebige Tralala-Skripte präsentierte, die nur Ulmen die Möglichkeit zur Präsentation bot, aber sonst nichts.

Auch muß man bedenken, daß viele ältere Semester die deutschen, etwas steifen oder braven Serien zu schätzen wissen, was manchmal sogar auf die Jüngeren abfärbt - bestes Beispiel ist der enorme Erfolg des Tatorts, den ich mir trotz Dauerbeschallung so gut wie nie ansehe, einfach weil die Fälle und die Fahnder irre spießig (so wie ein Gutteil des Publikums) oder sich an aktuelle Themen anbiedern, ohne sie zu beherrschen. Wirklich zwingende Charaktere fallen dabei so gut wie nie ab.
Die Anwandlung, für die jüngere Generation, Action-, Krimi- oder Mystery zu produzieren, ist meistens nur Kopiererei oder scheitert an den o.a. Gründen, von Ausnahmen wie "Cobra 11" mal ausgenommen, die sich aber auch nicht eben an einen erhöhten IQ wenden.

Qualität gibt es aber: "Doctor's Diary" war ein schöner Erfolg, "Der letzte Bulle" ist vom Grundkonzept nicht schlecht, "Danny Lowinski" hat auch enormen Erfolg, genauso wie z.B. "Edel und Starck" sehr gut funktioniert hat. Und Endlosbrenner wie "Großstadtrevier" sind sowieso über jeden Zweifel erhaben. "Türkisch für Anfänger" war genauso großartig wie "Berlin, Berlin" oder mein persönlicher Favorit "Mein Leben und ich", das ich heute noch mit wahrer Begeisterung auf SuperRTL schaue.

Man muß natürlich auch bedenken, wie viele Hit-and-Misses es bei den Amis gibt, wo bis zu zwei Drittel aller Neustarts sofort im 1.Jahr wieder scheitern. Das kann ein kleines Land wie Deutschland nicht stemmen.

Meine Empfehlung richtet sich an das Autorenproblem im Interview, speziell das Fehlen von Showrunnern - wie es etwa Russell T.Davies lange bei "Dr.Who" und "Torchwood" gemacht hat und zumindest bei ersterem gehört die Ära Ecclestone/Tennant (5 Staffeln) zum skripttechnisch leckersten überhaupt.

Und viel braucht man auch nicht für einen Erfolg, wie die hier gerade erst erhältliche Serie "The Misfits" aus UK beweist, die praktisch zu 80 Prozent nur an einem Themsebecken in einem Vorort von London spielt und trotzdem nur mit fünf Hauptdarstellern mitreißt, Superkräfte und knallige Figuren inclusive.
"Du hältst durch und ich halte durch und nächstes Jahr gehen wir einen saufen!

"Anything invented after you're thirty-five is against the natural order of things.!" (Douglas Adams)

Roughale

Zitat von: Moonshade am  4 April 2012, 11:48:26...

Meine Empfehlung richtet sich an das Autorenproblem im Interview, speziell das Fehlen von Showrunnern - wie es etwa Russell T.Davies lange bei "Dr.Who" und "Torchwood" gemacht hat und zumindest bei ersterem gehört die Ära Ecclestone/Tennant (5 Staffeln) zum skripttechnisch leckersten überhaupt.
...

Auf die Gefahr hin, etwas ins OT zu verfallen, muss ich das etwas ergänzen und relativieren: Russell T. Davies hatte meiner Meinung nach nicht das richtige Team, oder war nicht in der Lage, mit seiner Serie Torchwood nach USA umzuziehen, Staffel 4 war weak at best... Aber sein Nachfolger bei Doctor Who, Steven Moffat, schafft es gerade immer mehr, Doctor Who auf die USA zu erweitern - wo liegt da der Knackpunkt? Eventuell war Torchwood aber auch einfach nicht auf demselben Niveau, wie der Doc...

Ansonsten hast du wirklich schöne Beispiele für bei uns erfolgreiche Serien genannt, aber ausserhalb der deutschsprachigen Länder kennt man die wohl eher nicht, oder? Derrick war ja international erfolgreich, ich erinnere mich gern an die irgenwo mal gezeigten Szenen in den verschiedensten Sprachen ;)

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McClane

"Was würde Joe tun? Joe würde alle umlegen und ein paar Zigaretten rauchen." [Last Boy Scout]

"testosteronservile Actionfans mit einfachen Plotbedürfnissen, aber benzingeschwängerten Riesenklöten"
(Moonshade über yours truly)

Bretzelburger

Danke für den Artikel - leider trifft er es genau. Ich war in den 70ern und 80ern noch ein begeisterter "Fernsehgucker", aber seit mehr als 10 Jahren habe ich keinen Fernseher mehr und vermisse ihn keinen Tag. Vor 10 Jahren hatte das noch den Ruch einer ideologischen Haltung, fast musste man sich für das "Anderssein" entschuldigen, heute höre ich nur noch, das man selbst keinen Fernseher mehr hat, ihn kaum noch anstellt oder nur Sportsendungen sieht.

