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Gemeinschaftsforum => Allgemeines Filmforum => Thema gestartet von: pm.diebelshausen am 28 März 2010, 01:11:11

Titel: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: pm.diebelshausen am 28 März 2010, 01:11:11
Weil es gerade in einem anderen Thread als off-topic aufkam, mich das Thema aber interessiert, stelle ich hier mal als Ausgangsfrage:

Wie macht es Sinn, Shakespeare zu verfilmen?

Ich behaupte mal, es gäbe zunächst zwei Möglichkeiten: entweder stecke ich meine Schaupieler in olle Kostüme und drehe in einem slten Englischen Schloss, oder ich gebe ihnen Aktentaschen oder Hawaiihemden und lasse sie sich wie moderne Menschen bewegen, während sie sprechen wie vor 400 Jahren.

Al Pacino hat in seinem Film "Looking for Richard" in gewisser Weise beides getan und das Shakespeare-Stück "Richard III" auf zwei Ebenen verfilmt und zugleich thematisiert: zum Einen auf der Ebene des Shakespeare-Textes, in der sich Shakespeares Figuren bewegen, und zum Anderen auf einer Metaebene, die ebenfalls fiktional, dabei aber weniger eindeutig ist, weil sich in ihr die Schaupieler Winona Ryder, Alec Baldwin und Pacino selbst bewegen, während sie versuchen, das Shakespeare-Stück und seine Charaktere zu verstehen und sich zu erarbeiten.

Mir gefiel dieser Ansatz sehr gut, während ich mit Luhrmans "Romeo + Julia" nichts anfangen konnte. Anderen geht es umgekehrt. Und ich wüsste gerne, warum, weshalb und wieso. Als Einstieg:

Looking For Richard - Al Pacino (http://www.youtube.com/watch?v=AQOW98M7i1A#)
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 28 März 2010, 03:09:31

Gute Thread-Idee, auch wenn es wieder mal bei 2 bis drei Kontributoren (?) bleiben wird...

Nun gibt es dazu so extrem viel zu sagen, daß ich mich erst mal auf Looking for Richard beschränken will. Den hab ich vor ca. nem halben Jahr noch mal angeschaut, weil ich den irgendwie als cool erinnerte. War dann aber doch heftig enttäuscht.
Zum Einen, weil wieder einmal der pseudo-volkserzieherische Ansatz "Hey, unser Sh. ist doch für alle da" verfolgt wurde, mit absolut überflüssigen Passantenbefragungen. Dieses Geheuchle, jeder Klempner könnte einen Zugang finden, ist absurd, aber politisch korrekt. Brauch ich nicht. Alsdann groß anzukündigen, hier würde die komplexe Struktur verständlich gemacht - um dann doch wieder 1 oder 2 Subplots unter den Tisch fallen zu lassen. Auch dieses inszenierte Wir-diskutieren-mal-voll-kontrovers-vor-der-Kamera-Getue geht mir tierisch auf den Puffer. Und ganz verboten ist natürlich die verkehrtrumme Baseballmütze von Herrn P. zum Anzug, die ihn der Jugend so unheimlich näher bringt.  :kotz:

Naja, in mancher Hinsicht sicher ein Kind der 90er Jahre, aber die Komplexität von RIII kriegt man dann doch wieder über das - Lesen, ganz altmodisch, mit. Die Verfilmung mit Ian McKellen kann ich von ganzem Herzen empfehlen, macht mächtig Spaß. Die ollen Olivier-Teile hab ich noch gar nicht gesehen.

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: RoboLuster am 28 März 2010, 03:15:38
... so wirds gemacht:

(http://img.ofdb.de/fassung/2/2606_f.jpg)
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 28 März 2010, 03:29:17
Oh wie geil, auf diesen Thread hab ich gewartet (was für eine Ausdrucksweise in einem Shakespeare-Thread). Da mein Hauptschul-Englisch nicht erst bei Shakespeare "verkackt", sondern überhaupt, hält sich meine Qualifikation, über dieses Thema zu fachsimpeln, in Grenzen. Aber andererseits war es eine deutsche Übersetzung, die meine Begeisterung entfacht hat, dann kann diese eigentlich auch soo schlecht nicht sein. Es ist sicher Geschmackssache, ob man einen Kostümschinken oder eine moderne Variante draus machen sollte, ich für meinen Teil bin da eher romantisch veranlagt. Es kommt einfach irgendwie nicht besonders glaubwürdig rüber, wenn jemand vor nem' McDonald's steht und poetische Verse raushaut, als wäre es völlig normal. Ansonsten braucht es eigentlich keine spezielle Kulisse. Die Themen bleiben sowieso immer aktuell und wenn man Shakespeare begreifen will, reicht es im Grunde, wenn man ihn liest. Er hat ja quasi nur das "Drehbuch" geschrieben und den Rest überlässt er gänzlich den Protagonisten und derer künstlerischen Freiheit. Ich bin für meinen Teil zugegebenermaßen etwas empfänglich für Pathos, und es ist mir daher sehr wichtig, daß die Darsteller leidenschaftlich und hingebungsvoll agieren. Kenneth Branagh wird oft als "selbstverliebt" bezeichnet, und das stimmt auch, aber das nehme ich ihm gar nicht übel, denn genau das macht seine Darbietung für mich eben so mitreißend. In "Henry V." reichte eine Billig-Kulisse, und doch hat dieser Film bei mir einen imposanteren Eindruck hinterlassen, als es zum Beispiel "Braveheart" vermochte.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: pm.diebelshausen am 28 März 2010, 03:36:49
@Robo: Warum?

@Ratz: Dem entnehme ich, dass Shakespeare nichts für Klempner ist. Wir brauchen jetzt keine Bildungsdebatte zu führen, ich bin anderer Meinung, aber was den Film angeht sollte man, wie ich finde, nicht alles zu ernst nehmen: da ist eine dicke Portion Augenzwinkern dabei und das Ganze mehr ein Spiel als eine Belehrung. Zentral sind die Passanten ja nun wirklich nicht, aber eine Facette des Ganzen dennoch, ob man will oder nicht, ob's doof ist oder nicht.

Finde interessant, dass Du "lesen" schreibst, nicht "sehen", wo es um Theaterstücke geht, die absolut auf Aufführung hin geschrieben sind. Da haben wir also Lektüre, Bühne und Film als drei Realisierungen des Textes. Ich meine, in Pacinos Film wird angesprochen, dass man mit dem Film eine ganz andere Intimität erreichen kann, da sowohl die Kamera, als auch das Mikrophon (=Gehör) ganz nah an den Schaupielern sein kann, was im Theater so nicht (ohne Weiteres) umsetzbar ist. Allein das ist ja schon eine große Entfernung vom Originaltext, der zu seiner Zeit hinsichtlich eines lauten Schaupielerorgans verfasst wurde. Das kann einerseits verfälschen, andererseits neue Möglichkeiten eröffnen - je nachdem, wo man Prioritäten setzt.

Und wie wirkt das Kino zurück auf die Inszenierung im Theater? Ich erinnere mich an eine Schulaufführung von "Viel Lärm um Nichts" in Anlehnung an Brannagh vor ein paar Jahren, in der denn auch in einer Szene in Zeitlupe agiert wurde, was großartig war.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: PierrotLeFou am 28 März 2010, 04:15:28
Ich mag ich ja "Macbeth" von Orson Welles am liebsten, weil mir das Bildgewaltige, das aber immer sehr konzentriert, dezent daherkommt, sehr gefällt... :love:

Aktualisierungen mag ich eigentlich generell nicht sonderlich gerne... zumindest dann nicht, wenn etwas in die Gegenwart verlegt wird, um zu zeigen, dass uns der Stoff auch heute noch etwas angeht (Ausnahmen bestätigen hier aber wieder mal die Regel!), denn das sollte - wenn es denn der Fall ist - ein Zuschauer auch ohne das ständige Verweisen darauf erkennen können... Eine Aktualisierung finde ich generell immer dann spannend, wenn da Jahrzehnte oder Jahrhunderte zusammengewürfelt werden, die sich gegenseitig kommentieren - ein Prinzip, das sich oft bei Ken Russell, H. J. Syberberg oder auch Derek Jarman findet.
Dummerweise fällt mir an ungewöhnlichen Shakespeare-Verfilmungen im Hinblick auf Aktualisierungen gerade nichts ein... Pacinos Film habe ich zwar aufgenommen, aber noch nicht gesehen, Godards King Lear (der ja keine Verfilmung sein will) kenne ich leider auch noch nicht, an Taymors "Titus" erinnere ich mich kaum noch (im Gedächtnis geblieben sind mir hübsche Bilder und oft aufdringlich-polternde Einfälle)... (Eventuell würde ich "Prospero's Books" von Greenaway anführen, der den Stoff zwar opulent in nicht gerade aktualisierter Ausstattung präsentiert, aber zum Stoff immerhin spätere Deutungsansätze hinzufügt und gleich mitinszeniert (Prospero als Shakespeares Alter Ego). Mit einer Aktualisierung, die jenseits der Bildebene stattfindet oder zumindest nicht nur auf ihr stattfindet, kann ich mich durchaus anfreunden...)

Naheliegend wäre aber wohl eine Shakespeare-Verfilmung, die sich am Konzept damaliger Aufführungen orientiert und die Kulissen weitestgehend oder komplett ausspart... die aber dennoch filmisch wäre, indem sie unaufdringlich und gezielt die Montage einsetzt, etwa um die Mimik einzufangen... Das dürfte als Konzept wohl eher Shakespeares Vorstellungen entsprechen (mal davon abgesehen, dass es ein interessantes Konzept ist), aber es spricht ja nichts dagegen, wenn ein talentierter Regisseur ein opulentes, bildgewaltiges Spektakel aus einem Stück macht. (Damit bin ich jetzt wohl bei einem nichtssagenden "Egal wie, hauptsache gut" angekommen... :icon_mrgreen:)
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: a deer am 28 März 2010, 08:35:21
Konnte mit Shakespeares Werk als eigenes noch nicht soviel anderes, obwohl sich natürlich in jeden zweiten Werk, Oh Wunder!, Zitate aus diesem befinden. Mein Hauptproblem ist die Sprache, wenn ich mehr als 1 Seite von sowas (also "Theatersprache" die etwas älter ist und bei der ich das Gefühl habe, dass sie sich stark an den gebildeten Aristrokaten richtet....) lese kann ich mich meistens nicht mehr konzentrieren, wenn ich es auf der Bühne oder Leinwand sehe filterte ich oft nur das allerwichtigste für die Handlung oder für meinen Zitatevorrat heraus, weils mir irgendwie schnell zuviel wird. Da schätze ich viele Theaterwerke aus dem letzten Jahrhundert, die dann auch oft vom "alten" Hollywood verfilmt wurden mehr...) Sehe aber natürlich sofort ein, dass da das Problem bei mir, meiner momentanen Rezeption und meinen Vorurteilen liegt, gibt aber noch genügend Verfilmungen, die mir da beim abbauen dieser Vorurteile helfen können, hab hier auch noch welche rumliegen (Julius Cäsar von 53, Othello von Welles...)

Gespannt bin ich darauf, wie mir die Kurosawa-Adaptionen//Interpretationen/Inspirationen der verschiedenen Shakespearstoffe gefallen werden. Ich fand nämlich die Story bei Shakespeare immer besser als die (Form der) Dialoge und der Gore bei Polanskis MacBeth (ich glaube, dass war auch die Shakespeare-Verfilmung, die mir am besten gefallen hat) hat dem Film auch ganz gut getan  :king: ;)

Tja, jetzt hab ich mit dem letzten Satz meinen Ruf wohl vollends ruiniert  :icon_lol:

Zitat von: PierrotLeFou am 28 März 2010, 04:15:28
... aber es spricht ja nichts dagegen, wenn ein talentierter Regisseur ein opulentes, bildgewaltiges Spektakel aus einem Stück macht. (Damit bin ich jetzt wohl bei einem nichtssagenden "Egal wie, hauptsache gut" angekommen... :icon_mrgreen:)

Was ich mal interessant finden würde, was aber natürlich gänzlich unmöglich ist herauszufinden ist, wie sein Werk wohl aussehen würde, wenn es damals schon den Film gegeben hätte, ob er sich dran gewagt hätte, weil es zu manchen seiner Stoffe einfach besser passt und wir von manchen noch Kopien oder Fragmente bei MoMA hätten?.....
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: jororo am 28 März 2010, 11:12:44
Shakespeare setzt man am Besten um,indem man sich auf die Stärke, nämlich die Sprache, verlässt. ich persönlich bewundere Shakespeare sehr (muss ich als Englischlehrer auch, auch wenn ich an einer Berufsschule bin WO NICHT MAL IM ABITURBILDUNGSGANG SHAKESPEARE GELEHRT WIRD!! Super NRW! Zum Glück konnte ich den Namen immer wieder mal einflechten), und finde jedes seiner Stücke zumindest interessant. Kenneth Branagh mit seinem Hang zum Egomanen ist hervorragend für Shakespeare (als Henry oder auch Jago), die Richard III Version mit Sir Ian McKellen ist auch sehr gelungen.

bei Shakespeare muss ich an ein Erlebnis aus meinem Studienjahr in England denken. Natürlich hat die Gesellschaft, die Auslamndsstudierende betreut hat, eine Toru nach Stratford (mit Theaterbesuch) angeboten. Ich war mit einem Kumpel zusammen, der den Trip "so mitgenommen" hat,obwohl er selbst gemeint hat, dass ich ihn bitte wecken soll, wenn er einschläft, weil er eh nichts verstehen würde. Wir haben dann eine Inszenierung von Henry VI Part II gesehen, nicht gerade DAS Vorzeigeshakespearestück also, eine sehr "karge" Inszenierung, die sich ganz auf Schauspieler und Text anstatt auf Kulissen und Requisititen oder Effekte. NAch etwa fünf Minuten hab ich dann gemerkt,wie selbiger Kumpel (und andere, die das Gleiche gesagt hatten) fasziniert auf die Bühne geschaut haben und vom Geschehen (wie ich auch) absolut gefesselt waren. Natürlich waren auch gute Schauspieler am Start, aber es lag definitiv zum Großteil an der Frische und Klasse der Sprache, die nun mal für die Bühne geschrieben ist...
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 28 März 2010, 12:45:39
Klar, im Theater hat man das direkteste, da lebendigste Erlebnis. Was hab ich mich im Deutschen Theater beim Sommernachtstraum gekringelt, da kommt die ansonsten ganz anständige Hoffman-Verfilmung (http://www.ofdb.de/film/5643,William-Shakespeare%27s-Ein-Sommernachtstraum) bei aller Opulenz nicht ran.

Apropos:
Zitat von: pm.diebelshausen am 28 März 2010, 03:36:49

Finde interessant, dass Du "lesen" schreibst, nicht "sehen", wo es um Theaterstücke geht, die absolut auf Aufführung hin geschrieben sind. Da haben wir also Lektüre, Bühne und Film als drei Realisierungen des Textes.


Die Textkritik bei Sh. ist ja nicht umsonst der seit Jarhunderten produktivste Zweig der nicht nur anglistischen Philologie. Und da Sh. immer auf mehreren Ebenen, nicht nur der theatralischen, funktioniert, selbst in den "leichten" Komödien, erfaßt man die ganze Bandbreite der motivischen und literarischen Verweise, aber auch die strukturellen Kniffe erst im Schriftstudium. Ganz zu Schweigen von den historischen Stücken, die eine ziemlich aufwendige Einarbeitung erfordern - da reicht so ein Filmexperimentchen wie etwa von Pacino längst nicht hin.

Das Problem aller Verfilmungen ist, daß Film als visuelles Medium dem Text immer nur den 2. Rang einräumen kann. Gekürzt wird natürlich auch auf der Bühne, aber im Film eben noch krasser, weil die typisch filmischen Ausdrucksmittel ihren Platz bzw. ihre Zeit beanspruchen. Da gebe ich jororo recht, die Sprache ist und bleibt das Hauptmedium und sollte bei Sh. - denn das gibt er locker her - auch in Schriftform goutiert werden. Das ist sicher nicht jedem möglich, und in meinem Fall hilft es, daß ich mich seit dem Studium und der Abschlußarbeit eigentlich immer mit Sh. beschäftigt habe (---> mein eigener kleiner Angeber-Regalmeter (http://www.majhost.com/gallery/gogolin/mov/dsc00350.jpg)  :icon_mrgreen:).

Pierrot: Evtl. könnten Dich die TV-Produktionen der BBC aus den 70er/80er Jahren interessieren, im Text weitgehend ungekürzt, sparsame Kulissen (eher theaterorientiert), aber eben solide bis hervorragende, bühnengeschulte Darsteller. Ein Highlight: John Cleese in The Taming of the Shrew, genial und doch un-pythonesk.

