Bauchnabelverbot im Film

[tarzansrache]

Hi Leute , in den Tarzanfilmen und auch in vielen Western gab es mal ein Verbot den Bauchnabel zu zeigen, aus welchen Gründen auch immer, wokann ich näheres zu dem Thema lesen?  danke

[Moonshade]

Das hängt mit dem Hays Code zusammen, der ab 1934 eingesetzt wurde, um zu forcieren was man alles NICHT MEHR im Kino sehen wollte - der dann in vorauseilendem Gehorsam für ein gutes Rating von den Studios selbst angewandt wurde.

Punkt 2 der klassischen Liste schließt Nacktheit in jeglicher Form aus, auch als Silhouette.
Geburten waren auch verboten, also ging ein Nabel natürlich auch gar nicht.

https://en.wikipedia.org/wiki/Cultural_views_on_the_navel   (startet mit Film)
https://en.wikipedia.org/wiki/Motion_Picture_Production_Code

Es gibt Bücher zum Hays Code, seiner Umsetzung und dem Pre-Code-Hollywood von 1930-34, ehe er eingeführt wurde, aber die meisten sind in englisch.

[Terry Noonan]

Konnte man froh sein, dass diese Vorzensur irgendwann wegfiel, so hat man bei den Oscars letztes Jahr bereits den Grundstein für die nächsten Scheren im Kopf gelegt mit Dingen, die nominierte beste Filme erfüllen müssen.
Zwar sind die im Artikel zuletzt genannten Bedingungen noch einfach zu erfüllen, aber das Ganze zeigt die Richtung auf, in die Filme gelenkt werden sollen.

https://www.nytimes.com/2020/09/09/movies/oscars-best-picture-diversity.html


Vielleicht findest Du ja Parallelen bei Deiner Recherche.

[Private Joker]

Wo hier schon Tarzan und das Jahr 1934 erwähnt werden - in "Tarzan and his Mate" aus besagtem Jahr kann man bei gar nicht so genauer Betrachtung schon etwas mehr entdecken als einen nackten Bauchnabel. Aber vielleicht war ja genau das ein Anlass für die Zensurverschärfungen.

Das so was in erstaunlichen Wellen verläuft, habe ich gerade die Tage noch gedacht, als irgendwo der 1964er Karl-May Nachzieher "Old Shatterhand" lief, da kann man Frau Lavi eigentlich ziemlich eindeutig frontal in ganzer Pracht bewundern. Für das Jahr schon etwas erstaunlich.

[Moonshade]

Als sich 1934 die Anwendung des Codes abzeichnete (bzw. schon im Jahr davon), haben die Studios damals ja noch mal alles in die Filme reingepackt, was irgendwie ging, damit man die Krise noch ausbalancieren konnte.

Man muss bedenken, dass außer Radio das Kino die einzige Form der damaligen Unterhaltung für den Massenmarkt war, aber ab 1932 die Weltwirtschaftskrise wirklich überall reinhaute, schlechte Wetterjahre im mittleren Westen verschärften noch Versorgungs- und Arbeitsplatzsysteme.
Gleichzeitig variierte der Geschmack ziemlich flink, so dass etwa der Wow-Faktor von Musicals ab 1929, als sich der Tonfilm durchsetzte, durch eine Überproduktion binnen zweier Jahre ein hoffnungsloses Genre war, mit dem man nur noch Flops landete und das diverse Karrieren zerstörte. Um 1934 zeigte sich das Genre dann schon wieder erholt mit mehr Klasse und Finesse.
Gleichzeitig krebsten tatsächlich eine Reihe großer Studios mit einem enormen Filmoutput noch ständig am Rande der Pleite herum, ehe in den 30ern sich alle etwas festigen konnten, sobald sie eine Erfolgsmasche auch innerhalb des Codes gefunden hatten (von Stars über Genres, Serials bis hin zu Filmserien, die an modernes Fernsehen gemahnen). Warner war jahrelang erfolglos, Paramount und RKO mehrfach beinahe-pleite umstrukturiert und Columbia war noch ein kleines Billigfilmstudio.
Um sich am Markt halten zu konnen, bot man natürlich Sensationen und Riskantes und das war auch nackte Haut.

Der Code war kein kurzfristig erdachtes Konstrukt, sondern bestand eigentlich schon seit den späten 20er Jahren, er wurde jahrelang nicht durchgesetzt. Erst als sich einige Politiker und Moralhüter damit profilieren wollten, gabe man einigen Aufschreien nach, drängte man auf eine strikte Anwendung und setzte schließlich das Datum Mitte 1934 (denke ich) fest.

[tarzansrache]

vielen Dank, sehr gute antwort

[Man Behind The Sun]

Und wieder was dazu gelernt, vielen Dank Moonshade!

Das erinnert mich leicht an die "UK-Version" ;-) dieses Verbotes: Keine Ninja-Sterne, Nunchucks, etc. siehe "Turtles"-Realverfilmungen. Die sind in den deutschen Fassungen, zumindest in den früheren Jahren, an eben solchen Stellen zensiert gewesen. Mittlerweile gibt es aber vollständige Fassungen.

Das zeigt nur mal wieder mehr, wie sich die Zensur-Gewohnheiten von Land zu Land verändern, wie der von hier beschriebene "Hays Code".