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The Poughkeepsie Tapes (2007)

Begonnen von Man Behind The Sun, 23 November 2021, 19:54:40

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Man Behind The Sun

Anders herum ist es auch mal angenehm; gewöhnlich schaut man dem Killer beim Morden über die Schulter oder die Story läuft aus der Perspektive der Opfer ab.

Nicht erst seit Kurzem ist der ,,wahre Horror" in Form von ,,True Crime"-Serien auf ,,Netflix"," HBO" und anderen hochkarätigen TV-Schmieden ein Phänomen, das sich wie geschnitten Brot verkauft.

Aber es gibt noch eine weitere Form der Dokumentation; die sogenannte ,,Mockumentary". Bei dieser Genre-Abart wird dem Zuschauer lediglich vorgegaukelt, er sähe eine echte Dokumentation. Dese Form der Unterhaltung ist nicht erst seit dem wegweisendem ,,The Blair Witch Project" bekannt, obwohl man dazu sagen muss, dass dieser eher in das ,,Found-Footage"-Genre gehört und damit wiederum eine weitere Spielart einer ,,gefaketen" Dokumentation darstellt.

Berühmte Beispiele für reine Mockumentarys sind Titel wie ,,American Vandals", ,,This Is Spinal Tap" oder ,,Strafpark", um nur mal ein paar Namen dieses Unter-Genres in den Raum zu werfen.

Der vorliegende ,,The Poughkeepsie Tapes" reiht sich in diese Reihe der Mockumentarys ein. Es geht um einen fiktiven Serienmörder, der jahrzehntelang auf unterschiedliche Art und Weise Menschen tötet und trotz der vielen Vermissten-Meldungen nicht von der Polizei gefasst wird. Erst, als die titelgebenden 800 Videokassetten in einem verlassenen Haus gefunden werden, beginnt die ,,Aufarbeitung" rund um die Taten des Serienmörders in Form einer Dokumentation, der all seine Morde und seine Vorgehensweise auf Video festgehalten hat.

Der Film arbeitet dabei mit den aus typischen ,,True Crime"-Dokus bekannten Mustern: Mal werden Polizei-Chefs, Staatsanwälte, Familienmitglieder der Opfer oder Freunde des mutmaßlichen Täters interviewt, zwischendurch werden Landschafts-Schnipsel der Umgebung des Tatortes eingefügt.

Die Taten des in dem Film benannten ,,Water Street Butcher" wurden mit einer typischen Hand-Kamera aus den 90er Jahren festgehalten. Hier reizt der Film schon seinen ersten entscheidenden Vorteil aus, der auch einen Großteil der Atmosphäre ausmacht; die Bildqualität der gezeigten Szenen ist so schlecht, dass sie weder von der Farbsättigung, noch von der Bildqualität annähernd an ein gutes Bild heranreichen. Da die Taten des Mörders allerdings dermaßen abartig sind und teilweise wie Snuff-Filme gedreht wurden, kann auf diese Weise das Kopfkino des Zuschauers wunderbar in Gang gebracht werden. Hier und da erkennt man mal eine Leiche, ein abgetrenntes Körperteil, aber niemals in der Intensität, wie man es beispielsweise in einem ,,Torture-Gore"-Film in glasklarer Qualität zeigen würde. Insofern ist auch hier wieder das ,,Blair Witch"-Prinzip ganz weit vorne: Was man nicht sieht, malt man sich im Geiste aus.

Wäre der in der "Doku" thematisierte Serienmörder, und dessen Taten ebenfalls, real, hätte man wohl einen John Gacy, Ted Bundy und Charles Manson in einer Figur; so abstoßend sind die gezeigten Ausschnitte aus den Videokassetten; der Mörder macht hier vor nichts und niemandem Halt: Er vergewaltigt, tötet, zerstückelt und foltert seine Opfer, die aus Männern, Frauen und kleinen Kinder bestehen.

Der Film spielt seine ,,Rolle" perfekt. Ich musste mich nach der Sichtung des Films noch einmal versichern, dass es sich bei dem Film auch wirklich um eine Mockumentary handelt, um hier nicht voller Scham eine Kritik abzuliefern, in der nicht erkannt wird, dass es sich um eine gefakete Doku handelt.

Insofern kann festgehalten werden, dass die Darsteller der jeweiligen Funktionäre in einer Dokumentation, also Rechtsmediziner, FBI-Profiler, Polizisten oder Angehörige, ihre Sache mehr als überzeugend darbieten; auf der schauspielerischen Ebene gibt es nahezu nichts zu bemängeln. Auch die Clips der Videokassetten sind atmosphärisch dicht und teilweise wirklich heftig anzusehen, auch, wenn die Qualität lausig ist und der Film wohl bewusst in die 90er bis Anfang der 00er Jahre gelegt wurde, als Kameras im privaten Bereich noch etwas Besonderes und nicht für jedermann erschwinglich waren. Dabei sind sie die Aufnahmen immer nur insoweit ,,schlecht", dass man ihnen tatsächlich abnehmen könnte, dass diese echt seien.