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 28 März 2010, 12:54:29
Mit der verschnörkelten Ausdrucksweise hab ich auch so meine Probleme, was wohl auch der Übersetzung von Ludwig Tieck liegt, die sehr an die altdeutsche romantische Sprache angepasst wurde (mir fallen oft sehr viele Reime auf, von denen ich mich frage, ob die wohl von Shakespeare so abgesegnet worden wären), welche, wenn auch in vereinfachter Form und leichter verdaulich, in in den meisten deutschen Synchronisationen Anwendung findet. aber irgendwie lohnt es sich doch immer wieder, sich die Zeit zu nehmen, diese zu entheddern. Im "Hamlet" von Zefferelli (mit Mel Gibson) beispielsweise wurde die dt. Synchro extrem stark vereinfacht (neben der Tatsache, daß die Handlung noch um die Hälfte geschnitten war), eignet sich daher für Einsteiger, allerdings hat ihr das auch ein bisschen den Zauber geraubt.
Wer sich bereits mit dem nackten Handlungsgerüst zufrieden gibt, und dann noch, so wie ich, auf Eastern abfährt, dem kann ich den Film "The Banquet" ans Herz legen. Wer auf Italowestern steht, "Django - die Totengräber warten schon".
Was mir an der Polanski-Verfilmung von Mabbeth nicht gefallen hat, waren die Szenen, in der John Finch quasi kaum agieren brauchte, weil er eben nicht sprechen musste bzw. die Monologe als Gedanken dargestellt wurden (die Klappe kann ich auch halten, da hätte man mich auch auf die Bühne stellen können). Die Orson-Welles-Fassung hat mich dagegen vom Hocker gehauen, da diese mit dem geringsten Aufwand den maximalen Effekt erzielt. Das ist es!
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Crumby Crumb & the Cunty Bunch am 28 März 2010, 13:36:31
Zitat von: ratz am 28 März 2010, 03:09:31
Nun gibt es dazu so extrem viel zu sagen, daß ich mich erst mal auf Looking for Richard beschränken will. Den hab ich vor ca. nem halben Jahr noch mal angeschaut, weil ich den irgendwie als cool erinnerte. War dann aber doch heftig enttäuscht.
Zum Einen, weil wieder einmal der pseudo-volkserzieherische Ansatz "Hey, unser Sh. ist doch für alle da" verfolgt wurde, mit absolut überflüssigen Passantenbefragungen. Dieses Geheuchle, jeder Klempner könnte einen Zugang finden, ist absurd, aber politisch korrekt. Brauch ich nicht. Alsdann groß anzukündigen, hier würde die komplexe Struktur verständlich gemacht - um dann doch wieder 1 oder 2 Subplots unter den Tisch fallen zu lassen. Auch dieses inszenierte Wir-diskutieren-mal-voll-kontrovers-vor-der-Kamera-Getue geht mir tierisch auf den Puffer. Und ganz verboten ist natürlich die verkehrtrumme Baseballmütze von Herrn P. zum Anzug, die ihn der Jugend so unheimlich näher bringt.  :kotz:

Das unterschreibe ich und ergänze, daß das alles so nervt, weil da ein mittelmäßiger überhypter Schauspieler denkt, er habe die Weisheit mit Löffeln gefressen und müsse das nun der Welt beweisen.
Baz Luhrmann nimmt zwar einen anderen Weg, um dem Klempner Shakespeare schmackhaft zu machen, verirrt sich dabei aber spätestens nach 10 Minuten in der style over substance Formel - zu überladen auf cool getrimmt und im Ergebnis unfreiwillig komisch wirkt das Ganze - aber dem Pöbel gefällts vermutlich trotzdem besser als das Pacino Vehikel.
Bei den modernisierten Verfilmungen gefiel mir damals Ethan Hawke als Hamlet ganz gut, der setzte nur auf neue Kulisse und verzichtete auf sonstige Spielereien.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: pm.diebelshausen am 28 März 2010, 14:14:40
Da bekommt Pacino ja ne Menge Gegenwind. Verstehe zwar nicht ganz, warum man ihm seinen Richard bis hin zum Mützchen so übelnimmt, aber vielleicht hat er bei mir offene Türen eingerannt und bei anderen ist er halt gegen die Fensterscheibe geflogen.

Zitat von: LeCrumb am 28 März 2010, 13:36:31
ein mittelmäßiger überhypter Schauspieler

Bezieht sich das denn auf seinen Richard oder auf Pacino generell? Letzteres würde dann erklären, warum der Film kaum eine Chance hatte.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Crumby Crumb & the Cunty Bunch am 28 März 2010, 14:45:59
Das bezieht sich schon auf Pacino. Ich bewundere sein Talent, grimmig laut "Fuck" und all seine Derivate brüllen zu können, aber danach hörts dann auch schon auf.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: pm.diebelshausen am 28 März 2010, 14:52:25
Yo - dann brauchen wir an dem Punkt natürlich nicht weiterreden und ich wünsche mir unbedingt mehr Mittelmaß!  :dodo:

Ich habe "Looking for Richard" gar nicht arrogant und mit Löffelweisheit vorgetragen erlebt, sondern mehr als Essay, als Versuch, als Spiel - als Abschweifung, die selbstverständlich nicht Schule machen soll und kann. Es wäre absolut blödsinnig, zu sagen: So muss man Shakespeare verfilmen und das machen wir jetzt mit allen 35 oder was Stücken.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 28 März 2010, 15:08:29
Ich bin zwar kein Klempner, aber ich glaube auch nicht, daß man Absolvent einer Elite-Uni gewesen sein muß, um einen Zugang zu Sh. zu finden. Entweder interessiert einen das Zeugs und gibt einem etwas oder eben nicht. Ich habe ein Problem damit, das SH immer so dargestellt wird, als wäre es wer-weiß-wie-anspruchsvoll und nur was für Professoren. Klar haben mir solche Experten bei dem Thema 'ne Menge voraus, und davor ziehe ich auch in Demut meinen Hut und höre ihnen gerne zu, aber wenn diese sich einbilden, daß NUR sie den Meister verstehen können, ist das lächerlich und anmaßend. Das erinnert mich ein wenig an versnobte "Übermenschen-Aristokratie". In "Looking for Richard" ist eben versucht worden, damit aufzuräumen, über die Art und Weise läßt sich streiten, aber ich denke nicht, daß der Film danach trachtet, irgendwelche "Experten" beeindrucken zu wollen.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 28 März 2010, 15:18:15
Zitat von: pm.diebelshausen am 28 März 2010, 14:14:40
Da bekommt Pacino ja ne Menge Gegenwind.


Nee, klar, und für höheres Schülerniveau (Abitur) ist der Film vielleicht sogar hilfreich, ein paar Hemmungen abzubauen, eben wegen der unkonventionellen Verschränkung von Spiel- und (gestellten) Dokuszenen. Trotzdem bleibt es eine selbstverliebte Nabelschau, die evtl. nicht jeden stört.
Pacino spielt am Ende doch immer nur sich selbst (seine m. E. beste Leistung: Hundstage), und für Shakespeare ist das nicht immer nützlich (nicht allein wegen des unpassenden Italo/Ami-Akzents). Im Kaufmann von Venedig (http://www.ofdb.de/film/61265,Der-Kaufmann-von-Venedig) geht das gerade noch - obwohl gerade diese Verfilmung ein schönes Beispiel dafür ist, wie sogar Sh. glattgebügelt und für den heutigen Geschmack zensiert (!) wird. Die Juden-kritischen Passagen nämlich, die bestimmte zeitgenössische soziale und gesellschaftliche Aspekte des Judentums (aus dem Munde Shylocks!) durchaus negativ herausstellen und die man heute beflissen unter Antisemitismus ablegen würde, sind im Film natürlich gnadenlos herausgestrichen. So schlägt Auschwitz zurück in einen unkritischen Philosemitismus, und wohl dem, der willens und fähig ist, am Originaltext die wesentlich komplexeren Umstände zu eruieren.

Zitat von: Chowyunfat2 am 28 März 2010, 15:08:29

Ich bin zwar kein Klempner, aber ich glaube auch nicht, daß man Absolvent einer Elite-Uni gewesen sein muß...

Du gibst aber zu, daß Du ein seltenes Exemplar bist, denn, und das ist ja nun mal so, es hat der Bildungsabschluß durchaus Auswirkungen auf die Freizeitbeschäftigung bzw. deren intellektuelle Durchdringung. Und das Schöne an Sh. ist freilich, daß für jeden etwas dabei ist, vom physischen Humor in den Subplots bis zu kulturellen Anspielungen in den Dialogen. Nach "oben" gibt es, selbst für Professoren, kein Limit, und daher kann man sich mit einem einzigen Sh.-Drama quasi unendlich auseinandersetzen.

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: pm.diebelshausen am 28 März 2010, 15:43:44
Was mir an Pacinos Film ausserdem gefällt ist der Humor. Nicht nur, dass er womöglich versucht, Shakespeare Leuten nahezubringen, denen normalerweise die nötige Bildung für sowas wie Shakespeare abgesprochen wird (ist mir eigentlich völlig wurscht, dieses Thema - soll sich doch jeder dem Shakespeare aussetzen, wie er/sie es für richtig hält - *gähn*), sondern der Film ist sehr witzig geschnitten. Wenn das auch alles inszeniert ist (dann aber nicht ganz schlecht), so finde ich in der Szene, in der Pacino (angeblich) Studenten fragt, was das denn heißen soll "summer of our discontent" etc., den Schnitt auf das knutschende Pärchen statt einer Antwort einfach witzig. Und trotz der rasanten, puzzleartigen Montage entwickeln sich nach und nach die Gedanken zu Richard und Shakespeare, auch wenn die dem ein oder anderen zu oberflächlich und nicht neu und originell genug sind.

PS.: außerdem tauchen die konventionellen "Kenner" ja ebenso auf wie die Desinteressierten.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 28 März 2010, 15:55:42
@ratz:
Was den "Kaufmann" betrifft (kenne auch nur die "Pacino"-Version), so habe ich mich noch nicht umfassend damit auseinander gesetzt, das einzige, was haften blieb, ist, daß das Stück (wie auch "Otello") in seinem Ursprung rassistischer Natur gewesen sein soll, und Shakespeare, so mein subjektiver Eindruck, diese Figuren allerdings in unbefangener Art und Weise um eine menschlich nachvollziehbare Komponente erweitert hat (auch wenn beide "Schurken" sind und bleiben). Oder lüge ich mir damit in die Tasche? Ich denke, Antisemitismus und Rassismus war in dieser Zeit generell verbreitet und alles andere als "politisch un-korrekt", und die Frage, ob Shakespeare ein Rassist war, finde ich sehr interessant und spätestens ab hier fehlt es mir massiv an Grundwissen und da würde mich die Meinung von eben von mir genannten Experten interessieren...
*edit*
Ok, ich gebe zu, das würde dem Thread eine verkehrte Richtung geben, aber jetzt noch extra einen aufzumachen, wär auch übertrieben (zumindest in einem Film-Forum)
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: jororo am 28 März 2010, 22:21:38
Othello ist natürlich kein Schurke, er ist der Held seiner Tragödie, der am Ende scheitert, weil er seiner Eifersucht (eine typisch "schwarze" Eigenschaft im Denken der Zeit!) nicht Herr wird. Ansonsten ist er allen Italienern im Stück sowohl als Feldherr als auch als Liebahber weit überlegen, sein "moralischer Kompass" ist ungebrochen, er wird eigentlich trotz seiner schwarzen Haut von allen bewundert. Bleibt die Eifersucht und die daraus entstehende "Getriebenheit" durch seine Leidenschaften, die man aus heutiger Sicht als "rassistisch" bezeichnen würde.

Shylock ist eine reine Klischeefigur, die allerdings in seiner berühmten GErichtsrede ("Wenn Ihr mich stecht...")durchaus ins Positive gewendet wird (ansatzweise), außerdem tut Shylock nichts Unrechtes, eigentlich wird er von seiner christlichen Umwelt mit List und Tücke (also eigentlich "jüdischen" Eigenschaften!) herein gelegt - zugegeben, eine sehr moderne Lesart. Auch er ist aus heutiger Sicht eine recht "rassistische" Figur.
Allerdings stellt sich natürlich die Frage, ob man von Rassismus reden kann,wenn es den damals noch gar nicht gab (zumindest nicht als Konzept - im Denken der Menschen war praktisch kein Platz dafür,andere Gruppen als "gleichberechtigt" zu betrachten - andere Volksgruppen waren nur dazu da,um von den "ziviliserten" Völkern (die europäisch und, ja, auch christlich waren) bekehrt und "geführt" zu werden.klar ist das für uns heute rassistisch und auch schwachsinnig, aber damals gab es eben praktisch keine andere Denkart, so etwas konnte sich erst mit der Aufklärung entwickeln, und schlug auch da erst mal ins Gegenteil (Rousseaus Konzet des "edlen Wilden" z. Bsp., das ja auch im Kern rassistisch aus unserer Sicht ist)).

Die Frage ist also, wie inszeniert man das heute -  ironische Brechung, Überzeichnung, Herunterspielen, Zensieren, oder evtl. direktes Thematisieren...
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: pm.diebelshausen am 28 März 2010, 22:55:16
"Rassismus" ist wohl wirklich das falsche Wort. Eine Differenzierung des Menschen in Rassen ist doch jünger. "Antisemitismus" - ohne Zweifel ein altes Thema. Es gibt ja Gründe für die alten jüdischen Ghettos in den Großstädten lange vor den Nazis. Man sollte sich vor Augen halten, dass größere soziale Gemeinschaften vor allem durch die Religion zusammengehalten und abgegrenzt wurden. Gemeinsame Riten usw. sind nach Innen identitätsstiftend und nach außen abschottend - daher auch das Fremde beim Betrachten anderer sozialer/religiöser Gruppen und das Unverständnis. So konnten die Christen den Juden stets leicht irgendwelche Horrorstories andichten (Blut eines Christenkindes für irgendwelche Zeremonien und sowas), um den eigenen Gruppenzusammenhalt durch ein klares Feindbild zu stärken. All das findet seinen Niederschlag wohl auch bei Shakespeare. Aber gerade die von jororo etwas lapidar erwähnte, berühmte Shylock-Rede nivelliert ja all die Unterschiede, die real oder als Vorurteile bestehen und macht ihn trotz allem zu dem, was er eigentlich ist: ein Mensch wie jeder andere mit allem was zum Menschsein gehört - positiv und negativ (er ist ja auch kein Engel).

Nur kann man heute nicht so tun, als wär nix gewesen und als könne man Shakespeare so machen und auch so sehen wie seinerzeit als die Stücke entstanden.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 28 März 2010, 22:57:30
Was "Othello" angeht, bin ich mir (im Gegensatz zu Shylok) auch gar nicht sicher, ob es sich da wirklich um eine "rassistische" Vorlage handelte, derer sich Sh. bedient hatte. Es lag nur eben nah, schwarz, am Ende wahnsinniger Mörder. Ich meine, der einzige Farbige, der in "Titus" vorkam, (oder war er nur im Film 'schwarz'?) war meines Wissens auch der "fieseste" von allen (auch wenn sich die Protagonisten in diesem Stück in Sachen Niedertracht gegenseitig nicht viel schenken). Daher dachte ich mal, das diese Frage es wert wäre, mal gestellt zu werden.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 29 März 2010, 01:32:54

Titus Andronicus wollte man ja lange nicht mal als von Sh. geschrieben anerkennen, inzwischen gilt es als eines seiner ersten Stücke, noch fast eine reine Revenge Tragedy, krass blutig und noch nicht sehr subtil. Aron ist hier wirklich schwarz und seine Bosheit seltsam unmotiviert (seine Rede im Gotenlager). Ähnlich schwarz und böse ist nur noch Caliban im "Tempest" (Diese Adaption (http://www.ofdb.de/film/22922,The-Tempest---Der-Sturm) kann man übrigens ignorieren, falls man nicht auf Catherine Heigl steht, und ob Prospero's Books je auf DVD erscheint, wissen die Götter).
Shylock beruht ja auf der Vorlage des Jew of Malta von Marlowe, und dieser ist wirklich das typische, üble Klischeebild, ganz platt, das sich so noch einige Jahrhunderte halten sollte. Sh. bedient dieses Klischees auch, erweitert es aber um die schon erwähnte, sagen wir mal humanistische Komponente. Daß die dann in der oben genannten Verfilmung als einzige übrigbleibt, ist halt schade und mindestens ebenso eindimensional. Noch kurz zum Othello: Die Verfilmung mit, aber nicht von Branagh als Jago finde ich schwach, die von Orson Welles hab ich lange nicht gesehen, "O" geht so, naja, aber scharf bin ich auf diese (schaut da jemand in die Kamera?  :icon_mrgreen:):

Othello: Iago (Ian McKellen) tells of a handkerchief, 1/2 (http://www.youtube.com/watch?v=_gE4K2sbSF4#)


Ein paar Widerhaken bleiben halt. In Der Widerspenstigen Zähmung wird eine garstige (heute würde man sagen: emanzipierte) Kratzbürste durch Psychoterror zur Raison gebracht, am Schluß singt sie das Lob auf die gefügige Ehefrau. Prominent hat das nur Zefirelli mit Richard Burton und Elizabeth Taylor umgesetzt, aber eher als Bilderbogen, krass im Text gekürzt, und mehr Starvehikel als Literaturverfilmung. Alternativ die BBC, siehe oben. Sowas kann man einem heutigen (weiblichen) Publikum nicht mehr einfach so vorsetzen, sondern muß sich irgendeine Ironisierung oder Adaption einfallen lassen - ist mir aber keine bekannt. Hat jemand 10 Dinge die ich an Dir hasse gesehen? Ist ja der nämliche Plot, aber ohne die Originaltexte hab ich irgendwie wenig Lust drauf.

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 29 März 2010, 21:42:08
Naja man darf sicher davon ausgehen, das der Meister seine Vorlagen auch nicht auf eventuelle Rassendiskriminierungen abgesucht hat, weil diese 400 Jahre später in einem Filmforum als anstößig wahrgenommen werden könnten.
WENN er aber nun doch ein Rassist war, kann man konsequenterweise darauf schließen, daß er ein ausgewiesener Hasser der weißen Rasse gewesen sein muß, denn die gutherzigen Protagonisten seiner Dramen kann man ja an einer Hand abzählen, und zu denen gehört, mit Abstrichen, auch Othello...
*Topic*
"von 10 Dingen, die.." habe ich nur einen Trailer gesehen, bei welchem ich es ebenfalls belassen werde!
Welche "Hamlet"-Verfilmung (mein Lieblingsdrama) findet ihr eigentlich am besten?
Die einzig ungekürzte ist ja der 4-stündige mit K. Branagh, oder ist mir etwa was entgangen?
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 29 März 2010, 23:44:28

So, jetzt haben wir alle andere vergrault  :icon_mrgreen:.

Hamlet ist für mich das Stück mit dem stärksten "Lesecharakter", weil es so unheimlich inhaltlich vollgestopft und auch der - nach Bibel und Koran - meistkommentierte Text der Welt ist. Daher hatte und habe ich nicht das Bedürfnis, Versionen davon zu sammeln. Um Branagh kommt man natürlich nicht herum, ist tatsächlich die einzige ungekürzte Umsetzung, und ich werde mal (evtl. schon morgen) eine vor genau einem Jahr (:icon_eek:) anderswo hinterlassene Kurzkritik ausbauen und jetzt erstmal nix dazu sagen.
Sonst hab ich nur den Zefirelli mit Mel Gibson, den ich gar nicht schlecht finde, weil er nicht ganz so lang und anstrengend ist, aber doch schön gemacht. Und Ian Holm als Polonius ist perfekt besetzt (es gibt übrigens eine neuere Lear-Verfilmung mit ihm (http://www.ofdb.de/film/123035,King-Lear)), die inzestuösen Anklänge zwischen Hamlet und seiner Mutter gut herausgearbeitet, das Setting authentisch. Nur Paul Scofield als Geist ist seltsam blass, aber vielleicht mit Absicht.
Prominent ist ja noch Laurence Oliviers Version aus den 40ern, die kommt mir zusammen mit seinem Henry V und Richard III irgendwann dieses Jahr noch ins Haus.

Und selbst?

