OFDb

Infinity Pool (von Brandon Cronenberg mit Alex Skarsgård & Mia Goth)

Begonnen von StS, 8 Dezember 2022, 18:58:36

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

StS


While staying at an isolated island resort, James (Alexander Skarsgård) and Em (Cleopatra Coleman) are enjoying a perfect vacation of pristine beaches, exceptional staff, and soaking up the sun. But guided by the seductive and mysterious Gabi (Mia Goth), they venture outside the resort grounds and find themselves in a culture filled with violence, hedonism, and untold horror. A tragic accident leaves them facing a zero tolerance policy for crime: either you'll be executed, or, if you're rich enough to afford it, you can watch yourself die instead.

Allein schon wegen der 3 im Thread-Titel genannten Personen Pflichtprogramm.
"Diane, last night I dreamt I was eating a large,  tasteless gumdrop and awoke to discover I was chewing one of my foam disposable earplugs.
Perhaps  I should consider moderating my nighttime coffee consumption...."
(Agent Dale B.Cooper - "Twin Peaks")

Terry Noonan

Trailer lieber nicht geschaut, da gespannt auf den Film.
Release laut Wikipedia:
"The film will have its world premiere at the 2023 Sundance Film Festival and will be released in the United States on January 27, 2023."
Life is what happens while you are busy making other plans.

StS

Nach ,,Antiviral" und ,,Possessor" markiert ,,Infinity Pool" (2023) nun das dritte Werk von David´s Sohnemann Brandon Cronenberg – mit welchem er sich erneut gegenüber dem jeweiligen Vorgängerfilm ein Stück weit zu steigern vermochte. Abermals präsentiert er einem einen stimmungsvollen düster-nihilistischen Sci-Fi-Horror-Thriller-Genremix mit herausragenden ,,Spitzen" in den Bereichen Gewalt und Freizügigkeit – präsentiert in stylishen Bildern, die trotz Strand und Luxus nie ein ,,Wohlgefühl" vermitteln; was bereits bei den sich drehenden Kamera-Einstellungen bei der Präsentation des schicken Resorts im fiktiven Land Li Tolqa beginnt, in welchem die Touristen lieber hinter hohen Zäunen auf dem Hotelgrundstück bleiben sollten, um möglichst nicht mit der sonst vorherrschenden Armut und Kriminalität in Kontakt zu kommen. Quasi eine überspitze Version von Urlaubs-Destinationen wie Tunesien oder Teilen von Mexiko, wo es ja mitunter ähnlich ist...

Die ,,entmannte" Hauptfigur – welche u.a. im Zuge einer Hinrichtung quasi Zeuge ,,des eigenen Todes" wird, in einen ,,rauschhaften Exzess-Strudel" hineingerät und sich auf jenem Wege sozusagen (einen hohen Preis dafür zahlend) ,,emanzipiert" – verkörpert Alexander Skarsgård mit vollem Einsatz prima – was ebenso für mit Mia Goth gilt, deren Part sich in Sachen ,,Aufgedrehtheit" zunehmend steigert. Cronenberg kehrt ,,das Hässliche/Groteske" hervor und erzählt dabei eine Geschichte, die nichts wirklich Neues zu bieten hat – siehe: gelangweilte Reiche, die sich extreme ,,Kicks" verschaffen sowie durch ihr Vermögen mit vielem davonkommen – allerdings sind verschiedene der Elemente und Ideen dennoch interessant wie reizvoll; auch wenn sie überwiegend ,,unvertieft" verbleiben. Allein schon die Frage, wie man denn wissen könnte, ob der, der exekutiert wurde, tatsächlich ,,nur" der Klon war, und nicht das Original – schließlich weiß ja der Klon nicht, dass er bloß ein Klon ist...
 
