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Die Blechtrommel - Director's Cut

Begonnen von SutterCain, 9 Juli 2010, 00:17:26

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SutterCain

Es gibt offenbar keinen Thread zum ersten deutschen Oscargewinner aus dem Jahr 1980. Die Tatsache, dass am 15. Juli ein Director's Cut auf DVD und BD erscheinen wird, ist m. E. Anlass genug, um das zu ändern. Der Tagesspiegel berichtet in seiner morgigen Ausgabe ausführlich über den Hintergrund und die Änderungen zur Originalfassung:

http://www.tagesspiegel.de/kultur/die-blechtrommel-enthuellt-neue-geheimnisse/1878736.html

mali

Interessant, aber auch beängstigend. Muss man an so einem Werk noch herumschrauben? Wie wird sich das ganze integrieren, ob den Basteleien bei der Nachsynchro? Ich bin da skeptisch - aber auch Neugierig.

pm.diebelshausen

Ein Klassiker kann der neue Cut nicht werden: die Stelle ist mit dem Original definitiv besetzt. Und ich fürchte in filmischer Hinsicht auch eher eine Verschlimmbesserung, der Artikel erwähnt: "auch wenn der Erzählrhythmus dabei etwas aus dem Takt gerät" - genau das ist die große Gefahr, dass die Homogenität des Originals zerstört wird. Figuren werden anscheinend nicht nur vertieft, sondern in ihrer Zeichnung auch verändert. Außerdem sind Schlöndorffs inspirierte Zeiten schon länger vorbei, sein „Nichts ist so gut, dass man es nicht noch besser machen könnte“ wirkt sich selbst gegenüber anmaßend und stellt in Aussicht, dass da mal wieder ein Regisseur nicht (mehr) sieht, was an seinem Meisterwerk das Meisterliche ist. Aber filmhistorisch neugierig bin ich natürlich auch und es ist keine Frage, dass der Cut angesehen wird.

Wenn ich mich recht erinnere, lässt der Film ja ca. ein Drittel des Buches weg - das abschließende, in dem Oskar für David Bennent auch einfach zu alt wurde. Daran scheinen auch die neuen alten Szenen nichts zu ändern. Nun wüsste ich aber gerne, wie Grass die Neue Fassung sieht, insbesondere im Umgang mit der Figurenzeichnung.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

ratz


Wow, gut daß ich mit dem DVD-Kauf noch gewartet hab. Und die Möglichkeit, den alten Cut einzubauen, ist ja technisch da. Der Artikel macht einem schon den Mund wässrig!

cu, r.

PierrotLeFou

Zitat von: pm.diebelshausen am  9 Juli 2010, 00:58:30
Ein Klassiker kann der neue Cut nicht werden: die Stelle ist mit dem Original definitiv besetzt. Und ich fürchte in filmischer Hinsicht auch eher eine Verschlimmbesserung, der Artikel erwähnt: "auch wenn der Erzählrhythmus dabei etwas aus dem Takt gerät" - genau das ist die große Gefahr, dass die Homogenität des Originals zerstört wird. Figuren werden anscheinend nicht nur vertieft, sondern in ihrer Zeichnung auch verändert. Außerdem sind Schlöndorffs inspirierte Zeiten schon länger vorbei, sein ,,Nichts ist so gut, dass man es nicht noch besser machen könnte" wirkt sich selbst gegenüber anmaßend und stellt in Aussicht, dass da mal wieder ein Regisseur nicht (mehr) sieht, was an seinem Meisterwerk das Meisterliche ist. Aber filmhistorisch neugierig bin ich natürlich auch und es ist keine Frage, dass der Cut angesehen wird.

Wenn ich mich recht erinnere, lässt der Film ja ca. ein Drittel des Buches weg - das abschließende, in dem Oskar für David Bennent auch einfach zu alt wurde. Daran scheinen auch die neuen alten Szenen nichts zu ändern. Nun wüsste ich aber gerne, wie Grass die Neue Fassung sieht, insbesondere im Umgang mit der Figurenzeichnung.

Naja, der Film lässt tatsächlich das ganze dritte Buch weg, aber rein kapitelmäßig verfilmt er nur jedes zweite des Romans...

Mal schauen, dass Herr Fajngold etwas mehr Raum gewinnt, freut mich sehr... und ich hoffe darauf, dass Herbert Truczinski auch eine etwas größere Rolle spielt... Die Erweiterungen um den mutmaßlichen Vater Alfred sind im Prinzip unnötig, wenn man den Film mit der Kenntnis der Vorlage schaut... da werde ich persönlich nicht viel von haben...
Die Goethe/Rasputin-Sequenz reizt mich wie die Nonnen-am-Strand-Szene nicht so sehr, richtig gespannt bin ich aber auf den Suizid Greffs...

