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Playground (2016, "Plac zabaw")

Begonnen von Man Behind The Sun, 7 Dezember 2021, 11:42:22

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Man Behind The Sun

Es gibt Filme, bei denen einem nach der Sichtung buchstäblich die Spucke wegbleibt. Sie liegen dermaßen schwer im Magen, dass man am Ende kaum über den Inhalt hinweg kommt und sich noch tagelang Gedanken über das Geschehen macht. Filme wie ,,The House that Jack Built", ,,Funny Games" oder ,,Hereditary – Das Vermächtnis" sind solche Beispiele.

Diese haben allerdings den einen wichtigen Unterschied zu einer anderen Spielart des Grauens: Sie sind dem Geiste eines Regisseurs, Drehbuchschreibers oder Storytellers entsprungen.

Dann gibt es diese Filme, die leider ebenso einen Schlag in den Magen bieten, allerdings wiederum nicht dem Gedanken irgendeines ,,kranken" Geistes entsprungen sind.

Der polnische ,,Playground" ("Plaz Zabaw", 2016) ist ein solcher Film.

Basierend auf einer wahren Geschichte, die sich in den 2000ern in Großbritannien abgespielt und durch die mediale Berichterstattung eine weltweite Bestürzung sondergleichen hervorgebracht hat, gibt sich ,,Playground" dem schwierigen Drahtseil-Akt hin, eben eine solche beispielos grausame Tat auf Zelluloid zu bannen.

Hier handelt es sich nicht um einen Amoklauf, der in Filmen wie ,,Elephant" oder in der Dokumentation ,,Bowling for Columbine" an einer Schule in den USA oder in Deutschland behandelt wird oder davon inspiriert wurde, sondern um eine Einzeltat zweier minderjähriger britischen Schüler, die an Entsetzlichkeit nicht zu überbieten ist.

,,Playground" behandelt diese Geschichte anfangs im sozialen Milieu der Protagonisten; zwei Schüler, einer eher gelangweilt, der andere im polnischen Ghetto im Sozialbau dazu gezwungen, seinen Vater zu pflegen, ärgern ein Mädchen an ihrer Schule. Einfach so. Einfach aus Spaß. Einfach, weil sie Langeweile haben. Doch mit dieser Tat, dessen Intensität mit dem Schluss des Films nicht das Entfernteste zu tun hat, geschweige denn, auf eine Ebene zu stellen ist, bleibt die Geschichte leider nicht auserzählt, denn die beiden Schüler machen etwas, was für den Zuschauer seelisch und emotional an die Grenze des Erträglich, gar des Unfassbaren stoßen kann und von ,,Playground" in einer Weise eingefangen wird, dass einem der Schock hierüber noch tagelang verfolgen kann.

Nach einem Besuch im örtlichen Kaufhauszentrum nehmen sich die beiden Schüler ein neues Opfer zur Seite, ohne dabei zu wissen, was sie letztlich mit diesem anstellen werden.

An dieser Stelle soll auch nicht weiter erzählt werden, wie der Film weitergeht, denn um die volle Wirkung von ,,Playground" zu erfassen, muss man möglichst unbefangen an den Film herangehen.

Aber auch, wenn man sich nach der obigen Beschreibung aufgrund von Neugierde ins Internet stürzt, um den der Geschichte inspirierten Hintergrund zu erfahren, dürfte ,,Playground" spätestens im letzten Drittel zu einer Geduldsprobe für den Zuschauer werden; zum einen deshalb, ob man sich dies wirklich antun möchte und zum zweiten, um zu hinterfragen, ob einem das Unfassbare auf dem Bildschirm dargestellte mitnimmt, kalt oder gar erstarren lässt.

Da ist es eine Gnade des Regisseurs, wenn dieser den Schluss des Films in einer einzigen Kameraperspektive aus dem Gebüsch heraus aufnimmt und somit dem Zuschauer zumindest die grafische Darstellung des Gezeigten weitestgehend erspart, ihn aber damit auch einer Hilflosigkeit, wenn nicht gar dem bloßen Voyeurismus aussetzt. Ob dies wiederum als ,,Gnade" empfunden werden kann, muss jeder für sich selbst entscheiden, denn nicht erst seit ,,Blair Witch Project" wissen wir, dass sich der wahre Horror einer Geschichte hauptsächlich im Kopf des Zuschauers abspielt.

Am Ende bleibt ein Film, der versucht, das Unerträgliche, das Unfassbare auf Zelluloid gebannt an den Zuschauer zu transportieren. Und das schafft ,,Playground" mühelos.

Ein Film, der viel zu wenig Beachtung gefunden und anstelle von fraglichem Exploitation-Müll der Marke ,,A Serbian Film" zu Unrecht kaum diskutiert wird oder weitere Bekanntheit in der Welt der Filme erreicht hat, liegt diese polnische Produktion nach dem Abspann noch tagelang schwer im Magen. Ich habe mir den Film nicht noch einmal angesehen. Er steht im Schrank und bleibt dort. Einfach darum, weil er es verdient hat, gedreht und gekauft worden zu sein, auf der anderen Seite, weil er zu grausam, zu unterträglich ist, um ihn noch einmal zu sichten.

Ich empfehle allerdings die Sichtung. Meine Botschaft soll lauten: Bitte seht euch diesen Film mit dem nötigen Respekt und der Pietät vor, so wie es die dahinter liegende, wahre Geschichte verdient hat.

8,5 /10 Punkten.
In heaven everything is fine.


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