OFDb

Cape Fear (beide Filme, Ex-Film der Woche-Thread)

Begonnen von PierrotLeFou, 19 Mai 2012, 03:39:28

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

PierrotLeFou

19 Mai 2012, 03:39:28 Letzte Bearbeitung: 19 Mai 2012, 04:04:27 von PierrotLeFou
So, dann will ich mal (wie angekündigt)... [Spoiler sind vorhanden!]:



In J. Lee Thompsons "Cape Fear" gab Robert Mitchum noch einen beängstigenden Gewaltverbrecher, der einem Anwalt (Gregory Peck) zusetzt, dessen Aussage er seine Gefängnisstrafe zu verdanken hat... der brave Anwalt findet nirgends Hilfe, es kommt zuletzt zur Konfrontation auf dem Hausboot der Anwaltsfamilie, der Verbrecher unterliegt im Kampf, der Anwalt legt dann aber nicht mehr Hand an, sondern übergibt seinen Widersacher dem Gesetz...

In Scorseses Remake - Scorsese hat den Stoff quasi von Spielberg übernommen (der sich zunächst dran versuchen wollte) - wird diese s/w-Malerei aufgebrochen:
- Der entlassene Straftäter (De Niro) stellt hier dem eigenen Anwalt (Nolte) nach, der damals bewusst Aussagen unterschlagen hatten, die seinem Mandanten zum Vorteil gereicht hätten (nämlich dass sein Opfer zur Promiskuitivität neigte...)
- De Niros Rolle lehnt sich nicht nur an Robert Mitchums Rolle im Original an, sondern auch an Mitchum in "Nacht des Jägers", in dem dieser - "Love" & "Hate" auf die Finger tätowiert - ein Ringen beider Mächte miteinander vorführt: De Niros gewalttätiger Max Cady ist nicht nur bibelfest, sondern beherrscht nach seiner Entlassung auch die Gesetzbücher perfekt und hat nun vor, seinen untreuen Ex-Anwalt quasi mit aller Gewalt zu läutern... eine in seinen Augen durchaus moralische Mission...
- In der Anwaltsfamilie hängt der Haussegen auch noch schiefer als im Original: Noltes Bowden betrügt ein bisschen die Gattin, streitet sich auch vermehrt mit ihr, während die Ereignisse sich zuspitzen und überwirft sich auch mit der pubertierenden Tochter, die quasi eine Hauptfigur bei Scorsese wird.
- Und letztlich wird der hier nicht ganz so brave Anwalt seinen Peiniger nicht dem Gesetz übergeben: Max Cady wird den Zweikampf am Ende nicht überleben... (Bowden erschlägt ihn zwar letztlich doch nicht, sieht aber tatlos seinem Ertrinken zu.)


Zweierlei ist auffällig:
- Das Remake macht nicht nur aus dem s/w-Film einen Farbfilm, sondern aus der s/w-Malerei des gut/böse-Schemas eine Konfrontation von etwas ambivalenteren Figuren...
- Die Funktion der Familie, das Scheitern des idealen Familienlebens, das Erwachsenwerden der Tochter, die sich den Eltern - vor allem dem Vater - entzieht und vom Eindringling Max Cady verführt wird, schieben sich bei Scorsese in den Vordergrund...


Was mich am Remake am stärksten irritiert, ist dieser doch recht sonderbare Versuch der ambivalent gezeichneten Figuren: Bekommt Bowden als Anwalt tatsächlich eine "böse" Seite, wenn er Unterlagen unterschlägt, weil er weiß, dass die Promiskuitivität von Cadys Opfer zu Gunsten aufgefasst worden wäre? Wäre nicht eher diese Rechtsprechung eine unmoralische? Handelt Bowden nicht womöglich äußerst moralisch, wenn er das Gesetz vernachlässigt, weil es ihm nicht gerecht erscheint? (Weshalb sollte das Sexualverhalten etwas damit zu tun haben, dass man vergewaltigt und misshandelt wird...?) Oder ist Bowdens Anflug von Selbstjustiz automatisch schlecht?
Und wie moralisch ist Cadys Mission letztlich? Er fordert sein Recht nach Gesetzen - allein nach diesen, ohne deren moralische Grundlage zu diskutieren... bei dieser Forderung macht er vom Gesetz dann jedoch keinen (oder nur ansatzweise) Gebrauch, sondern er nimmt es selbst in seine Hände...

