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Wie lässt sich Schauspielkunst beschreiben und kritisch analysieren?

Begonnen von pm.diebelshausen, 13 Januar 2009, 20:58:54

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pm.diebelshausen

13 Januar 2009, 20:58:54 Letzte Bearbeitung: 13 Januar 2009, 21:03:41 von pm.diebelshausen
Wenn ich Filmreviews und -besprechungen lese oder schreibe, fällt mir immer wieder auf, dass Regie, Kamera, Production Design, Musik und so weiter oft detailiert angesprochen/kritisiert werden, die Bemerkungen zur schauspielerischen Arbeit aber eher mager und wischiwaschi ausfallen. Nach dem Motto: "schauspielerische Glanzleistung" oder "Fehlbesetzung".

Jedenfalls fehlen mir selber klare Beschreibungskathegorien, wie sie zum Beispiel bezüglich Kamera/Licht (Kadrierung, Kamerabewegungen ...) naheliegender scheinen. Mir scheint, dass das Know-how des schauspielerischen Handwerks relativ zu den anderen filmschaffenden Berufen unter den Tisch fällt. So geht es zum Beispiel auch bei den ansonsten lohnenden DVDs von Zweitausendeins zum Thema Film(analyse) nicht um das Schauspiel.

Kann mir jemand Literatur nennen, mit der ich mein Wissen über das Schauspielerhandwerk aufbessern kann? Es geht mir weniger um ein Autodidaktenlehrbuch zum Schauspielen, als vielmehr um analytische Beschreibungsmöglichkeiten, z.B. auch die Veränderung des Schauspiels im Film seit der Stummfilmzeit. Es ist ja kaum zu übersehen, dass in Matrix anders geschauspielert wird als in Citizen Kane - aber wie lässt sich diese Veränderung beschreiben?

Und könnt Ihr meine Beobachtung diesbezüglich teilen, oder seht Ihr das anders?
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

Bretzelburger

Ich halte eine kritische Betrachtung von schauspielerischen Leistungen auch für schwierig, da objektive Kriterien kaum herangezogen werden können. Ich selbst hatte mehrere Jahre einen semi-professionellen Unterricht als Theaterschauspieler, aber das hat mit Darstellung im Film nur wenig gemeinsam. Dazu gibt es ja bekannte Schauspieler-Schmieden, die z.B. das "Method-Acting" herausgebracht haben, aber wen kann man letztlich danach beurteilen, ganz abgesehen davon das jede Zeit selbstverständlich auch ihre Moden hatte (wie du schon richtig andeutest)?  Und ist z.B. Humphrey Bogart ein schlechter Schauspieler, weil er quasi nur sich selbst spielte, oder deshalb gerade besonders gut ? - Und was sagt das über die Qualität des Films aus ?

Ich habe mich soeben damit im Zusammenhang mit Will Smiths Film "Sieben Leben" beschäftigt. Rosario Dawson fand ich als todkranke und trotzdem lebensfrohe, selbstbewusste Frau sehr gut. Für mich waren gerade die Szenen mit Smith sehr überzeugend im Timing und in der Nachvollziehbarkeit. Deshalb könnte ich nicht objektiv sagen, dass sie gut gespielt hat - letztlich kann man als Kritiker nur seinen subjektiven Eindruck vermitteln und der ist aus dem Zusammenhang des Films nicht zu lösen. Vielleicht lag es auch an dem guten Drehbuch - nur Insider wissen, was ein Schauspieler dazu erfindet oder improvisiert oder ob er sich hundertprozentig an die Vorgaben hält.

Mir persönlich gefällt es nie, wenn Kritiker allgemein und ohne persönlichen Bezug von schlechten Schauspielerleistungen schreiben und ihre Verbannung eines Films damit würzen. Das empfinde ich opportunistisch, da man wegen der Pauschalität nicht widersprechen kann. Ein Film ist immer (das gilt auch für die anderen von dir genannten Kriterien) ein Zusammenspiel aller Kräfte, dessen Zustandekommen Aussenstehende oft nicht nachvollziehen können. Auch Kamera und Licht kann nicht nach Lehrbuchvorgaben beurteilt werden, manchmal werden diese bewusst ignoriert - letztlich kann man nur versuchen Intention und Umsetzung aneinander zu messen. Und lernen lässt sich vor allem an möglichst vielen Filmen aus allen Epochen und Genres (da kommt man als Kritiker nicht herum).


pm.diebelshausen

Vielen Dank schonmal für diese Antwort.

