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Le redoutable (2017) von Hazanavicius, mit Garrell (als Godard)

Begonnen von PierrotLeFou, 29 Mai 2017, 05:26:57

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PierrotLeFou

29 Mai 2017, 05:26:57 Letzte Bearbeitung: 29 Mai 2017, 05:33:02 von PierrotLeFou
https://ssl.ofdb.de/film/299034,Redoutable-Le

Ein Film über Godards Beziehung zu Anne Wiazemsky, zum Maoismus und über die kritische Aufnahme von "La chinoise" (1967)...

!Redoutable

Zitat von: http://www.tagesspiegel.de/kultur/cannes-journal-2017-4-etwas-stimmt-an-diesem-jahrgang-nicht/19834372.htmlBegeisternde Filme sind bisher Mangelware bei den 70. Filmfestspielen in Cannes. Nach dem enttäuschenden Eröffnungsfilm hat ,,Le Redoutable" die Latte noch tiefer gelegt.


Seit Bertoluccis Träumern habe ich mich voller Befürchtungen nach einem Godard-Biopic gesehnt, dass sich idealerweise der Karina- & der Wiazemsky-Phase und der Beziehung zu Truffaut widmet (und entweder mit dem Beginn seiner unsichtbaren Filme oder mit seiner Rückkehr ins Kino endet).

Jetzt kommt Hazanavicius daher, der mit seinen OSS 117-Komödien zunächst dem Kino der 40er & Mitt60er Jahre bzw. der 50er & Spät60er Jahre huldigte und mit "The Artist" dann dem Kino der späten 20er huldigte, und widmet sich dem Godard der späten 60er Jahre: "Godard, gespielt von Louis Garrel, befindet sich in 'Le Redoutable' [...] in einer handfesten persönlichen und künstlerischen Krise, eine Tatsache, die Hazanavicius auf dem Niveau einer Boulevardkomödie erzählt. [] Dass die Figur Godard ohne jeden Ansatz von Skurrilität oder gar Charme zwischen Vollidiot und unerträglichem Arschloch in Szene gesetzt wird, ist dabei sogar nur halb so ärgerlich wie die Tatsache, dass der Film überhaupt kein Interesse für Godards Ideen in jenen Jahren entwickelt." (Der Tagesspiegel)

Hazanavicius und Godard bilden - anders als z.B. Pasolini und Ferrara, der vor wenigen Jahren "Pasolini" gedreht hatte - ein doch eher unstimmiges Paar; dass das in gewisser Weise ein schräger Film ist, glaube ich gerne... (vielleicht auf ganz eigene Weise ähnlich schräg wie Greenaways Eisenstein-Film...)

Garrell, den ich äußerst gerne sehe, scheint mir zudem als Godard nicht ganz passend besetzt zu sein: sieht eher wie eine schlechte Karikatur aus (und soll vielleicht auch bloß eine solche darstellen)... ist dennoch spannend, weil Garrell mir - gerade in den Filmen von Christophe Honore - immer wie ein Nachfolger von Jean-Pierre Leaud (im Godardmodus) vorkam.


Dass der Film offenbar nur oberflächliches Interesse an Godards Ansichten und Argumenten haben soll und sich eher der Selbstinszenierung des Filmemachers (als Narr und als Arschloch) orientiert, verwundert angesichts von Hazanavicius' bisheriger Filmografie nicht sonderlich; und liefert wohl auch einen kurzweiligeren, unterhaltsameren Film ab. Bin sehr gespannt, ob Godard tatsächlich ohne Skurrilität & Charme rüberkommt... Als Person ist Godard sicher nicht unbedingt der sympathischste Zeitgenosse, aber doch eine irgendwie ungewöhnliche, schillernde Figur: klug und immer wieder gerne reichlich arschlöcherig, etwas geltungssüchtig, sich immer wieder als Idiot im Sinne Dostojewskis inszenierend, sich in der Reflexion auf Kosten des Fühlens verheddernd, teilweise eine kleine Portion Selbsthass vermuten lassend, im Alter immer melancholischer werdend... und wenn er etwa seine einstige Partnerin Anna Karina in einer Talk-Show viele Jahre nach der Beziehung mit seiner doch sehr unsensiblen Art, ungeschönt die eigene Meinung auszudrücken, in Tränen ausbrechen lässt, um im Anschluss seltsam stolz, peinlich berührt und ganz flüchtig ansatzweise betrübt dreinzublicken, dann ist das ein großartiger Stoff über einen schwierigen Charakter, der aber - wie ich fürchte - bei Hazanavicius trotz toller früherer Filme eher das Niveau des Peter Sellers-Films von Stephen Hopkins erreichen wird... ist aber bloß mein Bauchgefühl. Der Trailer passt ja schon einmal ganz gut zu der Figur, aber Garrell lässt irgendwie die Schärfe und das diebische Vergnügen oder die kühle Befriedigung vermissen, die Godard in Interviews oftmals an den Tag gelegt hat...