Ich mochte übrigens auch die deutschen Serien damals, sehe nach wie vor gerne alte Tatort-Folgen auf DVD - es ist nicht das manchmal deutsch-betuliche, was mich stört - das hat ja auch etwas vertrautes, so wie ich auch gerne deutsche Filme im Kino sehe. Ich halte einfach die Suche nach der Nadel im Heuhaufen nicht mehr aus. Letztes Jahr, habe ich monatelang die Woche in Hotels übernachtet, hatte immer einen Fernseher auf dem Zimmer und oft Zeit, wenn ich mich irgendwo in ländlichen Gefilden befand. Am Anfang machte ich den Fernseher noch an, dann nicht mehr. Lieber habe ich mir eine DVD auf meinem Laptop angesehen.

Der Artikel hat mir aber die Frage beantwortet, warum sich die Qualität immer mehr nivelliert - das Fernsehen ist tatsächlich noch erfolgreich. Genau das hatte mich immer gewundert, denn - wie gesagt - ich habe in den letzten Jahren festgestellt, das immer mehr Menschen die gleiche Meinung vertraten. Das scheint sich leider statistisch nicht auszuzahlen. Und wenn wir ab nächstes Jahr jeder dafür zahlen müssen, braucht man sich noch weniger Mühe zu geben.


MäcFly

5 April 2012, 15:04:04 #11 Letzte Bearbeitung: 5 April 2012, 15:09:31 von MäcFly
Von mir auch ein Dankeschön an McClane für den Link - so prägnant auf den Punkt brachte die Problematik noch kein mir bekannter Artikel.

Vor allem folgenden Aussagen sollte man Beachtung schenken:

- es wird soviel fern gesehen wie nie zuvor, obwohl dabei nicht fern gesehen wird, sondern lediglich der Fernseher als "Nebenbeimedium" läuft
- wem qualitativ hochwertiges Fernsehen wirklich etwas bedeutet, der muss fast zwangsläufig auf das Internet oder DVD/BD ausweichen oder hoffen, dass er die von Bretzelburger angesprochene Nadel im Heuhaufen findet.

Meine Meinung: im deutschen Fernsehen ist schon noch Qualität da, aber wer will die bitte nachts um 2 in einer Phoenix-Doku oder auf dem hinterletzten Programmplatz eines Spartensenders finden? Ich habe kürzlich im ,,Nostalgie"-Thread im OT-Forum geschrieben, dass ich die Zeiten vermisse, in denen es noch Fernsehausstrahlungen gab, auf die man wie auf ein ,,Event" hin gefiebert hat (im speziellen Fall ,,Jurassic Park".) Das können natürlich auch verklärte Kindheitserinnerungen sein – aber heute fiebere ich im TV vielleicht noch der nächsten Fußball-WM entgegen. Und sonst? ,,Wetten dass ..." mit Lanz – dass ich nicht lache! Es stimmt schon, was im Artikel steht: Das beste Fernsehen findet derzeit auf DVD und Blu-ray statt.

Am schlimmsten finde ich dann hochnotpeinliche Veranstaltungen wie den Deutschen Fernsehpreis oder die Bambi-Verleihung, wo sich die Branche mit den immer gleichen Gesichtern in einer Art und Weise selbst beweihräuchert, als hätte sie das Rad der Unterhaltung neu erfunden. Fremdschämen deluxe!

Doch wie soll es besser werden, wenn der überwiegende Teil des Publikums es selber so haben will? Der wohl beste TV-Film des letzten Jahres (,,Polizeiruf 110: Cassandras Warnung") bekommt in den Foren der Öffentlich-Rechtlichen den ganzen spießbürgerlichen Volkszorn zu spüren. Als Sendeverantwortlicher würde ich da auch nichts riskieren. Weshalb den heiligen Sonntagabend-Krimi-Sendeplatz gefährden, wenn man mit einer sicheren Nummer regelmäßig acht Millionen vor die Kiste lockt?