Geschmackssache und sehr persönlich ist eine Kritik immer - da finde ich es egal, ob sie sich auf Kamera, Montage oder Schauspiel bezieht. Mit Kritik meine ich auch nicht das Gewäsch, das meist Werbung oder Warnung in den verschiedenen Massenmedien ist. Im Studium (Sprache/Literatur/Philosophie) habe ich - und da bin ich froh drüber - gelernt, dass es viel spannender ist, rauszubekommen, was überhaupt in oder bei einem Kunstwerk passiert, anstatt verlauten zu lassen, was mir persönlich gefällt und was nicht. Letzteres ist eben Geschmackssache und ein interessanter Austausch zwischen verschiedenen Meinungen, wenn einen die Menschen interessieren. Denn in einer Kritik geht es immer um den Kritiker, weniger um das Kritisierte. Und eine Bewertung von Kunstwerken ist mindestens extrem problematisch oder gar unmöglich außer in sehr engen Kontextrahmen (Mode, Epoche, Persönlichkeit usw.). Die Geisteswissenschaften hüten sich zurecht davor, zu bewerten, sondern werfen ihren Blick auf das, was da ist: das Material, die Technik, das Phänomen. Alles andere zwischen Kunstwerk und Rezipient ist dabei keineswegs entwertet: sondern gesellschaftliche Relevanz von Kunst. Ein Mensch und ein Kunstwerk stellen gemeinsam ein Spannungsfeld dar, aus dem Kultur entsteht.

Allerdings: dem nachzuspüren, was in einem Kunstwerk geschaffen wurde (und nicht ob es gut oder schlecht geschaffen wurde), ist für mich interessanter. Darüber kann man sich auch bis zu einem gewissen Grad objektiver unterhalten. Und da muss es doch für das Schauspiel entsprechende Kathegorien geben, mit denen ich beschreiben kann, was künstlerisch geschieht.

Ob die Lehrbuchgrenzen dabei eingehalten oder überschritten werden, ist sekundär. Beziehungsweise bereits ein Aspekt der Beschreibung: dabei geht es um den Zusammenhang zwischen Form und Inhalt. Wenn z. B. ein Achsensprung zu sehen ist, stellt sich zunächst die Frage, ob es sich um den typischen Anfängerfehler handelt, oder er bewusst eingesetzt wird, um z.B. räumliche Verwirrung des Zuschauers mit psychologischer Verwirrung einer Figur zu verbinden, bzw. diese durch jene filmisch zu erzählen. Godards jump-cuts in Außer Atem sind meines Wissens eher eine Notlösung bei der Kürzung des Films gewesen und nicht von vornherein eine intellektuelle, ästhetische Entscheidung. Dennoch schien diese Technik dem Regisseur und Cutter damals als hilfreich, um die Geschichte des Films so zu erzählen, wie sie erzählt sein wollte. Das nur zum Thema Vorgaben vs. Improvisation.

Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

Intergalactic Ape-Man

Schauspiel ist ein weniger greifbares Handwerk, zumal der Zuschauer selten den Zugriff auf das Drehbuch oder gar Regieanweisungen hat. Woher soll man also wissen, wie es gemeint war? Man kann außerdem schlecht bewerten, ob ein Schauspieler gut war, weil gutes Schauspiel meiner bescheidenen Meinung nach mit dem Film verschmilzt und dann gar nicht mehr als Schauspiel auffällt. Was auffällt sind besondere Kniffe oder Momente, die man vielleicht nicht mal nur dem Darsteller zusprechen kann, da sie ggf. vom Gesamtwerk arrangiert werden. Wo ich bewußt einen solchen Moment gelobt habe, war z.B. die Leistung Nortons in Zwielicht, weil hier zwei so unterschiedliche "Figuren" direkt miteinander vergleichbar waren. Im wesentlich fällt es aber wohl einfach leichter, schlechtes Schauspiel zu erkennen.

Klaus Jr.