Hat Scorsese die s/w-Malerei Thompsons nun wirklich aufgebrochen? Oder führt dieser Aufbruchsversuch nicht zu einer s/w-Malerei zurück, die womöglich deshalb nicht so ganz auffällig daherkommt, weil das Verhältnis von Moral und Gesetz, von Legitimität und Legalität hier etwas direkter auseinanderklafft als es schon bei Thompson der Fall war...
Wie ist in diesem Kontext die religiöse Symbolik des Films zu deuten? Bowden wäscht am Ende seine Hände rein, Cadys Körper weist Bibel-Zitate auf... wie passt das zu Recht und Vergehen, das im Film bisweilen rein juristisch verstanden wird?

Und welche Rolle spielt Cady nun für das Familienleben der Bowdens? Die Tochter entfremdet er zunächst den Eltern, im Finale steht sie dann doch wieder sehr deutlich auf deren Seite... Ob die Ereignisse des Films die Bowdens enger zusammengeschweißt haben oder sie im Gegenteil auseinandergetrieben haben, bleibt am Ende weitestgehend offen... so oder so scheint Cady aber seinen Finger in vorhandene Wunden gesteckt zu haben: sein Auftauchen bei den Bowdens scheint zumindest dazu geführt zu haben, dass diese ihre Konflikte untereinander etwas klarer sehen. Aber mit welchem Resultat? (Und kommt es auf dieses überhaupt noch an?)
Weshalb lässt Scorsese die Ereignisse als Reminiszenz von Bowdens Tochter rekapitulieren - bloß um dann zwischen Anfang und Ende doch von ihrer subjektiven Sichtweise mehrfach abzuweichen? (Diese Rede von der Reminiszenz - und die Auftritte von Mitchum, der Bowden unterstützt, und Peck, der Cady unterstützt - macht nochmal deutlich, dass Scorsese den Vergleich mit dem Original quasi mit aller Macht herbeiführen will: über Identität & Differenz beider Filme soll ein Publikum offenbar sinnieren...)


edit: sollte sich hier jetzt nichts oder nur wenig tun, macht das ja auch nichts... dann kann man ja zügig zu einem neuen "Film der Woche" übergehen... :icon_mrgreen:
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

Stefan M

24 Mai 2012, 22:34:23 #1 Letzte Bearbeitung: 24 Mai 2012, 22:37:31 von Stefan M
Persönlich finde ich es durchaus gut, daß in der Neuauflage die Schwarz-Weiß-Schemata des Originals - dort der gute Peck mit seiner treusorgenden Frau und seiner kein Wässerchen trübenden Tochter, da der psychopathische (und recht intelligent vorgehende) Mitchum - etwas verschwimmen. Bei "Ein Köder für die Bestie" ist ja das Anheuern eines Schlägertrupps schon das Bösartigste, was Peck macht. Auch de Niros Annäherung an die Lewis, der Tochter, könnte "Kap der Angst" den gewissen Pfiff geben, wenn Scorsese denn mehr draus machen würde. Wie du schon sagst, stellt sich die Tochter schon sehr bald wieder auf die Seite ihrer Eltern, so daß der Plotpunkt irgendwie im Nirwana verläuft. Da hat die Szene in "Ein Köder für die Bestie" seine Stärken im Spannungssektor, wenn die Tochter nach der Schule Mitchum in die Hände zu fallen droht und die Fronten bereits frühzeitig so geklärt sind, daß sie ganz genau weiß, daß da ein Mann ist, der ihr vielleicht Böses antun will.

