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Inglourious Basterds - QT's Kriegsfilm

Begonnen von Newendyke, 16 Februar 2005, 09:52:18

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HenryChinaski

Hm... ich habe jetzt eine Nacht drüber geschlafen und so richtig überzeugt bin ich von dem Film noch immer nicht. Meiner Meinung nach hat Tarantino aus seinem Film nicht das Optimum rausgeholt. Ähnlich - aber noch extremer - war es schon bei Death Proof.

Besonders enttäuscht hat mich die Charakterzeichnung vieler Figuren, insbesondere der Basterds. Brad Pitt zieht mit einer Gruppe von Trotteln los, die angeblich die größten Nazi-Killer im ganzen Krieg sein sollen? Ich hatte richtige Kerle erwartet, wie man sie aus den guten alten 70er-Jahre-Kriegsfilmen gewöhnt ist. Kerle, die meinetwegen Schwächen haben, wie die Reservoir Dogs. Aber die Mehrzahl der Basterds wirken wie eine Gruppe von lauter Nice-Guy-Eddie-Trottel.
Ne, bis auf Schweiger (!!!) und Fassbender konnte mich keiner von Pitts Gefolgschaft überzeugen. Weder die Figur an sich, noch das Schauspiel.
Wie schon in "Death Proof" wurde den Darstellern eine Menge Dialog in den Mund gelegt, doch trotzdem bleiben viele Figuren leer. 

Besonders schwach finde ich die Darstellung von Diane Kru(e)ger. Sie wirkt keineswegs wie die größte deutsche Darstellerin, die angeblich eine Leni Riefenstahl in den Schatten stellt.

Ansonsten waren die deutschen Darsteller weitestgehend gut. Daniel Brühl war genau der schleimige Piefke, den er immer gespielt hat, nur mit dem Unterschied, dass er von Tarantino einen wahnsinnig starken Abgang bekommen hat!

Goebbels und Hitler sind meiner Meinung nach falsch gecastet. Ich hatte es schon vor einigen Monaten geschrieben, dass Martin Wuttke der wesentlich bessere Goebbels wäre. Bleibt aber Geschmackssache.

Klasse finde ich, dass Julie Dreyfus eine ähnliche Rolle bekommen hat, wie in "Kill Bill".


Die Bildästhetik war vielleicht die schwächste von allen Tarantino-Streifen. Zwar sah man sehr häufig den Versuch, die Ästhetik eines Leones zu übernehmen, letztlich ist es aber so, dass Tarantino in keinem Film zuvor so wenig seine Handschrift hinterlassen hat. Das Drehbuch kann nur von ihm kommen, die Regie hätte hier aber von einem Anderen sein können. Auch die Wahl und Gestaltung der Kulissen trägt dazu bei, dass hier keine Bildgewalt wie bei "Kill Bill" aufkommen kann.

Laut Drehbuch hatte Tarantino vor, das Kapitel "Eine deutsche Nacht in Paris" im Stil der Nouvelle Vague zu drehen. Das hätte diesem Kapitel sicherlich gut getan. Denn wenn Tarantino schon einen solch großen Stilbruch wagt, wie das Auftauchen der Musik David Bowies aus dem Nichts, dann hätte er auch gut und gerne das Pariser-Kapitel auffrischen können. Denn dort gab es nur zwei Höhepunkte: Das Auftauchen von Krapp (Ludger Pistor) und der Dialog zwischen Landa und Shosanna (in dem die Pipi gestrichen wurde).

Die Dialoglastigkeit war auch störend. Nicht etwa, weil der Film so dialoglastig war, wie er ist, sondern weil Tarantinos Dialoge an Klasse verloren haben. Es ist nämlich so, dass die Mehrzahl der "coolen" Dialoge sich immer und immer wieder ähneln und somit prinzipiell unabhängig von der Figur entworfen werden. Dass Tarantino hier eine unverkennbare Handschrift hinterlässt, steht außer Frage, aber das ist mittlerweile auch sein Problem: Man hört nicht die Figuren reden, sondern Quentin Tarantino!




Mr. Blonde

Zitat von: HenryChinaski am 26 August 2009, 16:24:30
aber das ist mittlerweile auch sein Problem: Man hört nicht die Figuren reden, sondern Quentin Tarantino!

Das hat mich gerade wirklich zum Nachdenken gebracht und irgendwie muss ich dem zustimmen. Aber es ist nun mal bei vielen Leuten so, die ein Drehbuch verfassen, dass ein Bisschen der Figuren auch in den Autoren steckt, sonst könnten sie sich sicherlich nicht in manche Figur hineinversetzen. ABer wirklich ein interessanter Punkt.  :icon_eek:


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McKenzie

26 August 2009, 22:07:47 #482 Letzte Bearbeitung: 26 August 2009, 23:12:59 von McKenzie
Vorgestern gesehen (hier in Cambridge natuerlich in der stellenweise fuer meine Ohren sehr schwer verstaendlichen - speziell Brad Pitt - OV. Moeglicherweise ist mir in den Dialogen einiges an Verve und Rafinesse abhanden gekommen) und einerseits voellig verwirrt das Kino verlassen, andererseits aber so fasziniert gewesen, dass ich gestern gleich nochmal ins Kino gegangen bin.  :icon_eek:

