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12 Years a Slave (von Steve McQueen)

Begonnen von StS, 16 Juli 2013, 08:09:22

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StS



The first trailer and poster for Steve McQueen's (Hunger, Shame) 12 Years a Slave are now online, courtesy of iTunes Movie Trailers. Check them both out below!

Set for release on December 27, 12 Years a Slave is based on the 1853 autobiography of Solomon Northrup (Chiwetel Ejiofor), a free black man from upstate New York, who was abducted and sold into slavery. Facing cruelty (personified by a malevolent slave owner, portrayed by Michael Fassbender), as well as unexpected kindnesses, Solomon struggles not only to stay alive, but to retain his dignity. In the twelfth year of his unforgettable odyssey, Solomon's chance meeting with a Canadian abolitionist (Brad Pitt) will forever alter his life.

The film, featuring a script by McQueen and John Ridley, also stars Paul Dano, Benedict Cumberbatch, Paul Giamatti, Garret Dillahunt, Sarah Paulson, Scoot McNairy, Ruth Negga, Alfre Woodard and Michael Kenneth Williams.


Trailer:
http://www.comingsoon.net/news/movienews.php?id=106497
"Diane, last night I dreamt I was eating a large,  tasteless gumdrop and awoke to discover I was chewing one of my foam disposable earplugs.
Perhaps  I should consider moderating my nighttime coffee consumption...."
(Agent Dale B.Cooper - "Twin Peaks")

tenderman

"Aspirin gab´s nicht, da hab ich dir Zigaretten mitgebracht" (Homer Simpson)

uboot

Ich hatte große Erwartungen an den heißen Oscarkandidaten, die wurden zumindest für mich leider nicht erfüllt. Der Film ist zwar technisch gut gemacht, aber irgendwie ist mir das ganze zu lang. Ich könnte mir vorstellen, dass der Regisseur es extra gemacht hat, einen nervig langwierigen Film zu drehen, wo man sich nur wünscht, dass der Hauptdarsteller es endlich wieder zu der Familie schafft. Das ist ihm geglückt. Es gibt praktisch keine Lichtblicke. Er ist konstant deprimierend. Kein Film, den man noch einmal gucken möchte.

Es ist natürlich zu würdigen, dass der Regisseur mal keine Standard-Heldengeschichte erzählen wollte, aber ich kann es nicht gut beschreiben, irgendwie trifft er dabei nicht meine Wellenlänge. Der Film hat mich nicht 100% mitgerissen, wie z.B. ein "Schindlers Liste" oder ein "Das Leben ist schön". Ich kann leider nur 6/10 geben.

DisposableMiffy

Meine Befürchtung, der Film könnte schlimmer Betroffenheitskitsch sein, hat sich nicht bewahrheitet. Im Gegenteil. McQueen hat ein ruhiges Drama inszeniert, das zuweilen sehr unangenehm zu sehen ist. Die "zentrale" Folterszene im letzten Drittel dauert eine gefühlte Ewigkeit und tut einfach nur weh. Die Freundin, mit der ich im Kino war, wurde immer kleiner in ihrem Sessel, während sich in mir Aggression und Verachtung auftürmten.

Jedoch weigert McQueen sich konsequent, seinen Film durch schwülstig-melodramatische Untiefen zu entwerten. Dies ist auch ein Verdienst seiner Schauspieler, die intensive Darstellungen bieten, ohne ihre Figuren zu Karrikaturen verkommen zu lassen. Chiwetel Ejiofor überzeugt in der Rolle des Solomon durch sein nuanciertes, unaufdringliches Spiel, während Michael Fassbender den bibelfesten Sklavenhalter glaub- und verachtungswürdig gibt. Sarah Paulson als dessen Ehefrau ist nicht minder abscheulich und Paul Dano als Plantagenaufseher gibt seine fast schon übliche unsympathisches Arschloch-Nummer.