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: SutterCain am 30 März 2010, 00:27:30
Ohne alle Kommentare gelesen zu haben, antworte ich folgendrmaßen auf die Threadfrage in der Hoffnung nicht irgendwelche Gedanken, die hier schon geäußert worden sind, zu wiederholen:

Indem man die Vorlage in irgendeiner Weise neu formt. Dabei ist es völlig egal, ob man den Stoff modernisiert, also in die Gegenwart, Zukunft oder irgendeine der Vorlage nicht entsprechende Epoche transferiert. Wichtig ist lediglich, dass man etwas Neues hinzuzufügen hat. Zwar kann auch das gewaltig in die Hose gehen, von Kritikern und Publikum verachtet werden, aber ich bin der festen Überzeugung, dass dies gewissermaßen die Voraussetzung für eine lohnenwerte Adaption ist. Ein braves Runterkurbeln des Shakespearetextes reicht nicht, selbst wenn man Schauspieler der Royal Shakespeare Company auffährt. Die BBC-Adaptionen der späten 70er und frühen 80er belegen meinen Standpunkt mehr als deutlich. Zwar ist der BBC sicherlich das damalige Gesamtprojekt hoch anzurechnen - das Resultat ist trotzdem alles andere als gute Werbung für die wahrscheinlich besten Dramen der westlichen Kultur.

Having said that, möchte ich endlich die Zeit finden, zwei HAMLET-Fassungen mit Patrick Stewart als Claudius zu vergleichen, die seit längerer (BBC-Fassung aus dem Jahre 1980) und kürzerer (BBC-Fassung vom Dezember 2009) Zeit bei mir rumliegen. Der Mann könnte das Telefonbuch vorlesen und es wäre höchstwahrscheinlich spannender als jeder jeder Tatort.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 30 März 2010, 01:24:43
Aaaarghh... Wenn ich bloß vernünftig Englisch beherrschen würde, wär ich auch nicht nur auf die paar Filme mit deutschen Synchro's angewiesen:
Der Branagh-Hamlet ist und bleibt mein Favorit (allein wegen der Vollständigkeit), obwohl mir bei Zeffirelli's Film die dt. Synchro mäßig, Mel Gibson gut, und die düstere Mittelalter-Kulisse sogar besser gefallen hat als bei erstgenanntem, bei welcher ich übrigens Derek Jacobi als "Claudius" am besten fand, ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte mal einen Schurken so von ganzen Herzen hassen konnte, wie dort. Beim Olivier-Teil hat es mich angeödet, daß er im Film selbst nicht oft sprechen musste, und seine Monologe meist als Gedanken dargestellt wurden, und er eigentlich nur noch "mysteriös" dreinschauen brauchte. Und für die Ethan-Hawke-Version traue ich mich bis heute noch nicht, Geld auszugeben...
Zum Drama selbst brennt mir zum einen folgendes unter den Nägeln:
Shakespeare's Motivation! Ich bilde mir ja ein, im Handlungsgerüst Parallelen zur Machtübernahme seitens Henry VIII. erkannt zu haben, und wenn man bedenkt, daß dieser der Vater von der zur selben Zeit regierenden Elisabeth I. war, und eine Tudor-Diffamierung Sh. sicher das Leben gekostet hätte, könnte ich mir vorstellen, daß er seine eventuellen Vorbehalte gegen die protestantische Regierung (sh's papa war ja Katholik bzw. "Papist" und war Verfolgungen durch die "ketzerische" Königin ausgesetzt) geschickt so verschachtelt hat, indem er sich der (sich in Dänemark abspielenden, und damit außerhalb der "Vaterlandsverrats-technisch"-heiklen Gefahrenzone befindenden, entschuldige diese unmögliche Ausdrucksweise) Grammaticus-Vorlage bedient hat (und diese hat ja, außer eben Brudermord und verstellten Wahnsinn, nix mehr mit seiner, ungefähr 5 mal so langen Version gemein), sich mit diesem Ahmletus identifiziert hat und diesen dann als sein "Alter Ego, Hamlet" das berühmte Schauspiel vor den Augen seines Onkels hat aufführen lassen? Das mit dem entlarvenden Schauspiel war ja seine Idee (oder? jedenfalls nicht die von Saxo!) und er soll ja auch am Königshof (ob nun er persönlich oder nur seine Schauspieler/Stücke, ist mir nicht bekannt) hin und wieder Vorstellungen abgehalten haben (z. B. "Falstaff").
Ich gebe zu, ich habe mir das jetzt ein bisschen halbwissend "Dittsche"-like zusammengereimt, aber
vielleicht ist "Hamlet" auch ein bisschen eine unterschwellige Abrechnung mit seinem England, was meint ihr?
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Crumby Crumb & the Cunty Bunch am 30 März 2010, 01:32:19
Bei der Gelegenheit fällt mir ein: "Claudius, Du hast meinen Alten umgenietet- mächtig großer Fehler!"
Damals noch ironisch gemeint, würde Bay den Stoff heute vermutlich genau so umsetzen.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: jororo am 30 März 2010, 09:36:57
Ob Shakespeare jetzt katholisch war oder nicht (auch der Familie seiner Frau wurden ähnliche Tendenzne nachgesagt) ist reine Spekulation, in King John z.Bsp. wird die katholsiche Kirche SEHR negativ gezeichnet, aber immerhin ist er unter protestantischen Monarchen zu Ruhm und Ehren gekommen. Die Familie Heinrichs VIII wird auch eher positiv gezeichnet, man beachte das sehr optimistische Ende von Richard III, als Heinrichs Vater den Thron besteigt. Auch Henry VIII, das Stück, auch wenn er das nicht allein verfasst hat, ist sehr positiv.
Inwiefern das Kalkül war (Henry VIII durfte erst nach dem Tod Elisabeths I veröffentlicht/aufgeführt werden, banquo aus Macbeth wird gerne als Anbiederung an seinen  Nachfahr James VI/I verstanden, jedes Druck- und Bühenerzeugnis ging durch strenge Zensur) ist heute nicht mehr festzustellen, ich persönlich lese das in Hamlet eigentlich nicht (die VAter-Sohn- beziehung kann natürlich auch als Umdeutung der Realität, Shakespeares Sohn Hamnet war immerhin gestorben, gelesen werden), ich verstehe den Text als "Fallstudie" über Wahnsinn, Bessenheit und Fanatismus, in der einem Ziel alles andere untergeordnet wird und die Realität "verschwimmt". Gerade dazu empfehle ich das Stück "Rosencrantz and Guildenstern are dead", auch als Film, das genau dieses Verschwimmen durch ständiges Überkreuzen von "neuem" und "klassischen" Text erzeugt.

ach ja
@diebelshausen: findest du, dass Shylock durch die Rede aus seinem Rollendasein heraus kommt? Ich finde, sie löst ihn nicht ganz aus dem "Klischeerollendasein" (auch wenn sie seinem Charakter nötige "Widerhaken" gibt, um aus der reinen Klischeezitierung ansatzweise heraus zu treten), was man ja auch am Schluss merkt, wenn es ihm nur um Geld und das eigene Leben geht. Die Rede wurde ja auch in den folgenden Jahrhunderten als Heuchelei interpretiert und inszeniert, also als Bekräftigung der "verlogenen Natur der Juden"
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 30 März 2010, 13:19:01
Zitat von: SutterCain am 30 März 2010, 00:27:30

Indem man die Vorlage in irgendeiner Weise neu formt. Dabei ist es völlig egal, ob man den Stoff modernisiert, also in die Gegenwart, Zukunft oder irgendeine der Vorlage nicht entsprechende Epoche transferiert. Wichtig ist lediglich, dass man etwas Neues hinzuzufügen hat. Zwar kann auch das gewaltig in die Hose gehen, von Kritikern und Publikum verachtet werden, aber ich bin der festen Überzeugung, dass dies gewissermaßen die Voraussetzung für eine lohnenwerte Adaption ist. Ein braves Runterkurbeln des Shakespearetextes reicht nicht, selbst wenn man Schauspieler der Royal Shakespeare Company auffährt. Die BBC-Adaptionen der späten 70er und frühen 80er belegen meinen Standpunkt mehr als deutlich. Zwar ist der BBC sicherlich das damalige Gesamtprojekt hoch anzurechnen - das Resultat ist trotzdem alles andere als gute Werbung für die wahrscheinlich besten Dramen der westlichen Kultur.


Ich will dir zugleich rechtgeben und widersprechen. Wenn man, durchaus berechtigt, die Schaubühne bzw. die Kinoleinwand als moralische Anstalt betrachtet und die alten Stoffe irgendwie für die Gegenwart sinnvoll aufarbeiten will, dann müssen Bezüge zur Jetztzeit hergestellt, Aktualitäten produziert, und es muß das Publikum von heute angesprochen werden. Dergleichen ist ja in Taymors Titus, Luhrmanns R+J oder dem Richard III mit McKellen passiert, und selbst wenn es schiefgegangen ist, ist doch der Versuch aller Ehren wert. Auf der anderen Seite hat der Versuch, den reinen Text zu bebildern, auch seine Berechtigung, und gerade im Fall der BBC spielt sich das Aufkommen des New Historicism eine Rolle. Diese "runtergekurbelten" Versionen verstehen sich ja auch nicht als gewagte Neuinterpretation, sondern versuchen vielmehr, eine Theatererlebnis so gut wie möglich, und dabei interpretatorisch "neutral", wiederzugeben: Zeitgenössische Kostüme, saubere Sprache, lange Einstellungen ohne Schnitte, in denen sich die Mono- u. Dialoge bühnenhaft entfalten. Ins Regal will ich mir die BBC-Dinger auch nicht stellen, aber als Bebilderung eines Textes finde ich sie nützlich und gut.

Zitat von: Chowyunfat2 am 30 März 2010, 01:24:43

Aaaarghh... Wenn ich bloß vernünftig Englisch beherrschen würde...


Heul nicht rum  :icon_mrgreen:, sondern nimm Dir ein zweisprachiges Reclamheftchen, oder noch einfacher, schau die Filme im O-Ton mit dt. UT. Natürlich ist es Arbeit, aber eine, die sich lohnt!

Zitat von: Chowyunfat2 am 30 März 2010, 01:24:43

Shakespeare's Motivation!


In diese Gefilde kann und will ich nicht folgen, für mich ist der Autor in mehr als einer Hinsicht tot (http://de.wikipedia.org/wiki/Tod_des_Autors), und das ist auch gut so.


Zitat von: jororo am 30 März 2010, 09:36:57

Gerade dazu empfehle ich das Stück "Rosencrantz and Guildenstern are dead", auch als Film, das genau dieses Verschwimmen durch ständiges Überkreuzen von "neuem" und "klassischen" Text erzeugt.


Wird ja auf deutschen Bühnen nicht gegeben, und die dt. DVD ist vergriffen. Die US-Doppeledition kann ich empfehlen, hat umfangreiche Interviews mit Stoppard und den Darstellern.

Zitat von: LeCrumb am 30 März 2010, 01:32:19
Bei der Gelegenheit fällt mir ein: "Claudius, Du hast meinen Alten umgenietet- mächtig großer Fehler!"
Damals noch ironisch gemeint, würde Bay den Stoff heute vermutlich genau so umsetzen.

Hehe, hatte ich ganz vergessen. Man vergleiche übrigens den O-Ton und die deutsche Synchro!

Hamlet Arnold (http://www.youtube.com/watch?v=mfZ-lBzBr6Y#)

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Intergalactic Ape-Man am 30 März 2010, 13:26:58
Was hält das sublime Bildungsbürgertum denn von der Herangehensweise Kurosawas? Sollte der Name gefallen sein, habe ich ihn wohl überlesen. Ran empfand ich jetzt in Unkenntnis King Lears seiner Zeit durchaus respektierlich. Aber ich mag ja auch 10 Dinge, die ich an dir hasse, Django - Die Totengräber warten schon und Tromeo and Juliet. Daher komme ich mich als Hauptschüler ohne Klemptnereilehrgang nun auch so ordinär vor. :king:
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: jororo am 30 März 2010, 17:10:22
Zitat von: ratz am 30 März 2010, 13:19:01
Zitat von: Chowyunfat2 am 30 März 2010, 01:24:43

Shakespeare's Motivation!


In diese Gefilde kann und will ich nicht folgen, für mich ist der Autor in mehr als einer Hinsicht tot (http://de.wikipedia.org/wiki/Tod_des_Autors), und das ist auch gut so.



Sehe ich auch so, aber versuch mal, das jemandem im Unterricht beizubringen... Die gieren immer nach der "Meinung des Autors" und werden ganz kirre, wenn man denen sagt, dass völlig unerheblich ist. Ich merke aber grade, dass ich zum eigentlichen Thema (Wir sollte man Shakespeare verfilmen?) nichts Substantielles beizutragen habe und ziehe mich deshalb besser aus dem Thread zurück... Aber der ist so schön frei von gewissen...Forenmitgliedern... die sonst immer ihren Senf dazu geben...
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: pm.diebelshausen am 30 März 2010, 17:50:12
Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 30 März 2010, 13:26:58
Daher komme ich mich als Hauptschüler ohne Klemptnereilehrgang nun auch so ordinär vor. :king:
Schöner Satz von Dich. :O)

Zitat von: jororo am 30 März 2010, 09:36:57
ach ja
@diebelshausen: findest du, dass Shylock durch die Rede aus seinem Rollendasein heraus kommt? Ich finde, sie löst ihn nicht ganz aus dem "Klischeerollendasein" (auch wenn sie seinem Charakter nötige "Widerhaken" gibt, um aus der reinen Klischeezitierung ansatzweise heraus zu treten), was man ja auch am Schluss merkt, wenn es ihm nur um Geld und das eigene Leben geht. Die Rede wurde ja auch in den folgenden Jahrhunderten als Heuchelei interpretiert und inszeniert, also als Bekräftigung der "verlogenen Natur der Juden"

Ich stimme da Ratz auf einem Umweg zu: ganz klar ist Shylock eine Figur, die die Klischee-Vorstellungen bezüglich eines Juden bedient. Das ist günstigstenfalls Verallgemeinerung zu nennen, schlimmstenfalls und eher aber Antisemitismus. Ob in dem Stück nun  antisemitische Ansichten zementiert werden, oder ob diese Vorurteile von Shakespeare gerade dazu genutzt werden, sie als solche zu entlarven, ist relativ uninteressant (und jetzt komme ich auf Ratz' Bemerkung zum Tod des Autors), denn viel wichtiger, einflussreicher, aussagekräftiger ist, was eine jeweilige Gesellschaft in ihrer Zeit daraus macht. Ich bin jedenfalls der Meinung, dass Shakespeares Stück nicht gegen den Strich vergewaltigt werden muss, um zu einer Darstellung der Figur Shylock zu kommen, die den antisemitischen (oder auch rassistischen) Vorstellungen entgeht, indem sie zu Recht in ihrer Rede darauf hinweist, dass er trotz allem und vor allem ein Mensch ist. Ein Arschloch von mir aus, ein Fiesling, ein Sturkopf, einer, der seinerseits Unmenschlichkeit an den Tag legt (um nicht zu sagen ein "Unmensch", aber das klingt in diesem Zusammenhang wieder falsch) - aber ein Mensch. Nicht all das weil er Jude ist. Ob Shakespeare das sagen wollte, weiß ich nicht, ist mir auch egal. Es liegen Möglichkeiten in seinen Stücken und wäre dem nicht so: sie wären nicht so großartig und hätten nicht so gut überlebt.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 30 März 2010, 21:27:35
Zitat von: jororo am 30 März 2010, 09:36:57
Ob Shakespeare jetzt katholisch war oder nicht (auch der Familie seiner Frau wurden ähnliche Tendenzne nachgesagt) ist reine Spekulation...
Ich sehe ein, daß ich mir mit meiner Absicht, in Shakespeare's Kopf einzudringen, zuviel vorgenommen habe, dachte, wenn ich ihn verstehe, dann erst recht auch"Hamlet".  (interessieren würde aber es mich trotzdem).
Zitat von: ratz am 30 März 2010, 13:19:01
Zitat von: Chowyunfat2 am 30 März 2010, 01:24:43

Aaaarghh... Wenn ich bloß vernünftig Englisch beherrschen würde...


Heul nicht rum  :icon_mrgreen:, sondern nimm Dir ein zweisprachiges Reclamheftchen, oder noch einfacher, schau die Filme im O-Ton mit dt. UT. Natürlich ist es Arbeit, aber eine, die sich lohnt!
Dafür habe ich mir Ostern jetzt mal ganz spontan reserviert. Ob ihr's glaubt oder nicht, zum ersten mal in meinem Leben habe ich in diesem Thread Menschen gefunden, mit denen ich mich über Shakespeare unterhalten durfte, und mein Interesse drohte deshalb schon in den letzten Monaten und Jahren, immer mehr zu verwelken. Ich kenne auch viel zu wenige Stücke, um diesen Thread mit meinem Senf bereichern zu können und werde mich deshalb ebenfalls vorerst aus demselben ausklinken, denn da habe ich ja noch sehr viel (süße) "Arbeit" vor mir. Aber in ungefähr 10 Jahren werde ich diesen Thread womöglich noch einmal neu aufwärmen...
Grüße
Chowyunfat2
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 31 März 2010, 00:13:50
Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 30 März 2010, 13:26:58

Was hält das sublime Bildungsbürgertum denn von der Herangehensweise Kurosawas? Sollte der Name gefallen sein, habe ich ihn wohl überlesen. Ran empfand ich jetzt in Unkenntnis King Lears seiner Zeit durchaus respektierlich.


Tu nicht so, steckst doch selbst voll drin in der Bildungsbürgerbrühe, auch wenn Du noch so viele Trash-Titel aufzählst  :icon_mrgreen:.

Ran und Das Schloß im Spinnwebwald sind ja meines Wissens die beiden Kurosawa-Adaptionen von Sh.-Stücken, King Lear und Macbeth. Und zwar eben genau Adaptionen und keine Verfilmungen: Der Text geht völlig flöten, das Handlungsgerüst und viele Motive werden ins mittelalterliche Japan übersetzt. Genialerweise verschmilzt K. die Stücke dann mit der eigenen japanischen Noh-Theater-Tradition, die weniger auf die Sprache, aber mehr auf die visuellen Merkmale abzielt wie die Sets (leere, nüchterne Räume oder Landschaften), Gesichter (die Mimik der Schauspieler wurde, so belehrt mich mein DVD-Booklet, bestimmten typisierenden Noh-Masken nachempfunden - besonders aufgefallen sind mir Mifunes ständig gebleckte Zähne im "Schloß"), und Bewegung bzw. Gestik (hektische Phasen, in denen K. seine ganze Kamera- und Schnittkunst vorführt, vs. lange, statische Einstellungen mit extrem zurückgenommenen Körperbewegungen der Schauspieler - vgl. den Anfang von Ran oder Kagemusha). Insofern sind K.s Versionen fürs Kino beinahe besser geeignet, da sie auf das visuelle, ritualisierte Repertoire des Noh zurückgreifen können und nicht auf endlosen Wortkaskaden basieren, die notdürftig mit Handlung drapiert werden müssen.
Ich bin kein Spezi auf dem Gebiet des japanischen Films, aber K.s Adaptionen sind ein schlagender Beweis dafür, daß Sh.-Plots in gewisser Weise universal und in andere Kulturen übersetzbar sind (obwohl natürlich gerade die Plots von Sh. in den seltensten Fällen erdacht, sondern aufgegriffen und in allerdings genialer Weise verdichtet wurden). Die Sprache bildet dagegen ein gewisses Hemmnis, da das barocke Englisch selbst Muttersprachlern immer fremder und erklärungsbedürftiger wird, was man an den über die Jahrzehnte wachsenden Anmerkungsapparaten der kritischen Ausgaben sieht.