Ich persoenlich glaube, dass die staerksten Szenen in INGLORIOUS BASTERDS mit das beste sind, was Tarantino bisher inszeniert hat. Ich glaube aber auch, dass er sich mit dem Gewicht seiner Anlage des Drehbuchs eindeutig ein wenig verhoben hat. Grosses, episches Erzaehlkino - dass der Film neben vielen anderen Dingen eindeutig auch sein moechte - ist ein Handschuh, der fuer ihn einfach zu gross ist. Und obwohl ich dem Film durchaus das Attribut "unausgegoren" anhaengen wuerde (was aber zunaechst in keinster Weise negativ zu verstehen ist) wuerde ich ihn als in sich schluessig bezeichnen. Und da stossen gerade die Szenen, in denen der Filmliebhaber Tarantino sich voll gehen laesst, etwas sauer auf da sie eindeutig das dichte Gefuege des Films aus den Angeln zu heben drohen. Andererseits sind Szenen wie z. B. das erste Treffen von Melanie Laurent und Daniel Bruehl elementar und wuerden u. U. gar nicht auffallen, wenn es nicht generell so unueblich waere, in Filmen Charaktere ueber Filme sprechen zu hoeren. Es ist auf jeden Fall erstaunlich wie ein derart um Film und vor allem auf Kino zentrierter Film solchen Enthusiasmus beim Mainstream-Publikum ausloesen kann. Im Schaffenskontext von QT gesehen, ist IB aber auch eindeutig der letzte, konsequente Schritt in der die Kraft der Kunstwelt des Kinos endgueltig ueber die Trivialitaet der Realitaet siegt und ihr diese Trivialitaet aufzeigt - mit den Mitteln des Kinos (bemerkenswert in dieser Hinsicht die Todesszene von Goebbels und Hitler - ich empfehle sehr diesen Essay von Georg Seeßlen:  http://www.filmzentrale.com/rezis2/inglouriousbasterdsgs.htm). Und das auf eine Art und Weise, die zumindest fuer mich voellig unerwartet war - das finale Gemetzel im Kinosaal ist hastig und hart geschnitten und kaum stilisiert und wirkt nur mehr abstossend - wie ueberhaupt die meisten Gewaltszenen des Films. In dieser Hinsicht liegen Welten zwischen IB und KILL BILL (und auch DEATH PROOF).

Insgesamt wuerde ich soweit gehen, INGLORIOUS BASTERDS als Tarantinos interessantesten Film bisher bezeichnen weil sich neben dem bewaehrten, alten Tarantino (der sich insbesondere in den Basterds und besonders Pitts Figur wiederspiegelt und somit teilweise durchaus eine Art Stoerfaktor darstellt) eine ganz neue Note in sein Werk schleicht - Momente wie die Cafe-Szene mit Laurent und Christoph Waltz hat es bei Tarantino so zuvor noch nicht gegeben und das Understatement von JACKIE BROWN (dass ich persoenlich als eher overstated und nervig empfinde und an das ich mich in neutraler Weise in IB erinnert gefuehlt habe) nimmt ein neues Gewand an und erinnert so schon ein wenig an europaeische Arthouse-Filme der juengeren Zeit. Wie ueberhaupt der ganze Film sich sehr, sehr europaeisch anfuehlt. Christoph Waltz ist, natuerlich, herausragend, auch wenn ich ihn die meiste Zeit eher als angenehm grotesk denn unheimlich empfunden habe (abgesehen von der Eroeffnungsszene - deren Eskalation von einer dramatischen Intensitaet ist, die ich Tarantino so ebenfalls nicht zugetraut haette). Diane Kruger ist eine Katastrophe (koennte Tarantino deutsch verstehen, er haette sich eines besseren besonnen) und eindeutig ein schmerzhafter Makel in der ansonsten fesselnden Kellerbar-Szene. August Diehl und Melanie Laurent sind beide hervorragend.

Ein Meisterwerk ist der Film m. E. nicht, aber er schrammt nur knapp daran vorbei - wenn ich nicht so leidenschaftlich in DEATH PROOF vernarrt waere (der eigentlich weit weniger "zu bieten" hat als IB) wuerde ich ihn vielleicht als meinen Lieblings-Tarantino bezeichnen aber fuer diese Urteil ist es noch zu frueh - dafuer muss dieser wuchtige und ungelenke, bizarre, durch und durch ambivalente Koloss von einem Film noch einige Male gesehen werden. Fuer mich eindeutig ist aber, dass sich QT tatsaechlich innerhalb seiner eigenen Limitationen neu erfunden hat. Und das ist wiederum in einer Weise bedenklich denn was fuer einen Film kann er nach IB nur drehen?

9/10

EDIT: Inwiefern die Irritationen ueber den Film darauf zurueckzufuehren sind, ob aufgrund der Anwesenheit des "alten Tarantino" der neue vom Publikum nicht akzeptiert wird, waere eine interessante Frage. Gerade Regisseure, die sensationell mit ein oder zwei sehr aehnlichen Filmen zu Beginn ihrer Karriere senkrecht gestartet sind, haben erfahrungsgemaess besonders schwer damit zu kaempfen, aus dem stilistischen Schatten dieser Filme zu springen. Auf mich wirkt die fraglos eindeutige Gegenueberstellung der Basterds und Shosanna / Landa wie eine Abrechnung Tarantinos mit seinem eigenen Klischee - denn die Frage, welche Charaktere interessanter, vielschichtiger, raffinierter und intelligenter sind, stellt sich eigentlich nicht wirklich.
ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

uboot

@newendyke

Und war die Szene am Ende in der deutschen Version drin? Ich meine das tiefe (tödliche?!) Einritzen des Hakenkreuzes in die Stirn).

Und war jetzt alles in Deutsch? Hat jeder Charakter deutsch bei dir in der Vorstellung gesprochen?

Newendyke

27 August 2009, 10:20:00 #484 Letzte Bearbeitung: 27 August 2009, 10:42:46 von Newendyke (Anfängerlesbe)
@ uboot: Du hast mir immernoch nicht beschrieben, was du meinst was cut wäre...

Falls du das Finale meinst, hier hat man gesehen wie Goebbels und Adi von den zwei Basterds zerfetzt wurden, sowie eine kurze Einstellung, in der Hitlers Gesicht von einer Gewehrsalve demontiert wird.

Falls du die Bar meinst, in schnellen Schnitten hat man gesehen wie: Kruger am Bein verwundet wird, Diehls Einschüsse in der Hüfte, Einschüsse in Hicox, die schießende und erschossene Nazi-Gruppe, Stiglitz beim schießen und Messer in Diehls Nacken rammend etc.

Kann mir also nicht vorstellen, das da was cut war...

Nein, Shosanna hat IMMER (mit Ausnahme "ihres" Films) französisch mit allen gesprochen. Also alle franz. und ital. Szenen wurden untertitelt. Die Basterds wurden synchronisiert und Waltz hat mit dem Bauern und Shosanna französisch und mit den Basterds (NUR im Foyer des Kinos) italienisch gesprochen.

