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Unterschied: Uni/FH/Fernstudium

Begonnen von Man Behind The Sun, 23 Dezember 2009, 15:55:47

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Man Behind The Sun

Mein Bruder möchte bald studieren. Da ich mich allerdings nie so richtig mit den Unterschieden zwischen FH und Uni beschäftigen musste (ich studiere Jura, da geht man zwangsweise an ne Uni), stelle ich die Frage einfach mal hier.

Mein Bruder will Maschinenbau studieren. Allerdings wird der Studiengang sehr oft an einer FH angeboten. Wenn man die Jura-Profs allerdings von FHs reden hört, hört sich das meist nicht so prickelnd an. Warum ist das so? Inwiefern unterscheiden sich Uni und FH, auch später beim Finden eines Jobs?

Weiterhin habe ich mir überlegt, ob ich nach dem ersten Staatsexamen neben dem Referendariat einen LL.M. (Master of Law) über die Fernuni Hagen erlangen soll. Inwiefern ist dieser LL.M. gleichwertig zu dem an einer "richtigen" Uni erlangten LL.M.?
Generell: Ist ein Fernstudium genau so viel wert wie ein genereller Studiengang an einer normalen Uni? Also beispielsweise: Wenn ich an einer Fernuni BWL studiere, ist das dann genau so viel werr, wie wenn ich z.B. in Bamberg BWL studiert habe?

Wäre euch für einige Antworten sehr verbunden!
In heaven everything is fine.


MäcFly

Zitat von: Man Behind The Sun am 23 Dezember 2009, 15:55:47
Mein Bruder will Maschinenbau studieren. Allerdings wird der Studiengang sehr oft an einer FH angeboten. Wenn man die Jura-Profs allerdings von FHs reden hört, hört sich das meist nicht so prickelnd an. Warum ist das so? Inwiefern unterscheiden sich Uni und FH, auch später beim Finden eines Jobs?

Unsere Profs hier in Ilmenau belächeln in ihren Vorlesungen auch regelmäßig die FHs mit Bemerkungen ala "Wir sind hier nicht an einer FH, also müssen sie das schon gescheit beherrschen" usw. Dein Bruder soll sich davon nicht täuschen lassen: Mit der Umstellung auf Bachelor/Master kommen die FHs meiner Meinung nach viel besser zurecht, weil sie weniger Stoff unterzubringen haben. Das gilt vor allem für ingeneurwissenschaftliche und wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge, die bei uns hier mit Stoff und Klausuren nur so zugepflastert sind (teilweise regulär bis zu 8 Stück innerhalb von fünf Wochen, dazu kommen dann noch die im Semester vorher nicht bestandenen Klausuren, die Fremdsprachenscheine, Zusatzkurse etc.) Kenne mehrere FH-Studenten, die Wirtschaftsingenieur oder Wirtschaftsinformatik studieren, bei denen ist das deutlich weniger.

Außerdem hört man von Personalchefs immer wieder, dass Bewerber von einer FH mit Berufserfahrung, einem guten Abschlusszeugnis und im Idealfall einem Auslandspraktikum eher eingestellt werden, als ein Bewerber von einer Uni, der vor lauter Klausuren über einen 3,0er Schnitt im Zeugnis nicht hinauskommt.
Die Unterschiede in Sachen Einstiegsgehalt zwischen FH und Uni werden zudem immer geringer. Mit einem Maschinenbaustudium an einer FH kann man IMO wenig falsch machen, solange einem "Maschinenbau" liegt. Aber das ist ja eine andere Geschichte.
"Man muss immer darauf achten, dass man ein gewisses Niveau nicht unterschreitet - sonst ist es schnell aus."