U.a. aufgrund seiner Atmosphäre und Darsteller – unter ihnen (neben den beiden genannten Leads) noch Cleopatra Coleman und Thomas Kretschmann – sowie dank seiner Bilder, Inhalte und diversen Einzelszenen wusste mit ,,Infinity Pool" zu gefallen. Cronenberg Jr. setzt die ,,Familien-Tradition" fort: Das mag ihm zwar keine Punkte im Bereich ,,individuelle Handschrift" einbringen – doch ich persönlich kann durchaus damit leben, sofern die Qualität seines Outputs auch in Zukunft weiterhin stimmt. ,,Luft nach oben" im Hinblick auf Drehbuchqualität und Stil-Variationen ist auf jeden Fall noch vorhanden. Hauptsache er bleibt sich treu und schlägt (in gewisser Weise) nicht unbedingt den Weg ein, den z.B. Duncan Jones zwischenzeitig mal für sich gewählt hatte...

knappe 8/10
"Diane, last night I dreamt I was eating a large,  tasteless gumdrop and awoke to discover I was chewing one of my foam disposable earplugs.
Perhaps  I should consider moderating my nighttime coffee consumption...."
(Agent Dale B.Cooper - "Twin Peaks")

PierrotLeFou

3 Mai 2023, 04:05:12 #3 Letzte Bearbeitung: 3 Mai 2023, 04:24:06 von PierrotLeFou
Ich komme gerade positiv überrascht aus dem Kino und finde den Film ebenfalls merklich besser als die vorangegangenen zwei Filme des Regisseurs. Thematisch beackert er zum dritten Mal das Gebiet des Vaters, wobei "Infinity Pool" wie eine Variation von "Possessor" unter anderen Vorzeichen daherkommt: Nicht zwei Bewusstseine in einem Körper, sondern ein Bewusstsein in zwei Körpern gibt hier die Prämisse ab. Die Satire um die Reichen, die sich dort ein schönes Leben machen, wo es den Einheimischen weniger gut geht und ein Regime gravierende Misstände poduziert, ist ganz nett und berechtigt, aber das Herzstück sind freilich die Probleme, die der Film mit seiner Prämisse aufwirft: etwas hypothetischer, sci-fi-gemäßer: Wie wäre moralphilosophisch oder juristisch ein schuldiges Subjekt, das als Duplikat gar nicht physischer Täter war, zu werten? In diesem Zusammenhang etwas bodenständiger: Welche Rolle spielt das (Schuld-)Bewusstsein eines Schuldigen für seine Bestrafung? Und: Ist erst eine bewusste Untat oder bereits die zugrundeliegende innere Beschaffenheit das Problem und/oder zu sanktionieren? Der Film liefert dann gleich selbst Vorschläge einer Antwort, wenn er Identität nicht als starren Block denkt, sondern als stetig bewegten Fluss: im Grunde hat man ab der (selbst im Dunkeln belassenen) Selbstbewusstwerdung des Duplikats zwei aktuell gewordene virtuelle Figuren: einmal in der Täter-, einmal in der Opferrolle. Die neuen Erfahrungen bringen in wenigen Sekunden/Minuten jeweil doch ganz andere Figuren hervor... während zugleich S/W-Auffassungen von Täter- wie Opferrollen aufgebrochen werden. (Der Umwelt (als Summierung von anderen Individuen, Gesetzen, Räumen usw.) kommt dabei eine besonders prägende Rolle zu, dem Individuum selbst nur ein kleiner Spielraum.)
Anfang und Ende machen das deutlich, wenn aus monotonen Farbtafeln schließlich ein permanentes Wechseln im Farbsstem wird. Das wird aufbereitet mit naheliegenden Symbolen, Leitmotiven und Figuren: der Neugeborene, die Mutterbrust, die Maske (Persona), profane Zeit vs. heilige Zeit, der Ozean / das Ozeanische, die Halluzination / die Droge, die Fiktion / der Autor... Letzteres spiegelt dann nochmals Brandon Cronenberg selbst wieder, der wie schon in "Possessor" eine Figur unter dem namhafteren, reicheren Schwiegervater leiden ließ und hier die Konstellation autobiografisch gefärbter einbringt... War ein ziemlich Füllhorn, da wied es bei mir spätestens im kommenden Jahr eine Zweitsichtung geben; lohnt sich sicher, aufmerksam darauf zu achten, welche Momente im Schnitt übersprungen werden, wenn neue Duplikate das Bild füllen...
Allerdings nerven mich die bewusst extremen, grafischen, zugleich so ernsthaft zelebrierten Gewaltakte noch immer ein wenig. Da sehe ich vor allem eine selbstzweckhafte Melange aus shock value und Fan-Service, die auch dadurch nicht besser wird, dass hier wie in "Possessor" das so komplexe Motiv des Auges einigermaßen passend ins Spiel gebracht wird.
Schwanke jedenfalls zwischen einer 7/10 und einer 8/10...
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

TinyPortal 2.0.0 © 2005-2020