Edit: Ach ja, und der Erzähler wurde von Sam Jacksons dt. Synchrosprecher übernommen. Weitere Vergleiche kann ich dir am Sonntag/Montag nachreichen, da werd ich ihn mir nochmal in der OV ansehen.

Edit 2: Mei, ist mir noch fast entgangen zu erwähnen, bei der Cameo von Bela B. musst ich auch noch richtig abfeiern! Find ich schon cool, dass er auch noch ne Rolle ergattern konnte!


"Ich will jetzt nichts mehr hören, von wegen keinen Job, kein Auto, keine Freundin, keine Zukunft und keinen Schwanz." (der Meister - Gran Torino)

Roughale

Ich laube mit dem Ende war gemeint
Spoiler: zeige
wie Pitt dem Waltz das Hakenkreuz in die Stirn ritzt
war das in der deuschen Fasung drin? Auch wenn de Szene recht heftig ist, ein Schnitt würde den Film heftig verfälschen!

esta es la mejor mota
When there is no more room for talent OK will make another UFC

Crumby Crumb & the Cunty Bunch

Wie wurde denn das Gespräch mit Pitt und dem Nazi synchronisiert, bevor Roth ihm den Schädel einschlägt? Da gibts ja einen Dolmetscher - haben die das genauso souverän gelöst wie bei Band of Brothers?
'Are you talkin' to me? You talkin' to me?' - Raging Bull, Pacino. Love that movie!

HenryChinaski

Zitat von: McKenzie am 26 August 2009, 22:07:47Inwiefern die Irritationen ueber den Film darauf zurueckzufuehren sind, ob aufgrund der Anwesenheit des "alten Tarantino" der neue vom Publikum nicht akzeptiert wird, waere eine interessante Frage. Gerade Regisseure, die sensationell mit ein oder zwei sehr aehnlichen Filmen zu Beginn ihrer Karriere senkrecht gestartet sind, haben erfahrungsgemaess besonders schwer damit zu kaempfen, aus dem stilistischen Schatten dieser Filme zu springen. Auf mich wirkt die fraglos eindeutige Gegenueberstellung der Basterds und Shosanna / Landa wie eine Abrechnung Tarantinos mit seinem eigenen Klischee - denn die Frage, welche Charaktere interessanter, vielschichtiger, raffinierter und intelligenter sind, stellt sich eigentlich nicht wirklich.

Aber diesen Einschnitt hat er doch bereits mit KILL BILL getätigt. Wenn nicht sogar mit JACKIE BROWN, denn dort finden wir eine Charterzeichnung, die von allen Tarantinos am untypischten ist ... was ja daran liegen mag, dass die Vorlage nicht von ihm stammt.

Auch sonst bin ich komplett anderer Meinung, was IB angeht. Tarantino hat eine Geschichte entwickelt, die das Potential hatte ein Meisterwerk zu werden, das Tarantino endgültig über allen Zweifel erhaben macht. Doch irgendwie hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, dass Tarantinos selbst aufgelegte Deadline - nämlich die Premiere in Cannes - ihn daran gehindert hat, das Optimum aus dem Film rauszuholen.

Ente Dr Maria Nichts

Die von Roughale genannte Szene war übrigens auch in der deutschen Fassung enthalten.

Newendyke

Zitat von: Der Crumb (awesomer Dummschwätzer) am 27 August 2009, 11:56:42
Wie wurde denn das Gespräch mit Pitt und dem Nazi synchronisiert, bevor Roth ihm den Schädel einschlägt? Da gibts ja einen Dolmetscher - haben die das genauso souverän gelöst wie bei Band of Brothers?

Ich weiß jetzt nicht, welche Folge und Szene du von Band of Brothers meinst, aber bei IB hat Pitt (synchronisiert) seine flappsigen Fragen und KOmmentare gebracht und der Dolmetscher hat diese dann etwas "netter" übersetzt/wiederholt.


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Crumby Crumb & the Cunty Bunch

Bei Band Of Brothers hielt der KZ Aufseher eine Ansprache an seine Männer, die von dem Dolmetscher auf Englisch übersetzt wurde. In der DF wurde as dem Dolmetscher ein Kommentator, der immerzu sagen mußte, wie blöd das ist, was der Nazi da gerade sagt.
Aber zweimal das gleiche zu erzählen klingt auch nicht wesentlich besser. ;)
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uboot

Zitat von: Newendyke (Anfängerlesbe) am 27 August 2009, 13:08:14

[...]aber bei IB hat Pitt (synchronisiert) seine flappsigen Fragen und KOmmentare gebracht und der Dolmetscher hat diese dann etwas "netter" übersetzt/wiederholt.

lol, das ist ja mal sehr naja gelöst worden. Aber gut zu wissen, dass in der deutschen Version das französische und italienische wenigstens nicht auch übersetzt wurde, das geht ja dann. Stellt sich nur die Frage, warum sie nicht direkt NUR eine OmU rausgebracht haben. Immerhin wird im Film mehr Französisch gesprochen als Englisch.

@newendyke In meinem letzten Post war ein Satz in der Farbe weiß, vlt. hast du ihn übersehen. ;-)

Hedning

Zitat von: McKenzie am 26 August 2009, 22:07:47ist IB aber auch eindeutig der letzte, konsequente Schritt in der die Kraft der Kunstwelt des Kinos endgueltig ueber die Trivialitaet der Realitaet siegt und ihr diese Trivialitaet aufzeigt - mit den Mitteln des Kinos (bemerkenswert in dieser Hinsicht die Todesszene von Goebbels und Hitler - ich empfehle sehr diesen Essay von Georg Seeßlen:  http://www.filmzentrale.com/rezis2/inglouriousbasterdsgs.htm)

Argh, den empfehle ich auch (schon vor Wochen auf Spiegelei online drauf gestoßen), falls man mal wieder kräftig :icon_rolleyes: will.