Ich freue mich zumindest sehr, die Blechtrommel ist mit Abstand mein Lieblingsbuch, zwei mal gelesen, 8 mal als Hörbuch angehört und den Film habe ich mittlerweile wohl auch 10 mal gesehen... Mittlerweile sind Film und Buch so für mich verschmolzen, dass ich manchmal eine Weile überlegen muss, ob Greffs Suizid denn nun eigentlich auch im Film auftaucht oder ob ich den Roman vor dem geistigen Auge bloß in den Bildern des Films nachzeichne usw.
Eine längere Fassung KANN mich eigentlich nicht enttäuschen, die DVD ist schon seit Wochen vorbestellt...  :love:
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

lwh512

Nur keine Angst vorm Blechtrommel Director's Cut! :love:

Der ist eigentlich ganz gut gelungen, trotz der noch längeren Laufzeit kam auch keine Langeweile auf... Und wenn man den Film eine Weile nicht gesehen hat, kommt es einem irgendwie fast vor, als ob man ihn zum ersten Mal sieht. Was nun "neu" ist, merkt da wahrscheinlich nur ein Experte oder Fan des Films, also wer ihn in-und-auswendig kennt (oder vorab den Schnittbericht gelesen hat).

Das mit der Nachsynchro fällt auch nicht auf, ich musste hinterher erst mal nachlesen welche Szenen das überhaupt betrifft. Gerade die Dia-/Monologe mit David klingen erstaunlich "echt". Die hat er ja auch selber nachgesprochen, und per Wunderding Computer wurde die Stimme dann um 30 Jahre verjüngt. Kaum zu unterscheiden. ;)

Bei den Wochenschau-/Kriegsdoku "Reinschnitten" hätte man allerdings besser ein gewisses Gleichgewicht wahren sollen, zum Ende hin wird das bei den Ereignissen um den 2. Weltkrieg recht umfangreich. Als Ausgleich hätten da auch ein paar Ausschnitte zum 1. Weltkrieg zu Anfang mit reingehört, wenn das schon unbedingt sein musste.

Die Sache Greff wird nun etwas verständlicher, die Thematik und das mit der Leibesertüchtigung im Keller scheint da nun eine gewisse Brücke zu Schlöndorff's "Unhold" zu bauen. Die Szenen ähneln sich wirklich ein bisschen, und er hat da sogar das gleiche Lied ("Haselnuss") drübergelegt, die Parallelen sind kaum zu übersehen/-hören... :icon_mrgreen:

Mit der DVD (bzw. Blu-ray, wer hat...) kann man auch zufrieden sein. Schade war nur, dass bis kurz vor VÖ auch noch mancherorts gelistet war die Deleted Scenes seien da mit drauf/übernommen, dem aber dann plötzlich nicht mehr so war (verschwand dann auch wie von Geisterhand aus den Listings).

Noch kurz eine Frage... Bilde ich mir das ein oder wird einer der zwei Beamten (die Oskar in ein Euthanasie-Heim bringen wollen) von Günter Meisner gespielt? Man sieht die nicht so wirklich deutlich, aber evtl. erkennt ihn jemand eindeutig? Mir war neulich auch mal so, als hätte er in "Tschitty Bäng" mitgespielt, und jetzt in dieser "neuen" Blechtrommel-Szene. Vielleicht sehe ich einfach überall Günter Meisners rumrennen? :pidu:

pm.diebelshausen

Zitat von: lwh512 am 21 Juli 2010, 17:10:08
das mit der Leibesertüchtigung im Keller scheint da nun eine gewisse Brücke zu Schlöndorff's "Unhold" zu bauen. Die Szenen ähneln sich wirklich ein bisschen, und er hat da sogar das gleiche Lied ("Haselnuss") drübergelegt, die Parallelen sind kaum zu übersehen/-hören... :icon_mrgreen:

Finde ich interessant. Den "Unhold" fand ich seinerzeit wirklich gut, aber das ist schon länger her und ich muss mir den nochmal ansehen. Ulrich Matthes sagte mir mal, Schöndorff selbst gefiele "Der Unhold" nicht. Deshalb ist die Ähnlichkeit der Szenen, wie Du sie bemerkst, ganz spannend: als hätte Schlöndorff im jüngeren Film eine nicht benutzte Szenen-Idee der "Blechtrommel" für den "Unhold" dann erneut umgesetzt. Oder meinst Du eher, dass die jetzt vorhandene Blechtrommel-Szene mit der Kenntnis des "Unhold" entsprechend eingearbeitet und gestaltet wurde, ohne dass sie die gleiche Ähnlichkeit aufweisen würde, wäre sie damals im Film gewesen? (Dann hätte Schlöndorff sie aber vielleicht auch nicht erneut inszeniert...)
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

lwh512

Die entsprechende Szene in der "Blechtrommel" ist ja ziemlich kurz, im "Unhold" ist das eine längere HJ-bei-Sport-und-Spiel Sequenz, für den Film war das so oder so notwendig um das Leben in der Napola und die Verführungskünste des Systems zu zeigen. Vermutlich hat er da eher nicht an die "verlorene" Szene der Blechtrommel zurückgedacht(?).

Trotzdem ist das sehr ähnlich vom Look her, besonders auffällig wegen der Verwendung der selben Musik. Die Parallelen sind da, und wenn man beide Filme kennt fällt das an dem Punkt einfach auf.

Aber ob ihm da bei der Director's Cut Montage einfach nichts anderes eingefallen ist, und er sich an die ähnliche "Unhold" Szenerie erinnert hat, oder wie die Einbettung/Musikuntermalung der Szene früher gedacht war bzw. ausgefallen wäre, wenn er nicht inzwischen den "Unhold" gedreht hätte... wer weiß das schon? ;)

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