"Wenn man Mubarak heißt oder Kosslick, dann kann man alles machen." (Uwe Boll)

Sarge

Grundsätzlich ist ein Uniabschluss schon noch am meisten "wert" und spiegelt sich später auch im Einstiegsgehalt wider. Es kommt aber auch darauf an, was man studieren will. Ein eher geisteswissenschaftliches Studium eignet sich an einer Uni meiner Meinung nach sicher besser als an einer FH, wogegen technische Studiengänge wiederum an einer FH besser aufgehoben sind. Denn ein Unterschied zwischen Uni und FH ist auch der Praxisbezug, der bei einer FH ungleich höher ist. Bei einem Fach wie BWL bsp., das so nicht richtig Geisteswissenschaft, aber auch nicht Naturwissenschaft ist, wird der FH-Abschluss zwar nicht so sehr geschätzt wie ein Uni-Abschluss (das belächeln von Profs kann ich auf jeden Fall unterschreiben) und das theoretische Niveau ist gewiss auch nicht so hoch (FH ist oft auch der Fluchtpunkt für die Leute, die's auf der Uni nicht gepackt haben...), dafür haben die Leute praktisch aber oft viel mehr drauf als die Uni-Leute, was leider eben nicht so honoriert wird. Also was "Berufserfahrung" vor dem Berufseinstieg angeht, ist man auf einer FH besser dran.

Maschinenbau nun gehört ja in das technischere Segment an Studiengängen und ist für mich ein typischer FH-Studiengang. Ich glaube, hier wird auch weitaus mehr als die Hälfte in dieser Branche ihren Abschluss machen und der wird kaum "abschätzig" beurteilt werden.

Was den Lehralltag angeht, gibt es auch Unterschiede. Auf einer Uni hat man i.d.R. mehr Freiheiten, sucht sich Übungen, Seminare aus, die einem passen und Sitzscheine in Vorlesungen kommen auch eher selten vor. Auf der FH läuft es viel geregelter, verschulter, wie man so schön sagt, ab, da lässt sich am Stundenplan meist weniger herumbasteln.

Zur Fernuni-Thematik kann ich leider nicht viel sagen. Man sollte aber bsp. - gilt generell für Bachelor- und Masterstudiengänge - darauf achten, dass sie akkreditiert sind, was in deinem Fall bei der Fernuni Hagen aber der Fall ist.

Man Behind The Sun

Kann vlt. noch einmal einer was zum Fernstudium sagen? Ich denke, dass das neben dem Referendariat doch eine ganz sinnvolle Sache ist?
In heaven everything is fine.


Indy

18 Januar 2010, 11:59:46 #4 Letzte Bearbeitung: 18 Januar 2010, 12:45:07 von Indy
Ich denke, jetzt muss ich mich mal als jemand zu Wort melden, der "nur" an einer FH Wirtschaftsingenieurwesen auf Diplom studiert hat. Zum einen muss ich meinen Vorrednern Recht geben, dass wir FH-Studenten/Absolventen von den Uni-Profs bzw. Absolventen gerne belächelt werden. Da haben aber wir kein Problem mit, das hält unser Selbstvertrauen locker aus  ;)

Zitat von: Sarge am 25 Dezember 2009, 14:04:59
... und das theoretische Niveau ist gewiss auch nicht so hoch (FH ist oft auch der Fluchtpunkt für die Leute, die's auf der Uni nicht gepackt haben...)

Was das vermeintlich geringere Niveau angeht, das kann ich so nicht unterschreiben. Wenn ich da z.B. bei uns an die ganzen technischen oder wirtschaftlichen Vorlesungen wie z.B. Thermodynamik oder Controlling denke, war da eigentlich überhaupt kein oder nur ein sehr geringer Unterschied zur Uni. Ich kann's beurteilen, ich hatte nämlich die alten Skripte und Prüfungen meines Cousins, der an der Uni Stuttgart Wirtschaftsingenieurwesen studiert hat. Wir hatten auch ein paar "Uni-Flüchtlinge" aber soweit ich mich entsinnen kann, hat's nur einer bis zum Schluss durchgezogen. Die anderen haben festgestellt, dass es an einer FH auch nicht leichter ist, als an einer Uni.

Zitat von: MäcFly am 23 Dezember 2009, 16:36:35
Mit der Umstellung auf Bachelor/Master kommen die FHs meiner Meinung nach viel besser zurecht, weil sie weniger Stoff unterzubringen haben. Das gilt vor allem für ingeneurwissenschaftliche und wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge,...Kenne mehrere FH-Studenten, die Wirtschaftsingenieur oder Wirtschaftsinformatik studieren, bei denen ist das deutlich weniger.