"warum gerade wir Deutschen dieses Werk brauchen - und warum danach endgültig Schluss ist mit Faschistenkitsch", auf eine derart verbissene Lesart kann man sich als eigenständig Denkender doch nicht ernsthaft einlassen wollen.

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"warum gerade wir Deutschen dieses Werk brauchen" kam diese Phrase nicht auch schon bei Stauffenberg...?
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Newendyke

Zitat von: uboot am 27 August 2009, 14:52:08
@newendyke In meinem letzten Post war ein Satz in der Farbe weiß, vlt. hast du ihn übersehen. ;-)

Ah, oui!!!! Hab ich glatt übersehen! Aber ja, auch die wurde (ist ja nur ne recht kurze Einstellung) gezeigt und danach Aldo's Grinsen über dessen Meisterwerk.


"Ich will jetzt nichts mehr hören, von wegen keinen Job, kein Auto, keine Freundin, keine Zukunft und keinen Schwanz." (der Meister - Gran Torino)

Nightflier

Ich hab den Film jetzt schon zweimal gesehen und finde ihn absolut genial.

Über die Synchro kann ich nichts sagen, da ich ihn nur im Original gesehen hab, einmal in Hamburg und einmal in Frankreich.

Im französischen Kino ist mir aufgefallen, dass die Personenrateszene in der Taverne geschnitten ist. Man sieht die Basterds über die strategische Lage des Kellers diskutieren und dann setzt die Szene ein, wenn der Soldat (der Winnetou ist) wiederholt, dass er aus Amerika kommt, man aber drüber streiten kann.

Finde ich komisch den Schnitt. Vielleicht vertragen die Franzosen nicht so viel Deutsch am Stück ;)
Is ja bald Sommer!

HenryChinaski

Zitat von: Hedning am 27 August 2009, 14:56:13
Zitat von: McKenzie am 26 August 2009, 22:07:47ist IB aber auch eindeutig der letzte, konsequente Schritt in der die Kraft der Kunstwelt des Kinos endgueltig ueber die Trivialitaet der Realitaet siegt und ihr diese Trivialitaet aufzeigt - mit den Mitteln des Kinos (bemerkenswert in dieser Hinsicht die Todesszene von Goebbels und Hitler - ich empfehle sehr diesen Essay von Georg Seeßlen:  http://www.filmzentrale.com/rezis2/inglouriousbasterdsgs.htm)

Argh, den empfehle ich auch (schon vor Wochen auf Spiegelei online drauf gestoßen), falls man mal wieder kräftig :icon_rolleyes: will.

"warum gerade wir Deutschen dieses Werk brauchen - und warum danach endgültig Schluss ist mit Faschistenkitsch", auf eine derart verbissene Lesart kann man sich als eigenständig Denkender doch nicht ernsthaft einlassen wollen.
Das habe ich mir beim Lesen auch gedacht. Ich mag Seeßlens Einstellung und Stil gar nicht. Aber irgendwie muss er ja sein IB-Buch vermarkten.

HenryChinaski

mögliche kleinere Spoiler:


Eine Frage an alle:

Wie kommt ihr mit dem streckenweise an Blödelei grenzenden Stil klar? Hättet ihr euch lieber einen ernsteren Ton gewünscht - ohne dabei den Humor und die Coolness zu vernachlässigen - oder seid ihr mit dem jetzigen Stil zufrieden?

Damit meine ich solch Kleinigkeiten, wie die Pfeife, die Landa in der Eröffnungsszene heraus holt und die das ganze Kino - trotz der enormen Spannung - zum Lachen gebracht hat.

Häufig hatte ich das Gefühl, dass Tarantino - einem Comedian gleich - witzige Ideen einfielen, er es aber nicht geschafft hat, abzuwiegen, ob diese witzige Idee jeweils passend ist oder nicht.

---

Und eine zweite Frage an alle und dieses Mal ohne Wertung meinerseits:

Wie findet ihr den Stilbruch mit dem Einsatz der Musik von David Bowie?

Auch die Namenseinblendung im Seventies-Style von Schweigers Figur war schon ein Stilbruch im Gesamtkunstwerk. Ich würde gerne wissen, wie ihr über diese beiden Stilbrüche denkt. 

barryconvex

Zitat von: HenryChinaski am 28 August 2009, 00:27:27
mögliche kleinere Spoiler:
Eine Frage an alle:

Falls das auch die einschließt, die den Film nicht oder noch nicht gesehen haben: Alles, was ich bisher von dem Film gesehen und gehört habe, klingt für mich nicht wirklich verlockend. Vor allem das Grundgerüst der Geschichte klingt nach Asterix und Obelix gegen die Nazis: Banal, kindisch und unkomisch. Eher ein Fall für Uwe Boll als für jemanden, der sich anscheinend ohne große Ironie für den Regisseur eines Meisterwerks hält.
Ich bin auch überrascht, daß der Film in Deutschland soviel Zuspruch bekommt. Vor wenigen Jahren als die USA noch als das militaristische Grundübel galten, hätte man so einen simplen Blick auf Krieg wahrscheinlich weniger komisch gefunden.
Warum dann Verbeugungen zu allen Seiten, auch zu Leni Riefenstahl und dem Brücke-Regisseur eingebaut werden, weiß ich nicht, ist mir auch egal. Zu einem "Brad Pitt gibt den Brando" sage ich besser nichts. Das ganze scheint etwas wie eine Reader's Digest Version von Tarantinos Lieblingsfilmen geworden zu sein, wäre prinzipiell zwar nicht neu, aber auch nicht unsympathisch aber bei einem 80 Mio-Budget führt sich das ganze einfach selbst ad absurdum. (Genauso wie man sich nicht in eine Ahnenreihe mit "Grindhouse"-Filmen stellen kann, indem man nachträglich ein paar digitale Kratzer einbaut.)
Nicht spezifisch auf Tarantino gemünzt kann ich mit dem selbstreferentiellen Kino als Nonplusultra rein gar nichts anfangen.
Bowies Stück paßt gut zu Cat People: kühl, dekadent und leicht abgründig, klassische 80. Moroders elektronischer Score war damals noch recht mutig und innovativ, das ganze 20 Jahre später aus dem Kontext zu reißen scheint mir keine so glorreiche Idee zu sein.

bigtrouble

Zitat von: HenryChinaski am 28 August 2009, 00:27:27
mögliche kleinere Spoiler:
Eine Frage an alle:
Fand die Blödeleien nicht so arg. Da der ganze Film ja unkonventionell und ein Genre-Mix ist passen auch die komischen Einlagen, die selbst wiederum ein Mix aus Hitler-Parodie, Schwarzen Humor und "normaler" Komödie sind.
So gerne ich Cat People mag, aber ich fand die Musik passte perfekt zur Szene mit Mèlanie Laurent. War zwar ein musikalischer Stilbruch aber für mich war das kein Problem, da der David Bowie Song Shosannas Stimmung wiederspiegelte.