Sehr positiv überrascht war ich zudem von Hans Zimmers Score, der angenehm zurückhaltend und unpathetisch ausgefallen ist.

Äußerst sehenswert.
letterboxd.com

Dumm geboren, nichts dazu gelernt und die Hälfte davon vergessen.

Hearing only what you wanna hear and knowing only what you've heard.

Riddick

Kann es sein, dass der Film zunächst nur in wenigen Kinos starten sollte? Letzte Woche lief der nämlich nicht bei uns an. Diese Woche haben sie ihn (1 Woche verspätet) aber doch ins Programm genommen, was sehr ungewöhnlich ist. Liegt wahrscheinlich an dem Oscar-Gedöns. Naja, zum Glück, Sonntag gehe ich rein.
"Schnell rennt das kriminelle Element,wenn es Dieter Krause kennt." - Tom Gerhardt (Hausmeister Krause)

Deer Hunter

Ich hoffe inständig, dass der in zwei Wochen noch läuft, denn vorher schaffe ich es nicht ins Kino zu gehen und den will ich definitiv noch sehen!
"Das nächste Lied heißt eigentlich 'Ich bin so wie ich bin' aber weil Bela "auch" ein bisschen mitsingt, heißt es 'FICKEN'!"

zartcore
Ah, tweed. Fabric of the eunuch.

McClane

Von den wichtigen Oscarfilmen des aktuellen Jahrgangs ist mir bisher noch "Komm, wir zeigen euch mal wie schlimm AIDS ist", hab jetzt inzwischen immerhin schon mal "Komm, wir zeugen euch mal wie schlimm Sklaverei war" sichten können.

Wie man an meiner Wortwahl merkt: Besonders wohlgesonnen bin ich nicht an den Film herangegangen, da das Ganze meines Erachtens schon deutlich nach Oscaranbiederung schreit. Insofern bin ich vom Ergebnis mehr als positiv überrascht: Ein intensives Drama, das natürlich nichts weltbewegend Neues zu erzählen hat, aber stimmig das persönliche Schicksal Solomon Northups nachzeichnet, der als freier Mann in die Nordstaaten verkauft wird. Das ist bisweilen etwas klischeehaft überzeichnet, teilweise aber auch mit faszinierend ambivalenten Tendenzen gesegnet: Etwa die Figur des vermeintlich gutherzigen Gutsherren Cumberbatch, der aber trotzdem der rassistischen Deutung, dass Schwarze Menschen zweiter Klasse sind, verhaftet bleibt. McQueen beschränkt sich auf wenige Folter- und Gewaltszenen, die als Ausbrüche aber umso unangenehmer sind als mancher Dauerquälfilm und ohne viel gezeigte Brutalität ihre Wirkung entfalten. Dank des tollen Spiels diverser Beteiligter, vor allem Fassbender als manisches Ego-Arschloch und Lupita Nyong'o als dessen Lieblingssklavin, ziemlich sehenswert, das an verschiedenen Figuren die unterschiedlichen Aspekte der Sklavenhandlung behandelt ohne dabei zu formelhaft in seinem Aufbau zu wirken. Ein Hammer ist übrigens wie Brad Pitt, der hier mit Freude den gutherzigen Hinterwäldler-Zimmermann gibt, zurecht gemacht ist. (7-7,5/10)
"Was würde Joe tun? Joe würde alle umlegen und ein paar Zigaretten rauchen." [Last Boy Scout]

"testosteronservile Actionfans mit einfachen Plotbedürfnissen, aber benzingeschwängerten Riesenklöten"
(Moonshade über yours truly)

CarliSun

Meine Neugier ist geweckt. Den muss ich mir bald mal besorgen! ...
Dann mehr ...
XOXO CarliSun
Narrator: "Remember this... even the most impossible parts of this story really happened."

John Keating: "No matter what anybody tells you, words and ideas can change the world."