Ich bin insgesamt doch recht gespannt, inwieweit Hazanavicius Anleihen bei der Ästhetik von Godards Frühwerk macht, die ja - ganz im Gegensatz zu den späteren Ästhetiken Godards - mit Hazanavicius' Handschrift teilweise sicher gut vereinbar ist... Mit einer Würdigung des Frühwerks, die zugleich eine Schmähung des Spätwerks und eine Kritik der Person selbst darstellt, kann ich mich sicher irgendwie arrangieren...
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

PierrotLeFou

Endlich gesehen. Ein irgendwie doch recht seltsamer Film... Mindestens elf Godard-Filme zwischen 1962 und 1972 werden sehr direkt reinszeniert, zugleich aber gibt sich die Inszenierung insgesamt wesentlich konventioneller. Das sorgt für ein seltsames Gesamtbild, in welches Bildzitate immer mit einem sehr deutlichen Zitat-Charakter eindringen. Das ist alles nicht so rund wie die früheren Parodien und Hommagen. Garrell gibt auch leider keinen so recht überzeugenden Godard ab... zudem wird der Figur eine Unsicherheit zugeschrieben, die sie zumindest bei öffentlichen Auftritten in dieser Form eigentlich nicht aufwies. Zugleich hätte man mMn Godards Unzufriedenheit mit sich selbst noch etwas stärker betonen können. So wird letztlich der Hang zur Arschlöcherigkeit zwar schön herausgearbeitet, dass der aber eben auch Teil einer sehr bewussten Selbstinszenierung war (und manchmal mit einer Art schlechtem Gewissen einherzugehen schien) kommt reichlich kurz, während eine Unselbstsicherheit (die ja in der privaten Beziehung womöglich bestanden haben mag - was mich daran erinnert, dass ich Wiazemskys Godard-Buch noch lesen muss) eigentlich durch den ganzen Film läuft.
Das verzerrt die Figur ein wenig, zumal sie auch in die Slapstick-Richtung gedrängt wird (in die Godard selbst ja nur selten und auf andere Weise vorstieß), ohne dass der Film jedoch übermäßig lustig ausfallen würde. Das ist ein sehr sonderbarer Mix aus Drama, Komödie, Liebesfilm, Biopic und Historienfilm, der weder dem politischen Klima, noch der Ästhetik Godards (erst recht nicht des späten Godards), noch der Figur wirklich gerecht wird... Gerade die Film-Arbeit im Kollektiv hätte man z.B. kritischer beleuchten können. Auch die Antisemitismus-Vorwürfe werden bloß angeschnitten und ziemlich oberflächlich und desinteressiert durchgespielt. Und zu unterschlagen, dass der Ferreri-Film gegen Ende stark Godard-inspiriert ist, halte ich auch für einen Fauxpas...
Ist aber halbwegs unterhaltsam und hat auf mich einen ganz eigentümlichen Reiz ausgeübt. Und es gibt zwischendurch immer wieder ein paar Highlights, in denen kleine Godard-Bonmots eingestreut werden und in Verbindung mit den jeweiligen Bildern für kleine Irritationsmomente sorgen...
Ich kann aber auch verstehen, wenn man den Film als oberflächlich kritisiert. (Wobei es ja auch etwas unverschämt ist, Godard beständig "Kurzsichtigkeit" vorzuwerfen, aber stets bloß an der Oberfläche zu bleiben.) Womöglich sind aber Godard-Unkenntnisse förderlich, um den als reine Tragikomödie etwas eher genießen zu können... Angesichts der vielen Zitate scheinen Godard-Neulinge aber nicht die Zielgruppe zu sein. Zumindest verstehe ich nun, weshalb der hierzulande noch nicht rausgekommen ist...
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

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