Das ist, denke ich, so nicht richtig. Ich weiß es von meiner und ein paar anderen FHs, das seit dieser Umstellung versucht wird, den Stoff von zuvor 8 Semestern in jetzt 7 Semestern unterzubringen, weil kein Prof bereit ist zurückzustecken und sein "Heiligtum" verteidigt. Also werden den Studenten zusätzliche Heim- und Projetarbeiten über den Stoff, der in der Vorlesung keinen Platz mehr hat, auf's Auge gedrückt.

Zitat von: MäcFly am 23 Dezember 2009, 16:36:35
die bei uns hier mit Stoff und Klausuren nur so zugepflastert sind (teilweise regulär bis zu 8 Stück innerhalb von fünf Wochen, dazu kommen dann noch die im Semester vorher nicht bestandenen Klausuren, die Fremdsprachenscheine, Zusatzkurse etc.)

Sorry, aber an der Stelle musste ich kurz mal lachen. Der Rekord waren bei uns 11 Klausuren (alles reguläre, keine Zweitversuche, keine Scheine) in 12 Tagen (1. Woche Montag-Samstag; 2. Woche Montag-Freitag). Man sieht also, dass die Belastung keinesfalls geringer ist. Sicher werden die Klausuren in den höheren Semestern weniger, dafür steigt aber die Anzahl an Projekt- bzw. Heimarbeiten die ebenso viel oder sogar noch mehr Gewicht im Diplomzeugnis haben wie die Klausuren. Also bleiben Aufwand und Belastung in der Summe wieder gleich.

Zitat von: Sarge am 25 Dezember 2009, 14:04:59
Was den Lehralltag angeht, gibt es auch Unterschiede. Auf einer Uni hat man i.d.R. mehr Freiheiten, sucht sich Übungen, Seminare aus, die einem passen und Sitzscheine in Vorlesungen kommen auch eher selten vor. Auf der FH läuft es viel geregelter, verschulter, wie man so schön sagt, ab, da lässt sich am Stundenplan meist weniger herumbasteln.

Das stimmt. Während man sich an der Uni seinen Vorlesungsplan, bis auf die Kernelemente des Studiengangs, selbst nach den eigenen Vorlieben zusammenstellen kann, bekommt man ihn an der FH vorgesetzt. Da wählt man sich dann später im Hauptstudium von mehreren angebotenen Vertiefungsrichtungen eine aus, aber das war's dann auch schon. Man kann natürlich auch Vorlesungen aus den anderen Vertiefungsrichtungen oder gar anderen Studiengängen besuchen, aber die überschneiden sich zu 90% mit denen, die man besuchen muss (bzw. sollte, Anwesenheitspflicht gab's ja bei uns auch nicht). Deswegen ist es wichtig, sich vorher über die Vertiefungsrichtungen (oft auch Schwerpunkte genannt) zu informieren, bevor man sich für eine FH entscheidet. Das FH-System hat Vor- und Nachteile.

Nachteil:
Man ist in der Kurswahl absolut eingeschränkt.

Vorteil:
Ideal für Unentschlossene und Bummelanten. Es gibt keine Fragen ob man lieber diesen oder jenen Kurs belegen soll und die Möglichkeit ein ganzes Semester anwesend zu sein und dabei keine einzige oder nur einen Bruchteil der vorgesehenen Klausuren zu schreiben hat man auch nicht.

Vorteil 2:
Während es einem an der Uni locker passieren kann, dass du mit 300 - 600 anderen Studenten in einer Vorlesung sitzt, sind es an einer FH meistens nur 30 - 60. Bei uns waren es im Schnitt sogar unter 30, nur einmal in 8 Semestern waren's gut 150.

Das führt uns auch zu Vorteil 3:
Bei so vielen Studenten ist es an der Uni natürlich fast unmöglich, mal mit dem Prof zu sprechen. Das war bei uns hingegen normal. Zwischen den Vorlesungen, in der Kaffeepause oder mal kurz beim Prof im Büro vorbeigeschaut, alles kein Problem. Oft kamen die Profs sogar auf uns zu und wollten wissen, ob wir alles verstanden haben oder ob es sonst Probleme gibt. Stoff wurde bei Bedarf und auf Wunsch wiederholt (wenn's z.B. nur zwei von 30 Leuten restlos verstanden hatten). Das wirst du so an einer Uni nie erleben. Da halten sich die meisten Profs für allwissende Götter und behandeln die Studenten auch entsprechend. Und fragen zum Stoff sind nur in den Tutorien bei den Assistenten möglich, in welchen du aber aufgrund der Vielzahl an Studenten auch erst mal einen Platz bekommen musst.

