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Bundestagspetition zur Novellierung des Paragrafen 131 ist beendet

Begonnen von Gargi, 8 November 2005, 20:43:49

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Gargi

Petitionsausschuss lehnt die Eingabe von Medialog e.V. ab

Forchheim, 15.10.2005 – Die im Frühjahr und Sommer 2004 von ,,Medialog e.V. –
Verein zur Förderung von Filmkompetenz" durchgeführte Bundestagspetition ist
beendet. In einer Eingabe hatte der Verein gefordert, den
Strafgesetzbuchparagrafen 131, nach dem Medien wegen Gewaltverherrlichung
bundesweit beschlagnahmt und deren Hersteller und Vertreiber bestraft werden
können, zu novellieren. Kritisiert hatte der Verein vor allem, dass von der
Verbotspraxis auch fiktionale Angebote betroffen sind, deren kultureller und
zeitgeschichtlicher Wert von Seiten der Kulturwissenschaften unbestritten
ist. Die Empfehlung zur Beendung der Petition durch den Petitionsausschuss
des Deutschen Bundestages kritisiert der Verein auf inhaltlicher Ebene und
zieht daraus die Konsequenz, seine Arbeit mehr auf die Diskussion um den
gesellschaftlichen Umgang mit Medien zu konzentrieren.

Ausgangspunkt der Petition war die im Januar 2004 erfolgte bundesweite
Beschlagnahmung des Spielfilms ,,Blood Feast" (USA 1963, Regie: Herschell
Gordon Lewis) durch das Amtsgericht Karlsruhe. ,,Medialog e.V." monierte
nicht nur, dass mit ,,Blood Feast" ein einflussreicher und filmhistorisch
wichtiger fiktionaler Spielfilm nach über 40 Jahren verboten wurde, sondern
auch die Praxis, wie dies geschah: In Abwesenheit des Vertreibers (cmv
Laservision, Berlin) und des Künstlers (Herschell Gordon Lewis, Fort
Lauderdale, USA) wurde der Film im Schnellverfahren und ohne Einholung eines
fachwissenschaftlichen Gutachtens aus dem Verkehr gezogen. Der von der
Staatsanwaltschaft Karlsruhe erstellte Beschluss, auf dem die Beschlagnahme
basiert, weist ,,Medialog e.V." zufolge etliche fachliche und inhaltliche
Fehler auf. Eine juristische Stellungnahme, die der Verein beim Münchner
Medienanwalt Holger von Hartlieb einholte, ergab zudem, dass am Verfahren
auch starke juristische Zweifel bestehen, da der im Beschluss beschriebene
Tatbestand im Film nicht nachzuweisen sei.

Auf der Basis mehrerer Gutachten und Stellungnahmen (u. a. vom Kieler
Filmwissenschaftler Prof. Dr. Hans-Jürgen Wulff) sowie einer bundesweit
durchgeführten Unterschriftenaktion, bei der über 2300 Unterstützter von
Film- und Medienwissenschaftlern, Filmkünstlern, Verleihern, Videothekaren
und Filmfreunden gesammelt wurden, reichte ,,Medialog e.V." im September 2004
eine Bundestagspetition ein. Diese hatte zum Ziel, den
Strafgesetzbuchparagrafen 131 so zu überarbeiten, dass es künftig nicht mehr
möglich wäre, fiktionale Spielfilme zu verbieten, und bei anstehenden
Gerichtsverfahren die Anwesenheit der Betroffenen und von Gutachter
verbindlich machen sollte. Darüber hinaus sollte die Regelung abgeschafft
werden, nach der die ,,Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien" (BpjM)
mutmaßliche Rechtsverletzungen von ihnen vorgelegten Spielfilme bei der
Staatsanwaltschaft anzeigen kann.