Insgesamt kann ich sowieso mit dem Original wesentlich mehr anfangen, weil er weniger ausschweifend ist, weniger in die Breite geht und somit ziemlich schnörkellos daherkommt. Mitchum ist für mich auch der bessere Psychopath: Der beweist ähnlich wie in "Die Nacht des Jägers", daß er die Bösewichte besonders gut drauf hat. Von ihm geht eine eher subtile brutale Ausstrahlung aus. Man ahnt, was in ihm schlummert, was da jederzeit zum Ausbruch kommen kann, wenn man ihn reizt. Dahingegen wird bei de Niro mit seinen Tätowierungen als sehr offensichtlich auf "langjähriger Knacki" getrimmtes Muskelpaket von vornherein auf den Faktor Abscheu gesetzt. Auch gefällt mir das atmosphärische Finale im Schwarz-Weiß-Sumpf sehr viel besser, wo die Schockeffekte in "Kap der Angst" meiner Meinung nach plumper gesetzt sind (natürlich nur echt mit der noch einmal aus dem Sumpf emporschnellenden Hand de Niros, bevor er endgültig abgluckert) - und was ich dem Film eben besonders hoch anrechne, ist das offene Ende, bei dem Mitchum eben nicht vom Helden ins Jenseits gepustet wird, sondern ihn mit einem eiskalten "Nein, damit würde ich Ihnen nur einen Gefallen tun." in Schach hält, bis die Polizisten ihn wahrscheinlich diesmal lebenslang in den Knast stecken. Das gibt auch Peck noch einmal ein wenig Tiefgang und zeigt eine gewisse sadistische Ader: Er sieht ihn lieber bis zum Rest seines Lebens im Gefängnis, als ihm den tödlichen Fangschuß zu geben.

Über jeden Zweifel erhaben ist natürlich Bernard Herrmanns tosender und lauter Score, der für das Remake wiederverwendet wurde - und dort fast ein wenig anachronistisch wirkt, was lustig ist, weil Herrmann mit seinem Orchester ja selbst Mitte der 60er langsam als veraltet angesehen wurde...

In Punkten ausgedrückt: "Ein Köder für die Bestie" 8/10 und "Kap der Angst" 6/10.
"Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos." (Loriot)

Synchronisation ist nicht grundsätzlich schlecht und manchmal sogar richtig gut!

Mr. Blonde

24 Mai 2012, 22:51:04 #2 Letzte Bearbeitung: 24 Mai 2012, 23:03:59 von Mr. Blonde
Leider habe ich das Original absolut nicht gesehen und eine DVD steht auch noch nicht ins Haus.

Zum Remake kann ich also nur was als eigenständigen Film sagen und der gefällt mir immer wieder sehr gut.

Zum einen gefallen mir doch einige offensichtliche Anleihen an das Original, die auch ich erkenne, wie eben der Soundtrack, der auch in Scorseses Version gut reinpasst und ordentlich auf die Pauke haut oder die Cameos des Originalgespanns. Zum anderen mag ich die Charakterzeichnung und Darstellung von De Niro, der zwar im Grunde schon den simplen Psycho verkörpert, aber eben auch durch Intelligenz und Rafinesse sein Ziel verfolgt. Er ist Prolet und Genie gleichermaßen und das macht ihn so gefährlich. Mich erinnert die ganze Rolle an einen Hai, der sein Opfer ausspäht und dann erbarmungslos zuschlägt. Die Szene im Kino macht das überdeutlich und seinen Genuss zur Theatralik finde ich überaus köstlich!  :icon_smile:

Die restlichen Figuren bekommen dafür weniger Spielraum, so wirken alle anderen dann für mich relativ eindimensional, allen voran Juliette Lewis, die ja quasi also doofes naives Ding ihre Paraderolle fährt, wenn auch erneut perfekt.  Noltes Figur geht dafür eine schicke Entwicklung durch, der Schreibtischhengst, der irgendwann Füller mit Stein austauscht und auf das gleiche animalische Niveau absinkt, wie De Niro, wenn er seinen Gewalttaten fröhnt. Er macht ihn quasi zum perversen Spiegelbild seiner selbst und ich finde damit hat er auch den Anwalt für den Rest seines Lebens verändert und damit auch nach
Spoiler: zeige
seinem Ableben
locker gewonnen. Das ist ja auch das uralte Thema, wie es auch in dutzenden anderen Filmen, ob nun Batman (Joker, der Batman brechen will) oder Star Wars (Luke, der immer mehr der dunklen Seite verfällt) auch aufgegriffen wird.

Der Spannungsbogen hat mir auch immer sehr gefallen, zumal ja doch recht flott aufs Gaspedal gedrückt wird.

Als eigenständigen Film betrachtet gebe ich alleine für DeNiros diabolische Darstellung 8/10, weil ihm auch die Spielfreude nie abhanden kommt. Das Original werde ich definitiv noch sichten.