Roughale

28 August 2009, 10:48:01 #500 Letzte Bearbeitung: 28 August 2009, 10:49:59 von Roughale
Warum war das ein Stilbruch mit Bowie? Nur weil der Song etwas neuer ist? Immerhin gab es den Bowie auch schon in den 70ern und vielleicht mag QT den David einfach - da der Song super zu der Szene passte, war es für mich eher eine Stilblüte ;)

Der Klamauk war für mich genau richtig, niemals hatte QT die Absicht, diese heftige Zeit, ernst wiederzugeben, daher freute ich mich auf den Film (zuerst, als das Projekt verkündet wurde, hatte ich ja vor einem Kriegsflm Angst!) und er hat genau das erreicht, was ich erhofft habe, denn es gibt keinen Ansatz, wo hirnloses Neonazipack Gefallen finden kann -gut so! Zudem stellt sich die einzige "bewundernswerte" Nazipersönlichkeit Landa (Waltz) am Ende als
Spoiler: zeige
ganz mieser potentieller Wendehals
heraus.

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bigtrouble

Im Grunde war schon die Verwendung von Westernmusik in einem Kriegsfilm (falls man den Film überhaupt so bezeichnen kann! ) ein Stilbruch.  :icon_cool:

Stuntman Bob

Stilbruch halte ich für das völlig falsche Wort. Hier wird sowieso klassiches Autorenkino mit verschiedensten Genre Elementen verquickt. Ein solcher "Mash-Up" bezieht seinen Reiz doch aus dem Stilbruch und erhebt ihn letztlich zu seinem eigenen Stil. Und außerdem ist es im Grunde ein Film über das Kino. Da sollten also auch verschiedenste Einflüsse "erlaubt" sein.
Sich also zu beschweren, dass komödiantische Szenen und bestimmte Lieder nicht passen würden, aber Italo-Western Einflüsse in ordnung gehen erscheint mir etwas halbherzig.

"Via @ewines "discriminating against gays is the official policy of the @boyscouts" Jesus... Alright, then - fuck the Boy Scouts! No, wait..." -Kevin Smith (auf Twitter)

vodkamartini

Der Stilbruch ist hier bewusstes (Stil-)Mittel zum Zweck.
Als Kriegsfilm würde ich IB ehrlich gesagt auch nicht sehen. Aber das ist Auslegungssache.
www.vodkasreviews.de

There's a saying in England: Where there's smoke, there's fire. (James Bond, From Russia with love)

Roughale

Zitat von: vodkamartini am 28 August 2009, 14:32:36
...
Als Kriegsfilm würde ich IB ehrlich gesagt auch nicht sehen. Aber das ist Auslegungssache.

Ist er auch nicht, sonst hätte er mir nicht gefallen ;) Es wird kein Kriegsgeschehen gezeigt, das ganze könnte theoretisch auch in einem totalitären Staat zu Friedenszeiten stattfinden...

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MäcFly

War gestern in der (fast ausverkauften) Spätvorstellung und sah einen grandiosen Film, der im Vorfeld allerdings vollkommen falsche Erwartungen schürte. Es geht nicht darum, wieviele Nazis die "Basterds" skalpieren, oder wie sie das tun, sondern einzig darum, was Kino alles möglich macht. Goebbels beim Sex mit seiner Dolmetscherin zeigen? Kein Problem. Hitler einfach mit einer MG-Salve zerfetzen? Nichts leichter als das. Den Krieg in einem Pariser Kino beenden? Bitteschön.
Obwohl es Tarantino gar nicht um darum geht, Nazi-Größen zu persiflieren, zu verdammen oder menschlich zu zeigen, erreicht er ganz nebenbei alles, was z.B. "Der Untergang" oder "Mein Führer" nicht schafften.

Die erste Viertelstunde gehört mit zum Besten und Intensivsten, was Tarantino je gedreht hat: Verbeugung vor Leone, Ford und dem ganzen Western an sich, ohne mit Filmwissen übermäßig zu protzen, wie das später im Film doch wieder das ein oder andere mal passiert. Ob die Szene mit dem Bowie-Song jetzt in den Gesamtkontext passt oder nicht, ist mir bei der Gänsehaut, die ich währenddessen hatte, ehrlich gesagt scheißegal.

Zum Cast wurde eigentlich alles schon gesagt; im Moment wüsste ich echt nicht, wer Christoph Waltz den Oscar für den besten Nebendarsteller (eigtl Hauptdarsteller) noch streitig machen könnte.

Im Moment 8,5/10, die auf 9 Punkte aufgerundet werden.

"Man muss immer darauf achten, dass man ein gewisses Niveau nicht unterschreitet - sonst ist es schnell aus."

"Wenn man Mubarak heißt oder Kosslick, dann kann man alles machen." (Uwe Boll)

McKenzie

28 August 2009, 22:00:07 #506 Letzte Bearbeitung: 28 August 2009, 22:18:59 von McKenzie
Zitat von: Hedning am 27 August 2009, 14:56:13
Argh, den empfehle ich auch (schon vor Wochen auf Spiegelei online drauf gestoßen), falls man mal wieder kräftig :icon_rolleyes: will.