Das Ergebnis der Petition liegt nun vor – der Petitionsausschuss hat den
Eingaben in allen Punkten widersprochen und empfohlen, das
Petitionsverfahren abzuschließen. Begründet wurde die Empfehlung mit einer
dezidierten Stellungnahme (im Internet unter http://www.medialog-ev.de
abzurufen), nach der zunächst der Straftatbestand auch fiktionaler
Medieninhalte gerechtfertigt wurde: Ob es sich bei dem Medieninhalt um ein
künstlerisch wertvollen oder medienhistorisch wichtigen Inhalt handele, sei
nicht maßgeblich, da auch künstlerische Inhalte den Rechtsfrieden zu
gefährden im Stande seien. Auch die Tatsache, dass in etlichen der
verbotenen Filme keine Menschen, sondern allenfalls ,,menschenähnliche Wesen
" Opfer von Gewalt würden, sei nicht entscheidend, sondern allein, so der
Wortlaut des Schreibens, ,,ob die Opfer der wiedergegebenen Gewalttätigkeiten
nach objektiven Maßstäben ihrer äußeren Gestalt nach Ähnlichkeit mit dem
Menschen aufweisen." Die Kritik an den Verfahrensweisen der Amtsgerichte, in
Abwesenheit von Betroffenen und Gutachtern zu entscheiden, wies der
Petitionsausschuss mit Verweis auf die geltende Rechtslage zurück, nach
welcher ein Verfahren ohne Angeklagten nicht stattfinden könne und das
Gericht stets auf Gutachter zurückgreifen, wenn es ,,Sachfragen nicht
aufgrund eigener Sachkunde ausreichend beurteilen kann." (Wortlaut
Petitionsausschuss). Aus der Ablehnung der von ,,Medialog e.V." monierten
Sachlage sieht der Petitionsausschuss auch keinen Handlungsbedarf bei der
Denunziation von Medienanbietern durch die BpjM bei den Gerichten.

Der Verein ,,Medialog e.V." hat nach ausführlicher Diskussion der
Stellungnahme des Bundestags-Petitionsausschusses und deren juristischer
Prüfung entschlossen, das Petitionsverfahren zu beenden. Als Grund hierfür
gibt er an, dass die gesellschaftliche Diskussionsbasis zum Thema ,,Medien
und Gewalt" nicht breit genug sei, denn den inhaltlichen Argumenten von
,,Medialog e.V." wurde vom Petitionsausschuss keine Beachtung geschenkt. Die
Petition sollte zum Ziel haben, dass die Diskussionsgrundlage des Themas
,,Medien und Gewalt" nicht dadurch entzogen werden kann, indem fragliche
Medienprodukte einfach aus dem Verkehr gezogen werden, bevor sie in den
gesellschaftlichen Diskurs gelangen können. Dass hierfür eine
medienwissenschaftliche und weniger eine juristische Herangehensweise
notwendig ist, ignoriert der Petitionsausschuss durch seinem
ausschließlichen Verweis auf geltende Gesetzeslagen. Diese Gesetzeslage
würde, wie ,,Medialog e.V." am Fall ,,Blood Feast" nachgewiesen hat, jedoch
unterlaufen, indem sich die Amtsgerichte für fachlich zuständig erklären –
die offenkundigen Fehler des Beschlagnahmebeschlusses von ,,Blood Feast
" widersprächen dieser Einschätzung jedoch. Auch die Vorladung der
Betroffenen sei in den seltensten Fällen gewährleistet, da sich die
Staatsanwaltschaften häufig auf die Feststellung ,,unbekannter Anbieter
" zurückzogen, obgleich diese leicht (zum Beispiel im Internet) zu
recherchieren wären.

Auch die Begründung zur Beibehaltung des scharfen Straftatbestandes im § 131
StGB sei als Hinweis darauf zu werten, dass im Umgang mit Medien sowohl auf
Seiten der Judikative als auch der Legislative große Unsicherheit herrsche:
Die geltende Verbotspraxis beruft sich letztlich auf ein Argument, nach dem
,,der Konsum gewaltverherrlichender oder -verharmlosender Darstellungen auch
in Spielfilmen Nachahmeffekte auslösen und so die Rechtsgüter der
Menschenwürde und der körperlichen Unversehrtheit gefährden" kann, so die
Begründung des Ausschusses. Dass dieser Hypothese seitens der
Medienwirkungsforschung vielfach widersprochen wurde und in der Forschung
seit langem wesentlich differenziertere Wirkungsmodelle existieren, lässt
der Petitionsausschuss unberücksichtigt. ,,Medialog e.V." sieht gerade hierin
einen ,,Beleg dafür, dass in der Diskussion um Medien immer noch und wider
besseren Wissens mehr mit Ängsten als mit Fakten argumentiert wird", so
Pierre Kretschmer, Vorstandsvorsitzender des Vereins. ,,Medialog e.V." sieht
sich durch das Ergebnis der Bundestagspetition in seinem Vereinszweck voll
bestätigt, weiter an einer rationalen Argumentationsbasis im Umgang mit
Medien zu arbeiten. ,,Medien muss vorurteils- und angstfrei begegnet werden",
so Kretschmer, ,,dies allein kann die Grundlage für eine differenzierte und
aufgeklärte Diskussion um Medieninhalte nach sich ziehen." Der Verein wird
sein Tätigkeit daher künftig noch stärker auf Medienpädagogik und
­journalismus hin ausrichten, um die Bedingungen für einen solchen Umgang
mit vorzubereiten.