              Artikel & News zu Filmen, Games, Musik & Technik

PierrotLeFou

Zitat von: Stefan M am 24 Mai 2012, 22:34:23
Mitchum ist für mich auch der bessere Psychopath: Der beweist ähnlich wie in "Die Nacht des Jägers", daß er die Bösewichte besonders gut drauf hat. Von ihm geht eine eher subtile brutale Ausstrahlung aus. Man ahnt, was in ihm schlummert, was da jederzeit zum Ausbruch kommen kann, wenn man ihn reizt.
Ich muss auch sagen, dass ich Mitchum generell in solch düsteren Rollen sehr gerne sehe... Ich denke es liegt nicht zuletzt auch an ihm, dass mir "Cape Fear" für seine Zeit ausgesprochen hart vorkommt... Er ist ja nicht nur einfach ein Stalker und Raufbold, sondern ein durchaus sadistischer Sexualstraftäter... Das scheint mir für das Entstehungsjahr schon sehr weit zu gehen.

Zitatund was ich dem Film eben besonders hoch anrechne, ist das offene Ende, bei dem Mitchum eben nicht vom Helden ins Jenseits gepustet wird, sondern ihn mit einem eiskalten "Nein, damit würde ich Ihnen nur einen Gefallen tun." in Schach hält, bis die Polizisten ihn wahrscheinlich diesmal lebenslang in den Knast stecken. Das gibt auch Peck noch einmal ein wenig Tiefgang und zeigt eine gewisse sadistische Ader: Er sieht ihn lieber bis zum Rest seines Lebens im Gefängnis, als ihm den tödlichen Fangschuß zu geben.
Das ist natürlich ein interessanter Punkt: Nicht nur ist Scorseses ambivalenteres Remake bei genauerem Hinsehen auch einer s/w-Malerei verhaftet, sondern das Original kann man gegen Ende auch als mit der s/w-Malerei brechend anschauen...
Ob sich Peck da wirklich am - in den Augen seines Widersachers - schlimmsten Schicksal weidet, wenn er ihn leben lässt, oder ob er sich einfach nicht die Hände schmutzig machen und auf das Niveau des Gegners begeben will, lässt der Film zwar offen... allerdings kann es tatsächlich irritieren und bereits die Frage nach Legalität/Legitimität aufwerfen, die das Remake etwas direkter betont...
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

Stefan M

Zitat von: PierrotLeFou am 25 Mai 2012, 02:30:29
Zitat von: Stefan M am 24 Mai 2012, 22:34:23
Mitchum ist für mich auch der bessere Psychopath: Der beweist ähnlich wie in "Die Nacht des Jägers", daß er die Bösewichte besonders gut drauf hat. Von ihm geht eine eher subtile brutale Ausstrahlung aus. Man ahnt, was in ihm schlummert, was da jederzeit zum Ausbruch kommen kann, wenn man ihn reizt.
Ich muss auch sagen, dass ich Mitchum generell in solch düsteren Rollen sehr gerne sehe... Ich denke es liegt nicht zuletzt auch an ihm, dass mir "Cape Fear" für seine Zeit ausgesprochen hart vorkommt... Er ist ja nicht nur einfach ein Stalker und Raufbold, sondern ein durchaus sadistischer Sexualstraftäter... Das scheint mir für das Entstehungsjahr schon sehr weit zu gehen.

Das geht es in der Tat. Der Film datiert von 1962 und es geht doch sehr eindeutig aus einer Szene hervor, daß er eine Frau brutal zusammengeschlagen hat, mit der er auf die ruppige Tour Sex haben wollte. Deshalb finde ich die Freigabe ab 16 auch heute noch für absolut angebracht.

ZitatOb sich Peck da wirklich am - in den Augen seines Widersachers - schlimmsten Schicksal weidet, wenn er ihn leben lässt, oder ob er sich einfach nicht die Hände schmutzig machen und auf das Niveau des Gegners begeben will, lässt der Film zwar offen... allerdings kann es tatsächlich irritieren und bereits die Frage nach Legalität/Legitimität aufwerfen, die das Remake etwas direkter betont...

Das ist natürlich die Frage, wie das Ende gemeint ist. Lange habe ich es auch eher so gesehen, daß er sich nicht auf eine Stufe mit dem Psychopathen stellen will, aber die Interpretation, daß in Peck selbst ein kleiner Sadist steckt, der zum Vorschein kommt, nachdem Mitchum die gesamte Zeit über seine Familie terrorisiert hat, hat auch etwas für sich. Davon abgesehen habe ich mich einfach darüber gefreut, daß ein Thriller mal nicht mit dem Tod des Bösewichts endet. 

