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the Deliverance (Netflix-Horror von Lee Daniels)

Begonnen von StS, 16 Juli 2024, 19:06:15

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StS


After moving into a mysterious house, a struggling mother must face down her demons in order to save her children's souls...

Inspired by a true story of possession, Lee Daniels' #TheDeliverance starring Andra Day, Glenn Close, Aunjanue Ellis-Taylor, and Mo'Nique, comes to Netflix on August 30.

"Diane, last night I dreamt I was eating a large,  tasteless gumdrop and awoke to discover I was chewing one of my foam disposable earplugs.
Perhaps  I should consider moderating my nighttime coffee consumption...."
(Agent Dale B.Cooper - "Twin Peaks")

Private Joker

3 September 2024, 12:22:14 #1 Letzte Bearbeitung: 3 September 2024, 13:00:24 von Private Joker
65 Mio hat sich Netflix den angeblich kosten lassen - also die Rechte, vermute ich. Nach 6,5K Mios Produktionskosten sieht der ehrlich gesagt nicht aus; und noch ehrlicher gesagt: Wenn ich da 65 Mio rausschmeißen müsste, um ein Sozial-Horrordrama in (sinnvollerweise) eher überschaubaren Kulissen und ohne die ganz teueren Namen im Cast oder aufwändigen Effekten zu drehen, dann wäre da schon was leicht bis mittel schiefgelaufen.

Heißt alles nicht, dass da ein schlechter Film bei rauskommen muss, tut es auch nicht. Zunächst mal ist das eine ganz brauchbar gemachte Sozialstudie um eine reichlich dysfunktionale Familie, die harsche, ständig finanziell klamme (de facto)-Alleinerziehende, immer ein eher unfröhliches "fuck" auf den Lippen, versus (meistens) Glen Close (!) mit ordentlich Mut zur Hässlichkeit, die verbal gut dagegenhält. Dazu drei (oder evtl. zwei, der jüngste dürfte unter 13 sein) Teenager-Kinder, die das Klischeeleben der typischen US-Teenager gerne leben würden, aber eher nicht können, was dem Zuschauer eine ganze Menge Szenen erspart, die man (in meinem Alter jedenfalls) eh nicht sehen will, Zickenkriege mit den besten Freundinnen, Drogen, erste Sexversuche - soweit passt das.

Ob die Horrorelemente (based on facts, nun ja) ebenfalls "passen", vor allem zum Rest des Streifens, ist dagegen streitbar. Auch wenn der Film in Gestalt der "Vertreiberin", die keine Exorzistin sein will, kräftig um des Dämonen Kern herumschwurbelt - das ist letztlich nur Bessessenheitsgrusel der Standardgrößenklasse M, anständig verpackt und mit Bio-Siegel (also: mit Botschaft), aber halt auch kein Zentimeter mehr. Die versammelten Gruselmomente geraten sagen wir mal durchaus unangenehm (vor allem eine Szene), aber vielleicht auch nicht in der Weise, wie die Genrefans alter Schule das gerne hätte. Soll heißen: Klassische Horror-Härten oder Blutbäder bleiben einfach aus, die Softhorrorstandards (Geräusche, Türen, Seltsamkeiten) werden eher leicht lustlos angetextet. So manches hätte schon ein wenig besser ausgearbeitet sein können, einige "Warums" hängen unübersehbar auf dem Schirm (etwa: Was hat der "Leibhaftige" oder wer immer da da die Fäden zieht, von dem ganzen Hokus-Pokus?. Oder wieso sind da gleich alle Kinder betroffen?). Das alternative Erklärungsmuster (dass da tatsächlich "nur" kindliche psychische Störungen und vielleicht Vernachlässigung vorlag) denkt der Film nicht einmal an - vielleicht mit Rücksicht auf die realen Vorbilder).

In der Summe hat Netflix da ordentlich Kompetenz eingekauft, aber ganz befriedigend ist das Ergebnis für viele wahrscheinlich nicht. Wer sein sozial-antikapitalistisches Feindbild schärfen will, dürfte sich an den diversen fliegenden Körperausscheidungen und den rückwärts kriechenden Figuren stören. Und für Gruselfans ist das alles letztlich vermutlich nicht horribel genug; aber auf dem schmalen Grat zwischen den Genres kann der durchaus punkten - 6,5/10.
"Ich bin zu alt für diesen Scheiß" "Dem Scheiß ist es egal, wie alt Du bist" (James Grady - Die letzten Tage des Condor)

Moonshade

Ich hab den jetzt auch gesehen und kann mich Joker weitestgehend anschließen.

Warum der Film oder die Rechte so viel gekostet haben sollen, ist mir ein Rätsel und Lee Daniels ist nun nicht der versierte Horrorregisseur (und hat sich wohl auch mit dem Horrorzeugs stark abgemüht) und das merkt man deutlich. Das Sozialdrama liegt ihm mehr und daher ist die erste Hälfte von "Deliverance" auch die deutlich bessere, vor allem wenn man sich an die Kombi Andrea Day und Glenn Close gewöhnt hat. Die wiederum sind incl. der Jugendamts-Kontrolleurin so dominant, dass die Kinder in der charakterlichen Tiefe zu kurz kommen, die sind bald mehr Mittel zum Zweck, also zur Besessenheit.

Wenn dann der Horror überschwappt, bekommt der filmversierte Zuschauer eine recht offensiv zusammengeschraubte Aufgußversion aus "Amityville" und "Exorzist" geboten, allerdings wie schon beschrieben, ohne rechte Lust, ohne den entscheidenden Pfiff und vor allem ohne einen Funken Innovation. Technisch solide gemacht, aber im Horrorkanon wenig beeindruckend, tuckert der Film dann auf ein erwartbares Ende zu, welches (und das empfinde ich angesichts des dominanten Themas der Hautfarbe im Film schon fast als billiger Affront) die Rettung durch Hingabe an die Religion bzw. das Gottvertrauen in den Fokus nimmt.

Day macht darstellerisch einen Höllenjob (und gegen Close muss man erstmal bestehen), aber wenn sie im Finale sich in Gaga-Jesus-Ekstase versetzt um sich von Jesus erfüllen zu lassen und dann in einem Standoffgefecht den Dämon (in ihrer Gestalt) bekämpft, dann musste ich schon herzlich lachen und am Ende wird es dann übel kitschig, wenn die geläuterte und überzeugte Neu-Christen-Mom mit ihren Kiddies nach 6 Monaten Wohlfahrtstrennung zu ihrem Ex-Gatten fährt, weil man sich wieder angenähert habe.

Ansonsten ist alles drin, die Exorzistin (die frechtweg behauptet, das nicht zu machen, aber dasselbe nur in latent anderer Form tut), das geweihte Wasser, die Stigmata, die Wände-hoch-krabbeln, das Gesabber, die obszönen Angebote, die fremde Zunge - allein vollgekotzt wird niemand. Richtig an die Nieren geht aber nur der Alki-Alltag mit krebskranker Schauspielermutti und drei Kindern, die eben zunehmend unzufrieden sind in einer Schuldenfamilie mit weniger Möglichkeiten anderer Teenager.

Hätte gern mehr gegeben, aber das ist am Ende nur Mittelmaß. 5/10
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