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 3 April 2010, 01:03:42
Wen es interessiert und Pay-TV sein Eigen nennt, hier ein paar Programmtips zu Filmen, die in diesem Thread erwähnt wurden:
"Hamlet" (Zeffirelli/Gibson) läuft am 14. April um 18:00 Uhr auf "Kinowelt TV (pay-tv)", Wiederholung 22. April 02:50 Uhr.
Auf demselben Sender am 21. April um 11:35 Uhr dann noch "Rosencrantz und Güldenstern".
Allerdings beide wahrscheinlich ohne englischen Ton.
"Kabel1classics (pay-tv)" zeigt am 21. April um 10:30 Uhr "10 Dinge, die ich an dir hasse", auf dem gleichen Kanal am 23. April um 00:55 Uhr den "Sommernachtstraum" von 1998 (Hoffmann).
Ich weiß, das gehört in den Fernseh-Tips-Thread, mir erschien es aber sinnvoller in diesem aufgehoben.
*edit*
Auf Kinowelt läuft Ostersonntag um 17:35 Uhr noch Kurosawa's "Ran".
Ich hätte ja gerne auch ein paar Free-TV-Tips genannt, aber da kommt in den nächsten 2-3 Wochen NULL. Da müssen wir wohl erst auf seinen nächsten Geburts\Todestag warten.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 3 April 2010, 03:40:52
Zitat von: Chowyunfat2 am 30 März 2010, 21:27:35

Dafür habe ich mir Ostern jetzt mal ganz spontan reserviert.


Ich war schon fleißig: Mein Branagh-Hamlet (http://www.ofdb.de/film/10074,Hamlet)-Review ist geschafft. Dazu mußte ich ihn mir noch mal ansehen...  :bawling:  ;)

Dann noch ein nicht zu entspanntes Ostern, Du hast zu tun!  :icon_mrgreen:

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 3 April 2010, 13:32:50
Zitat von: ratz am  3 April 2010, 03:40:52
Dann noch ein nicht zu entspanntes Ostern, Du hast zu tun!
Bin schon mittendrin in der Materie, aber das hier kann ich jetzt doch nicht für mich behalten:
Al Pacino 2010 als "König Lear" (http://www.moviepilot.de/news/al-pacino-koenig-lear-soll-seine-altersrolle-werden-101928) (*edit* bis jetzt erst in Planung, wie @ratz im folgenden Posting richtig anmerkt) In seiner Paraderolle als gebrochener Charakter.
Der Starbesetzung nach zu urteilen, wird wohl auch diese anstehende Verfilmung den Weg auf den dt. Markt finden:
"Coriolanus" mit G. Butler (http://www.imdb.de/title/tt1372686/news?year=2009) , Regie-Debüt für Ralph Fiennes.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: pm.diebelshausen am 3 April 2010, 13:41:50
Fein, fein, dann freue ich mich auf diesen mittelmäßigen, überhypten, ollen Lear aber sehr.

Hat denn eigentlich einer von Euch Shakespeare-Stummfilm-Erfahrung? Habe hier seit einer Weile die frühen (zwischen 1899 und 1911) vom BFI herausgegebenen liegen, z.B. Richard III (http://www.ofdb.de/view.php?page=fassung&fid=121916&vid=292726), komme aber noch nicht dazu, mal reinzuschauen - und Ostern gehört immer den Jesus-Filmen.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 5 April 2010, 22:11:27
Zitat von: Chowyunfat2 am  3 April 2010, 13:32:50

Al Pacino 2010 als "König Lear" (http://www.moviepilot.de/news/al-pacino-koenig-lear-soll-seine-altersrolle-werden-101928) In seiner Paraderolle als gebrochener Charakter.
Der Starbesetzung nach zu urteilen, wird wohl auch diese anstehende Verfilmung den Weg auf den dt. Markt finden:
"Coriolanus" mit G. Butler (http://www.imdb.de/title/tt1372686/news?year=2009) , Regie-Debüt für Ralph Fiennes.

Hm, ob der Pacino-Film dieses Jahr noch kommt, wenn er sich laut imdb noch in der Preproduction befindet, was übersetzt heißt: Es läuft noch nix ...? Und hoffentlich ist Pacino dann nicht zu alt, denn RIII ist ja eigentlich strahlender Kriegsheld. Freuen tu ich mich trotzdem drauf - derartig großartige Stücke kann man gar nicht so richtig versauen  ;)

Edit: Wenn das mal nicht in die Psychopathologie des Alltagslebens Kap. VI fällt, hab mir ganz fest das falsche Stück eingebildet ... - Der Lear ist ja quasi die Meßlatte für alte Charakterdarsteller oder solche, die sich dafür halten. Ian Holm hatte ich schon genannt, McKellen gibt es sogar auf Blu Ray, da muß Herr Pacino natürlich nachziehen. Aber es könnte sogar funktionieren, mal sehen. Wird, wie gesagt, in diesem JAhr sicher nichts mehr.

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 9 April 2010, 20:28:48

Gerade lese ich daß Roland Emmerich (!) einen Film über Shakespeare bzw. die Person, die dahintersteckt, macht: "Anonymous" (http://www.imdb.com/title/tt1521197/). Gedreht wird auch noch in Berlin... Kein Kommentar  :icon_mrgreen:

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 9 April 2010, 21:04:20
Ich bin sehr voreingenommen und behaupte mal, daß es ihn gab und daß er seine Stücke selbst geschrieben hat. WARUM hätte er sie denn auch nicht selber schreiben sollen??? Bacon war schwul (dazu erscheinen mir Sh's Stücke insgesamt zu "hetero") und Marlowe war ein Psychopath. Aber ich bin mal gespannt, wen sie noch so auf der Liste haben...   Klingt mir alles ein wenig nach "DaVinci-Code"-Hysterie.
*edit*
"Edward De Vere" kenn ich gar nicht, wird vielleicht irgendwie doch interessant...aber mein Weltbild wirbelt der Film ganz bestimmt nicht durcheinander, notfalls werd ich dann halt De Vere-Fan. Nur der Thread-Titel müsste dann noch umbenannt werden.  :doof:
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: jororo am 10 April 2010, 09:41:02
*gäääääääääääääääääääääääääääääääähn* Diese Theorie gibt es seit Jahrhunderten (tauchte das erste Mal gut 200 Jahre nach Shakespeares Tod auf, damit man uach ja nichtsmehr beweisen kann...) und gilt unter den meisten Experten als völlig haltlos. Aus Textanalysen (Wortschatz, Syntax, lokalen Ausdrucksweisen, Variationen imVErsmaß...) kann man mit ziemlicher Sicherheit ableiten, dass die Shakespearetexte von einer Person geschrieben sind, teilweise nicht komplett, sondern in Kollaboration. Einige Texte, die zeitweise Shakespeare zugeschrieben wurden, sind auch entlarvt worden, andere, umstrittene ("The Two Noble Kinsmen") können mit Sicherheit als "authentisch" bezeichnet werden (wie gesagt, Kolloboration).

Außerdem gibt es keinen einzigen Hinweis auf einen anderen Autoren, der nicht an Kleinigkeiten (die bezeichnete Person konnte nachweislich nicht schreiben, war zum Zeitpunkt, als Schlüsseltexte entstanden, schon tot, u.Ä.) scheitert. Zeitgenössisch wurde Shakespeares Urheberschaft nie in Frage gestellt, erst, als die Stücke an Berühmtheit und Bedeutung gewannen (wir sprechen hier vom 19. Jhdt., als Shakespeare seinen Höhepunkt auf dem Theater hatte), fiel den Leuten auf, dass man von Shakespeare "wenig" weiß (relativ viel im Vergleich zu allen seinen Zeitgenossen, aber natürlich weniger als heutzutage...), und dann entwickelte sich, wohl aus dem Bedürfnis,etwas "Neues" zu Shakespeare zu sagen, diese mMn vollkommen haltlose Theorie. Der Autor der Shakespearestücke hieß Shakespeare.

Neben richtigen Literaturwissenschaftlern hat auch Bill Bryson ein hoch unterhaltsames Shakespearebuch geschrieben, in dem er am Ende auch auf diese Theorie eingeht. Sehr weichgespült (teilweise geht er über zentrale Aspekte des elisabethanischen Bühnenwesens grob farhlässig hinweg), aber niemals "falsch" und sehr unterhaltsam.

Ja, jetzt habe ich mich doch noch mal gemeldet, aber diese vollkommen unsinnige Theorie, die mMn nur dazu dient, damit sich selbstverliebte Literaturwissenschaftler äußern können, ohne auf gesicherte Fakten Rücksicht zu nehmen (ein Grund, warum ich damals froh war, fertig mit dem Studium zu sein...), nervt mich...
Ach ja, und es ist mir völlig egal, ob man in die Sonette eine "Geschichte" hereinlesen kann,weil die ein Redakteur ohne Shakespeares Zutun in eine Reihenfolge gebracht hat...
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 16 April 2010, 15:19:00

Ich schreib das mal hier für die Spezis rein: Bei Amazon (dort die Zweitanbieter) gibts für lächerlich wenig Geld diesen Othello (http://www.ofdb.de/film/87392,Othello) von Trevor Nunn mit Ian McKellen.

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 16 April 2010, 19:34:33
Zitat von: ratz am 16 April 2010, 15:19:00

Ich schreib das mal hier für die Spezis rein: Bei Amazon (dort die Zweitanbieter) gibts für lächerlich wenig Geld diesen Othello (http://www.ofdb.de/film/87392,Othello) von Trevor Nunn mit Ian McKellen.

cu, r.
Auch wenn ich kein Spezi bin, hat der engl. UT? Weiß nicht, ob ich da ganz ohne noch mitkommen würde. Die gleiche Frage stell' ich bei der Gelegenheit direkt mal auch für den McKellen-"Lear" (gibt's auch recht günstig bei Amazon), zu dem leider auch kein OFDB-Fassungs-Eintrag vorhanden ist.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: pm.diebelshausen am 16 April 2010, 19:37:20
Keine UT. Und 4:3 ist Originalformat, nehme ich an?

Habe hier noch einen passenden Lesetipp:
Douglas Brode: Shakespeare in the Movies - From Silent Era to Today
ISBN 0-425-18176-6
273 Seiten

Wobei "today" das Jahr 2000 ist. Der Autor ist amerikanischer Film-Professor (-Historiker vermute ich mal). Das Buch ist nach Stücken geordnet und hat dann innerhalb der Kapitel Besprechungen der verschiedenen Verfilmungen. Lohnt sich, wenn einen das Thema interessiert. Und sowohl gebraucht als auch neu relativ günstig zu haben.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 16 April 2010, 19:46:48
Ups...die IMDb gibt's ja auch noch, guten Morgen. Trotzdem danke, @pm   
:andy:
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 9 Mai 2010, 16:00:51
Mein bisheriger Lieblings-Hamlet K. Branagh wurde grade von  dem hier  (http://www.ofdb.de/film/191065,Hamlet) abgelöst:
(http://i.telegraph.co.uk/telegraph/multimedia/archive/00786/Tennant-Recorder-2_786136i.jpg)
David Tennant!
(http://3.bp.blogspot.com/_39lareedpPI/SM1Fjh5NIwI/AAAAAAAAAOU/zfv_YGhtKqE/s400/hamlet_david-tennant.jpg)
"Startrek"-Star Patrick Stewart als Claudius (nicht schlecht, aber unspektakulär), und absolut hammergeil als Polonius: Oliver Ford Davies.
  :king:  :LOL:
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 25 November 2010, 02:14:34

Potztausend, Julie Taymor hat sich an The Tempest vergangen, und ich habs erst jetzt gemerkt:

The Tempest Trailer (HD) (http://www.youtube.com/watch?v=ZdpQcFdfXdY#ws)

Das könnte klappen oder auch der tierische, alberne Overkill werden - aber das was damals bei Titus ja auch zu befürchten, der mir aber nach wie vor sehr gut gefällt. Nur kam letzterer mit äußerst sparsamen CGI aus, was man sich jetzt ja wohl abschminken kann. Die Gender-Suppe wird auch wieder ordentlich umgerührt, wohl bekomms.

Na mal sehen, trau nie einem Trailer.

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 6 Februar 2011, 16:46:41
Zitat von: Chowyunfat2 am  3 April 2010, 13:32:50

Der Starbesetzung nach zu urteilen, wird wohl auch diese anstehende Verfilmung den Weg auf den dt. Markt finden:
"Coriolanus" mit G. Butler (http://www.imdb.de/title/tt1372686/news?year=2009) , Regie-Debüt für Ralph Fiennes.


Ist bald soweit: Läuft am 15. und noch einmal am 20. 2. auf der Berlinale im Wettbewerbsprogramm. Ich werde auf jeden Fall versuchen da reinzukommen, zumindest aber noch das Stück lesen, das ich auf Chowyunfat2s Hinweis hin schon gebunkert hatte  :icon_smile:. Der Sh.-Text wird trotz zeitgenössischen Settings übrigens unverändert übernommen  :respekt:.

(http://i53.tinypic.com/2mqt5cn.jpg)

(Einen Trailer gibt es irgendwie nicht)

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 6 Februar 2011, 20:38:32
Zitat von: ratz am  6 Februar 2011, 16:46:41
Der Sh.-Text wird trotz zeitgenössischen Settings übrigens unverändert übernommen
Das "Zeitgenössische" ist ja nicht so mein Fall, aber diesbezüglich habe ich meine Ansprüche inzwischen stark heruntergeschraubt und habe sogar meine Meinung zum "McKellen-Richard" inzwischen zum Positiven geändert. Bezieht sich der "unveränderte Text" auch auf die Vollständigkeit? Um ehrlich zu sein, kann man den Originaltext  für die deutsche Version von mir aus ein klitzekleines bisschen glattbügeln (nicht kürzen!), da ich auch beim Zweiten Lesen der Tieck'schen Übersetzung (habe ihn mir jetzt aus diesem Anlass auch noch mal gegriffen) mit gelegentlichen Verständnisproblemen zu kämpfen habe.

Ich habe mir übrigens die ganze Zeit Joseph, und nicht Ralph Fiennes eingebildet und mich schon gefragt, wie dieser Plüschboy den arroganten Coriolanus rüberbringen will :LOL:

Shakespeares bekanntestes & meistaufgeführtestes Stück ist es ja nicht unbedingt, aber das juckt mich wenig, da mich die kantigen Charaktere der Dramen sowieso mehr fesseln als die zigfach aufgeführten Komödien, und Coriolanus ist ein Charakter mit reichlich Ecken & Kanten. Ein bisschen Bammel, dass man die mainstreaminkompatiblen Sätze, die ein "Mitfühlen" der tragischen Figur des C. etwas erschweren könnten, herauslobt, habe ich allerdings schon, denn was die so Richtung Volk absondert, dürfte sie mitnichten zu einem Publikumsliebling machen. Trotzdem freue ich mich auf den Film, denn bisher kenne ich nur Shakespeares trockene "Dialogregie", die ich in meiner Fantasie immer mit "Julius Cäsar"-Kulissen in schwarz/weiß + 1,33:1 ausschmücke :icon_mrgreen:

Was den "Tempest" angeht, vor dem habe ich mich bisher noch gedrückt (obwohl ich seit Jahren 'ne DVD dazu rumfliegen habe), aber der Trailer motiviert mich schon, dass ich mich an den doch noch irgendwann rantraue...

Zitat von: ratz am  6 Februar 2011, 16:46:41
Ich werde auf jeden Fall versuchen da reinzukommen
Dazu schon mal viel Erfolg von dieser Stelle :respekt:
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 6 Februar 2011, 23:52:47
Zitat von: Chowyunfat2 am  6 Februar 2011, 20:38:32

Das "Zeitgenössische" ist ja nicht so mein Fall, aber diesbezüglich habe ich meine Ansprüche inzwischen stark heruntergeschraubt und habe sogar meine Meinung zum "McKellen-Richard" inzwischen zum Positiven geändert.


Aber Hallo, und Coriolanus scheint einen ähnlichen Ton anzuschlagen. Daß gekürzt wird, bin ich mir sicher, ist ja immer so, aber es bleiben halt die (sicher auch etwas geglätteten) Verse. Läuft übrigens vorerst in Englisch, aber zur Synchronisation wird dann sicher wieder auf den notorischen Tieck/Schlegel zurückgegriffen, obwohl Wieland - zu beziehen über Haffmanns/zweitausendeins - streckenweise besser sein soll. Hab ich aber keine Ahnung.

Falls Du den Tempest mit Peter Fonda meinst, den kannst Du Dir kneifen, da nicht "textecht" und auch sonst irgendwie fad, es sei denn Du willst eine 16-jährige Katherine Heigl bestaunen  ;). In dieser Hinsicht würde ich eher Greeneways Prospero's Books empfehlen, der aber eine sehr freie Adaption und obendrein schwer zu kriegen ist.

Naja, wenn alles klappt, sag ich Bescheid wie Fiennes war, wenn er seine In Bruges- bzw. Schindlers Liste-Nummer abzieht, sollte es eigentlich gut werden *freu*

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Dexter am 6 Februar 2011, 23:54:57
Hat jemand schon die neue BBC Verfilmung von Macbeth gesehen?
Macbeth (http://www.youtube.com/watch?v=TISnL2eG6-M#ws)
http://www.amazon.com/Great-Performances-Macbeth-Patrick-Stewart/dp/B00443FMKM (http://www.amazon.com/Great-Performances-Macbeth-Patrick-Stewart/dp/B00443FMKM)
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 16 Februar 2011, 18:38:24
Zitat von: Dexter am  6 Februar 2011, 23:54:57
Hat jemand schon die neue BBC Verfilmung von Macbeth gesehen?