Glod

Ich kann den Film auch nur empfehlen. Auch wenn das Buch natürlich noch weitaus mehr zu bieten hat, muss man sagen, dass McQueen sich hier sehr nah an der Vorlage befindet. Solomon Northup's Buch wird von Historikern als detailliertester Tatsachenbericht über Sklaverei erachtet und irgendwie spürt man beim Anschauen des Filmes bzw. beim Lesen des Buches auch, dass sich das keiner ausgedacht hat. Das ist schon ziemlich bitterer Stoff, weil es eben auch zeitlich nicht so weit entfernt ist. Wenn man sich z.B. die Spartacus-Serie anschaut, dann gehören Sklaven da irgendwie dazu, obwohl auch diese Serie schon sehr gut rübergebracht hat, was es bedeutete, ein Sklave zu sein. Aber 12 Years a Slave setzt da nochmal eine Schippe drauf und wirkt stellenweise vollkommen surreal und genau dadurch noch erschreckender.
"Er wird mir eine Kugel verpassen und dann Selbstmord begehen." -Nina Meyers-

"Wir passen schon auf, dass er keinen Selbstmord begeht." -Jack Bauer-

CarliSun

Das Buch steht auch auf meiner To Do-Liste und wird defintiv noch vor dem Film bei mir Sichtung finden!  :andy:

Danke für deine Meinung!

XOXO CarliSun
Narrator: "Remember this... even the most impossible parts of this story really happened."

John Keating: "No matter what anybody tells you, words and ideas can change the world."

endoskelett

11 September 2014, 03:49:00 #10 Letzte Bearbeitung: 11 September 2014, 13:31:59 von endoskelett


Hab mir den prämierten Oscar Beitrag auch mal reingezogen und na klar, es ist Oscar würdiger Stoff, und es wundert auch nicht, dass es Preise hagelt. Er biedert sich geradezu an, und doch verdient er es sich.
Zwei Stunden lang folgen wir Solomon, wie er sich der Freiheit beraubt, jahrelang durch und in der Sklaverei quält. Der Weg ist hier das Ziel und seine Intensität, mit der er beschritten wird. Schonungslos hält die Kamera drauf, wenn die Haut beim Auspeitschen aufplatzt. Sklaven Drama ala Hollywood, wirkungsvoll 7/10
R: Do you like our owl?
D: It's artificial?
R: Of course it is.
D: Must be expensive.
R: Very.
R: I'm Rachael.
D: Deckard.

Glod

Das ist kein Hollywood-Drama sondern eine ziemlich akkurate ( wenn auch sehr gestraffte) Buchverfilmung. Und wie ich schon schrieb bzw. das auch in den Extras erwähnt wird, wird dieses Buch von Historikern als glaubwürdigter Tatsachenbericht zu dem Thema überhaupt erachtet. Der Film nimmt sich eigentlich kaum Freiheiten gegenüber dem Buch heraus, außer dort zu straffen, wo es nötig ist.
"Er wird mir eine Kugel verpassen und dann Selbstmord begehen." -Nina Meyers-

"Wir passen schon auf, dass er keinen Selbstmord begeht." -Jack Bauer-

endoskelett

Hollywood-Drama muss auch nicht zwangsläufig schlecht /abwegig heißen, und wenn der Film dem Buch dann noch gerecht wird (habe die Extras nicht geschaut), ist das schon auch positiv.
R: Do you like our owl?
D: It's artificial?
R: Of course it is.
D: Must be expensive.
R: Very.
R: I'm Rachael.
D: Deckard.

Discostu

Ich finde auch gar nicht, dass der Film besonders Hollywood-mäßig inszeniert ist. Vor allem wenn man ihn mit so melodramatischen Werken wie Die Farbe Lila vergleicht.

PierrotLeFou

Zitat von: Discostu am 13 September 2014, 12:10:52
Ich finde auch gar nicht, dass der Film besonders Hollywood-mäßig inszeniert ist. Vor allem wenn man ihn mit so melodramatischen Werken wie Die Farbe Lila vergleicht.

