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Juristisches Hick-Hack um Contergan-Film beendet

Begonnen von mali, 5 September 2007, 12:28:56

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mali

Contergan-Film geht doch auf Sendung

"Das juristische Tauziehen um den umstrittenen WDR- Zweiteiler "Eine einzige Tablette" ist beendet. Der Film über den Contergan-Skandal darf im November ausgestrahlt werden - das Bundesverfassungsgericht wies mehrere Klagen dagegen in einer Eilentscheidung ab."

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,503937,00.html

rierami

Wäre ja auch noch schöner wenn man keine Filme mehr drehen bzw. zeigen darf die auf einen wahren Hintergrund beruhen!
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dekay

Zitat von: rieramiWäre ja auch noch schöner wenn man keine Filme mehr drehen bzw. zeigen darf die auf einen wahren Hintergrund beruhen!

Eben.
Habe das Ganze seit geraumer Zeit verfolgt und war zutiefst entsetzt, als das Hamburger Landgericht damals tatsächlich eine einstweilige Verfügung gegen die Produzenten erließ. Gott sei Dank sitzen beim BVerfG nicht solche Juristen-Noobs und bringen die Sache nun auf den Punkt:
"Kritiker sahen in dem Vorgehen gegen den TV-Zweiteiler einen Eingriff in die künstlerische Freiheit, das Verfassungsgericht teilt diese Auffassung. Laut Urteilsbegründung wäre ein Verbot ein "schwerwiegender Eingriff" in die Programmfreiheit des WDR. Die Ausstrahlung zum zeitgeschichtlich wichtigen Jahrestag könne wichtige Anstöße zur öffentlichen Meinungsbildung geben - auch bei einem unterhaltend aufgemachten Film."
Wenn das Ding auch vorm BVerfG so gelaufen wäre, wie die Kläger und das LG Hamburg sich das vorgestellt hatten, wäre das ein massiver Schlag gegen Meinungs-, Film- und Kunstfreiheit in Deutschland gewesen. Schon seit Jahren gibt es beunruhigende Urteile vom BGH, mit denen bei bestimmten Leuten unliebsame Bücher (z.B. von Maxim Biller) verboten werden. Ich hoffe, auch dem wird bald mal ein Riegel vorgeschoben.

dekay
WHAT DO YOU KNOW, DEUTSCHLAND?

barryconvex

http://www.areadvd.de/dvd/2007/Contergan_DVD.shtml

Warner zieht die DVD-Veröffentlichung des in dieser Woche in der ARD ausgestrahlten TV-Films "Contergan" zurück. Ursprünglich sollte der Film über den Contergan-Skandal heute auf DVD veröffentlicht werden. Heute teilte Warner mit, dass es leider aus juristischen Gründen nicht möglich sein, den Film zu veröffentlichen. Weitere Details zu den Gründen teilte Warner nicht mit.

Um die Ausstrahlung des ursprünglich unter dem Titel "Eine einzige Tablette" produzierten TV-Films hatte es in den letzten Monaten einen längeren Rechtsstreit gegeben, da u.a. der Pharma-Hersteller Grünenthal die Ausstrahlung des Films verhindern wollte. 

Die ARD plant eine Wiederholung des Zweiteilers auf dem Spezial-Kanal "Eins Festival" am Samstag um 20:15 Uhr. 

AcidMitsu

Vielleicht wird da ja einer der Filme, die eins, zweimal ausgestrahlt werden und dann nie wieder im TV laufen.
Auch wenn ich den Zwei-Teiler selbst nicht gesehen habe, finde ich es unheimlich wichtig, dass sowas nicht durch irgendwelche Juristen unter den Teppich gekehrt wird bzw. werden kann.


Manuel

Kerry

Aus Sicht von Grünenthal kann ich durchaus den Versuch verstehen, die Verbreitung dieses Films zu verhindern. Der Film vermengt reale Fakten mit einer fiktionalen Geschichte; für den mit dem Fall nicht so bewanderten Zuschauer (= fast alle) ist es nicht nachvollziehbar, wo die Realität aufhört und die Fiktion beginnt.
Der Film ist sehr einseitig und nach dem gängigen Schwarz/Weiß - Schema produziert; der Anwalt ist "der Gute" und Grünethal bzw. die Pharmaindustrie "die Bösen". Hinzu kommt eine sehr emotionale Darstellung.
Dass dieser Film geschäftsschädigend für Grühnethal ist, steht ausser Frage.