Nee, aber mit Schnauzer sieht Stewart aus wie mein Vadder  :icon_eek:


War tatsächlich gestern in Coriolanus, und meine Reaktion ist erstmal verhalten. Nicht enttäuscht, aber auch nicht begeistert. (Wer sich überraschen lassen will, bitte nicht weiterlesen)


Respekt auf jeden Fall für das kompromisslose, unbedingt gegenwartsbezogene Setting. Die Bezüge zum Bosnienkrieg und zu heutigen (Medien-)Demokratien sind gut und treffend hergestellt, die Schauspieler passend besetzt (die Redgrave stiehlt natürlich allen die Schau), die Kameraarbeit zeitgemäß wackelig, aber sonst unspektakulär.
Das größte Problem ist der nach einer relativ zackig getakteten ersten Stunde der Bruch zur zweiten, die sich dann etwas zieht und ruhig 15 bis 20 Minuten hätte entbehren dürfen. Auch wird einiges kritisches Potential verschenkt, wenn es um den wankelmütigen Pöbel und die problematische Macht der Medien geht. Sehr gefehlt hat mir die Staat-Körper-Metaphorik, die das Stück ja durchzieht und es recht eigentlich heraushebt - da hätte man doch was draus machen können.
Nun war ich wahrscheinlich übervorbereitet (Stück + kritischer Apparat + BBC-Verfilmung), aber für eine ausführliche Kritik müßte ich den Film schon noch einmal sehen ... Mal schauen ob ich Zeit und Lust dazu habe.

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 17 Februar 2011, 02:33:10
Zitat von: ratz am 16 Februar 2011, 18:38:24
Auch wird einiges kritisches Potential verschenkt, wenn es um den wankelmütigen Pöbel und die problematische Macht der Medien geht.
Wenn da mal der Regisseur nicht um die Stimmen Gunst des Zuschauers aus den Reihen des "gemeinen Volkes" (oder der Medien) gebettelt hat :icon_mrgreen: Von Politik & vom Bosnienkrieg verstehe ich nicht das Meiste, da wäre es für mich eher besser gewesen, man hätte einen Fussballfilm daraus gemacht. Nicht lachen, man könnte die komplette Handlung bequem auf dem Bundesliga-Zirkus übertragen. Ich bin gespannt, wie man zu Beginn den wuchtigen, ein bisschen "Henry V"-mäßigen, heroischen Pathos (fahr' ich voll drauf ab) mit moderner Kriegsführung rüberbringt.

Zitat von: ratz am 16 Februar 2011, 18:38:24
Sehr gefehlt hat mir die Staat-Körper-Metaphorik, die das Stück ja durchzieht und es recht eigentlich heraushebt - da hätte man doch was draus machen können.
Dann weiß ich ja ungefähr schon mal, von welchen Textteilen ich mich verabschieden muss...
Zitat von: ratz am 16 Februar 2011, 18:38:24Nun war ich wahrscheinlich übervorbereitet (Stück + kritischer Apparat + BBC-Verfilmung), aber für eine ausführliche Kritik müßte ich den Film schon noch einmal sehen
Meintest Du diese (http://www.ofdb.de/film/74584,The-Tragedy-of-Coriolanus) hier? Falls Du die noch in die OFDb eintragen willst, musst Du schnell machen, die habe ich mir nämlich eben spontan bestellt. Ich weiß zwar nicht, ob der gut ist (sag's nicht), aber ich kann's nicht erwarten, überhaupt endlich bewegte Bilder zum Thema "Coriolanus" zu sehen.
Zitat von: Dexter am  6 Februar 2011, 23:54:57
Hat jemand schon die neue BBC Verfilmung von Macbeth gesehen?
Ich auch noch nicht, aber der Trailer macht schon Laune und Patrick Stewart ein guten Eindruck. Shakespeare-Erfahrung hat er ja, auch wenn ich ihn im Tennant-Hamlet etwas öde fand. Jedenfalls interessanter Tip.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 18 Februar 2011, 13:45:04

Mit der BBC-Verfilmung mach mal ruhig, die kauf ich nicht, da sie mir zu "theaterhaft" sind. Wie ist denn der Tennant-Hamlet so, eher abgefilmtes Stück oder hat er filmischen Eigenwert? Ich bin nämlich gerade wieder angefixt und will bald von amazon UK 2-3 Scheiben ordern   :icon_smile:

Reingehen solltest Du in Coriolan auf jeden Fall, ich kratze mir nämlich immer noch kontrovers den Kopf ...

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 18 Februar 2011, 20:34:39
Zitat von: ratz am 18 Februar 2011, 13:45:04Wie ist denn der Tennant-Hamlet so, eher abgefilmtes Stück oder hat er filmischen Eigenwert?
Ich könnte beides hineininterpretieren. Eher für's TV produziert, für einen Kinofilm eindeutig zuwenig Schauwerte. "Filmischer Eigenwert" für jemanden, dem historische Kostümschinken zum Hals raushängen und der auf triefende Dramatik & Pathos weniger Wert legt, ganz bestimmt, auch wenn sichtlich keine zig Millionen für die (sich stets wiederholenden & steril-glänzenden) Kulissen ausgegeben wurde. Die Kameraarbeit ist zweckmäßig, effekthaschende Schnittgewitter oder Wackelkameras gibt's kaum (beim Geist ein bisschen), aber es geht nicht so weit, dass man sich als Zuschauer auf dem harten Klappstuhl in einer Theateraufführung wähnen würde;) Der Soundtrack ist passend, aber zurückhaltend und shakespearetypisches Vor sich hin brabbeln "aside" kommt auch nicht zu kurz. Insofern wohl eher "abgefilmtes Stück". Stell' Dir einfach ein Despotenregime in parfümierten Konfirmantenanzügen in der Gegenwart vor, das von einem von außen fein säuberlich restaurierten und von innen relativ modern ausgestatteten Schloss aus regiert. Stewart hat eine Doppelrolle (+Geist) und spielt den Claudius unaufdringlich und kommt irgendwie "Chefarzt"-mäßig rüber (das muss nicht jedem gefallen, mir zum Beispiel. Am Derek Jacobis perfidem Grinsen kommt einfach nix vorbei). Oliver Ford Davis gibt den Polonius ganz klassisch und kauzig (+ witzig), was anderes hätte auch zu der insgesamt selbstironischen Inszenierung schwer gepasst. Es ist alles zugeschnitten auf eine David-Tennant-One-Man-Show, von der der Film letztlich getragen wird (was auch sonst). Tennant gibt einen erfrischenden & sarkastischen Hamlet, der mehr - wenn überhaupt - so in Richtung Iain Glen's Darstellung aus "Rosencrantz..." geht, nur weniger albern (wobei ich "albern" bei Glen nicht despektierlich gemeint wissen will). Es ist sicher nicht alles toll, Mariah Gale als "Ophelia" vermag irgendwie keine stimmige Chemie zu Tennant herzustellen (kam mir jedenfalls so vor, aber vlt. bin ich auch nur ein Banause), oder "Rucksacktourist" Hamlet in Treckingkleidung, der nach seiner Rückkehr aus England von Schergen unbehelligt im Garten des Despotenpalastes herumturnt, killt etwas Atmosphäre .

Aber alles nur Kleinigkeiten, insgesamt klare Empfehlung, allein schon wegen Tennant, dessen Hamlet-Darstellung ich definitiv nicht in die Kategorie "austauschbar" zähle.

Ich habe zwar aufgrund mäßiger Englischkenntnisse nicht jedes Wort verstanden, aber das behinderte mich kaum, weil ich inzwischen das Stück fast auswendig kann und weiß, an welcher Stelle was gesprochen wird (und ein paar Brocken Englisch lernt man so komfortablerweise auch noch dazu).

Zitat von: ratz am 18 Februar 2011, 13:45:04Reingehen solltest Du in Coriolan auf jeden Fall
Wenn ich in der Gegend überhaupt ein Kino finde, das ihn bringt. Falls nicht, auch kein Problem, dann brauche ich wenigstens nicht so lange auf die DVD warten.
Zitat von: ratz am 18 Februar 2011, 13:45:04Mit der BBC-Verfilmung mach mal ruhig, die kauf ich nicht, da sie mir zu "theaterhaft" sind.
Ach so, ich dachte, Du hättest ihn bei Dir rumfliegen. Na, dann sind die zwei OFDb-Punkte ja meine :icon_cool:
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 2 März 2011, 11:54:43

Danke für die ausführliche Kritik - das ist doch ein schönes Textchen, das, ein wenig ausstaffiert, als ofdb-Kritik firmieren könnte ...? Jedenfalls hab ich mir zur Belohnung  ;) den Film mal bestellt, denn mein Argument mit der Theaterhaftigkeit muß ich nach einem Blick in mein eigenes DVD-Regal zurücknehmen, das steht schon Diverses, das genau in die Kategorie fällt. Und als (bisher) nicht praktizierender Stewart-Verehrer hab ich seinen Macbeth auch noch mitgeordert. Und zum Lückenfüllen noch den Lear mit McKellen  :king:

Apropos modernes Bühnenbild, der folgende Ausschnitt schreckt mich etwas ab, obwohl Ian Holm sicherlich sehenswert wäre, aber in der Austattung und Ausleuchtung ...?:

Shakespeare "King Lear"- (1997 TV-Ian Holm), Act 4+5 bits (http://www.youtube.com/watch?v=Pky1BVTEJm8#)

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 19 März 2011, 00:41:16
Zitat von: ratz am  2 März 2011, 11:54:43das ist doch ein schönes Textchen, das, ein wenig ausstaffiert, als ofdb-Kritik firmieren könnte ...?
Das kann böse enden, daher belasse ich ihn lieber vorerst hier  ;)

Zitat von: ratz am  6 Februar 2011, 23:52:47Läuft übrigens vorerst in Englisch, aber zur Synchronisation wird dann sicher wieder auf den notorischen Tieck/Schlegel zurückgegriffen, obwohl Wieland - zu beziehen über Haffmanns/zweitausendeins - streckenweise besser sein soll. Hab ich aber keine Ahnung.
Zitat von: ratz am  2 März 2011, 11:54:43Und zum Lückenfüllen noch den Lear mit McKellen  (...) Apropos modernes Bühnenbild, der folgende Ausschnitt schreckt mich etwas ab, obwohl Ian Holm sicherlich sehenswert wäre, aber in der Austattung und Ausleuchtung ...?
Ich frage mich, ob ich Dich da beim McKellen-Lear bezüglich des Bühnenbildes & der Ausleuchtung nicht besser hätte vorwarnen sollen...den hatte ich mir mangels einer deutsch synchronisierten Lear-Verfilmung auch gekauft, liegt aber noch auf meinem Stapel der guten Vorsätze (aber nicht mehr lange). Mit dem "Lear" habe ich mich überhaupt erst seit kurzem intensiver beschäftigt, wobei mir übrigens dein Tip mit Wieland, der mir vorher kein Begriff war, recht gelegen kam. Ich kann nachvollziehen, weshalb sich bei dt. Synchros zumeist für Tieck/Schlegel entschieden wird, eben weil sie einfach diesen Tick "wohlklingender" rüberkommen. Wieland verzichtet gänzlich auf Reime und lässt auch mal ganze Sätze weg (auch welche, die sich im Englischen nicht reimen), weil er - wie er selbst schreibt - sich entweder keine plausible Übersetzung zutraute oder sie schlicht überflüssig fand (zumindest beim Lear, bei den anderen weiß ich noch nicht). Der Vorteil bei Wieland ist die Verständlichkeit. Nicht, dass man ihn immer in einem Guss lesen könne, dennoch knabbert man deutlich weniger, insgesamt die ideale Ergänzung zu Tieck & Co., die ich zwar immer noch vorziehe, aber wenn's mal wieder hakt, kann ich nun bei Wieland nachschlagen und - zack - bin ich wieder auf der Höhe (ist auch schon umgekehrt vorgekommen, wenn auch seltener). Beim Lear bin ich quasi dauernd zwischen Tieck und Wieland hin und her "gezappt". Wer letzendlich die authentischere Übersetzung bietet, kann ich aber nicht beurteilen. Apropos: Ich glaube, Al Pacino ist wie gemacht für die Rolle. Er ist im passenden Alter, die cholerischen Anfälle und den selbstmitleidigen Hundeblick hat er voll drauf. Wäre dann endlich die erste Lear-Verfilmung, die ich mit deutscher Übersetzung genießen könnte (hoffe ich). Scheint aber wohl noch nix Neues bezüglich eines Release zu geben. Egal, am Wochende serviere ich mir erstmal die deutsche Bühnenaufführung mit Gert Voss (DVD) und hinterher gibt es den McKellen zum Nachtisch :icon_cool:

Zitat von: ratz am  2 März 2011, 11:54:43Und als (bisher) nicht praktizierender Stewart-Verehrer hab ich seinen Macbeth auch noch mitgeordert.
Bei der Gelegenheit kann ich noch diese nette" Macbeth"-Version empfehlen:
http://www.ofdb.de/film/97225,Macbeth (http://www.ofdb.de/film/97225,Macbeth)
Auf die Idee, das Geschehen in die Küche (!) eines Nobelrestaurants zu verlagern, muss man erstmal kommen, der Schauplatz ist dafür wie gemalt...worauf das hinausläuft, kann man sich zwar denken und man wird auch nicht überrascht, aber auch nicht enttäuscht. Nein, auf übertriebene Gore- oder Kannibalismuselemente a la "Titus" wird verzichtet (ist auch uncut FSK12), obwohl sich diese in einem solchen Umfeld irgendwie angeboten hätten. Aber deswegen wirkt der Film nicht weniger makaber oder schwarzhumorig, im Gegenteil, die kalte Atmosphäre der neonröhrenbeleuchteten Großküche ohne Fenster, wo der passionierte Meisterkoch Macbeth jede Schweinekopffiletierung mit diabolisch-sinnlicher Hingabe zelebriert, wirkt grotesk und kann einem wirklich jeden Appetit auf Würstchen verderben. Auf gebundene Sprache wird verzichtet (wäre hier auch kontraproduktiv gewesen) und trotz des ironischen Untertons bleibt die düstere Seele des Dramas erhalten, auch die Gegenstücke der Protagonisten sind durchweg plausibel bis originell gewählt, z. B. die drei Hexen als mysteriöse Müllmänner, die sozusagen als Bodensatz der Zivilisation den Lauf des eitlen, weltlichen Treiben aus dessen Abfällen "erlesen" und entsprechend zu manipulieren imstande sind, Lady Macbeth als eiskalter betroffenheitsheuchelnder Medienprofi mit ihrem vom Gewissen gepeitschten Ehemann (starke Leistung von James McAvoy), dessen paranoider Wahn vom Regisseur in unappetitich albtraumhaften Bildern inszeniert wurde. Intensive, knackige & kurzweilige Adaption ohne Längen, die sich auch Nicht-Shakespearefans auf die Speisekarte setzen können (glaub' ich). Ach ja, der Auftritt des Lebensmittelinspektors ist einfach köstlich :icon_lol:
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 15 April 2011, 14:41:17
Zitat von: Chowyunfat2 am  9 Mai 2010, 16:00:51

David Tennant!
(http://3.bp.blogspot.com/_39lareedpPI/SM1Fjh5NIwI/AAAAAAAAAOU/zfv_YGhtKqE/s400/hamlet_david-tennant.jpg)


Auf jeden Fall der lustigste Hamlet bisher! Und starke Frauen noch dazu (Wow!), Stewart fand ich gar nicht so schlimm, das Überwachungskamera-Gedöns war überflüssig, aber hat zum Glück nicht weiter gestört. Eine gelungene Modernisierung mit passenden neuen (und auch bewährten) Ideen. Nun freu ich mich auf den Audiokommentar, evtl. erklären sie auch, warum SCHON WIEDER der Fortinbras-Plot rausflog.
Damit steht er dann eher in der Olivier-Tradition, den ich neulich das Vergnügen hatte, zum ersten Mal und noch dazu im Kino zu sehen! Und überrascht hat er mich dann doch, daß er trotz der bekannten Schwächen (Kürzungen, Olivier selbst, Ödipus-Nummer) doch eine sehr starke Kameraarbeit bieten konnte, sowie nicht zuletzt die wohl beste Fechtszene, die ich überhaupt gesehen habe. Eigentlich wollte ich den nur sehen und zu den Akten legen, aber irgendwie landet er wohl doch auf meiner Anschaffungsliste...
Wie ist eigentlich Oliviers Henry V? Das Cover schreit ja geradezu "Kauf mich und werde Brite"  :icon_mrgreen::

(http://ecx.images-amazon.com/images/I/513aYuH-lkL._SL500_AA300_.jpg)

Zitat von: Chowyunfat2 am 19 März 2011, 00:41:16

Ich frage mich, ob ich Dich da beim McKellen-Lear bezüglich des Bühnenbildes & der Ausleuchtung nicht besser hätte vorwarnen sollen...


Och, der ging doch. Wie zu erwarten eine ordentliche McKellen-Show in konventioneller Ummantelung, die ich gelegentlich auch noch einmal schauen werde, die mich aber doch nicht so sehr vom Hocker gerissen hat, wie seinerzeit Scofield in diesem Lear (http://www.ofdb.de/film/32704,King-Lear) - leider auch nicht deutsch erhältlich, auch z. T. stark aber sinnvoll gekürzt (nur 130 Min.!), dafür aber mit überzeugendem ästhetischen Konzept und vor allem sehr "filmisch" angelegt - keine Spur von Theaterhaftigkeit. Ein ganzes Stück mutiger und irgendwie auch radikaler/nihilistischer als McKellen, meiner bescheidenen Meinung nach (und billig günstig).
Schön, daß Dir Wieland geholfen hat! Mit Deinem vorgeschlagenen Macbeth bin ich aber erstmal vorsichtig, wenn auch nicht ganz abgeneigt  ;)

cu, r.

Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 17 April 2011, 15:22:45
Zitat von: ratz am 15 April 2011, 14:41:17Wie ist eigentlich Oliviers Henry V?
Mir hat der Film gefallen, obwohl er gegen Branagh klar absäuft. Da ich nur diese beiden Verfilmungen kenne, schonmal Sorry im Voraus für meine ewige Vergleicherei zwischen den beiden ;) Es beginnt und endet wie eine abgefilmte Theateraufführung, mit dem einzigen Unterschied, dass die Kameraleute quasi eine Original Theateraufführung von "Henry the Fifth" im echten Globe Theatre des 17. Jahrhunderts abfilmen und man als Zuschauer meint, sich in eine Zeitmaschine gesetzt zu haben, um live vor Ort zu sein. Fast unbemerkt und sinngemäß zum Prolog fließt die "Inszenierte Bühnenaufführung" dann in eine opulente Verfilmung über, man erkennt zwar deutlich die Pappkulissen, diese sind aber wunderbar gezeichnet und so gestaltet, dass sie ganz offensichtlich keinen Anspruch erheben, dem Zuschauer Realismus vorzugaukeln. Die Kostüme sind ein echter Augenschmaus und die polierten Rüstungen kommen auf der Blu-Ray gut zur Geltung (die Bildqualität ist für dieses Alter der Hammer, der 2.0-Monoton klingt zwar "alt", aber stets verständlich). Die Akteure agieren entsprechend theatralisch, insgesamt auch lockerer und gelegentlich humorvoller (Overacting & Grimassenschneiderei gibt's auch, hält sich aber in Grenzen). Olivier agiert ähnlich routiniert wie in seinem "Hamlet", fast belanglos, ausdrücklich stark fand ich ihn eigentlich nur in "Richard III", zur Hochform läuft er erst am Ende auf, als er die französische Prinzessin nötigt umgarnt. Schauplätze & Kulissen sind ähnlich sparsam wie bei Branagh, jedoch weniger düster, dafür umso bunter und lebendiger (und detailreicher, von der gemähten Landschaft abgesehen), zudem herrscht durchgehend strahlender Sonnenschein. Vollständig durchgelesen habe ich das Stück bisher allerdings nie (immer nur mal stichpunktartig nachgeschlagen), was aber auf jeden Fall fehlt, ist z. B. der Hochverräter Plot, vermutlich, weil er zu ernst war und ein paar pikante Details zu den "Schlafgewohnheiten" ihrer Majestät enthält. Auch die Rückblende zu Heinrich IV fehlte (Taverne, aber ich glaube, das war eh Branaghs Idee, oder?), bis auf eine kleine lautgedachte Erinnerung des sterbenden Falstaff. Zudem wurden einige der martialischen Motivationsreden & Drohungen Henrys' unterschlagen und die Hinrichtung von Bardolph findet ebenfalls nicht statt. Die entscheidende und harmlos inszenierte Schlacht endet so schnell, wie sie begonnen hat und auf die Verwendung von Ketchup wurde zum Wohle von sauberen Röcken und strahlend glänzenden Rüstungen verzichtet. Im Grunde also die weichgespülte Version des Stücks, die man mit der ganzen Familie gucken kann, ganz im Kontrast zur ungefilterten Branagh-Version, die natürlich um Längen authentischer und dreckiger rüberkommt. Die (ebenso optisch unbrutal inszenierte) Abschlachtung der wehrlosen Schildknappen seitens der bösen Franzosen blieb dagegen drin, aber es handelt sich schließlich um einen englischen Film... Nichtsdestotrotz ein liebenswertes Filmchen, das unverkrampft daherkommt und optisch auf jeden Fall ein Erlebnis ist, nicht zuletzt aufgrund der starken Bildqualität der Blu-Ray. Kaufen! Aber auf keinen Fall - so wie ich - den Branagh als Maßstab anlegen ;)
Zitat von: ratz am 15 April 2011, 14:41:17Och, der ging doch. Wie zu erwarten eine ordentliche McKellen-Show in konventioneller Ummantelung, die ich gelegentlich auch noch einmal schauen werde, die mich aber doch nicht so sehr vom Hocker gerissen hat, wie seinerzeit Scofield in diesem Lear - leider auch nicht deutsch erhältlich, auch z. T. stark aber sinnvoll gekürzt (nur 130 Min.!), dafür aber mit überzeugendem ästhetischen Konzept und vor allem sehr "filmisch" angelegt - keine Spur von Theaterhaftigkeit. Ein ganzes Stück mutiger und irgendwie auch radikaler/nihilistischer als McKellen, meiner bescheidenen Meinung nach
Richtig angesehen hatte ich ihn mir auch neulich erst. Bühnenbild war im Grunde auch ok, nur eben zu dunkel für meinen Geschmack (ich musste die Rolladen runterlassen, sonst hätte ich auf dem TV nur Silhouetten erkannt). McKellen, hat ihn fast genauso gespielt, wie ich ihn mir in meiner Fantasie während der Tieck (bzw. Baudissin) Lektüre ausgemalt habe. Enttäuscht hat mich niemand, besonders Edmund war großartig. Jetzt, wo meine zweisprachige Learausgabe da ist, sehe ich ihn mir demnächst nochmal an, bei der ersten Sichtung trübte es den Genuß ein wenig, den englischen Text größtenteils mit "Erinnerungen" übersetzen zu müssen. Scofield ist vorgemerkt. Die deutsche bzw. österreichische Burgtheater-Aufführung (gibt's auf DVD (http://www.amazon.de/K%C3%B6nig-Lear-Gert-Voss/dp/B0017HG5V8)) war übrigens auch nicht verkehrt. Neu und gut verständlich übersetzt, aber entgegen einiger Behauptungen im Internet nicht ganz komplett (naja, beinahe). Gert Voss geht als Lear voll ab, manchmal schon fast zu exzentrisch. Nur der Narr die Närrin (Birgit Minichmeyer) hat genervt und Christian Nickel als Edmund hatte 'n Stock im Arsch. Ich denke, mit dem Thema "Lear" bin so schnell noch nicht durch. Hatte ich schon erwähnt, dass ich mich tierisch auf den Al Pacino freue?
Übrigens, wer mit dem Lear-Stoff was anfangen kann, dem kann ich noch die Lektüre von Shakespeares selten dargebotenen Misanthropenparabel "Timon von Athen" ans Herz legen, welche quasi aus Baukastenelementen aus "Lear" und "Coriolanus" besteht, aber dennoch für sich ein höchst interessantes (und imho unterschätztes) Stück darstellt. Ne Verfilmung gibt's aber, glaube ich, noch nicht (bis auf die obligatorische BBC-Version). Egal, trotzdem lesen.
Zitat von: ratz am 15 April 2011, 14:41:17
Damit steht er dann eher in der Olivier-Tradition, den ich neulich das Vergnügen hatte, zum ersten Mal und noch dazu im Kino zu sehen! Und überrascht hat er mich dann doch, daß er trotz der bekannten Schwächen (Kürzungen, Olivier selbst, Ödipus-Nummer) doch eine sehr starke Kameraarbeit bieten konnte, sowie nicht zuletzt die wohl beste Fechtszene, die ich überhaupt gesehen habe
Muss ich mir die Tage auch noch mal geben, ich glaube, bis zur Fechtszene hatte ich den damals gar nicht geguckt :icon_eek: Aber nicht heute, jetzt ist erst mal Eastern-Time, wenn Meister Yuen Woo-Ping ruft, hat Master Shakespeare erstmal Pause :icon_cool:
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 29 April 2011, 13:27:01
Zitat von: Dexter am  6 Februar 2011, 23:54:57
Hat jemand schon die neue BBC Verfilmung von Macbeth gesehen?

Macbeth (http://www.youtube.com/watch?v=TISnL2eG6-M#ws)


Wahnsinn. Bei einer Sh.-Theaterstückverfilmung (http://www.ofdb.de/film/200176,Macbeth) zweieinhalb Stunden auf der Stuhlkante zuzubringen, klingt irgendwie abwegig – aber GENAU SO erging es mir gestern. Wahnsinn.

Auch hier handelt es sich um die Filmadaption einer Bühnenproduktion, genauer des Chicham Festival Theaters, allerdings mit sehr viel mehr Schmackes und Stilwillen als gewöhnliche und auch die hier bereits erwähnten TV-Adaptionen. Vor allem werden Stil- und Genreelemente der Horrorfilme der letzten Jahre zitiert: Vor allem die Auftritte der Weird Sisters sind ziemlich furchteinflößend, blutig und Zombie-like, kombiniert mit einem Griff in die Trickkiste – der Regisseur hat sich mit Sicherheit den einen oder anderen Zack Snyder-Film genau angeschaut. Dazu kommen eine kräftige, durchaus plakative Farbddramaturgie und diverse schöne Regieeinfälle. Die Inszenierung schuldet dem Richard II mit McKellen eine Menge, auch hier haben wir wieder einen totalitären 20.-Jh.-Staat mit vielen Uniformen, diesmal allerdings russischer/stalinistischer Provenienz, mit KGB-Allüren, Trepak-Tanz, AK-47 usw. Das ganze wurde vor Ort in Welbeck Abbey gedreht, einem heruntergekommenen, riesigen Anwesen, das zwischenzeitlich als Lazarett und Kaserne gedient hat, mit endlosen Gängen, finsteren Tunneln, und stylischen Gitter-Fahrstühlen. — Also insgesamt das ideale Set für das im Stück zweifellos enthaltene "B"-Potential, das hier gründlich, allerdings ohne Ironisierung ausgeschöpft wird (Ich mag meinen Sh. ja durchaus auch mal campy, siehe Titus und sicher bald The Tempest, und Luhrmanns R+J mag ich auch *duck*)
Stewart hält sich die erste Stunde sehr zurück (ich hab mir schon ein bißchen Sorgen gemacht) und läßt Lady Macbeth viel Raum, den sie allerdings locker ausfüllt: Extrem grimmig, ein unglaubliches Gesicht und starke Präsenz, und in der Schlafwandel-Szene hatte ich ungelogen Gänsehaut. Als König legt dann Stewart richtig los, und es macht ihm sichtlich Spaß, sich während der Beauftragung der Mörder eine schöne Stulle zu schmieren :icon_mrgreen: Bis zum Schluß ist es (erwartungsgemäß) ein Vergnügen, ihm zuzuschauen. Der Rest des Cast, gestandene Bühnenschauspieler, ist über jeden Zweifel erhaben. Im Text wurde zwar gekürzt, aber nicht empfindlich. Das Wichtigste: Macduffs Unterredung mit Malcolm im englischen Exil, die Polanski komplett weggelassen hatte, ist drin. Finde ich deswegen wichtig, weil Malcolm ja doch das royale Korrektiv zu Macbeth darstellt. Daß Macbeth und seine Frau schon so alt sind, haut sehr gut hin.

Insgesamt bin ich wie gesagt begeistert, endlich kann ich den Polanski (andere Versionen hab ich nicht) in die Ecke stellen, der hatte mich noch nie überzeugt. Vor allem John Finch mit seiner Gesichtslähmung fand ich immer dröge, auch Lady Macbeth ist viel zu blass. Sicher, das historische Setting ist nett, und noch das eine oder andere, aber nun kann ich beruhigt empfehlen: Ab damit in die Mottenkiste  ;)

Zitat von: Chowyunfat2 am 17 April 2011, 15:22:45

Muss ich mir die Tage auch noch mal geben, ich glaube, bis zur Fechtszene hatte ich den damals gar nicht geguckt :icon_eek:


Ja, schön groß und möglichst in HD (gibts ja schon), die Stärke liegt nach meinem Erachten wirklich im Visuellen. Timon hab ich auf der Liste, aber uns hetzt ja nichts  :icon_mrgreen:

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: PierrotLeFou am 30 April 2011, 01:47:53
Zitat von: ratz am 29 April 2011, 13:27:01
Insgesamt bin ich wie gesagt begeistert, endlich kann ich den Polanski (andere Versionen hab ich nicht) in die Ecke stellen, der hatte mich noch nie überzeugt. Vor allem John Finch mit seiner Gesichtslähmung fand ich immer dröge, auch Lady Macbeth ist viel zu blass. Sicher, das historische Setting ist nett, und noch das eine oder andere, aber nun kann ich beruhigt empfehlen: Ab damit in die Mottenkiste  ;)
Aber gesehen hast du "Das Schloss im Spinnwebwald" und "Macbeth" von Orson Welles bereits, oder?

Ansonsten müssen die unbedingt nachgeholt werden... :love:
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 30 April 2011, 19:13:18

Ja, Kurosawa hab ich dem Regal schon entrissen, er verdient ein Wiedersehen (so wie ich die beiden Hamlets neulich mit Rosencrantz & Guildenstern are Dead krönte  :icon_mrgreen:). – Welles' Sh.-Filme hab ich unbewußt immer umschifft, aber Deine Erinnerung soll mir als Anlaß dienen, beim nächsten akuten Heißhunger betreffende Anschaffungen vorzunehmen!

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 2 Juni 2011, 19:12:55
Da es ja im gleichen Stadion spielt, hau' ich das mal hier rein:

Christopher Marlowes "Jew of Malta" soll verfilmt werden, wenn auch mit niedrigem Budget und (zumindest mir) unbekannten Filmemachern:
http://www.jewofmalta.com/Services.html (http://www.jewofmalta.com/Services.html)
Da der Film auch schon in IMDb (http://www.imdb.com/title/tt1949595/) steht (zumindest der Titel), geh ich mal davon aus, dass das nicht auf irgendwelchem Nazi-Mist gewachsen ist...

Jew of Malta Teaser 2 (http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=Ms-991DPAko#ws)
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Angelus Mortis am 7 Juni 2011, 23:39:53
Ich missbrauche diesen Thread mal für ein Anliegen meinerseits ... . ;)

Ich, 22, männlich, Anglistikstudent, habe während meines Studiums Shakespeare einigermaßen schätzen gelernt und wollte mich jetzt auch mal filmisch in die Sache einarbeiten. Gibt es da was, was man als Einstieg besonders empfehlen kann? Ich würde mich schon so einschätzen, dass ich ein gewisses Shakespeare-Grundwissen habe, wenn das weiterhilft, gesehen habe ich bereits Welles' und Parkers Versionen von "Othello", beide für gut befunden, am Welles-Film fand ich besonders die tiefe und durchdachte Metaphorik gut, die sich auf alle Dimensionen des Films auszustrecken scheint, an Parkers Version hauptsächlich Kenneth Brannaghs Performance als Iago und den Versuch, den Stoff etwas massentauglicher zu gestalten, ohne ihn groß zu verfremden (habe ich zumindest so gesehen). Des weiteren habe ich noch Welles' "Macbeth" zu Hause, wird demnächst mal angeschaut.

Ich hatte sonst eventuell noch über den 1996er "Hamlet" von und mit Brannagh nachgedacht - kann man damit viel falsch machen? Und wie sieht das mit "Lear" als mein (bisheriges) Lieblingswerk aus? Wo fängt man da am besten an? Gibt da ja einen ziemlich großen Wust an Verfilmungen ... . :icon_confused:
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: pm.diebelshausen am 7 Juni 2011, 23:44:26
Na, am besten erstmal "Al Pacino's Looking for Richard".  ;)
Einige interessante Filme sind doch in diesem Thread bereits diskutiert worden - d.h. hier steht zum Teil auch, was an ihnen interessant ist.

Ansonsten ist die Frage nach "Einsteigerfilmen" etwas schwierig oder schräg - es kommt ja drauf an, was Du willst. Z.B. Nähe zum Originalwerk oder weiterführende, selbstständigere Interpretationen.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Angelus Mortis am 8 Juni 2011, 00:04:10
Zitat von: pm.diebelshausen am  7 Juni 2011, 23:44:26
Na, am besten erstmal "Al Pacino's Looking for Richard".  ;)
Einige interessante Filme sind doch in diesem Thread bereits diskutiert worden - d.h. hier steht zum Teil auch, was an ihnen interessant ist.
Ja, das stimmt schon ... wobei vieles Aufzählcharakter hat, wie ich finde. "Looking for Richard" ist aber soeben schon mal im Amazon-Warenkorb gelandet. ;)

ZitatAnsonsten ist die Frage nach "Einsteigerfilmen" etwas schwierig oder schräg - es kommt ja drauf an, was Du willst. Z.B. Nähe zum Originalwerk oder weiterführende, selbstständigere Interpretationen.
Nähe zum Originalwerk wäre mir insofern wichtig, dass zumindest die Essenz und darüber hinaus auch in groben Zügen noch das Stück selbst erkennbar ist. Sprich: Ich hab' nichts gegen "Romeo & Julia" im modernen Gewand, aber wenn die Handlung auf einmal komplett verfremdet wurde und nur noch in gröbsten Fetzen als Shakespeare-Adaption erkennbar ist, wäre mir das (für's erste) zu weit weg.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 8 Juni 2011, 00:32:14
Aufzählcharakter? Alter, im ganzen deutschsprachigen www findest vermutlich keine so ausführliche, sachliche und gleichzeitig fundierte Forendiskussion zu Sh.-Filmen wie die hier.

Es ist doch so: Der Mann hat viel geschrieben, und es wurde viel verfilmt. Und es gibt eine ganze Bandbreite an Interpretationen, die von werkgetreu (BBC, Zefirelli) über modern adaptiert (Luhrmann, Taymor) bis zu entfernt inspiriert (Kurosawa, Greenaway) reichen. Du wirst nicht drum herumkommen, die von jeder Couleur den einen oder anderen zu besorgen und für Dich zu entscheiden, welche Richtung Dir paßt, oder ob Du evtl. sogar aus jeder von ihnen einen Gewinn ziehen kannst. Anregung gibt es hier im Thread zuhauf, und daß wir im Ernstfall krass auskunftsfreudig sind, ist ja bei Nerds ganz normal.

(http://i133.photobucket.com/albums/q73/edwardhendryuk/NerdSmiley.gif), r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Angelus Mortis am 8 Juni 2011, 01:15:26
Zitat von: ratz am  8 Juni 2011, 00:32:14
Aufzählcharakter? Alter, im ganzen deutschsprachigen www findest vermutlich keine so ausführliche, sachliche und gleichzeitig fundierte Forendiskussion zu Sh.-Filmen wie die hier.
Öhm ... gut, Aufzählcharakter war meilenweit am richtigen Wort vorbei, gebe ich zu, keine Ahnung, wie ich darauf kam. (Ich hab' den Thread übrigens wirklich zum Großteil gelesen ... ich glaube, ich habe gerade den Anschein erweckt, dass nicht. ;)) Hm ... was ich ursprünglich meinte, war trotzdem was anderes als die Diskussion hier. Mehr ein "Den solltest du mal mitnehmen, weil ..." bzw. ein "Nee, lass den mal sein, der ist nicht gut, weil ...". (Also im Grunde sogar mehr Aufzählcharakter, als hier im Thread vorhanden.)

Zitat[...]von werkgetreu (BBC, Zefirelli) über modern adaptiert (Luhrmann, Taymor) bis zu entfernt inspiriert (Kurosawa, Greenaway).
Sowas meinte ich eher, dazu halt noch ein paar (gebündeltere) Infos bezüglich allgemeine filmische Qualität und Qualität spezifisch was Shakespeare angeht. (Also, funktioniert der Film einerseits als Shakespeare-Verfilmung und gleichzeitig als "guter Film" - bei Jarmans "Edward II." hatte ich zum Beispiel das Problem, dass ich (zumindest grob) verstanden habe, was er als Marlowe-Adaption ausdrücken und darstellen wollte, gleichzeitig gefiel mir der Film aber einfach aus verschiedenen anderen Gründen (hauptsächlich war's der komische Rhythmus) überhaupt nicht.)