"warum gerade wir Deutschen dieses Werk brauchen - und warum danach endgültig Schluss ist mit Faschistenkitsch", auf eine derart verbissene Lesart kann man sich als eigenständig Denkender doch nicht ernsthaft einlassen wollen.

Fragt sich nur, wer hier verbissener ist. Ich stelle einfach mal in den Raum, dass die manische Betroffenheits- und Schuldigkeitshetze der Deutschen ebenso ungesund ist wie der formvollendete Revisionismus der Chinesen bezueglich Mao. Ich habe INGLORIOUS BASTERDS zusammen mit einem italienischen Freund gesehen, der sich als leidenschaftlicher Geschichtsfan und tendenzieller Gegner von fiktionalisierter historischer Wirklichkeit zunaechst sehr reserviert gab - ich habe ihm meinen partiellen Enthusiasmus dann en detail von meiner persoenlichen, deutschen Warte erklaert und anschliessend meinte er, dass er den Film nun in einem ganz anderen, unerwarteten Licht saehe. Tatsaechlich beinhaltet der Seeßlen-Text (und ja, ich bin auch sonst ein ziemlicher Fan von Seeßlen und finde, dass er einer der interessantesten Filmschreiberlinge hierzulande ist) einfach erstaunlich viel von den Gedanken, die mir nach dem Kinobesuch durch den Kopf gingen und nach der Zweitsichtung (hast du selbst den Film ueberhaupt gesehen?) bestaetigt sich das einmal mehr. Die von dir zitierte Ueberschrift erschien mir beim ersten Lesen selbst eigenartig, fuegt sich aber jetzt hervorragend in das gesamte "Rezeptionskonzept" des Textes ein - und trifft ins Schwarze. Weder Filme wie MEIN FUEHRER oder DER UNTERGANG (ich halte beide fuer vollkommenen Schrott) koennen nicht wirklich Steine im deutschen Denken stossen weil es deutsche Filme sind und damit die voellig verkrampfte und kathartische deutsche Mentalitaet tief in ihnen steckt. Zeigt DER UNTERGANG wirklich den sterblichen Menschen Hitler? Nein, er zeigt nur das krakeelende Monster, gibt aber vor, mehr zu tun. Und MEIN FUEHRER kommentiert schon durch seinen Titel von selbst. INGLORIOUS BASTERDS greift sowohl bezueglich Klischees (besonders was Hitler angeht) als auch psychologischem Realismus (einmal mehr der Verweis auf das erste Kapitel des Films und besagte Cafe-Sequenz) in die vollen aber weil wir in Deutschland diese beide Komponenten nicht gerne vermischt sehen, musste es ja zu dieser dummen, einfaeltigen, kurzsichtigen und langweiligen Retorten-Kontroverse kommen, hinter der keine Empoerung sondern nur moralistische Bigotterie steht.

Was ich oben nicht geschrieben habe weil es eigentlich schon in fast jeder halbwegs ernstzunehmenden Kritik zum Film angesprochen wird: INGLORIOUS BASTERDS ist eben genau NICHT das, was du persoenlich einige Thread-Seiten zuvor in deinem ueblichen, antiquarischen Konservatismus duester prophezeit hast, naemlich eine besonders coole, gewollt trashige Orgie zynischer Nazi-Abschlachtereien durch heldenhafte Amis. Letztere erscheinen im Film nur als dumpfe Proleten, die nur die Faust kennen und fuer die das Boese des dritten Reichs ein unerfassbarer Komplex bleibt, dem sie nur durch das blosse Abschlachten deutscher Soldaten beikommen koennen. Der Film verliert nie seine Ambivalenz und der von mir oben beschriebene Ekeleffekt waehrend des finalen Massakers, dass, anders als dass durchaus als Funsplatter betrachtbare Gemetzel im ersten KILL BILL-Film, ohne grosse Stilisierung oder Einschuebe von der sog. "Tarantinoesken Coolness" auskommt, kann m. E. kein Zufall sein. Es gab durch den ganzen Film hindurch immer wieder Szenen, in denen man unerwartet Empathie fuer deutsche Charaktere (um mal nicht "Nazis" zu schreiben - diesen Fehler begehen die Basterds eben) empfindet waehrend auf der Seite der Protagonisten zumindest fuer mich einzig Shosanna und Landa als Charaktere interessant sind. Erstere ist der einzige Charakter des Film, fuer den ich persoenlich positiv empfand, waehrend Landa schlicht als komplexe und sublim unberechenbare Figur fasziniert. Der Reiz der Basterds ist ein geringer und die Art und Weise, in der Tarantino die Kamera ruckartig zurueckfahren laesst, als Eli Roth beginnt, auf den bewusstlosen Koerper des deutschen Offiziers einzudreschen und die uebrigen Basterds groehlend zusehen, spricht fuer sich, moechte ich meinen. Aber die verspielten und "coolen" Momente des Films scheinen vielen die Sicht auf den Fakt zu verstellen, dass der Film beinahe waehrend seiner gesamten Laufzeit nicht vorgibt, ernst zu sein sondern es tatsaechlich ist.
Der Film ist ganz sicher in keinster Weise verharmlosend aber er dreht den Spiess an vielen Stellen - und beinahe immer den richtigen - um, verglichen mit vorherigen Filmen zu Thema. Darueber hinaus macht er einen Kniefall vor deutscher Kultur und deutschem Kino nach dem Naechsten. Das ist nun schon mein vierter Monat in England und Heimweh und eine ungewohnt scharfe Klarsicht auf gewisse deutsche Marotten gehen Hand in Hand - auch ins Kino. Eine andere deutsche Marotte ist, dass es Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg nicht gelungen ist, eine neue Identitaet anzunehmen weswegen wir uns entschieden haben, den Amerikanern in die Unterhose zu schauen. Sehr bedauerlich, dass wir damit so schnell sind - sonst wuerde uns die uebliche Naziploitation Hollywood vielleicht inzwischen merkwuerdig erscheinen anstatt vorbildlich und kopierenswert (das ging an alle Untergaenge, Rosenstrassen, letzte Zuege, Faelscher und Konsorten). Todeskitsch - was fuer ein ueberaus treffendes Wort Georg Seeßlen da gefunden hat.