Aber wenn man ihn mit "Shame" oder - ganz besonders - mit "Hunger" vergleicht, dann ist er schon vergleichsweise konventionell und massenkompatibel in Szene gesetzt worden - zumal auch aufplatzende Haut in Großaufnahmen längst im Mainstream Platz gefunden hat.

Ich würde dem Film daraus keinen Vorwurf machen (und finde ihn auch ziemlich gut) - immerhin versucht er es, einem recht großen US-Publikum patriotische Gefühle teilweise auszutreiben; insofern ist es ja nicht einmal ein rückwärtsgewandter Film, der bloß vermittelt, dass Sklaverei schlecht gewesen sei... ein Kritikpunkt, der ja leider gerne gebracht wird. Darüber hinaus halte ich ihn aber schon allein deshalb für begrüßenswert, weil er seine Vorlage wieder populär werden lässt.
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

Discostu

Zitat von: PierrotLeFou am 13 September 2014, 13:00:27
Aber wenn man ihn mit "Shame" oder - ganz besonders - mit "Hunger" vergleicht, dann ist er schon vergleichsweise konventionell und massenkompatibel in Szene gesetzt worden - zumal auch aufplatzende Haut in Großaufnahmen längst im Mainstream Platz gefunden hat.

Kannst du das weiter ausführen? Also natürlich ist der Film schon allein durch sein Thema und die "größere" Geschichte für ein Massenpublikum kompatibler, aber was genau in der Inszenierung ist hier anders als in Hunger und Shame? Das kann ja nun nicht nur die eine Großaufnahme gewesen sein.

PierrotLeFou

Die Großaufnahme der aufplatzenden Haut? Die habe ich jetzt nur erwähnt, weil die beispielsweise vor 50 Jahren sicherlich noch ein Tabubruch in einem Mainstreamfilm gewesen wäre, während das heute überhaupt kein Problem mehr darstellt. ;)


Den Unterschied zu "Hunger" nehme ich recht deutlich wahr: Die Dramaturgie von "Hunger" führt den Film mit einer Figur ein, die eine Hauptfigur zu sein scheint, dann allerdings in der Mitte ausscheidet, während die tatsächliche Hauptfigur am Ende des Films nur noch langsam, ohne jede Spannungskurve stirbt (unterbrochen von spirituell aufgeladenen Erinnerungsbildern und Visionen). Irgendwo in der Mitte hält der Film dann den Zusammenbruch eines Beamten fest, der das Brechen der Häftlinge nicht mehr ertägt, ohne dass die Kamera ihre äußerst distanzierte Perspektoive aufgeben würde und ohne, dass die Figur in weiteren Szenen noch von sonderlichem Interesse wäre...
Inszenatorisch ragt im Mittelteil ein zehn- oder zwanzigminütiger, statischer, ungeschnittener Block heraus, in dem die ganze moralische und politische Tragweite des Films von zwei Figuren ausdiskutiert wird. Zudem hat der Film generell einen Hang zum Statischen...

Das setzt sich in "Shame" zumindest teilweise fort: auch hier ist das Statische von großer Bedeutung und baut eine Distanz auf, wenn Fassbender durch seine Wohnung läuft, die Kamera aber vor allem leere, weiße Wände unbewegt festhält und Fassbender nur irgendwo hinter Türrahmen herumläuft. Der Film schien mir zwar bereits konventioneller zu sein als "Hunger", aber die - das Thema bildende - Entfremdung der Hauptfigur schlägt sich in der Inszenierung wieder: kalte Farben, leere Flächen in Fassbenders Wohnung, die Betonung von Mauern und Wänden (nicht selten Glasscheiben, die die Figuren trennen, aber Blickkontakt zulassen) und die ausbleibende (Er-)Lösung am Ende; das alles scheint näher am klassischen Autorenfilm zu liegen (vor allem Antonioni und Bresson kommt der Film nahe - oder Haneke, um einen jüngeren Regisseur zu nennen), als am US-Mainstreamfilm.