Vielleicht ist das deutsche Fernsehen wirklich zum Nebenbeimedium verdammt. Alles, was halbwegs Aufmerksamkeit fordert, woran man sich einen Tag später noch erinnert, ist unerwünscht. Mir persönlich macht das dank Internet und DVD-Player wenig aus, aber ich hätte doch gerne die Zeit erlebt, als Serien wie ,,Tadellöser & Wolff", ,,Irgendwie und Sowieso" oder ,,Heimat" von Millionen Zuschauern gesehen wurden und nicht das Schicksal von ,,Im Angesicht des Verbrechens" ereilt hat.

"Man muss immer darauf achten, dass man ein gewisses Niveau nicht unterschreitet - sonst ist es schnell aus."

"Wenn man Mubarak heißt oder Kosslick, dann kann man alles machen." (Uwe Boll)

dekay

Gehaltvolles Interview, pointierter Essay - beides spiegelt meine Meinung über deutsches Fernsehen fast 100%ig wider. Geld haben wir in Deutschland fürs TV eigentlich genug. Immerhin gibt es einen fast 100 Millionen Köpfe umfassenden deutschsprachigen TV-Werbemarkt in Europa und ein dank Zwangsgebühren fettlebriges öffentlich-rechtliches System, das nicht weiß, wohin mit der vielen Kohle. Gerade für Sportrechte, die genauso gut die Privatsender kaufen könnten, wird die Zuviel-Kohle rausgeworfen - ob ChampionsLeague, Olympia oder Fußball-EM/WM. Und durch Ko-Produktionen mit anderen europäischen Ländern könnte man auch viel mehr Genre-Produktionen etwa aus dem Historien-, Sci-Fi- oder Thrillerbereich herstellen. Natürlich haben da (anglo-)amerikanische Produktionen mit einem 325-Mio.-Köpfe-Markt in Nordamerika (+ U.K.) die Nase erstmal vorn.

Was meines Erachtens vor allem fehlt, ist die Traute, ein paar ambitionierte Produktionen anstelle des Einheitsbreis für die Generation 60+ herzustellen, durchaus mit dem Risiko, dass 80, 90% schnell wieder im Orkus landen. Ich persönlich gucke an deutschen Produktionen praktisch nur Nachrichten. Ausreißer wie "Stromberg" sind meistens nur deutsche Adaptionen anglo-amerikanischer Produktionen. Vor Jahren lief mal experimentmäßig eine ganz nette Dystopie der alternden deutschen Gesellschaft (http://www.ofdb.de/film/116715,2030---Aufstand-der-Alten). Das war echt mal was Außergewöhnliches im deutschen TV, aber die Schraube wurde auch hier nicht konsequent angezogen: In dieser Pseudo-Doku aus der Zukunft sprachen die Interviewten wie vom Blatt lesend, nicht etwa wie man wirklich spräche, wenn man interviewt wird. Ich denke nicht, dass es an den Schauspielern lag, sondern eher an der ZDF-Redaktion, die bei zuviel Realismus besorgte Anrufe ihrer Stammkundschaft vermeiden wollte, ob ihre Rente denn noch sicher sei. Schade.

Aber solange sonntags der "Tatort" 10 Mio. und der Pilcher-Film 6 Mio. Zuschauer hat, während parallel selbst US-Blockbuster bei der Free-TV-Premiere auf RTL oder Pro7 nur von 3-4 Mio. Zuschauern gesehen werden (klar, sowas guckt man im Kino oder auf Disc), wird sich da nix ändern. Oder eben "Um Himmels Willen" lieber als "CSI" usw. usf. Ich denke, der Graben zwischen Alt mit diesem bescheuerten überfinanzierten ÖR-Rundfunk und Jung, die eben (wie wir) lieber was Anderes schauen, wird in den nächsten Jahren so groß werden, dass eine Riesendiskussion um die Finanzierung des deutschen Fernsehens aufkommen wird mit dem Ergebnis, dass es weniger Zwangskohle gibt und mehr Kreativität gezeigt werden muss, um seine Existenz noch zu rechtfertigen. Erste Anzeichen sind vielleicht schon zu erkennen: Der neue ZDF-Intendant hat gnadenloses Sparen zumindest angekündigt und für die Programminhalte Leute von ZDFneo zum Hauptsender geholt. Immerhin habe ich (in insgesamt allerdings äußerst bescheidenem Rahmen) in den letzten Monaten mehr ZDFneo geschaut als ZDF. Vielleicht bin ich aber auch zu optimistisch und werde noch in 10 Jahren über Privatsender, Disc und Internet mein Fernsehen selbst zusammenstellen, weil mir das von den deutschen TV-Sendern niemand bieten kann.

dekay
WHAT DO YOU KNOW, DEUTSCHLAND?

pm.diebelshausen

Und jetzt darf man nicht vergessen, wie tief die Fernsehsender in der Filmförderung stecken und damit ihre Kleingeistigkeit und Mutlosigkeit sich auch noch auf die Kinoproduktion verbreiten.