Aber vielleicht bin ich ja einfach kein eigenstaendig denkender Mensch und England hat mich schon verdorben und antideutsch gemacht (mein Deutsch verschlechtert sich in der Tat zusehends - anders als Italiener, Polen, Franzosen und Spanier scheinen die Deutschen in Cambridge leider keinen Bedarf zu haben, eine eigene Community zu formen - ich erklaerte besagtem italienischen Freund neulich, dass es mir erschiene als seien Deutsche von Grund auf asozialer als Menschen anderer Kulturen. Wer weiss.)

@ barryconvex:

Ich wuerde an deiner Stelle selbst urteilen. Ich habe etwas aehnliches erwartet, was du beschreibst - im positiven allerdings (amuesant bizarrer Neo-Exploitation-Trash). Meine Verwirrung hat sich immer noch nicht gelegt denn der Film passt in keine der Schubladen, in denen ich ihn bisher stecken habe sehen. Er ist einfach sehr, sehr merkwuerdig (ich unterlasse den Gebrauch von "eigenwillig", das klingt inzwischen leider nach nichts mehr).

PS: Die "Cat People"-Szene ist grossartig. Und bezeichnend fuer den Ansatz des Films, weil es der einzige Pop / Rock-Song im Film ist - wodurch er sich alleine schon erheblich von Tarantinos bisherigen Filmen unterscheidet. Ich bezweifle nicht, dass Tarantinos Plan, Morricone einen Original Score schreiben zu lassen, ernstgemeint war. Schade, dass es nicht geklappt hat.
ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

HenryChinaski

@McKenzie: Auch wenn ich deine Einstellung nur bedingt teile, finde ich es doch ausgesprochen interessant, dass ausgerechnet Quentin Tarantino - ein Filmemacher, der sich auf die Aufwertung des alten Schund-Kinos spezialisiert zu haben scheint - den Anlass für eine solch interessante Diskussion bietet.

Denn bei aller Liebe: Ich bezweifel, dass es seine Intention war, den deutschen Zuschauer in diese Art von Diskussionen zu verwickeln.  :icon_cool: ...was natürlich zweitrangig ist.


Hedning

29 August 2009, 16:25:42 #508 Letzte Bearbeitung: 29 August 2009, 20:15:02 von Hedning
Zitat von: McKenzie am 28 August 2009, 22:00:07hast du selbst den Film ueberhaupt gesehen?

Nö. Da kannst du mir natürlich jetzt leicht einen Strick draus drehen, wenn du willst. Allerdings habe ich jede Menge drüber gelesen.

Zitat von: McKenzieINGLORIOUS BASTERDS greift sowohl bezueglich Klischees (besonders was Hitler angeht) als auch psychologischem Realismus (einmal mehr der Verweis auf das erste Kapitel des Films und besagte Cafe-Sequenz) in die vollen aber weil wir in Deutschland diese beide Komponenten nicht gerne vermischt sehen, musste es ja zu dieser dummen, einfaeltigen, kurzsichtigen und langweiligen Retorten-Kontroverse kommen, hinter der keine Empoerung sondern nur moralistische Bigotterie steht.

Und warum sollte man diese Komponenten gerne vermischt sehen wollen? Auf Klischees kann ich gerne total verzichten.

ZitatWas ich oben nicht geschrieben habe weil es eigentlich schon in fast jeder halbwegs ernstzunehmenden Kritik zum Film angesprochen wird: INGLORIOUS BASTERDS ist eben genau NICHT das, was du persoenlich einige Thread-Seiten zuvor in deinem ueblichen, antiquarischen Konservatismus duester prophezeit hast, naemlich eine besonders coole, gewollt trashige Orgie zynischer Nazi-Abschlachtereien durch heldenhafte Amis.

Das war eine Reaktion auf die Werbekampagne, die (zielgruppenorientiert) genau das Besagte versprochen hat - und aufgrund deren der Film bereits mit Vorschusslorbeeren ohne Ende ausgestattet wurde. Dass der Film offenbar differenzierter ausgefallen ist, als man zu diesem Zeitpunkt ahnen konnte, ändert aber nichts daran, dass dort zahlreiche schlichte Gemüter ihre Erfüllung in Ballerszenen inkl. Sprüchen wie "Say goodbye to your Nazi balls" finden und sich an der Baseballschläger-Klopperei aufgeilen. Wovon auch die "Filmzentrale"-Fraktion keine Ausnahme macht. Bei E. Knörer z.B. kommt nur die sabbernde Freude zum Ausdruck, dass endlich mal die "Richtigen" zu Brei geknüppelt werden (eine Differenzierung zwischen Wehrmacht und Nazis ist da natürlich auch nicht zu erwarten). Deine Interpretation, dass die "Basterds" durch ihr Verhalten als primitiver Haufen dargestellt und somit hinterfragt werden, kommt da nicht ansatzweise vor.

Zitat(mein Deutsch verschlechtert sich in der Tat zusehends - anders als Italiener, Polen, Franzosen und Spanier scheinen die Deutschen in Cambridge leider keinen Bedarf zu haben, eine eigene Community zu formen - ich erklaerte besagtem italienischen Freund neulich, dass es mir erschiene als seien Deutsche von Grund auf asozialer als Menschen anderer Kulturen.

Ich glaube eher, dass es kaum ein Volk gibt, dessen Menschen ein ähnliches Bedürfnis haben, sich anderen Kulturen zu assimilieren - was nicht nur, aber großteils an einem gestörten Verhältnis zur eigenen Geschichte liegt.