Außer acht lassen sollte man übrigens auch nicht die geniale "Kap der Angst"-Parodie von den "Simpsons", in der Bart einmal mehr Tingeltangel-Bob überwältigen muß.  :icon_mrgreen:
"Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos." (Loriot)

Synchronisation ist nicht grundsätzlich schlecht und manchmal sogar richtig gut!

PierrotLeFou

26 Mai 2012, 03:08:49 #5 Letzte Bearbeitung: 26 Mai 2012, 23:11:07 von PierrotLeFou
Zitat von: Mr. Blonde am 24 Mai 2012, 22:51:04Mich erinnert die ganze Rolle an einen Hai, der sein Opfer ausspäht und dann erbarmungslos zuschlägt. Die Szene im Kino macht das überdeutlich und seinen Genuss zur Theatralik finde ich überaus köstlich!  :icon_smile:
Die Szene im Kino ist auch noch sehr hübsch, weil Cady hier quasi über eine zerrüttete Familie lacht... :icon_mrgreen:

Allerdings finde ich Scorseses betont aussagekräftige Form bisweilen auch etwas penetrant:

Cady kommt aus dem Gefängnis und der Himmel verdüstert sich bedrohlich...
ebenfalls bedrohlich ist sein energischer Gang Richtung Kamera, an die er schon beinahe stößt - eine ungewöhnliche Einstellung (ich muss hier immer an Lina Romay denken, die in Entfesselte Begierde auch gegen die Kamera rennt :icon_mrgreen:), die etwas aufdringlich Cadys unerschrockenes Nahekommen abbildet...
Cady bringt Bowdens Tochter am Telefon sein verqueres Weltbild nahe und das Bild steht tatsächlich Kopf...
Blutige Hände waschen sich in Großaufnahme rein...

Diese immer wieder sehr aussagekräftigen Szenen in dem ansonsten doch sehr konventionell erzählten Film tragen es meines Erachtens manchmal schon sehr dick auf... auf mich wirkt das bisweilen so, als parodiere der Film sich nebenbei gleich selbst...


ZitatNoltes Figur geht dafür eine schicke Entwicklung durch, der Schreibtischhengst, der irgendwann Füller mit Stein austauscht und auf das gleiche animalische Niveau absinkt, wie De Niro, wenn er seinen Gewalttaten fröhnt. Er macht ihn quasi zum perversen Spiegelbild seiner selbst und ich finde damit hat er auch den Anwalt für den Rest seines Lebens verändert und damit auch nach
Spoiler: zeige
seinem Ableben
locker gewonnen.
Verändert er ihn denn wirklich? Dass Bowden aus Gewissensgründen den juristischen Fehler macht und Akten unterschlägt, sei jetzt mal nicht wichtig...
aber auch ansonsten ist er kein Saubermann: wie seine Frau zu Beginn bissig anmerkt, verdient er sein Geld mit unsauberer Arbeit... seine Frau betrügt er, wenn auch mit Gewissensbissen...

Dass er einen Typen, der ihm und seiner Familie nach dem Leben trachtet - der Frau und der Tochter auch nach deren Körper - nach einer heftigen und schmerzhaften Auseinandersetzung (und nachdem Cady schon die Geliebte misshandelt, das Hausmädchen, den Detektiv und den Hund gemeuchelt hat) ersaufen lässt (irgendwo ja auch verständlich, ich hätte in der Situation wohl auch nicht unbedingt die Lust dazu verspürt) ist vielleicht keine große Veränderung, sondern eher eine gesteigerte aber typische Reaktion unter extremeren Umständen...
Wahrscheinlich macht Cady Bowden nicht zu seinem eigenen Spiegelbild, sondern hält ihm bloß den Spiegel vor... der schon immer schuldige Bowden erkennt sich am Ende selbst. Wenn Cady gewinnt, dann nicht in seiner Rolle als Bösewicht, sondern in seiner Rolle als Moralist...