Ich vermute auch einen Qualitätsmangel bzw. falschen Ansatz in der Ausblidung. Es wird massenweise in Sachen Medien ausgebildet, aber zu befürchten ist große Wirtschaftlichkeit statt Begeisterung. Das Geld wird bei den Produktionen dann knauserig gehandhabt, am besten soll alles super sein und nichts kosten und am Ende kommt dann höchstens (höchstens!) Mittelmaß heraus, weil bei der Arbeit mehr Kraft in Missmut und Zickerei investiert wurde als in kreative Energie.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

wusselpompf

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Bin mir noch nciht sicher, ob ich das ganze mit Humor oder als billiges Nachtreten nehmen soll. Und CSI ist zwar unglaublich erfolgreich aber sicher nicht das Amerikanische Qualitätsfernsehen das in den bisherigen Beiträgen gemeint war.
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Moonshade

Sagen wir mal, die berühmten Crossover-Folgen von CSI sind nicht der wahre Jacob gewesen, das war mit jeweils einer Person aus den anderen Serien eher sehr konstruiert (auch das Without-A-Trace-Crossover mit Csi Vegas), offenbar hat man sich da bei der bemühten Dramaturgie bedient.
Qualitativ ist CSI (Las Vegas, nicht Miami) aber wirklich temporeich und hochwertig, aber eine andere Klasse als etwa "The Wire" oder ähnlich Realistisches.
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McClane

Zitat von: MäcFly am  5 April 2012, 15:04:04
Ich habe kürzlich im ,,Nostalgie"-Thread im OT-Forum geschrieben, dass ich die Zeiten vermisse, in denen es noch Fernsehausstrahlungen gab, auf die man wie auf ein ,,Event" hin gefiebert hat (im speziellen Fall ,,Jurassic Park".) Das können natürlich auch verklärte Kindheitserinnerungen sein – aber heute fiebere ich im TV vielleicht noch der nächsten Fußball-WM entgegen.

An dein Posting musste ich ironischerweise auch denken. Ich denke, dass es eine Mischung aus beidem ist.

Fernsehen hat selten den Event-Charakter von früher. Ich erinnere mich, dass Pro 7 mal an einem Feiertag den "Agententag" machte und nur Agentenfilme zeigte - von denen kein einziger besonders neu oder eine Free-TV-Premiere war, aber man hatte das Ganze so strukturiert. Das einzig eventmäßige, was mir in letzter Zeit einfällt, hat ausgerechnet RTL 2 zustandegebracht: Das "Game of Thrones"-WE.

Gleichzeitig war die Situation damals auch noch eine andere (wir sind ja glaube ich ungefähr gleich alt): Man hatte noch nicht den gleichen Zugang zu Medien. Zum einen weil man mit seinem (Taschen-)Geld weniger Budget hatte, zum anderen waren die Preise für VHS (und später für die ersten DVDs) ganz andere als heute. Kriegt man heute DVDs von aktuellen Filmen ein halbes Jahr nach Release teilweise schon für 5 Euro, so waren damals 15 Tacken für eine relativ alte DVD ein echtes Schnäppchen. VHS boten selten einen Mehrwert zum Fernsehen, abgesehen von der Werbefreiheit (und die konnte man mit nem Videorekorder überspulen) oder einer eventuell längeren Fassung (aber wieviel wusste man in Prä-Ofdb-Zeiten darüber?). Ich persönlich war in dem Alter auch noch nicht zum O-Ton-Gucker mutiert.
Heutzutage sind fallende DVD- und Blu-Ray-Preise sowie der Konkurrent Internet natürlich ein großes Problem, weshalb man meist eigenproduzierte Sachen wie "Deutschland sucht den Superstar", die man nicht vorher auf anderem Wege sehen kann, als Events verkauft. Und selbst wenn man als Filmfan im TV nicht mit Ärgernissen wie Kürzungen oder einem falschen Bildformat leben muss, so kriegt man nur bei deutschen Filmen den O-Ton und nie die Werbefreiheit.