Was den Praxisbezug angeht, so kann ich meinen Vorrednern nur zustimmen. Ich hatte noch zwei Praxissemester (wurde ja reduziert auf eines) plus meine Diplomarbeit bei externen Firmen. Das war absolut Gold wert, weil man endlich mal die praktische Anwendung der theoretisch vermittelten Grundlagen zu sehen bekommt. Zudem bietet sich einem durch das Praxissemester, entsprechend gute Leistungen im bisherigen Studium vorausgesetzt, die Möglichkeit, innerhalb der Regelstudienzeit ein Semester im Ausland zu verbringen. Das wird von einer Vielzahl von Firmen mittlerweile schon fast gefordert. An einer Uni müsstest du hierfür extra ein Urlaubssemester einlegen. Dann sind die Vorlesungen an den FHs schon sehr praxisnah ausgerichtet, so dass man nicht erst noch viel Zeit investieren muss um das gelernte tatsächlich auch praktisch anwenden zu können. Dazu kommt, dass viele FHs (gilt aber auch für technisch ausgerichtete Unis) mit lokal ansässigen Firmen zusammenarbeiten, wobei die Möglichkeiten hier schier unendlich sind. Das kann von Projekten bis zur Vergabe von Praxissemesterplätzen oder Abschlussarbeiten praktisch alles sein.

Zum Schluss noch ein paar Worte zu den Karrierechancen. Es stimmt schon, dass das Einstiegsgehalt bei Uniabsolventen je nach Firma zwischen 1.000 und 5.000 brutto/Jahr höher ist und bei FH-Absolventen die Karriereleiter irgendwann endet, weil man nur mit Uniabschluss in die allerhöchsten Ebenen kommt (grade bei großen DAX-Konzernen oft der Fall), aber mal ehrlich, wenn man z.B. bei Daimler nach 15 Jahren die höchste Stufe für FH-Absolventen erreicht hat, verdient man in aller Regel schon so gut, dass man eigentlich gar nicht mehr aufsteigen will, weil man ansonsten nicht mal mehr den Sonntag frei hat. Und den Unterschied beim Einstiegsgehalt holt man innerhalb der ersten 3 - 5 Jahre auch ein. Und wenn ein Personaler die Wahl zwischen einem FH- und einem Uniabsolventen hat, die von den Noten her und auch sonst gleichauf liegen, dann wird er sich in aller Regel für den FH-Absolventen entscheiden, weil er einfach schon etwas an praktischer Erfahrung hat. Das gilt freilich nur für den 1. Job. Bei jedem weiteren Karriereschritt zählen nur der Werdegang seit dem Studium und die Arbeitszeugnisse.




"Have no fear, Vlad is here!"

"Not A Problem!"

"Here was a generation...grown up to find all gods dead, all wars fought, all faith in man shaken."

Man Behind The Sun

Danke für deine sehr ausführliche Ausführung, Indy!

Ich werde es meinem Bruder zeigen und dann mal sehen, wo es ihn nächstes Jahr hin verschlägt. Ist ja noch etwas Zeit bis dahin.
In heaven everything is fine.


Indy

Kein Problem, ich freue mich, wenn ich helfen kann. Ich denke, dass Maschinenbau an einer technisch ausgerichteten FH absolut kein Fehler ist. Wie gesagt, man sollte sich vorher über seine persönlichen Schwerpunkte und Interessen halbwegs im Klaren sein und das dann mit den Schwerpunkten der FH abgleichen. Will man lieber in den Fahrzeugsektor, Anlagenbau, zu den erneuerbaren Energien oder doch in die Luft- und Raumfahrt? Die großen TUs haben zwar auch ihre Spezialgebiete (vor allem wenn ein großer Konzern in der Nähe ist), bieten aber doch sehr viele der genannten Bereiche an.

Die IMHO beste Übersicht bietet der Studienführer der ZEIT. Erscheint zweimal jährlich und liegt für kleines Geld an jedem Kiosk.

BTW: Was ist der Unterschied zwischen Maschinenbau- und Bauingenieuren?

Maschinenbauingenieure bauen Waffen, Bauingenieure bauen Ziele  :icon_twisted:


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