Zitat von: Stefan M am 26 Mai 2012, 01:13:28
Außer acht lassen sollte man übrigens auch nicht die geniale "Kap der Angst"-Parodie von den "Simpsons", in der Bart einmal mehr Tingeltangel-Bob überwältigen muß.  :icon_mrgreen:

Stimmt, die war doch in erster Linie ein Remake eine Parodie des Scorsese-Remakes, oder? Habe ich schon seit jahren nicht mehr gesehen... :icon_mrgreen:



Achso:
ZitatPersönlich finde ich es durchaus gut, daß in der Neuauflage die Schwarz-Weiß-Schemata des Originals - dort der gute Peck mit seiner treusorgenden Frau und seiner kein Wässerchen trübenden Tochter, da der psychopathische (und recht intelligent vorgehende) Mitchum - etwas verschwimmen.

Das verschwimmen ist wirklich schön gewählt...
Das bringt mich noch auf den wirklich, wirklich hervorragenden Vorspann, der nicht nur das Ende vorwegnimmt, sondern die teils reflektierende, ständig sich verändernde Wasseroberfläche, in der alles verschwimmt, sehr schön zeigt...
Das Verschwimmen von gut und böse, von Gesetz und Moral (der Angelus Silesius enthält das in Cadys (Fehl)Auslegung ein bisschen) findet da eine schön abstrakte Andeutung...

Überhaupt scheint mir den Vorspann eine aufmerksame Analyse Wert zu sein...: Das Auge in Großaufnahme, das zu Beginn und zu Ende (Augenpaar) des Vorspanns erscheint, habe ich immer (wohl auch wegen der Musik und Saul Bass) mit Vertigo in Verbindung gebracht... aber welche Bedeutung hat er in dem Vorspann HIER - Der Blick? (Wird hier (un)moralisches Verhalten überacht?) Und das erregte Lippenpaar kurz darauf? (Erotik spielt hier wohl eine große Rolle, im Film wird der Vergewaltiger Cady Bowdens Tochter ja ausgerechnet Millers "Sexus" schenken, während er sie - zum Bösen? - verführt...) Und das Gesicht, der Umriss einer schattenhaften Männerfigur?
Ich mag diesen Vorspann nicht nur, weil er so unglaublich schön aussieht, sondern auch weil er so völlig abstrakt und vage vieles anklingen lässt, was später große Rollen spielen wird...


edit: übrigens erlauben sich im Film ja mehrere Figuren im Film, aus moralischem Empfinden heraus die Gesetze zu hintergehen... der Privatschnüffler, der Polizist (Mitchum), die Dame, die Cady am Flughafen Infos über Bowdens Flug & Rückflug gibt... Bowden und Cady sowieso...
Und alle tragen nur dazu bei, dass die Ereignisse immer extremer werden... Wenn man "Selbstjustiz" mal ganz weit auslegt, ist Scorseses "Cape Fear" vielleicht der ultimative Anti-Selbstjustizfilm... :icon_mrgreen:
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

Stefan M

Zitat von: PierrotLeFou am 26 Mai 2012, 03:08:49
Zitat von: Stefan M am 26 Mai 2012, 01:13:28
Außer acht lassen sollte man übrigens auch nicht die geniale "Kap der Angst"-Parodie von den "Simpsons", in der Bart einmal mehr Tingeltangel-Bob überwältigen muß.  :icon_mrgreen:

Stimmt, die war doch in erster Linie ein Remake eine Parodie des Scorsese-Remakes, oder? Habe ich schon seit jahren nicht mehr gesehen... :icon_mrgreen:

Ja, da wurde "Ein Köder für die Bestie" nicht berücksichtigt, meiner Erinnerung nach. Das zeigt aber auch nur, wie wenig Angriffsfläche Robert Mitchum im Original bietet. Der zieht seine böse Rolle straight durch und wird nicht zum Bad Guy schlechthin stilisiert, wo Robert de Niro bei Scorsese schon wesentlich lauter und polteriger gezeichnet ist (siehe der erwähnte Lachanfall im Kino) und damit ausgezeichnet zu der Figur Tingeltangel-Bob paßt, der selbst ja auch bei aller Intelligenz den Hang zum Theatralischen besitzt.     
"Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos." (Loriot)

Synchronisation ist nicht grundsätzlich schlecht und manchmal sogar richtig gut!

Mr. Blonde

Zitat von: PierrotLeFou am 26 Mai 2012, 03:08:49
Diese immer wieder sehr aussagekräftigen Szenen in dem ansonsten doch sehr konventionell erzählten Film tragen es meines Erachtens manchmal schon sehr dick auf... auf mich wirkt das bisweilen so, als parodiere der Film sich nebenbei gleich selbst...