Ich persönlich habe noch einen Fernseher, aber nur um DVDs und VHS darauf abzuspielen, einen Fernsehanschluss nutze ich seit zweieinhalb Jahren nicht mehr.

Zum Thema Publikum:
In den USA haben komplexere, langsamere Produkte meist auch eher aufgrund der (eventuellen) DVD-Verkäufe eine bessere Chance haben durchzukommen - das Land und der Markt dafür sind größer als in Deutschland. Denn Studien haben gezeigt, dass von den reinen Einschaltquoten sowohl dort wie auch hierzulande die Serien die besten Quoten einfahren, bei denen man wöchentlich eine Folge sehen kann, aber fürs Verständnis einer Haupthandlung nicht muss: "CSI" in allen Formen und Farben und "Dr. House" sind hüben wie drüben Spitzenreiter, hierzulande auch noch "Cobra 11".
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"testosteronservile Actionfans mit einfachen Plotbedürfnissen, aber benzingeschwängerten Riesenklöten"
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MäcFly

Zitat von: McClane am  7 April 2012, 10:39:29
Gleichzeitig war die Situation damals auch noch eine andere (wir sind ja glaube ich ungefähr gleich alt): Man hatte noch nicht den gleichen Zugang zu Medien. Zum einen weil man mit seinem (Taschen-)Geld weniger Budget hatte, zum anderen waren die Preise für VHS (und später für die ersten DVDs) ganz andere als heute. Kriegt man heute DVDs von aktuellen Filmen ein halbes Jahr nach Release teilweise schon für 5 Euro, so waren damals 15 Tacken für eine relativ alte DVD ein echtes Schnäppchen. VHS boten selten einen Mehrwert zum Fernsehen, abgesehen von der Werbefreiheit (und die konnte man mit nem Videorekorder überspulen) oder einer eventuell längeren Fassung (aber wieviel wusste man in Prä-Ofdb-Zeiten darüber?). Ich persönlich war in dem Alter auch noch nicht zum O-Ton-Gucker mutiert.

Ein Absatz, der daran erinnert, dass früher tatsächlich nicht "alles besser war". Die Geldfrage war tatsächlich ein ganz entscheidender Punkt, denn früher war man als armer Schlucker ja quasi aufs Fernsehen angewiesen. Wie von dir erwähnt, waren die Preise zu DVD-Anfangszeiten absurd hoch - selbst nach der Jahrtausendwende musste man in manchen Online-Shops noch um die 120 Euro für die "Lethal Weapon"-Box berappen. Da bin ich dann doch lieber erst einmal bei den gekürzten TV-Ausstrahlungen geblieben.

Was den Umgang der TV-Sender mit Filmen angeht, ist es ja gar nicht mal soooo viel schlechter geworden: Sicher fehlt der Abspann mittlerweile fast überall, und die Handy-Bling-Bling-Gewinnspiel-Einblendungen während eines Films gehen natürlich gar nicht. Dafür wird seit dem Verschwinden der Röhrenkästen aus deutschen Wohnzimmern mittlerweile fast überall im Kinoformat gesendet (früher: "Ben Hur" ständig in 1,85:1 auf Sat.1, auf VHS gar Vollbild - eine Vergewaltigung sondergleichen!).

Das geht jetzt mittlerweile aber etwas zu weit weg vom Ausgangsposting, wo ja eher die kreative Bankrotterklärung deutscher Eigenproduktionen das Thema ist.

Übrigens gibt es heute im Medien-Teil der Süddeutschen Zeitung eine Extra-Seite zu den hochklassigen HBO-Serien der letzten Jahre. Hauptthema darin ist vor allem die folgenübergreifende Erzählstruktur, die ja - wie von McClane erwähnt - bei Publikumsrennern wie "Dr. House" und "CSI" eher nicht vorhanden ist. Auf der SZ-Homepage ist der Artikel (noch) nicht zu finden, abscannen kann ich im Moment leider auch nicht.
"Man muss immer darauf achten, dass man ein gewisses Niveau nicht unterschreitet - sonst ist es schnell aus."