"12 Years a Slave" setzt hingegen viel häufiger auf leichte Kamerabewegungen, die den Figuren die volle Aufmerksamkeit widmen, auf Auflösungen in Schuss und Gegenschuss. Die Farben sind wärmer, die zentralen Figuren sind näher und erhalten mehr Aufmerksamkeiten durch den Kamerablick, die Leere des Raums weicht einer opulenten Fülle... das ist alles sehr mainstreamtypisch, während die beiden Vorgänger viel kühler und unzugänglicher sind. Mitleid wird in "12 Years a Slave" durch die emotionale Inszenierung noch unterstützt, während es in den früheren Filmen eher bloß vorausgesetzt wird...


Vom Blockbuster-Popcornkino ist sicherlich auch "12 Years a Slave" noch entfernt (insofern wollte ich gar nicht behaupten, dass deine Einschätzung unzutreffend wäre), aber eine weit konventionellere Machtart würde ich schon attestieren...
Ich habe "Hunger" aber auch bloß zweimal, die übrigen Filme bloß einmal gesehen in größeren zeitlichen Abständen; für einen intensiveren Vergleich reicht es momentan also nicht... ;)
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Discostu

Danke für die ausführliche Antwort. Ich habe Hunger und Shame nur einmal gesehen, ersterer ist zudem schon ziemlich lange her, deswegen kann ich da jetzt also leider auch nicht so intensiv am Material vergleichen, sondern möchte eher deine Argumente nochmal hinterfragen (ohne damit behaupten zu wollen, das du unrecht hast).

Ich frage mich, ob viele der von dir genannten Unterschiede nicht einfach mit den Inhalten der Filme zu tun haben. Bei Shame passt es eben, Bilder von Leere, Kälte und Statik zu inszenieren, weil das schließlich die Themen des Films sind (ebenso wie auch der Gefängnisalltag in Hunger von ähnlichen Motiven geprägt ist). Es sind aber nicht die Themen von 12 Years a Slave, weshalb sie hier dann eben auch nicht vorkommen können. Zum Beispiel inszeniert man die Hitze in den Südstaaten eben am besten mit warmen Farben, das hat nix mit Massentauglichkeit zu tun. Und die ungewöhnliche Dramaturgie von Hunger konnte hier ja auch gerade deswegen nicht übernommen worden, weil sehr nah an einer literarischen Vorlage gearbeitet wurde.

Dass z.B. mehr mit Schuss-Gegenschuss gearbeitet wird, stimmt tatsächlich, vor allem, wenn man als krasses Gegenteil Momente wie das Gespräch vorm Fernseher in Shame nimmt, in dem in einer statischen Eintsellung die ganze Zeit nur die Hinterköpfe der Protagonisten zu sehen sind. Und auch wenn es auch in 12 Years Plansequenzen gibt, sind diese tatsächlich eher in eleganten Steadicam-Fahrten à la Cuaron inszeniert und weniger in so statischen Einstellungen wie in den beiden anderen Werken. Auch hier frage ich mich aber, ob es nicht auch künstlerische Gründe dafür geben kann statt einer Hinwendung zum Mainstream.

Dass der Film mitleiderregend bzw. emotional inszeniert wäre, finde ich eigentlich nicht, abgesehen vielleicht von der Musik von Hans Zimmer. Auch hier ist die Inszenierung meiner Meinung nach eher distanziert (was viele Zuschauer ja auch negativ aufgenommen haben), auch wenn stellenweise lange Naheaufnahmen der Gesichter durchaus berührend sind (das waren sie von Fassbender in Shame aber auch).