Auch wenn es den genannten ,,Water Street Butcher" nie gegeben hat, bietet diese Mockumentary eine mehr als gelungene Abwechselung zu den immer gleichen ,,True-Crime"-Dokus oder Serienkiller-Filmen.

Erschreckend ist, dass diese Mockumentary ohne Probleme beim unbefangenen Zuschauer durchaus als reale Dokumentation durchgehen könnte. Ich würde das als Qualitätsmerkmal ansehen, der ein oder andere wird sich wohl fragen, warum wir in der ohnehin schon grausamen Realität auch noch eine ,,unechte" Dokumentation über einen nicht existierenden Killer brauchen, die Morde auf Zelluloid gebannt zeigt, aber nie begangen wurden. Nun, lediglich als Gegenfrage: Warum gibt es Horrorfilme? Warum gibt es ,,True-Crime"-Dokus? Ich denke mal, dass das Thema mehr als ausdiskutiert ist. 

Es steht vollkommen außer Frage, dass der Film seine Daseinsberechtigung hat. Er ist überzeugend gedreht und könnte, wie schon erwähnt, als echte Dokumentation durchgehen. Die Qualität der Produktion ist enorm hoch und reicht an die üblichen großen Dokumentationen über Verbrechen oder Serienmörder ohne Probleme heran, wenn er manche dieser Dokus nicht sogar übertrifft.

Leider gibt es den Film lediglich im US-amerikanischen Raum zu erwerben. Englisch-Kenntnisse sind beim jetzigen Auswertungsstand ein Muss. Schade, denn dieser Geheimtipp unter den Mockumentarys sollte die ihm gebührende Aufmerksamkeit erlangen, auch hierzulande.

Sollte jemand die Gelegenheit haben, sich ,,The Poughkeepsie Tapes" ansehen zu können, sollte dies unbedingt tun, sofern man auf True Crime, harten Gewalt-Tobak und ein wenig Ironie steht. Letztlich bleibt es aber lediglich wieder Kopfkino – meiner Meinung nach das Beste Kino überhaupt.
In heaven everything is fine.


JasonXtreme

24 November 2021, 10:15:18 #1 Letzte Bearbeitung: 25 November 2021, 11:26:50 von JasonXtreme
Der lief mal ne zeitlang bei Amazon Prime im O-Ton - ich fand den auch recht gut damals! Keine Ahnung ob man den da noch sehen kann :)
"Hör mal, du kannst mein Ding nicht Prinzessin Sofia nennen. Wenn du meinem Ding schon einen Namen geben willst, dann muss es schon was supermaskulines sein. Sowas wie Spike oder Butch oder Krull, The Warrior King, aber NICHT Prinzessin Sofia."

mali

Hand hoch wer beim Titel zuerst an ein Ally McBeal Spinoff dachte :)

Man Behind The Sun

Zitat von: JasonXtreme am 24 November 2021, 10:15:18Der lief mal ne Zlang bei Amazon Prime im O-Ton - ich fand den auch recht gut damals! Keine Ahnung ob man den da noch sehen kann :)

Jup, da hab ich den auch gesehen. Ich meine, er läuft sogar noch, werde nachher mal nachsehen.  :respect:
In heaven everything is fine.


StS

27 November 2021, 11:40:13 #4 Letzte Bearbeitung: 27 November 2021, 14:05:18 von StS
Hab den vor 2 Wochen ebenfalls geschaut und auch eine Kritik dazu geschrieben, die aber noch nicht online ist. Die US-BluRay hatte ich lange auf meinem "Pile of Shame" liegen... u.a. da die Kritiken ja eher nicht so gut ausgefallen sind/waren.

5/10 bekommt er von mir. Die gefundenden Videos sind wirkungsvoll, ein bestimmtes Interview ebenfalls - aber manche Neben-Darsteller sind bspw. bloß bedingt überzeugend. Zudem lässt der Film einiges an Pontential aus - gerade hinsichtlich des Doku-Formats. Wer sich auf das Konzept einlässt und nicht so viel drüber nachdenkt, bei dem sollte der Film aber prima funktionieren. "Ungemütlich" ist er auf jeden Fall.
"Diane, last night I dreamt I was eating a large,  tasteless gumdrop and awoke to discover I was chewing one of my foam disposable earplugs.
Perhaps  I should consider moderating my nighttime coffee consumption...."
(Agent Dale B.Cooper - "Twin Peaks")

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