ZitatAnregung gibt es hier im Thread zuhauf, und daß wir im Ernstfall krass auskunftsfreudig sind, ist ja bei Nerds ganz normal.
Darauf hatte ich gehofft. ;) Aber gut ... ich sehe ein, dass meine Frage viel zu weit gefasst und ein bisschen undurchdacht war. Von daher ... tut mir leid, die Diskussion hier unterbrochen zu haben. ;)
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Klugscheisser am 8 Juni 2011, 01:20:49
Ich würde an deiner Stelle einfach mal anfangen mit Filmen, die du schnell greifbar hast. Also ausleihbar, vielleicht schon zu Hause rumliegen usw. Dann kannst du ja deine Eindrücke hier posten und evtl. gleich mit "Anforderungen" an andere Verfilmungen der gleichen Vorlage versehen. Da wird es dann bestimmt genug Anregungen geben. Also, einfach drauflos schauen!
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 8 Juni 2011, 09:01:32
Zitat von: Angelus Mortis am  8 Juni 2011, 01:15:26

... tut mir leid, die Diskussion hier unterbrochen zu haben. ;)

Genau, was fällt Dir ein :icon_mrgreen: Wäre eine Liste von Verfilmungen, ein bisschen geordnet und mit 5-10 Worten Anmerkung, interessant (auch für andere)? Dann könnten wir hier ein bisschen was zusammentragen.

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 8 Juni 2011, 23:14:35
Zitat von: Angelus MortisIch hatte sonst eventuell noch über den 1996er "Hamlet" von und mit Brannagh nachgedacht - kann man damit viel falsch machen?
Nur, wenn Du normale Spielfilmlänge bevorzugst, ansonsten klare Empfehlung.
Zitat von: Angelus Mortis am  8 Juni 2011, 01:15:26bei Jarmans "Edward II." hatte ich zum Beispiel das Problem, dass ich (zumindest grob) verstanden habe, was er als Marlowe-Adaption ausdrücken und darstellen wollte, gleichzeitig gefiel mir der Fllm aber einfach aus verschiedenen anderen Gründen (hauptsächlich war's der komische Rhythmus) überhaupt nicht.)
Ging mir ähnlich. Da ich das Stück nie gelesen hab, hatte mir der Film auch nur bezüglich des groben Handlungsgerüstes etwas gegeben, die Art und Weise war auch nicht so mein Fall. War eben ein Jarman-Film  :algoschaf: vielleicht hole ich doch nochmal die Lektüre nach, bin momentan eh auf dem Marlowe-Trip ("Tamerlan" :dodo: ). Zu "Edward II" gibt's übrigens auch eine Inszenierung auf DVD mit Ian McKellen (kenne ich aber noch nicht).

Zitat von: KlugscheisserIch würde an deiner Stelle einfach mal anfangen mit Filmen, die du schnell greifbar hast. Also ausleihbar, vielleicht schon zu Hause rumliegen usw. Dann kannst du ja deine Eindrücke hier posten und evtl. gleich mit "Anforderungen" an andere Verfilmungen der gleichen Vorlage versehen. Da wird es dann bestimmt genug Anregungen geben. Also, einfach drauflos schauen!
Genau. Irgendwann willst du sie eh alle mal gesehen haben, und sei es nur, um zu wissen, ob sie Schrott sind oder nicht.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Angelus Mortis am 9 Juni 2011, 17:12:42
ZitatWäre eine Liste von Verfilmungen, ein bisschen geordnet und mit 5-10 Worten Anmerkung, interessant (auch für andere)? Dann könnten wir hier ein bisschen was zusammentragen.

Für mich wäre das auf jeden Fal interessant.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 9 Juni 2011, 21:07:45
Zitat von: Angelus Mortis am  9 Juni 2011, 17:12:42
ZitatWäre eine Liste von Verfilmungen, ein bisschen geordnet und mit 5-10 Worten Anmerkung, interessant (auch für andere)? Dann könnten wir hier ein bisschen was zusammentragen.

Für mich wäre das auf jeden Fal interessant.
Na, dann fange ich mal an mit zwei werkgetreuen, klassischen Verfilmungen seiner Römerdramen, die hier noch gar nicht aufgezählt wurden:

Antony and Cleopatra (http://www.ofdb.de/film/18887,Antonius-und-Cleopatra) von und mit Charlton Heston.
Jeder halbwegs intellektuelle und Studierte würde den Film wohl verreißen, aber als schlichtes Gemüt bin ich leichter zufriedenzustellen :icon_mrgreen: Der Film war Hestons Traumprojekt, welches er trotz niedrigen Budgets tapfer durchgezogen hat. Das sieht man dem Film also an, kaum Komparsen (außer während der Kämpfe), magere Wüstenlandschaft und eine schnell hochgezogene Holzpyramide. Hildegarde Neil als "Cleopatra" nervt etwas, aber Charlton Heston spielt mit einer bemerkenswerten Hingabe den vom Liebeswahn gequälten Antonius. Gesprochen wird der (natürlich auch hier gekürzte) Originaltext, trotzdem kommt der Film mehr wie ein klassischer Sandalenfilm als wie eine Bühnenaufführung rüber. Das war auch Hestons Absicht,  da er über diesen Weg dem (TV-)Publikum Shakespeare näherbringen wollte. Unter Berücksichtigung dieses noblen Vorsatzes, der beschränkten Mittel und seiner intensiven Performance ein sehenswerter Film, auch wenn man hier und da mal ein Auge zudrücken muss ;)
EDIT: Das beste habe ich fast vergessen: Den hammer Soundtrack von John Scott :love:
Antony and Cleopatra "Suite" by John Scott 1972 (http://www.youtube.com/watch?v=Sd2bfzp7bwY#)


Julius Cäsar (http://www.ofdb.de/film/27393,Julius-Caesar) mit Marlon Brando. Einer meiner Favoriten. Kenne zwar "nur" die deutsche Synchro, aber auch die empfand ich als Genuß. Als Zuschauer wurde ich quasi zu einem Teil des "wankelmütigen Pöbels" degradiert, denn hier ist ganz shakespearetypisch niemals klar, wer nun der hassenswerte Schurke ist. Alle Hauptdarsteller sind sehr ausdrucksstark (runtergeleiert wird da nichts), der Höhepunkt des Films ist dann die Rede von Marlon Brando nach Caesars Ermordung. Nominiert für 5 Oscars, einen eingefahren für's beste Szenenbild (zu recht) "Nur" schwarz/weiß und 1,33:1, was der Atmosphäre aber sogar entgegenkommt.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 11 Juni 2011, 22:25:04

Dann tu ich auch was dazu:

Antony and Cleopatra (http://www.ofdb.de/film/184520,Antony-and-Cleopatra)(ohne Charlton Heston  ;))

Die RSC bietet ein komplettes Kontrastprogramm zum Hollywood-Standard: Keine Schauwerte, alles auf einer Theaterbühne mit sparsamer Deko und historischen Kostümen. Filmtechnisch gibt es nicht viel zu sehen, dafür aber sehr versierte Schauspieler, die auf Bühnen mehr als im Film zuhause sind. Man kennt ggf. Janet Suzman (Cleopatra) als Dame des Hauses im Kontrakt des Zeichners oder Patrick Stewart, auch Ben Kingsley ist zusehen. Die Suzman ist klasse, doch der Antony hat aber keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Im Text wurde nur wenig gekürzt, insofern ist er werkgetreu, aber insgesamt brennt mir der Film nicht als dringend notwendige Zweitsichtung unter den Nägeln. Das kann am Stück selbst oder auch an mir liegen, denn unspektakulär abgefilmte Stücke oder Opern fixen mich meistens nicht an, die will ich live sehen.

Richard III (http://www.ofdb.de/film/9594,Richard-III)

Was ganz anderes, in jeder Hinsicht, im WKII-Setting ist immer ordentlich Musik drin, und die wird völlig ausgekostet: Tolle Kostüme und Ausstattung, hier wurde an nichts gespart, und das sieht man. Die Inszenierung ist flüssig bis zügig, dafür wurden die komplizierten Familienbeziehungen vereinfacht und der Text natürlich auf die Hälfte oder weniger zusammengestrichen, hier gibt es keine Dialogpassagen, die den Unterhaltungswert "schmälern", der Film ist ganz Film. Und er macht mit dem wunderbar schurkigen McKellen und dem restlichen Klasse-Cast solchen Spaß, daß ich bisher nicht erwogen habe, mir eine andere Version zu besorgen (die es aber gibt und durchaus Wert sind, besorgt zu werden). Den kann man nehmen, um unbeleckte Freunde in Shakespeare einzuführen, ohne sie zu verschrecken. Obacht: die dt. DVD hat Zwangsuntertitel.

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 16 Juli 2011, 21:36:20
Zitat von: Chowyunfat2 am 17 April 2011, 15:22:45
Zitat von: ratz am 15 April 2011, 14:41:17Wie ist eigentlich Oliviers Henry V?
Mir hat der Film gefallen, obwohl er gegen Branagh klar absäuft.

Das würde ich so krass gar nicht formulieren, eher: Beide Versionen haben ihre Vor- und Nachteile, und man sollte sie beide haben. D.h. ja, dank Deiner Ermutigung hab ich jetzt den Film und hab ihn auch gesehen  :respekt:. Der vorzügliche Audiokommentar der Blu-ray erhellt übrigens manche der von Dir genannten Auslassungen: etwa, daß der Film 1944 ausdrücklich als Propagandafilm genehmigt und entsprechend zugeschnitten wurde. Daher fehlen die besagten Stellen, die Henrys Worte und Taten mit den Eigenschaften und Zwecken von kriegswichtigen Filmen nicht kompatibel machten.
Aber, viel wichtiger, der Film hat auf der künstlerischen Seite viel zu bieten: Die Pappkulissen sind in Anlehnung an die Illuminationen des Stundenbuchs des Duke of Berry (http://en.wikipedia.org/wiki/Tr%C3%A8s_Riches_Heures_du_Duc_de_Berry) gebaut und absichtlich flach und perspektivisch verzerrt gehalten. Und sie beweisen einen originellen Gestaltungswillen, den ich Olivier gar nicht zugetraut hätte – in der Richtung hatte ja vorher nur Dreyer und danach, glaub ich, niemand mehr was gemacht. Und es funktioniert in meinen Augen superb und bewirkt für ein 14.-Jh.-Feeling mehr als jedes andere realistisch orientierte mis en scène. Ein visuelles Bravourstück wie schon die schwebende Kamera in Hamlet – mein Respekt wächst ungewollt.
Ich konnte nicht umhin, die Branagh-Version im Anschluß noch mal zu goutieren und zu meinem Eingangsstatement zu kommen: Die eine Version sagt, was die andere nicht sagt, und die vollkommen verschiedenen künstlerischen Zugänge bringen sie in kein Konkurrenzverhältnis. Die habe ich beide nicht zum letzten Mal gesehen, und der Audiokommentar der Blu-ray entshädigt für das fiese (und unnötige, wie der Rest des Films beweist) DNR in der ersten halben Stunde.
Was sich für mich gerade anbietet, ist die umgekehrt chronologische Zurückverfolgung der Falstaff-Figur, denn durch irgendeine Fügung hab ich seit ein paar Tagen die Merry Wives in der Mache und beabsichtige, dann irgendwann Henry IV anzuschaffen. Jetzt brauch ich nur noch ein großes Poster mit der englischen royalen Genealogie seit Wilhelm dem Eroberer, sonst find ich irgendwann aus den Edwards, Richards und Henrys nicht mehr raus ...  :icon_eek:

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 21 August 2011, 22:12:20

Ich habe mir heute den Sommernachtstraum (1935) einverleibt und wollte meinen tiefen und unverfälschten Emotionen erst hier freien Lauf lassen, dann dacht ich, Mensch, dachte ich, verbinde doch das Angenehme mit dem Nützlichen, dachte ich, bißchen Blabla vorne und hinten dran, dann ist es ein Review.

Gesagt, getan. (http://www.ofdb.de/review/22964,466664,Ein-Sommernachtstraum)

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 2 Dezember 2012, 23:52:47
Ich monologisiere mal hier noch ein bißchen vor mich hin...  :icon_mrgreen:

Derzeit ist ja nicht viel Neues zu berichten, außer vom verstärkten Trend, Shakespeare im TV zu beackern (Tennant-Hamlet, Macbeth mit Patrick Stewart, s. o.). Im Juni dieses Jahresgab es von der BBC The Hollow Crown (http://www.ofdb.de/film/227917,The-Hollow-Crown), einen mächtigen Vierteiler, der die sog. Henriade umfaßt, d.h. von Richard II (der unerhörte Vorfall der Absetzung eines Königs von Gottes Gnaden) über die beiden Teile von King Henry IV (mit Falstaff) bis zum schlachtengewaltigen Henry V (wo bleibt die Branagh-Blu-ray?!).
Ein interessantes Unterfangen, sowohl auf UK-DVD wie auf Youtube verfügbar: Wie werden die stilistisch ganz unterschiedlichen Stücke von einem Regisseur in einen Zusammenhang gebracht? Die Besetzung kann sich ja durchaus sehen lassen:

BBC's Shakespeare Unlocked : The Hollow Crown Trailer (Check description for details) (http://www.youtube.com/watch?v=JRFH140H1Qw#ws)

Der Trailer haut etwas auf die Kacke, aber es scheint sich immerhin um eine historisch orientierte Umsetzung zu handeln, in der die Dialoge möglichst "natürlich" herausgeschleudert werden – mal sehen wie das funktioniert. Billig war das Ganze sicher nicht, aber das TV-Budget lugt dann doch hinter den größeren CGI-Panoramen hervor (siehe Henry V). Ich warte erstmal noch ab.

Zitat von: PierrotLeFou am 30 April 2011, 01:47:53

Aber gesehen hast du ... "Macbeth" von Orson Welles bereits, oder?


Jetzt schon  :icon_smile: - wie zu erwarten, ein phantastisches Bühnenbild, innovative Kameraarbeit und einige typisch Wellessche Entscheidungen, was Kürzungen betrifft. Der fette schottische Akzent verlangt, wenn man keine Untertitel hat, doch einige Textsicherheit beim Zuschauer!
In dem Zusammenhang noch eine Frage: Kann jemand etwas zur "Rekonstruierten Langfassung" dieser VÖ  (http://www.ofdb.de/view.php?page=fassung&fid=9216&vid=218629)(114 Min., PAL) sagen, d.h. wurde sie von Welles autorisiert? Derzeit gibt es ja den Kino-Cut (81 Min., PAL) und einen längeren Cut (107 Min.) auf dieser US-Blu-ray (http://www.ofdb.de/view.php?page=fassung&fid=9216&vid=347462). Evtl. müßte ohnehin an den Kürzungssymbolen herumgespielt werden (Langfassungen statt Scheren).

cu, r.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 3 Dezember 2012, 08:57:34
Hab mich selber mit dem Alten schon lange nicht mehr beschäftigt, dabei hab ich hier noch so viel Ungesehenes rumliegen...ist eben alles ein bischen anspruchsvoller als rumfuchtelnde Gelbhäute^^

Zitat von: ratz am  2 Dezember 2012, 23:52:47Der fette schottische Akzent verlangt, wenn man keine Untertitel hat, doch einige Textsicherheit beim Zuschauer!
In dem Zusammenhang noch eine Frage: Kann jemand etwas zur "Rekonstruierten Langfassung" dieser VÖ  (http://www.ofdb.de/view.php?page=fassung&fid=9216&vid=218629)(114 Min., PAL) sagen, d.h. wurde sie von Welles autorisiert? Derzeit gibt es ja den Kino-Cut (81 Min., PAL) und einen längeren Cut (107 Min.) auf dieser US-Blu-ray (http://www.ofdb.de/view.php?page=fassung&fid=9216&vid=347462). Evtl. müßte ohnehin an den Kürzungssymbolen herumgespielt werden (Langfassungen statt Scheren).
Dazu zitiere ich einfach mal die aufschlußreichen Texttafeln der Bonus-DVD:

Zitat von: ProduktionsnotizenAuf der Suche nach Erklärungen für die negative Aufnahme des Films bei Kritik und Publikum (während der Uraufführung September 1948 in Venedig) glaubte die Produktionsfirma, einer der Gründe sei der schottische Akzent, mit dem die Dialoge gesprochen wurden. Angeblich war er in den USA zu schwer verständlich und so musste Welles ca. 60% der Dialoge neu ohne den schottischen Akzent aufnehmen. Ebenso wurde von ihm verlangt, den Film um 20 Min. zu kürzen, und Welles selbst schnitt den Film dann neu, wobei er durchgängig im ganzen Film kürzte. Am Ende fand der Regisseur, dass die ursprüngliche, längere Fassung besser gewesen war. Die Kurzfassung des Films kam dann im Mai 1950 in die Kinos. Erst 1980 wurde in den USA ein gut erhaltenes Zwischenpositiv der langen Originalfassung wiederentdeckt und restauriert. Diese DVD-Edition enthält beide Fassungen des Films: Die gekürzte Fassung mit den nachsynchronisierten Dialogen auf DVD1 und die ursprüngliche, lange Fassung von 1948 mit den im schottischen Akzent gesprochenen Dialogen auf DVD 2.
Wahrscheinlich fehlen bei den Versionen mit 107 Min. nur der aus Schwarzbild bestehende musikalische Prolog (8:07 Min.) und der Epilog nach der "The End" Einblendung (3:18 Min.), auf der deutschen DVD sind diese enthalten. Bei der UK-BD mit 107:15 Min. (wäre in PAL ca. 103 Min. wie bei der französischen DVD (http://www.ofdb.de/view.php?page=fassung&fid=9216&vid=158288)) steht nämlich
Zitat* "The End"-Einblendung ab 107:01 Min.
.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 3 Dezember 2012, 10:44:00
Zitat von: Chowyunfat2 am  3 Dezember 2012, 08:57:34

Wahrscheinlich fehlen bei den Versionen mit 107 Min. nur der aus Schwarzbild bestehende musikalische Prolog (8:07 Min.) und der Epilog nach der "The End" Einblendung (3:18 Min.), auf der deutschen DVD sind diese enthalten.


