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Lincoln (Spielberg, Day-Lewis)

Begonnen von Newendyke, 1 Dezember 2011, 10:00:29

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Fastmachine

Ein beachtlicher historischer, ja vielleicht sogar politischer Film von Spielberg, dem ich so viel Mut zur Ernsthaftigkeit gar nicht mehr zugetraut habe. Da habe ich mich wohl von seinen allzu glatten letzten Unterhaltungsfilmen täuschen lassen.

Spielberg beginnt mit dem Denkmal Lincoln, er lässt den Präsidenten (Daniel Day-Lewis) bei einem Truppenbesuch auf einem Sessel in der Positur thronen, in der er auch im Lincoln Memorial übergroß in Marmor dargestellt ist. So kennt ihn jedes Schulkind in den USA. Vom Denkmal geht es dann in die Niederungen der Politik, wo ein Erfolg aus drittbesten Lösungen, ja meistens sogar aus dem etwas geringeren Übel besteht. Am Ende dieser Reise durch die Sphäre der Dauerfrustration steht die Einsicht, das gute Politik darin besteht, zu akzeptieren, dass es um die Regulierung von Machverhältnissen und Ungleichheiten geht, die aus prinzipiellen Gründen niemals ausgeglichen werden können. Und genau deshalb gehört Lincoln auf den Sockel, auf den man ihn gesetzt hat: weil er das Wesentliche im Reich des Mangelhaften im Blick behielt.

Spielbergs Film hat eine amerikanische und eine universelle Seite.  Die Auseinandersetzung mit dem Denkmal Lincoln ist eher eine inneramerikanische Angelegenheit, die Europäer nur indirekt und historisch interessiert. Aber der unabgeschlossene Kampf um die Emanzipierung der Entrechteten, Spielbergs eigentliches politisches Lebensthema, weist natürlich darüber hinaus. Die Sklaverei und ihre bis heute spürbaren sozialen Folgen sind zweifellos eines der zentralen Themen der amerikanischen Gesellschaft. Spielberg hat sie bereits in DIE FARBE LILA und AMISTAD aufgenommen. Man bemerkt sein aufrichtiges Interesse und doch: er sieht es ganz von außen und verarbeitet es zudem noch zum kitschnahen Spielbergschen Gefühlskino. Das ist ihm jedesmal vorgeworfen worden. Nicht ganz zu Unrecht, aber doch unfair gegen seine Anliegen. Natürlich steht ihm die jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts näher, aber Spielberg zielte immer auf Universelles, das kann man ihm wohl kaum abstreiten. Ganz glücklich aber kann man seinen Umgang mit der Geschichte des schwarzen Amerika nicht nennen, die auch bei ihm immer Objekt der Weißen bleibt.

Kaum zu übersehen sind auch die aktuellen politischen Bezüge. Angesichts des ersten schwarzen Präsidenten, der seine Reformvorhaben einem tief gespaltenen Parlament abzuringen hat und sich in taktischen Manövern zu verlieren droht, könnte man LINCOLN fast eine politische (Selbst-)beschwörung des liberalen Demokraten Spielbergs nennen.

Spielberg setzt sein Vorhaben erstaunlich mutig vom derzeitigen Mainstreamkino ab, meidet auch größtenteils die Untiefen des Historytainments und des reinen Kostümschinkens. Natürlich, ab und an trieft die Musik leider zu sehr, ist der Schulbuch Lincoln doch spürbar. Leider weiß man auch nach 30 Minuten, wie der Hase läuft und der Film dauert immerhin 140 Minuten. Trotz aller vielleicht angebrachten Straffungen kann die Inszenierung aber ihren Spannungsbogen bis zum Ende halten.

LINCOLN ist ein beachtlicher, aber nicht unbedingt überragender historisch-politischer Film von Spielberg. 7/10.
Ich mag keine Filme; die verblöden nur. (Alfons d. Ä.)

Riddick

21 Oktober 2013, 20:08:19 #31 Letzte Bearbeitung: 21 Oktober 2013, 20:11:56 von Riddick
Gestern habe ich mir "Lincoln" nochmal auf BD angesehen und ich muss sagen, dass mir der Film diesmal wesentlich besser gefallen hat, als im Kino. Ging es jemandem evtl. auch so? Im Kino hat mich der Film nur gelangweilt, gestern hat mich die Story und das Schauspiel von Day-Lewis wirklich gepackt. Keine Ahnung woran es lag, evtl. an den zu hohen bzw. falschen Erwartungen vor dem Kinobesuch. Vielleicht ist dies wirklich ein Film, der ausnahmsweise mal im Heimkino besser anzusehen ist. Jedenfalls schraube ich meine Bewertung von 5/10 auf 7/10 hoch, was mir bisher noch nie passiert ist.
"Schnell rennt das kriminelle Element,wenn es Dieter Krause kennt." - Tom Gerhardt (Hausmeister Krause)

vodkamartini

Tja, ich hatte nur die Heimkinoerfahrung und fand den Film geschwätzig, langatmig und träge. Hat mir überhaupt nicht gefallen, obwohl ich ein Faible für historische Stoffe habe. Der Titel ist irreführend, denn um Lincoln geht es eigentlich gar nicht.
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