Ich denke man kann von einer guten schauspielerischen Leistung reden wenn eine Figur glaubwürdig verkörpert wird, egal in welchem Kontext.
Wobei es auch stark von der Regie abhängt. Es ist ja der Regisseur der dem jeweiligen Schauspieler die jeweilige Leistung "durchgehen" lässt und ihm die Rolle vermitteln muss. Der Entwurf einer Figur ist auch sehr wichtig, wenn manche Charakterzüge oder Handlungen einfach nicht passen wollen, dann wird es auch sehr schwer dies zu vermitteln.
Ich denke die Schauspielkunst des Schauspielers, der Entwurf des Drehbuchautors und die Führung des Regisseurs machen eine gute Performance aus. Es stellt sich die Frage ob ein guter Schauspieler sich in jede Rolle einfühlen können muss oder es reicht wenn er auch Figuren glaubwürdig geben kann, in die er sich nicht direkt hineinversetzen kann. Spielt das überhaupt eine Rolle? 

Teilweise kann man auch einfach nach dem "Handwerkszeug" gehen, die Fähigkeit sich in Stimmungen zu versetzen, zu improvisieren, verschiedene Facetten zu zeigen - ich denke das macht einen guten Schauspieler aus. Allerdings schützt ihn das noch nicht vor einer schlechten Performance.....


"Pisse vom Opa trinken geht gar nicht, damit ist der Film für mich durch. Schade um die Titten"

pm.diebelshausen

Nur so ein Gedanke: kann es sein, dass die Beschreibung von schauspielerischen Leistungen seltsam schwerfällt und problematisch bleibt, weil wir Menschen ohnehin schauspielen?

Bedenkt man, dass wir uns immer selbst darstellen, aber in unterschiedlichen Situationen in unterschiedlicher Weise, uns also verschieden gesehen wissen wollen, dann sind wir vielleicht zu sehr involviert, wenn wir andere (Schauspieler) beobachten? Wir wollen ja nicht immer alles zeigen, und manchen Leuten zeigen wir ganz andere Aspekte von uns als anderen (Arbeitskollegen, Freunden, dem Arzt, dem Taxifahrer...).

Oft überzeugt uns ein Verhalten im Alltag ebenso wenig wie ein unmotivierter oder fehlbesetzter Schauspieler. Allerdings bleibt es dann nicht bei einem "schlecht gespielt", sondern wir bewerten den Menschen und die Situation daraufhin, weil wir damit und darin leben. Ist das das Problem beim kritischen Betrachten von Filmschauspiel? Dass es da gerade ums Schauspielen geht und nicht um einen Menschen oder eine Situation, die es einzuschätzen gilt, außer im Rahmen des fiktiven Spiels?
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

barryconvex

Eine sehr interessante Fragestellung (die sich mir genauso gestellt hat), es scheint tatsächlich sehr wenige Adjektive zu geben, um Schauspieler zu bewerten "authentisch/glaubwürdig" - "bewegend" /  "charismatisch", daneben noch "nuanciert" oder "natürlich" vs. "theatralisch" - und unabhängig von seinem Können sympathisch / unsympathisch oder attraktiv / unattraktiv.
Ein Adjektiv scheint nur in der Verneinung verwendet zu werden: "unmotiviert" (sehr häufig anzutreffen, bei den Grenzfällen, in denen Understatement eines Schauspielers die Meinungen spaltet).

Eigenartigerweise scheint der Zuschauer sehr schnell konstruieren zu können, wie seiner Meinung nach eine Figur sein müßte und kann sie danach mit der Schauspielerleistung abgleichen. Es wird vermutlich ein Alltagswissen und eine Kenntnis von Stereotypen (aus anderen Filmen) vorhanden sein, die sehr schnell ein Raster entstehen läßt. (Das selten vom Zuschauer revidiert wird außer bei Thrillern.)

Ich schätze viele asiatische Filme sehr, vermutlich auch, weil die Rollen und Gesichter häufig sehr viel weniger "leicht lesbar" sind. Mich würde wirklich interessieren, wie die asiatische Filmpresse über in- und ausländische Schauspieler urteilt.

An Literatur generell ist mir leider auch nichts bekannt (außer Biographien und ähnlichem), vergleichbar dürftig sieht es für den Bereich Casting aus, hierbei gibt es aber eine empfehlenswerte Dokumentation (Behind the Couch).