Dick aufgetragen kann ich nachvollziehen, so in etwa meinte ich das mit der Theatralik ich kann auch nicht verheimlichen, dass der Film ganz ohne Humor arbeitet. Im Grunde gibt es ja reichlich schwarzen Humor. Aber genau diese Mischung aus unsinniger, für mich aber atmosphärischer Inszenierung (Blitze, wie Du z.B. meinst), humoristischer Momente und dann wieder harten Gewaltausbrüchen macht für mich die Mischung so interessant. Es ist eben einfach eigenartig, was Scorsese hier abgeliefert hat, aber für mich ist das eine größe Stärke. Denn wie Du auch erwähnst, ist es eben sonst ein Thriller nach Schema F, aber soweit kommt es dank der abgehoben Momente gar nicht.

Zitat von: PierrotLeFou am 26 Mai 2012, 03:08:49
Verändert er ihn denn wirklich?

Das ist eben interpretationssache. Wir wissen ja auch nicht, was seine Frau mit ihrer Kritik wirklich meint. Sicherlich blütenweiß wird die Weste des Anwalts nicht gewesen sein, aber wessen ist das in Filmen schon? Vielleicht wollte Cady ja auch genau das weiter freilegen, nämlich den "miesen" Kern?

Zitat
Dass er einen Typen, der ihm und seiner Familie nach dem Leben trachtet - der Frau und der Tochter auch nach deren Körper - nach einer heftigen und schmerzhaften Auseinandersetzung (und nachdem Cady schon die Geliebte misshandelt, das Hausmädchen, den Detektiv und den Hund gemeuchelt hat) ersaufen lässt (irgendwo ja auch verständlich, ich hätte in der Situation wohl auch nicht unbedingt die Lust dazu verspürt) ist vielleicht keine große Veränderung, sondern eher eine gesteigerte aber typische Reaktion unter extremeren Umständen...

Da hat für mich Noltes Blick etwas anderes erzählt. Ich finde, er reagiert wie ein weildes Tier und nicht ganz ohne Genuss, dass er dieses Monstrum endlich in den Klauen hat. Abgesehen davon lässt Cady ihn ja immer wieder Chancen, freizukommen und sich gewalttechnisch auszutoben. Er lässt Bowden ja völlig unbeabsichtigt draußen zurück, als er zu den Damen auf dem Boot stößt. Das macht er entweder aus absoluter Filmbösewicht-Dummheit oder eben, weil er Bowden so weit bringen will, dass er es zu Ende bringt.

ZitatWahrscheinlich macht Cady Bowden nicht zu seinem eigenen Spiegelbild, sondern hält ihm bloß den Spiegel vor... der schon immer schuldige Bowden erkennt sich am Ende selbst. Wenn Cady gewinnt, dann nicht in seiner Rolle als Bösewicht, sondern in seiner Rolle als Moralist...

So funktioniert es natürlich auch!  :respekt:

Zitatedit: übrigens erlauben sich im Film ja mehrere Figuren im Film, aus moralischem Empfinden heraus die Gesetze zu hintergehen... der Privatschnüffler, der Polizist (Mitchum), die Dame, die Cady am Flughafen Infos über Bowdens Flug & Rückflug gibt... Bowden und Cady sowieso...
Und alle tragen nur dazu bei, dass die Ereignisse immer extremer werden... Wenn man "Selbstjustiz" mal ganz weit auslegt, ist Scorseses "Cape Fear" vielleicht der ultimative Anti-Selbstjustizfilm... icon_mrgreen

Ist mir so nie aufgefallen, aber den Blickwinkel finde ich nun nicht abstreitbar. Wobei ich nie den Eindruck hatte, dass der Film Ja zur Selbstjustiz gesagt hätte, auch ohne diesen Blickwinkel. Dafür agiert mir Nolte am Ende zu bestialisch.


Die Simpsons-Folge habe ich ungefähr 100 mal gesehen und die gehört definitiv zu den besten überhaupt! In erster Linie war es klar eine Parodie auf die Scorsese-Version, aber für mich natürlich umso besser gewesen.





              Artikel & News zu Filmen, Games, Musik & Technik

TinyPortal 2.0.0 © 2005-2020