Was Seeßlen angeht, z.B. behauptet er, die deutsche Kultur sei "Hitler-süchtig". Bei dieser Hitler-Sucht handelt es sich jedoch einzig um die seit der 68er-Generation hochgehaltene These, die NS-Zeit sei die ewige Schande Deutschlands, die nie vergessen werden dürfe usw. - von daher ist es auch lächerlich zu behaupten, diese Sucht sei "unaufklärbar". Ich finde es paradox, dass genau das von Seeßlen zu einer Art Lebendigkeit des Faschismus in der Kultur umgedeutet wird. Man stelle sich vor: keine NS-Verbrechen mehr im Kino/TV/usw., was würde er wohl dazu sagen?
Ich weiß auch nicht, wie er darauf kommt, dass Tarantino der erste war, der Geschichte im Kino umschreibt? Schon mal was von den Historienfilmen von Kinji Fukasaku gehört? Überhaupt ist es seltsam, gerade über Tarantino ohne jeglichen Referenzenvergleich zu schreiben. Außerdem geht mir das Gerede vom "absolut Bösen" und noch mehr religiös anmutendes Vokabular ("teuflisch") auf die Nerven - in einem Text, der gerade gegen ("Todes-")Kitsch vorzugehen behauptet. Und wenn es so was wie "Todeskitsch" gibt, dann sieht das wohl in etwa so aus:
ZitatUnd wie "Django" und seine Brüder sind auch die Helden des Widerstands nur noch als Menschen zu verstehen, die bereits einmal gestorben sind. Nur der Gedanke an Rache hält sie am Leben, dieser inversen Gerechtigkeit opfern sie, wie die jüdische Kämpferin Shosanna (Mélanie Laurent), auch die Möglichkeit eines Glücks.
So ein Pathos ist offenbar sogleich legitim, wenn es nicht um die Nazis geht?

Und dann kommt auch mal so eine Kette bodenloser Unterstellungen bzgl. der Gegenwartsgesellschaft:
Zitateiner Zeit, da in Mitteleuropa eine ganz andere Erzählung die Oberhand zu gewinnen droht, ein schleichender, postumer Sieg der Hitlers und Mussolinis. In ihr wird am Tag des gescheiterten Attentats ein feierliches "Gelöbnis" der jungen Soldaten vollzogen, dessen Ritual dem der Nazis teuflisch ähnelt; in ihr werden längst Pilgerfahrten zu den Wirkstätten des "Führers" organisiert. Jenseits der bekennenden Neonazis, an denen wahrhaft kein Mangel besteht, pflegt diese Kultur dies beides: das "heilige Erschauern" vor den Zeichen und Riten der Nazis und die "menschliche Nähe" zu ihren Repräsentanten. In dieser Erzählung wird der Faschismus zur ein wenig außer Kontrolle geratenen, notwendigen Abwehrbewegung gegen den Bolschewismus umgedeutet.
"In dieser Erzählung", was meint er damit?

Dann auch immer so tun, als könne er in den Kopf des Autors schauen: "Tarantino weiß,...", "Tarantino opfert sein Heiligtum"... und zuletzt wird auch noch auf die Geschichte vom gordischen Knoten zurückgegriffen, die meiner Auffassung nach ein äußerst negatives Licht auf den "Durchhauer" wirft. Das Durchhauen des gordischen Knotens durch Alexander den Großen symbolisiert letztlich lediglich ein brutales und primitives Vorgehen, das Inkompetenz durch Macht kompensiert. Damit soll nun jemand geadelt werden?

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Zitat von: McKenzieLetztere erscheinen im Film nur als dumpfe Proleten, die nur die Faust kennen und fuer die das Boese des dritten Reichs ein unerfassbarer Komplex bleibt, dem sie nur durch das blosse Abschlachten deutscher Soldaten beikommen koennen. Der Film verliert nie seine Ambivalenz und der von mir oben beschriebene Ekeleffekt waehrend des finalen Massakers, dass, anders als dass durchaus als Funsplatter betrachtbare Gemetzel im ersten KILL BILL-Film, ohne grosse Stilisierung oder Einschuebe von der sog. "Tarantinoesken Coolness" auskommt, kann m. E. kein Zufall sein. Es gab durch den ganzen Film hindurch immer wieder Szenen, in denen man unerwartet Empathie fuer deutsche Charaktere (um mal nicht "Nazis" zu schreiben - diesen Fehler begehen die Basterds eben) empfindet waehrend auf der Seite der Protagonisten zumindest fuer mich einzig Shosanna und Landa als Charaktere interessant sind. Erstere ist der einzige Charakter des Film, fuer den ich persoenlich positiv empfand, waehrend Landa schlicht als komplexe und sublim unberechenbare Figur fasziniert. Der Reiz der Basterds ist ein geringer und die Art und Weise, in der Tarantino die Kamera ruckartig zurueckfahren laesst, als Eli Roth beginnt, auf den bewusstlosen Koerper des deutschen Offiziers einzudreschen und die uebrigen Basterds groehlend zusehen, spricht fuer sich, moechte ich meinen. [...] Der Film ist ganz sicher in keinster Weise verharmlosend aber er dreht den Spiess an vielen Stellen - und beinahe immer den richtigen - um, verglichen mit vorherigen Filmen zu Thema. Darueber hinaus macht er einen Kniefall vor deutscher Kultur und deutschem Kino nach dem Naechsten.

Das mag ja alles sein, aber dazu verliert Seeßlen in seinem Lobgesang kein Wort. Das wichtigste für ihn scheint doch zu sein, dass Hitler am Ende von IB "zerschossen, verbrannt und zerstückelt" ist.

Mr. Vincent Vega

Zitat von: Hedning am 29 August 2009, 16:25:42
Das war eine Reaktion auf die Werbekampagne, die (zielgruppenorientiert) genau das Besagte versprochen hat - und aufgrund deren der Film bereits mit Vorschusslorbeeren ohne Ende ausgestattet wurde. Dass der Film offenbar differenzierter ausgefallen ist, als man zu diesem Zeitpunkt ahnen konnte, ändert aber nichts daran, dass dort zahlreiche schlichte Gemüter ihr Mekka in Ballerszenen inkl. Sprüchen wie "Say goodbye to your Nazi balls" finden.

Ich habe in den letzten Jahren keinen Film gesehen, bei dem die Vermarktung so wenig zu tun hat mit dem eigentlichen Ergebnis wie im Falle der INGLOURIOUS BASTERDS.

Schau' dir den Film tatsächlich erst einmal an. Bedenklich ist er meines Erachtens eher aus ganz anderen Gründen.

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