MMeXX

Ich bin (eher zufällig) auf das sogenannte FACS (Facial Action Coding System) gestoßen. Dann sind wohl Zusammenhänge zwischen Muskelbewegungen im Gesicht und Gefühlen beschrieben. Darauf aufbauend könnte man die Mimik eines Akteurs wahrscheinlich einigermaßen objektiv bewerten.

pm.diebelshausen

21 Januar 2009, 20:04:28 #8 Letzte Bearbeitung: 22 Januar 2009, 17:02:27 von pm.diebelshausen
Zitat von: barryconvex am 21 Januar 2009, 03:43:20
Eine sehr interessante Fragestellung (die sich mir genauso gestellt hat), es scheint tatsächlich sehr wenige Adjektive zu geben, um Schauspieler zu bewerten "authentisch/glaubwürdig" - "bewegend" /  "charismatisch", daneben noch "nuanciert" oder "natürlich" vs. "theatralisch" - und unabhängig von seinem Können sympathisch / unsympathisch oder attraktiv / unattraktiv.
Ein Adjektiv scheint nur in der Verneinung verwendet zu werden: "unmotiviert" (sehr häufig anzutreffen, bei den Grenzfällen, in denen Understatement eines Schauspielers die Meinungen spaltet).

Mir scheint die Liste der zu findenden Adjektive auch sehr kurz zu sein. Zu den genannten kommt noch das Lob "gut aufgelegt" oder "in guter Spiellaune" - ich vermute immernoch, dass eher Unwissenheit über das Schauspielerhandwerk der Grund für derartiges Blabla ist. Ich glaube auch, dass wir das Wort "charismatisch" meist dann benutzen, wenn wir nicht genauer wissen, was an einer Person phaszinierend wirkt. Oder zu faul sind, uns wirklich Gedanken zu machen.

Selten fallen mir Dinge an einem Spiel auf, die vielleicht etwas differenzierter sind. Z.B. ist das Spiel von Greta Garbo für mich sehr phaszinierend, weil sie so viel spielt: sie füllt beinahe jeden Moment mit unzähligen kleinen Gesten, Bewegungen - schneller als jede/r andere/r Darsteller, den/die ich kenne.

Den Hinweis auf "attraktiv/unattraktiv" finde ich sehr wichtig, da das darauf hin deutet, dass wir als Menschen uns von Menschen als Darstellern auf der Leinwand nur schwer distanzieren können. Plump gesagt: wie im richtigen Leben checken wir die Schauspieler auf potenzielle Geschlechtspartner und machen dabei ungern einen Unterschied zwischen Darsteller und dargestellter Figur. Vergleiche hierzu Aussagen über Musiker wie: "Der sieht aber sexy aus!" - ja, schön, aber kann er singen? Charlize Theron wurde für "Monster" gelobt, weil sie eine derart unattraktive Figur dargestellt habe.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

Rollo Tomasi

Dann werd ich mir auch mal meinen Senf abgeben:
Ich denke, mit der Beurteilung von schauspielerischen Leistungen ist es ähnlich wie mit der Beurteilung von Filmen:
In den meisten Fällen ist sie Geschmackssache.
Dennoch gibt es Filme oder auch Darsstellerleistungen, bei denen sich die meisten Leute doch einig sind.

Als Beispiel möchte ich hier dazu eine der nach meiner Meinung drei besten Darstellungen der 90er Jahre anführen:
Anthony Hopkins als Dr. Hanibal Lecter in "Das Schweigen der Lämmer".
Die andern beiden sind Sean Penn in "Dead man walking" und Leonaerdo di Caprio in "Gilbert Grape".

Ich ich kenne keinen, der gesagt hat, dass Hopkins als Lecter nicht gut war.
Woran liegt das?