Sehr gut, das klingt doch einleuchtend. Tatsächlich sind auf der Blu-ray keine Ouvertüre und kein Epilog enthalten. Schade eigentlich, ist ja immerhin Jacques Ibert, aber nicht so schade, daß ich die Arthaus Premium auch noch anschaffen müßte  :respekt:
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Chowyunfat2 am 3 Dezember 2012, 20:13:20
Zitat von: Chowyunfat2 am  3 Dezember 2012, 08:57:34
Bei der UK-BD mit 107:15 Min. (wäre in PAL ca. 103 Min. wie bei der französischen DVD (http://www.ofdb.de/view.php?page=fassung&fid=9216&vid=158288)) steht nämlich
Zitat* "The End"-Einblendung ab 107:01 Min.
Ich meinte natürlich die US-BD, die Du ja - wie ich jetzt erst sehe - selber eingetragen hast, ich war heute morgen noch nicht ganz wach :scar:

Habe bei dieser Gelegenheit zum 1. mal richtig in den O-Ton der Langfassung reingehört und zieh' mir den damit jetzt mal rein, dt.  UTs sind ja gottseidank am Start (bin jetzt wieder voll auf den Geschmack gekommen). Wer den Film noch nicht hat, dem kann ich die Arthaus echt empfehlen, zumal es derzeit die einzige Fassung zu sein scheint mit der Overtüre (auf der DVD nennen sie es "musikalischen Prolog") und musikalischen Epilog (beides mit Schwarzbild), die Bildquali geht auch voll in Ordnung, insgesamt eine würdevolle VÖ.

PS:
Ein Jammer, dass Orson Welles seinen "Kaufmann" nicht fertiggestellt hat, den hätte ich ja zu gerne als Shylock gesehen.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 25 August 2013, 13:32:35
Mal wieder Zeit, das olle Ding aus dem Keller zu holen  :icon_smile:

Ich habe nun endlich geschafft, Laurence Oliviers Richard III (http://www.ofdb.de/film/30305,Richard-III) anzuschaffen und – erstmalig – anzusehen. Nachdem mir ja schon sein Henry V und Hamlet viel besser gefallen haben als erwartet, lege ich nun endgültig alle gehegten Vorurteile gegen Olivier ab: Wie er als Richard alles Affektierte und Schnöselige (das er als Mr. de Winter in Rebecca und auch als Hamlet durchaus ausstrahlt) ablegt und fies-sympathisch mit dem Publikum/der Kamera kokettiert, ist aller Ehren wert. Die Idee, sich eine eine Nase anzukleben, klingt eigentlich absurd und ist es in den meisten Fällen auch; Tatsache ist aber, daß sie völlig zu Olivier zu gehören scheint und das Raubvogelartige seiner Erscheinung optimal verstärkt, ohne als künstliches Vehikel aufzufallen. Auch so ein Aha-Effekt. Jetzt habe ich keine Angst mehr vor Oliviers TV-Lear.
Trotz ebenso empfindlicher wie notwendiger Kürzungen (Queen Margaret fehlt komplett, Richards Soliloquy - Is there a murderer here? - am Ende leider auch) verliert der Film im letzten Drittel etwas am Schwung, oder es ist die schlichte Ermüdung die so viel Text in zweieinhalb Stunden einfach mit sich bringt. Wer Technicolor liebt, dürfte vor den prächtigen, expressionistisch übersteigerten Farben niederknieen, die besonders in der 2012 restaurierten Fassung zur Geltung kommen (bestimmt auch bald in Europa erhältlich). Wie schon in Henry V erreicht Olivier ein abstrakt-märchenfilmhaftes und auch klaustrophobisches Setting dadurch, daß 90 Prozent der Szenen im Studio oder vor Matte Paintings spielen, erst die letzte Schlacht spielt unter (meist) echtem Himmel. Also gibt es visuell durchaus ein Surplus, den man sich nicht entgehen lassen sollte.

Gibts sonst was Neues von der Shakespeare-Front? Hat jemand schon den Much Ado von Joss Whedon gesehen (Filmthread (http://www.gemeinschaftsforum.com/forum/index.php/topic,172373.0.html)) und kann den abstoßenden Eindruck des Trailers bestätigen (Hollywood-Hipster mit schaudererregender Aussprache in stylischem Oh-Crazy-Wir-Machen-Ein-Total-Lässiges-Schwarzweiß-Low-Budget-Projekt)?  :icon_mrgreen:
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: Fastmachine am 13 September 2013, 13:01:45
Ein kurzer Nachtrag zum CORIOLANUS von Ralph Fiennes:

Dem Review von ratz habe ich in Sachen Analyse wirklich nichts hinzuzufügen. Das ist kenntnisreich und sauber argumentiert. Als Nicht-Anglist hätte ich da eh wenig zu kamellen. Die Schlüsse und Interpretationen scheinen mir hingegen eine Idee zu positiv für Fiennes' Film auszufallen.
In meinen Augen bleibt CORIOLANUS am Ende eher ein interessantes Experiment, als eine wirklich passende Aktualisierung. Was wohl eher am Shakespeare-Stück selbst liegt. Bei aller Liebe: Die vormodernen Staatsvorstellungen Shakespeares mit der modernen Mediendemokratie in Einklang zu bringen, stößt an gewisse Grenzen. Manche Einsichten zum Politischen an sich, zur Psychopathologie einzelner Politikertypen oder gerade zum Verkennen des Politischen, sind immer aktuell bei Shakespeare. Aber gerade der tragische Konflikt von CORIOLANUS ist doch nur gewaltsam auf heutige Verhältnisse übertragbar. Da scheint mir der Konflikt von Cassius, Brutus und Marc Anton in JULIUS CAESAR weit interessanter und ergiebiger für eine Adaption.

Also: Mit Interesse gesehen, aber nicht durchweg begeistert. Ausgenommen natürlich Vanessa Redgrave, die ist eine Klasse für sich.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 13 September 2013, 15:01:40
Zitat von: Fastmachine am 13 September 2013, 13:01:45
Ein kurzer Nachtrag zum CORIOLANUS von Ralph Fiennes:

Dem Review von ratz habe ich in Sachen Analyse wirklich nichts hinzuzufügen. Das ist kenntnisreich und sauber argumentiert. Als Nicht-Anglist hätte ich da eh wenig zu kamellen. Die Schlüsse und Interpretationen scheinen mir hingegen eine Idee zu positiv für Fiennes' Film auszufallen.


Danke – und ich gebe Dir recht, daß ich beim Schreiben dann doch etwas zu sehr ins Loben verfallen bin (was auch damit zu tun haben kann, daß ich unter dem Deckmäntelchen der Filmkritik endlich meine antidemokratischen Thesen in die Welt posaunen konnte  :icon_twisted:). Trotzdem ein mutiger und kompromißloser Versuch der Modernisierung. Seltsamerweise wird er, wenn man nach der Covergestaltung der DVDs und Blu-rays geht, als rabiater Kriegsfilm vermarktet, was vermutlich schon manchen enttäuscht hat...
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 11 Februar 2015, 15:57:06
Nicht wundern, muß kurz mit mir selbst kommunizieren:

Zitat von: ratz am 25 August 2013, 13:32:35
Mal wieder Zeit, das olle Ding aus dem Keller zu holen  :icon_smile:
Genau  :respekt:

Zitat von: ratz am 25 August 2013, 13:32:35
Jetzt habe ich keine Angst mehr vor Oliviers TV-Lear.
Habe ich inzwischen sogar gesehen und für gut befunden, allerdings ist es wieder so lange her, daß ich ihn für genauere Bemerkungen noch mal sehen muß. Passiert sicher auch irgendwann.


Zitat von: ratz am  2 Dezember 2012, 23:52:47
The Hollow Crown (http://www.ofdb.de/film/227917,The-Hollow-Crown)

... ist seit letztem Jahr endlich in HD zu haben und entsprechend bei mir gelandet. Von den vier jeweils rund zwei Stunden langen Filmen habe ich jetzt mit Richard II den ersten gesehen und kann ihn mit Einschränkungen empfehlen - für eines der weniger zugänglichen history plays ist der etwas schwierige Einstieg in die Lancaster-Tetralogie insgesamt durchaus gelungen.

Zunächst die guten Nachrichten: Ben Wishaw als entrückter, ambivalenter, wankelmütiger und launenhafter Richard II ist FANTASTISCH. Die auf der Bühne in Volumen und Diktion geschulte Stimme ist bei der schmächtigen Körperstatur beeindruckend, sein Spiel orientiert er - nach eigenen Aussagen - an Personen wie Michael Jackson oder Oscar Wilde. Entsprechend kommt Wishaw latent homosexuell daher und versteht es dabei, zugleich anziehend und abstoßend zu wirken und trotz seiner Unfähigkeit als König die Sympathie des Zuschauers auf seine Seite zu ziehen, seine Selbstinszenierung als leidende Christusfigur wird natürlich auf der Bildebene voll ausgeschöpft. Rory Kinnear hält als verschlossener, undurchsichtiger Bolingbroke dagegen, Patrick Stewart ist (natürlich) ein würdiger John of Gaunt, David Suchet als York ebenso. Das Produktionsdesign entspricht einem soliden TV-Mehrteiler, es gibt stimmungsvolle Außenaufnahmen, die seltenen CGI-Effekte (Segelschiff auf dem Meer usw.) erkennt man natürlich leicht.

Wie aber schon angedeutet, war einiges auch problematisch. Klar muß für eine Adaption jede Menge Text geopfert werden, aber da RII fast komplett aus Blankversen besteht, die zudem poetisch außerordentlich reichhaltig sind, ist es um jede Zeile schade. Regelrecht bekloppt fand ich die Idee, die Ermordung Richards durch
Spoiler: zeige
seinen Cousin Aumerle
vornehmen zu lassen - das haut von dessen Charakterzeichnung her vorn und hinten nicht hin.
Am meisten hat mich die unentschlossene, fahrige Regie von Rupert Goold gestört. Was in seiner Macbeth-Verfilmung (http://www.ofdb.de/film/200176,Macbeth) noch wunderbar funktioniert (siehe weiter oben im Thread), stört hier in RII ungemein: Das Bestreben, den Stoff durch Experimente mit der Kamera interessant zu machen. Mehr als einmal hätte ich mir gewünscht, Goold hätte auf überflüssige Cutaways und Inserts verzichtet und einfach die Darsteller machen lassen. Noch ein Beispiel: In einer wichtigen Szene meint Goold, Wishaw unbedingt 180° umkreisen zu müssen - prompt fällt ein (wenn auch leichter) Schatten des Kamerateams auf Wishaw, und schon ist man rausgerissen aus der Performance. Vielen Dank.

Naja. Trotzdem gibt es doch genügend visuelle Ideen und die wie gesagt starken Darsteller, um diesen Teil der Hollow Crown und damit Richard II zur derzeit kommensurabelsten und interessantesten Verfilmung des Stoffes zu machen (die alte BBC-TV-Version verlangt da schon etwas mehr Hingabe). Der in Kürze anstehende Henry IV und dann Henry V werden vor allem deswegen spannend, weil hier ja filmische Konkurrenz schon vorhanden ist (Welles, Branagh). Ich werde auf jeden Fall dann hier Meldung erstatten.
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 3 März 2015, 17:21:06
Weiter gehts mit dem ersten Teil von Henry IV, beide Teile (1HIV, 2HIV) wurde folgerichtig in einem zweiteiligen Film, Regie diesmal Richard Eyre, umgesetzt.

Im Vergleich zu RII ändert sich quasi alles: Nicht nur gibt es einen erheblichen Zeitsprung in die Zukunft (Bolingbroke als titelgebender König Henry IV hat inzwischen mehrere Söhne), auch die Tonlage ist komplett anders. Spielte RII quasi ausschließlich im royalen Milieu und ohne jedes Gegengewicht durch low comedy, ist 1HIV (und zu weiten Teilen auch 2HIV) beherrscht durch die Präsenz des fetten, durchtriebenen und witzigen Sir John Falstaff. Dessen Händel, Streitereien und Wortgefechte mit dem jungen Prinzen Hal (Harry) Lancaster nehmen viel Raum ein, und so berichten die Stücke/Filme eher vom Coming of Age des Prinzen als vom Kampf seines Vaters und Königs um den Machterhalt.

Da die Charaktere weniger exzentrisch sind, die Handlung konventioneller verläuft und mehr im Wirtshaus als in Palästen spielt, paßt sich die ebenfalls unspektakuläre Regie vom ehrwürdigen Richard Eyre dem Stoff organisch an. Schwerwiegende filmhistorische Konkurrenz gibt es insbesondere durch Orson Welles' Chimes at Midnight (http://www.ofdb.de/film/27291,Falstaff), der, typisch wellesisch-frei, beide Henry-Teile zusammenfaßt und sich dabei auf Falstaff konzentriert: Die Straffung und Umstellung der Vorlage gipfelt in einer furios inszenierten Schlachtszene, und Welles als Falstaff ist natürlich gewohnt dominant.
Auch Eyre liefert eine durchaus passable, dabei farbentsättigte, realistisch-ungloriös gehaltene Schlacht und gönnt im Rest des Stückes dem Verhältnis zwischen Hal und Falstaff sowie Hals Gegenentwurf Harry "Hotspur" Percy genügend Raum, indem er Henrys politische Querelen und Verhandlungen aufs Notwendigste zusammenschnürt.
Das ist natürlich schade für Jeremy Irons, der nur kurz als von Sorgen gequälter König zu sehen ist. Er hat ja in 2HIV noch ein paar wichtige Szenen, aber 1HIV gehört nun einmal Tom Hiddleston als Hal - kein Problem für ihn, die Figur auszufüllen - und einem fantastischen, bis zur Unkenntlichkeit maskierten Simon Russell Beale als Falstaff. Die beiden haben großartige Szenen zusammen, allein wie Hiddleston Jeremy Irons imitiert, muß man gesehen haben  :icon_mrgreen:, und Beale entlockt dem Falstaff ein paar Facetten, die bei Welles in großen Gesten untergehen. Das walisische Lied von Lady Mortimer hätte ich allerdings gern komplett zuende gehört...

Insgesamt eine zwar nicht spektakuläre, dafür in sich stimmige Adaption mit vorzüglicher Schauspielerei, eine halbe Stunde kürzer als die BBC-TV-Version von 1979, allerdings visuell wesentlich ansprechender (viele Innenaufnahmen wurden in echten Schlössern und Kathedralen gedreht, den Außendrehs sieht man die Winterkälte an). Von 2HIV erwarte ich im Prinzip dasselbe, plus den großen Auftritt von Jeremy Irons. Interessant wird dann Henry V, der sich ja mit Branaghs Film (1989) und Oliviers Version (1944) wird messen lassen müssen!
Titel: Re: Wie verfilmt man Shakespeare? "Al Pacino's Looking for Richard" und andere
Beitrag von: ratz am 17 März 2015, 16:40:39

Henry V schließt den Hollow-Crown-Zyklus und ist – leider – in meinen Augen der schwächste Teil. Das hat mehrere, hauptsächlich aber konzeptionelle Gründe, die sicherlich bewußt gewählt wurden, aber m. E. dem Stück und seinem Sinn nicht gut entsprechen.

Zwei Bürden lasten auf HV: Zum einen das nun doch sichtbar schmale TV-Budget, zum anderen das Erbe zweier an sich schon herausragender Verfilmungen von Olivier und Branagh (Diskussion dazu weiter oben im Thread). Ich fange mit Punkt zwei an: Schon Branagh hatte den ganz klassischen, auf Hochglanz polierten Olivier recht radikal heruntergebrochen und die Schlachten in einen schlammigen, wenig heldenhaften Realismus überführt. Bewahrt und vielleicht sogar noch gesteigert aber hatte Branagh den Dreh- und Angelpunkt des Stücks: den König selbst in seinem strahlenden, mitreißenden Charisma, seiner rhetorischen Gewitztheit, seiner magnetischen Persönlichkeit, alles Eigenschaften, die er geschickt im Kampf gegen Frankreich einsetzt, ohne dabei in einen platten Hurra-Patriotismus zu verfallen.
Thea Sharrock, Regisseurin des Hollow-Crown-HV, versucht nun (ggf. angesichts mangelnder Inszenierungsalternativen), Branaghs Ansatz noch weiter zu radikalisieren: Noch weniger Text (ganze Szenen fallen weg, z.B. Henrys Entdeckung der Verräter), noch weniger Schlachtenglorie, noch weniger Patriotismus, noch weniger Begeisterung. Sharrocks schwermütige Version ist geradezu überladen von postmodernen Befindlichkeiten, erlaubt keine komödiantischen Einlagen (Fluellen hat kaum Text) und sieht sich offenbar auch genötigt, als Henrys Cousin, den Duke of York, einen Neger zu besetzen – eine Art vorauseilender Political Correctness, die jede weitere Bemühung um Historizität ad absurdum führt  :viney: Die Budget-Beschränkungen (die noch in den HIV-Teilen so nicht sichtbar waren) schlagen sich in einem winzigen "Heer" nieder, mit dem Henry unterwegs ist, sowie in schmerzhaft herausstechenden stock-footage-inserts, als die Segelschiffe der Überfahrt nach Frankreich gezeigt werden.
Schauspielerisch kann man Hiddleston als nun erwachsen gewordenem König nichts vorwerfen, er fügt sich der Vorgabe des ernsthaften, grüblerischen und unter der Verantwortung leidenden Herrschermodells, das er vertreten soll. Ganz kurz darf er am Schluß, in der Werbungsszene um die französische Prinzessin, etwas Charme spielen lassen – damit bloß nicht zu viel Spaß aufkommt, ist der ganze Film von Bildern der Beerdigung Henrys gerahmt, der ja sehr jung gestorben ist...

Aber zum Glück gibt es ja weiterhin Branaghs und Oliviers Versionen (beide inzwischen auf Blu-ray) für diejenigen, die sich gelegentlich ein paar monarchistisch-vaterländischen Regungen (für uns Nicht-Briten sind es ja nicht mal solche!!) aussetzen und trotzdem ruhig schlafen können. Der Vorteil der Hollow-Crown-Version, den sie trotz der beschriebenen Mängel hat, ist natürlich die konsistente Nachzeichnung einer Herrscher- und Dynastienbiographie über gut acht Stunden und damit der Umfang an stets präsenten Hintergrundinformationen, die in dieser Komplexität kein Kinofilm je wird bereitstellen können. Insofern ist, wie man so schön sagt, ein Alleinstellungsmerkmal gegeben (viele weitere schwerwiegende Pluspunkte habe ich ja bereits oben erwähnt) und diese zeitgemäße TV-Tetralogie unbedingt des Anschauens wert.

– Angekündigt ist ja bereits der Folgezyklus, der wieder vier Shakespeare-Stücke umfassen und nahtlos an Henry V anschließen wird: Henry VI, Teile 1, 2 und 3 plus Richard III in drei Filmen (1HVI, 2+3HVI, RIII). Diese Rosenkrieg-Trilogie wird vom Theaterregisseur Dominic Cooke verantwortet und glänzt mit Namen wie Benedict Cumberbatch, Sally Hawkins, Judi Dench, Michael Gambon... man wird sich allerdings noch bis zur TV-Ausstrahlung im Jahr 2016 gedulden müssen, physische Medien gibts dann hoffentlich im Folgejahr. Auf jeden Fall ausreichend Zeit, um die gern vermiedenen Henry VI-Dramen dann doch mal am Schlafittchen zu packen  :respekt:
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