Weitere Informationen und Dokumente:

http://www.medialog-ev.de/ - Homepage Medialog e.V.
http://www.medienverstehen.de/texte/peditionsende.pdf - Antwort des
Petitionsausschusses
http://www.medienverstehen.de/texte/medialoggutachten.pdf - Stellungnahme
von Medialog e.V.
http://www.medienverstehen.de/texte/vonHartliebgutachten.pdf - juristische
Stellungnahme von RA Holger von Hartlieb (München)
http://www.medienverstehen.de/texte/GutachtenWulff.pdf -
Filmwissenschaftliche Stellungnahme von Prof. Dr. H.-J. Wulff (Kiel)

Bei Veröffentlichung bitten wir um eine kurze Mitteilung mit Quellenangabe.

Mit freundlichen Grüßen
Medialog e.V.
(Pressereferat)

Dr. STRG+C+V n0NAMe

Ich weiß ja, dass ich ein ignoranter Depp bin, weshalb ich das folgende auch sagen darf ...

haha ... soviel Arbeit für die Katz.
Aktueller Rang: Sergeant of the Master Sergeants Most Important Person of Extreme Sergeants to the Max
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Carpenter Brut - Le Perv
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Carpenter Brut - Obituary
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Hana-Bi

Bei solchen Dumpfbacken die für das Jugendschutzgesetz verantwortlich sind ist es kein wunder das diese Petition gescheitert ist. Sehr schade.

andreas82

Zitat von: n0NAMe am  8 November 2005, 23:01:08
Ich weiß ja, dass ich ein ignoranter Depp bin, weshalb ich das folgende auch sagen darf ...

haha ... soviel Arbeit für die Katz.

Besser als gar nicht zu unternehmen... :icon_twisted: :icon_wink:


Dafür haben wir das Thema publik gemacht und hat für Gesprächsstoff gesorgt.

Wunschname

naja gesprächsstoff ist denke ich schon lange genug vorhanden sollte sich langsam mal was ändern bei dem ganze rumgelaber tut sich eh nichts die einen sagen ja die anderen nein und so gehts halt hin und her. Und ob das mit der publik gut ist weis ich net so ich denke viele leute sagen naja wens so von den "schlauen köpfen" entschieden wurde wirds scho stimme .

Kerry

Zitat von: andreas82 am  8 November 2005, 23:41:59
Besser als gar nicht zu unternehmen...

Sehe ich genauso.
Durch "Selbstmitleid" und "Rummotzen" hat sich noch nie etwas geändert, der Einzige Weg hier etwas zu ändern ist nun mal der über die demokratischen Institutionen (Bundestag, Parteien...).
Dies kann auch durch Anstoß einer entsprechenden gesellschaftlichen Diskussion geschehen. Wenn sich ein paar Freaks in ihrem stillen Kämmerlein über die aus ihrer Sicht falsche Gesetzesgebung auslassen, bringt dies gar nichts.
Der von Medialog eingeschlagene Weg ist zwar mühsam, jedoch der aus meiner Sicht Einzige zumindest langfristig Erfolg versprechende.

Dr. Phibes (Buurman)

Wieder mal ein Beispiel, wie sehr die Politik doch zeigt, wie sehr ihnen die Bürger "am Arsch vorbeigehen". Was die Politik macht, ist ja alles richtig, sehen wir ja auch zur Zeit. Sowas etzt dem ganzen dann noch die Krone auf. Das Gutachten des Medienanwalts wurde ich genau so unterschreiben, alles was er beschreibt ist genau richtig. Zeigt nur, wie "arm" unser Land doch ist.

@Noname

Wieder mal ein gelungener Beitrag.~~ Immerhin gibt es Leute, die sich nicht alles gefallen lassen und versuchen zu handeln. Aber es ist natürlich einfacher, einfach einen dummen Spruch abzulassen. 