- er hat die Figur aus dem Roman in seiner eigenen Art umgesetzt und diese Figur kann man sich beim Lesen des Buches sehr gut vorstellen (das hat Cox in "Manhunter überhaupt nicht hinbekommen, meiner Meinung nach)
- er hat es geschafft, Angst einzuflößen, trotz der Tatsache, dass er auf einem begrenzeten Raum und hinter einer Glasscheibe agierte: das liegt meiner Meinung nach an der Präsenz, die Hopkins hat (ein wichtiger Punkt bei der Beurteilung von Schauspielern)
- trotz der Tatsache, dass seine Figur so eine Art Übermensch zu sein scheint, war er immer glaubwürdig, nie wurde das unfreiwillig komisch: er hat eine gute Balance gefunden zwischen Realismus und comichafter Übersteigerung
- natürlich spielt auch die Vorlage eine Rolle: Was gibt das Buch her und was macht der Schauspieler daraus? Da hatte Hopkins sicher Glück, aber durch sein minimalistisches Spiel, seine im Grunde charmante Art, die im totalen Gegensatz steht zu seinen Taten, holt er das Maximum aus Rolle und Buch raus

Ich ziehe zur Beurteilung einer schauspielerischen Leistung auch die anderen Rollen heran.
Ist er in den meisten Rollen glaubwürdig oder ist er fertgelegt auf bestimmte Typen.
Beispiel: Gene Hackman
Ihn finde ich in quasi jeder Rolle extem glaubwürdig, ob als abgehalfteter Bulle oder als konservativer Senator, der im Frauenkostüm endet.

Und eine Rolle spielt für mich auch die Wandluungsfähigkeit, und da meine ich in erster Linie die charakterliche Wandlungsfähigkeit.
Beispiele: Javier Bardem, Daniel Day Lewis
Für mich sind das zwei der besten Schauspieler unserer Zeit.
In fast jeden ihrer Filme sind sie nicht nur äußerlich völlig unterschiedlich, dass mabn sich ssagt: Das kann doch nicht derselbe Mensch sein!
Sie sind in der Lage in ihren Rollen aufzugehen, dahinter zu verschwinden.

Mehr fällt mir im Moment nicht dazu ein.
Aber ich finde schon, dass man schauspielerische Leistungen beurteilen kann.
"Ich hab neulich gehört: 35 % der Zahlen und Fakten, die so kursieren, stimmen gar nicht! ... Das ist fast ein Drittel!" (Hagen Rether)
"Stellen sie sich einmal vor, es gäbe keine Autos, es gäbe keine Telefone und es gäbe keine Computer .... sie würden doch den ganzen Tag fernsehen, oder?" (Hagen Rether)

pm.diebelshausen

Ich bitte um Erläuterungen zum Begriff "Präsenz". Wichtiger Begriff, das. Aber was genau bedeutet er? Als ich mal Nikolai Kinski traf, bemerkte ich (abgesehen von dem seltsamen Gefühl, Klaus Kinskis Genen in die Augen zu sehen) eine unerhörte Präsenz - er war völlig da, wach, aufmerksam, als entginge ihm nichts und er sähe Dinge, die andere Menschen nicht unbedingt an mir wahrnehmen. Soweit meine Bedeutung für "Präsenz". Aber wie lässt sich das auf die Leinwandkonserve übertragen, wo der Schauspieler nicht durch mich hindurchsehen kann? Oder ist gerade das Schauspielkunst: beim Zuschauer die Illusion erzeugen, dass die Darsteller den einzelnen Zuschauer genauso sehen wie dieser jene? Da fallen mir gleich ein paar Witze vorm Fernseher ein, die ich aber stecken lasse.

Und als devil's advocate: Wird ein Schauspieler insgesamt schlecht, wenn er in manchen Rollen nicht überzeugt? Robert de Niro hat so Griffe ins Klo (imo z.B. Stardust), andererseits aber absolute Glanzleistungen. Und ist Woody Allen ein guter Schauspieler, auch falls er immer nur sich selbst spielt? Tut er das überhaupt?
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

Rollo Tomasi

Ich meinte mit Präsenz, dass ein Schauspieler die Szene beherrscht und das, obwohl er vielleicht sogar in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist, z. B. in einer Zelle.
Ich kenne das auch im Zusamenhang mit Bühnenpräsenz beim Theater.
Da gibt es Schauspieler, die können nur mit ihrer Präsenz die ganze Bühne füllen.
Ein Beispiel für Präsenz im Film wäre hier für mich wieder Javier Bardem, der in "Das Meer in mir" die meiste Zeit ans Bett gefesselt ist, aber dennoch jede Szene beherrscht.
Aber sicher kann man die Präsenz eines Schauspielers beim Film durch die Art der Inszenierung unterstützen.