Insgesamt tu ich mich also schwer damit, in 12 Years a Slave eine Hinwendung zum Mainstream zu sehen, kann es aber auch nicht so ganz widerlegen. Den Film wie endosekelett als "Hollywood-Drama" zu bezeichnen, geht für mich aber immer noch entschieden zu weit. Wenn jemand wie Spielberg diesen Film inszeniert hättte, dann hätte das alles ganz anders ausgesehen.

PierrotLeFou

13 September 2014, 23:01:41 #18 Letzte Bearbeitung: 13 September 2014, 23:04:41 von PierrotLeFou
Es ist sicherlich richtig, dass die Form hier teilweise auch dem Inhalt geschuldet ist. Dennoch hätte ein "12 Years a Slave" sicherlich auch anders aussehen können: Warum wird die Unterhaltung mit Brad Pitt nicht auch wie in "Hunger" in einer langen, statischen Einstellung umgesetzt? Weshalb wird die Natur so ins Bild gesetzt anstatt, etwa überwiegend mit Großaufnahmen zu arbeiten, die für Hintergründe kaum Platz lassen?
Und wenn es nun so sein sollte, dass die Wahl des Stoffes geradezu danach verlangt haben sollte, die Geschichte in warmen Farben, vor malerischen Hintergründen zu präsentieren (zumindest dann, wenn man wie McQueen nicht in s/w dreht und das Geschehen nicht in einem abstrakt bleibenden Bühnenraum ansiedelt), mit Kamerabewegungen, die etwa ein Auspeitschen nicht mehr starr und unerbittlich präsentieren, sondern "packend" und "mitreißend" sich plötzlich losreißen und im Halbkreis um die Figuren rasen: wäre es dann nicht trotzdem noch massentauglicher als die Starre und Kälte in den füheren Filmen?

Zitat von: Discostu am 13 September 2014, 19:54:08Auch hier frage ich mich aber, ob es nicht auch künstlerische Gründe dafür geben kann statt einer Hinwendung zum Mainstream.

Ich denke, dass sich das nicht ausschließen muss. Dann lassen halt in manchen Fällen künstlerische Gründe einen Film massenkompatibel werden, in anderen Fällen lassen sich auch beim Blockbuster noch künstlerische Ambitionen unterbringen.
(Und die Frage wäre ja auch, für wen der Mainstream wo beginnt... Ich würde problemlos auch Wes Anderson zum Mainstream zählen, trotz der vielen Insider und des streng verfolgten, eigenen Stils. Verglichen mit Michael Bay mögen die Filme ja höchst eigenwillig und absonderlich anmuten, aber verglichen mit Straub & Huillet versperren die sich eigentlich kein bisschen.)
Die Frage wäre dann wohl auch, welche Intention man beim Regisseur vermutet. Das ist dann natürlich sehr spekulativ. :icon_mrgreen:

Ich würde bloß behaupten wollen, dass "12 Years a Slave" - wohl nicht nur wegen Pitt, der Werbung und des "Django Unchained"-Erfolges - massentauglicher ist als "Shame" & "Hunger". Darin sehe ich jetzt zunächst nichts verwerfliches (keinen Verrat an irgendwelchen künstlerischen Idealen) - und dass die Form nach wie vor Ambitionen erkennen lässt, würde ich keinesfalls leugnen. Ob der Film jetzt infolge seiner - aus rein künstlerischen Gesichtspunkten entstandenen - Form massentauglich geworden ist, ob der Film eine sorgfältig durchdachte Form erhalten hat, die jedoch dem Anspruch an Massentauglichkeit genügen sollte (und ob dann Geld, Preise oder der Wunsch, möglichst vielen Zuschauer(inne)n eine Botschaft zu vermitteln, ausschlaggebend war, kann ich gar nicht beurteilen. ;)

Aber ich kann schon verstehen, dass bei manchen Teilen des Publikums der Verdacht des Anbiederns aufkommt. :D
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

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