Kerry

Zitat von: Dr. Phibes am  9 November 2005, 13:08:49
Wieder mal ein Beispiel, wie sehr die Politik doch zeigt, wie sehr ihnen die Bürger "am Arsch vorbeigehen". Was die Politik macht, ist ja alles richtig, sehen wir ja auch zur Zeit. Sowas etzt dem ganzen dann noch die Krone auf. Das Gutachten des Medienanwalts wurde ich genau so unterschreiben, alles was er beschreibt ist genau richtig. Zeigt nur, wie "arm" unser Land doch ist.
Also ich vermute mal, dass diesbezüglich die Politik mit mindestens 80% der Bevölkerung konform geht. Die Mehrheit hält es nun mal für "richtig", solche "gewaltverherrlichenden Machwerke" zu verbieten. Der Kunstvorbehalt zählt ebenfalls nicht, da in diesen Filmen die Menschenwürde so mit Füßen getreten wird, dass "die Würde des Menschen ist unantastbar" den Vorrang vor "eine Zensur findet nicht statt" bekommt.
Und solange die Mehrheit nicht gewillt oder in der Lage ist, auch solche Filme als "Kunst" anzuerkennen, wird sich auch nichts ändern.
Wenn die Mehrheit der Bevölkerung demonstrieren würde "wir wollen legal und ungekürzte Horror- und Gewaltfilme für jedermann ab 18" würde das entsprechende Gesetz auch schnell geändert werden.

Roughale

Und irgendwann führen sie eine "Gewaltverherlichungssteuer" ein und das ganze ist weniger dramatisch  :icon_twisted:

Ich stimme der meisten Kritik hier zu und weiss leider kein Gegenmittel, hoffe nur, dass wir nicht irgendwann die Schweizer Vorgehensweise übernehmen...

esta es la mejor mota
When there is no more room for talent OK will make another UFC

Kerry

Zitat von: Roughale am  9 November 2005, 16:09:19
Und irgendwann führen sie eine "Gewaltverherlichungssteuer" ein und das ganze ist weniger dramatisch :icon_twisted:

Ich stimme der meisten Kritik hier zu und weiss leider kein Gegenmittel, hoffe nur, dass wir nicht irgendwann die Schweizer Vorgehensweise übernehmen...

Stimmt, im Vergleich zur Schweiz sind wir hier wesentlich besser dran. Immerhin herrscht eine gewisse Rechtssicherheit und
- die "bösen" (indizierten) Filme können legal erworben werden
- die "ganz bösen" (131) Filme kann sich jeder der eine Suchmaschine bedienen kann aus diversen Shops aus dem EU-Ausland ohne jedes Risiko zu annehmbaren Preisen bestellen
- der Besitz von 131ern ist nicht strafbar

Um eine Veränderung zu erreichen, ist viel Geduld vonnöten. Bis jetzt wurde D im Laufe der letzten Jahrzehnte jedenfalls langsam aber sicher immer toleranter; und dies wird sich auch wohl so fortsetzen.
Immerhin gibt es jetzt bereits dankenswerterweise Vereine wie Medialog etc., ein Anfang ist also bereits gemacht. Heute ist D toleranter als 1990; 1990 toleranter als 1980, 1980 toleranter als 1970...

Wunschname

ja man sollte etwas tun... ...aber was?
Wurde eigentlich auch schonmal für den film entschieden? Bis jezt hab ich immer nur gehört das anträge abgelehnt wurden.

Dr. STRG+C+V n0NAMe

Zitat von: Dr. Phibes am  9 November 2005, 13:08:49
@Noname

Wieder mal ein gelungener Beitrag.~~ Immerhin gibt es Leute, die sich nicht alles gefallen lassen und versuchen zu handeln. Aber es ist natürlich einfacher, einfach einen dummen Spruch abzulassen. 

Was heißt denn da wieder mal ? Außer dem hier und Unfunny Games bin ich doch ganz nett. Und über Fußball kann man ja bekanntlich nicht streiten.  :icon_mrgreen:

@andreas82: Möchte mich ja nicht beschweren, aber ich wende eben meine Zeit für andere Dinge auf, als mich über Dinge zu ärgern, die ich nicht ändern kann bzw. die sich eh nie ändern werden. Die Herrschaften Politiker interessiert so ein Kleinkram nicht. Aber natürlich darf das jeder machen, wie er will.

Gruß

n0NAMe
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Mr. Blonde

Bin leider der selben Auffassung, in dieser "Demokratie" haben wir leider nur wenig zu melden, ob wir nun was ändern wollen oder nicht, am Ende entscheiden Leute, die weder betroffen sind, noch Ahnung haben. Aber ein Versuch hat ja noch nie geschadet, da kann man nur hoffen, dass es irgendwann besser wird :bawling:

... Und zur Not holt man sich die Filme einfach wieder übers Ausland *zwinker, zwinker* :icon_cool:

... und wird irgendwann dabei erwischt...  :eek:


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