Nicht falsch verstehen:
Grünethal hat sich gewiss einiges zu Schulden kommen lassen, was natürlich auch gesagt werden darf bzw. gesagt werden muss. Dies sollte jedoch auf eine faire und objektive Art und Weise geschehen und nicht in Form eines emotionalen und fiktiven Tränendrückerfilms.

mali

Zitat von: Kerry am 11 November 2007, 11:49:38
[...]
Nicht falsch verstehen:
Grünethal hat sich gewiss einiges zu Schulden kommen lassen, was natürlich auch gesagt werden darf bzw. gesagt werden muss. Dies sollte jedoch auf eine faire und objektive Art und Weise geschehen und nicht in Form eines emotionalen und fiktiven Tränendrückerfilms.

Wenn es dazu beiträgt, dass die entsprechende Industrie sich so sehr in die Hosen scheißt, dass sich so etwas möglichst nie wiederholt dann ist das IMHO durchaus legitim. Grünenthal hat sich bis heute ja auch nicht gerade ein Bein ausgerissen um von sich aus die Opfer zu entschädigen (soweit das überhaupt möglich ist). Die damals eingerichtete Stiftung reicht hinten und vorne nicht aus und geschah auch nur auch Druck.

barryconvex

http://www.wdr.de/themen/homepages/contergan.jhtml?rubrikenstyle=specials

(Dossier zum Thema)

Habe den Fernsehfilm bisher nur aufgezeichnet aber noch nicht gesehen, würde mich aber freuen, wenn jemand die genaue Begründung Warners zur Hand hat. Warum darf der Film (versteckt) im Fernsehen wiederholt werden, wenn er juristisch anfechtbar ist?


Kerry

Zitat von: barryconvex am 12 November 2007, 00:13:55
http://www.wdr.de/themen/homepages/contergan.jhtml?rubrikenstyle=specials
(Dossier zum Thema)
Habe den Fernsehfilm bisher nur aufgezeichnet aber noch nicht gesehen, würde mich aber freuen, wenn jemand die genaue Begründung Warners zur Hand hat. Warum darf der Film (versteckt) im Fernsehen wiederholt werden, wenn er juristisch anfechtbar ist?

Dann ja, Warner ist ein profitorientiertes Unternehmen; und für eine sich sowieso voraussichtlich nur mäßig zu verkaufende DVD lohnt es sich einfach nicht, ein finanzielles / juristisches Risiko einzugehen (Stichwort "Üble Nachrede" etc.).
Die ARD hingegen ist eine über Rundfunkgebühren wohlfinanzierte Sendergruppe, bei der es auf ein paar Millionen mehr oder weniger nicht so sehr drauf ankommt - am Ende zahlen die Gebührenzahler.

@mali:
Ich habe beruflich bedingt Einblick in einige große Pharmaziefirmen. Dort wird ein exorbitanter Aufwand für Qualitätssicherungsmaßnahmen getrieben; fehlt nur auf irgendeinem Dokument eine Unterschrift so wird eine ganze Produktionscharge eingestampft.
Auch Meldungen über aufgetretene Nebenwirkungen werden penibelst überprüft / nachrecherchiert und ab einer gewissen Schwere an das BFARM (Bundesamt für Arzneimittelzulassung) gemeldet.

Wie es bei kleinerern Herstellern vor sich geht weiß ich nicht; die mir bekannten multinationalen Großkonzerne jedenfalls nehmen Qualitätssicherung sehr ernst.

barryconvex

Die Argumentation reißt mich nicht vom Hocker, entweder der Film entspricht geltendem Recht oder nicht. Es wäre doch eigentlich zu erwarten, daß alle Einwände bereits geltend gemacht wurden. (Wobei es mich ohnehin wundert, daß es eine Art Vorzensur gegeben zu haben scheint, also Eingriffe in den Film, bevor er als Endprodukt vorlag.)

Zum Komplex Medizin / Kommerz gibt es auch etwas weniger positive Einschätzungen ( http://www.randomhouse.de/specials/bluechel/ ), aber damit wirst Du besser vertraut sein als ich.

Kerry

Zitat von: barryconvex am 12 November 2007, 12:48:43
Die Argumentation reißt mich nicht vom Hocker, entweder der Film entspricht geltendem Recht oder nicht. Es wäre doch eigentlich zu erwarten, daß alle Einwände bereits geltend gemacht wurden.
Denke mal, dass es über mehrere Instanzen geht und Grünethal alles daran setzt, eine weitere Veröffentlichung zu verhindern. Solche Rechtsstreitigkeiten können sich über mehrere Jahre hinziehen und sehr kostenspielig sein. Eine Drohung wie "wir verklagen alles und jeden, der diesen Film veröffentlicht" scheint bei Warner wohl Erfolg gehabt zu haben. Denn: warum soll ein profitorientiertes Unternehmen (eben Warner) wegen eines relativ geringen Gewinns ein solches Risiko eingehen (Prozesskosten...)?

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