Robert de Niro ist ein hervorragendes Beispiel.
Er war früher der beste für mich.
Er war eines dieser Chamälions, die mit einer Figur verwachsen sind, z. B., in "Taxi driver", "Wie in wilder Stier" oder "Die durch die Hölle gehen" u. v. m.
Seit über 10 Jahren bekommt er keine guten Rollen mehr.
Aber deshalb verliert er ja nicht sein Talent.
Wenn er wieder die richtigen Rollen bekommt, wird er hoffentlich wieder an alte Glanzzeiten anschließen können.

Woody Allen ist für mich nicht wirklich ein guter Schauspiler.
In vielen seiner Filme spielt er sich doch mehr oder weniger selbst.
In "Allie Hall" hat er das aber verdammt gut gemacht. :-)
Das lag sicher auch an dem hervorragenden Buch, das er sich selbst geschrieben hat.
"Ich hab neulich gehört: 35 % der Zahlen und Fakten, die so kursieren, stimmen gar nicht! ... Das ist fast ein Drittel!" (Hagen Rether)
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MMeXX

26 Januar 2009, 20:35:33 #12 Letzte Bearbeitung: 26 Januar 2009, 20:43:11 von MMeXX (Fischkutter)
Zitat von: Rollo Tomasi (Telly Savalas) am 26 Januar 2009, 15:52:51
Ich ich kenne keinen, der gesagt hat, dass Hopkins als Lecter nicht gut war.
Woran liegt das?

- er hat die Figur aus dem Roman in seiner eigenen Art umgesetzt und diese Figur kann man sich beim Lesen des Buches sehr gut vorstellen (das hat Cox in "Manhunter überhaupt nicht hinbekommen, meiner Meinung nach)

Was hat Cox nicht hinbekommen? So zu agieren, wie man sich die Lecter-Figur nach Lesen des Buches (ich rede hier von Roter Drache) vorstellt? Oder hat Cox es nicht geschafft "die Figur aus dem Roman in sein[e] eigen[e] Art um[zu]setz[en]"?

pm.diebelshausen



*staunt über die virtuos gesetzten eckigen Klammern von MMeXX*  :icon_eek:
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

Rollo Tomasi

27 Januar 2009, 10:15:27 #14 Letzte Bearbeitung: 27 Januar 2009, 10:56:47 von Rollo Tomasi (Telly Savalas)
Zitat von: MMeXX (Fischkutter) am 26 Januar 2009, 20:35:33
Was hat Cox nicht hinbekommen? So zu agieren, wie man sich die Lecter-Figur nach Lesen des Buches (ich rede hier von Roter Drache) vorstellt? Oder hat Cox es nicht geschafft "die Figur aus dem Roman in sein[e] eigen[e] Art um[zu]setz[en]"?

Ja, ich rede auch von Roter Drache.
Dazu muss ich sagen, dass ich Hopkins zwar auch noch gut fand in "Roter Drache", aber durch das fortgeschrittene Alter nicht mehr so bedrohlich.
Cox hat das schon versucht, seinen eigenen Weg zu finden, die Figur darzustellen.
Aber im Verkleich zu Hopkins stinkt er halt ab (IMO).
Und ja, ich hatte mir die Figur nach dem Lesen des Buches ganz anders vorgestellt.
"Ich hab neulich gehört: 35 % der Zahlen und Fakten, die so kursieren, stimmen gar nicht! ... Das ist fast ein Drittel!" (Hagen Rether)
"Stellen sie sich einmal vor, es gäbe keine Autos, es gäbe keine Telefone und es gäbe keine Computer .... sie würden doch den ganzen Tag fernsehen, oder?" (Hagen Rether)

MMeXX

Zitat von: Rollo Tomasi (Telly Savalas) am 27 Januar 2009, 10:15:27
Cox hat das schon versucht, seinen eigenen Weg zu findenm, die Figur darzustellen.
Aber im Verkleich zu Hopkins stinkt er halt ab (IMO).