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@lfred

nichts geht über aus heiterem himmel http://de.wikipedia.org/wiki/Aus_heiterem_Himmel ! beste deutsche und weltweite produktion ever
nicht empfehlenswerter blog:

www.hommage.de.vu

langweilig und belanglos! prost

pm.diebelshausen

Ich möchte noch einen Aspekt ins Spiel bringen, der immer wieder genannt wird, wenn man mit Leuten aus dem Business spricht. Zu den beschränkten Geldmitteln kommt nämlich oft eine völlig bekloppte Hybris der Macher, die meinen, sie gehören zum Geilsten der Schöpfung überhaupt, weil sie mal mit Till Schweiger oder Ron Perlman was gemacht haben, weil sie ganz, ganz großes Kino produzieren, weil sie dazu gehören und sich für was besseres halten.

Ich weiß nicht, ob das andernorts, z.B. in Amerika anders ist, aber was ich über die deutsche Filmszene zu wissen glaube, weil ich es so oft gehört habe von Menschen, die ich für vernünftig halte, ist, dass die Szene übervoll ist von eingebildeten Arschlöchern, die anderen nichts gönnen, vor allem eben auch kein Geld für ihre Arbeit. Dabei ist das Ganze aber so kleingeistig, dass wenn es hochkommt mal ein Zielpublikum erreicht wird, aber in Sachen Inspiration, Innovation, Kreativität und vor allem Spaß und Begeisterung die große filmische Einöde entsteht, der wir das aktuelle deutsche Fernsehen und Kino verdanken.

Diese Miesepetrigkeit, die ich aus anderen Bereichen durchaus selber kenne, macht eben keinen Halt vor Filmproduktionen. Ist aber nur eine Hypothese, die neben Rahmenbedingungen, wie sie in den oben verlinkten Artikeln dargelegt sind, um die (teilweise auch aus diesen Rahmenbedingungen, aber eben nicht nur, hervorgehenden) Stimmung und die Motivation bei deutsche Produktionen ergänzt. Manchmal hört man das bei Audiokommentaren auch ganz gut zwischen den Zeilen raus, wie beschissen die Produktion eigentlich lief, auch wenn "wir wie eine große Familie waren" und es "Riesenspaß gemacht hat mit Regisseur X Y zu arbeiten" blablabla.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

horschtl

10 April 2012, 20:14:33 #20 Letzte Bearbeitung: 10 April 2012, 20:17:12 von horschtl
"Warum sind deutsche Serien so mies?"

Die Antwort ist wohl so ähnlich, wie im Film MEPHISTO, wo der Intendant des Nazi-Theaters (Brandauer) sagt: "Ich muß Schauspieler einsetzen, nicht weil sie gut sind, sondern weil sie blond sind".

So ähnlich ist das heute auch. Es werden Drehbücher verfilmt, nicht weil sie gut sind, sondern weil sie politisch correct sind.

In den Ausgaben Januar 2010 und Februar 2010 des Polit-Magazins ZUERST! wurde mal recherchiert, nach welchen Maßgaben da Drehbücher geschrieben und ausgewählt werden. Das kommt alles nur aus dem PC-Baukasten. Entsprechend ist die Qualität.

PS: Leider gibt's die Artikel nicht mehr online, aber ich habe oben auf das Impressum verlinkt. Wer interessiert ist, kann die Ausgaben sicher beim Verlag nachbestellen.

Travelling Matt

Ja, ich bin mir sicher, dass so ein Magazin da bestimmt richtig gut und ergebnisoffen recherchiert hat...

Roughale

Einfach nur  :doof:  :piss: :algoschaf:

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horschtl

Zitat von: Travelling Matt am 11 April 2012, 15:25:23Ja, ich bin mir sicher, dass so ein Magazin da bestimmt richtig gut und ergebnisoffen recherchiert hat...

"Ergebnisoffen"?  :icon_mrgreen:

Keine Reportage in Deutschland ist "ergebnisoffen". In der Redaktionskonferenz wird festegelegt, welche Richtung der Artikel vertritt. Und die "Recherche" besteht daraus, Bilder zu fälschen und Zitate aus dem Zusammenhang zu reissen.

Das Maximale, was man von einer Reportage erhoffen kann: Nicht den gleichen Mainstream-Sülz zu verbreiten, wie alle anderen auch.

Oder glaubst du im Ernst, daß das öffentlich-rechtliche TV hinter deinem Link "ergebnisoffen" recherchiert hat?   :LOL:

Roughale

@horschtl: Kann du mal bitte diese rechte Propaganda lassen?  :doof:

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Moonshade

Auf die Bezüge geht er bisher noch gar nicht ein...hm...
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