Ich finde Hopkins' Leistung in 'Schweigen der Lämmer' auch einprägsamer als die von Cox in 'Roter Drache' (in 'Roter Drache' ist Hopkins meines Erachtens schon nicht mehr so prall, was allerdings aus meiner Sicht an der völlig seelenlosen Arbeit von Brett Ratner liegt). Allerdings ist das meines Erachtens den Umständen geschuldet. So liegt ja bei Manns Film der Schwerpunkt viel eher auf dem "Psychogramm" von Will Graham sowie der unübersehbaren Symmetrie und Farbenprächtigkeit der Bilder, wodurch die Figur des Hannibal Lecktor in diesem Film auch eher eine Art "Randfigur" (nicht gerade das passendste Wort, schließlich dient die Lecktor-Figur natürlich zur Darstellung der Norm) bleibt.
Im Gegensatz dazu steht bei 'Das Schweigen der Lämmer' natürlich der ganz andere Stil von Fujimoto mit diesen Close-Ups der Gesichter der Darsteller, wodurch dieses Gefühl des direkten Ansprechens (des Zuschauers) erzeugt wird (ist zumindest bei mir so). Schon allein dadurch werden meines Erachtens einige Darstellungen viel einprägsamer.  Das soll jetzt natürlich nicht die Arbeit von Hopkins' schmälern, die ich ebenfalls für äußerst überzeugend halte. Ich wollte nur auf ein paar Umstände aumerksam machen, die meines Erachtens für die Betrachtung der beiden Darstellungen notwendig sind. Zumal sich Cox und Hopkins meines Erachtens ohnehin schwerlich direkt vergleichen lassen.


Zitat von: Rollo Tomasi (Telly Savalas) am 27 Januar 2009, 10:15:27
Und ja, ich hatte mir die Figur nach dem Lesen des Buches ganz anders vorgestellt.

Ich hatte ehrlich gesagt auch eher den Hannibal von Hopkins im Kopf. :icon_lol: Allerdings hat sich Michael Mann auch eher einen Aspekt des Buches (Will Graham) herausgegriffen und versucht, diesen zu analysieren. Und das macht er ja in so ziemlich jedem seiner Film (also den Versuch, ein Portrait eines 'Guten' oder eines 'Bösen' zu zeichnen).

barryconvex

Gerade gelesen, daß es zum Thema demnächst in England ein Symposium gibt - "Acting Out - A Symposium on Screen Performance, Inference and Interpretation":
http://www.rdg.ac.uk/ftt/research/ftt-actingout.asp

Der letzte Absatz deutet darauf hin, daß man sich noch ganz am Anfang befindet:
"The perceived problem of subjectivity is the ghost of film studies, haunting many analyses but rarely addressed directly. How do discourses around spectatorship effect discussion of performance? Could it be that the study of performance is uniquely disposed to alerting us to the complexity of engagement?"

pm.diebelshausen

Merci, barry.  :respekt:


Das trifft's ja ziemlich genau!
Habe denen mal eine mail geschickt mit der Frage, ob sie eine Veröffentlichung der Ergebnisse ihres Symposiums beabsichtigen.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

pm.diebelshausen

Aus Reading kam jetzt eine Antwort, das Symposium und die Beschreibung von Schauspiel im Kino betreffend. Ich zitiere ausführlich daraus:


We were very pleased to hear that our symposium was referenced in your
discussion thread. Unfortunatly, neither of us read German so we weren't
able to read your discussion.

Performance and acting in film is certainly difficult to discuss beyond
fairly simplistic statements of whether or not it was 'good', although that
has begun to change within the academy in recent years and there is more
and more work being written on the subject (including for example our
symposium). You have also hit the nail on the head, in that part of the
difficulty of looking at film acting is that we understand a large part of
it without any need to really think about it, basing our understanding in
part on everyday behaviour.

If you are interested in reading more about the subject I would recommend
the following books

Cynthia Baron and Sharon Carnicke, Re-framing Film Performance

James Naremore, Acting in the Cinema

Andrew Klevan, Film Performance: From Achievement to Appreciation


and also

Erving Goffman, The Presentation of Self in Everyday Life

The first offers suggestions for how acting might be described.

The second discusses the relation between everyday behaviour and acting as
performance.

The third (Apart from being our keynote's book) offers a
useful summary of ways in which performance is interpreted through close
analysis, and then goes on to develop performance as internal element of
film style.

The fourth is a sociologist who looks at the ways in which we
'act' all the time. It is less about film performance but you may well find
it interesting, and it is probably one of the most accessible.

We hope to form a publication from our symposium but would probably take a
couple of years to be written and published.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

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