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Auf der anderen Seite - Fatih Akin

Begonnen von Klaus Jr., 28 September 2007, 16:43:35

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Klaus Jr.

Moin,

seit dieser Woche läuft der neue Film von Fatih Akin. Hab ihn selbst noch nicht gesehen, klingt aber sehr interessant; wenn uns auch keine Tour de Force a la "Gegen die Wand" erwartet.

Making Of:
http://www.kewego.de/video/iLyROoaftkRP.html

Trailer:
http://de.movies.yahoo.com/a/auf-der-anderen-seite/index-3696012.html#_video_player_starten




Und eine Kritik aus dem film-dienst:
ZitatSo exzessiv ,,Gegen die Wand" (fd 36 389) inszeniert war, der äußerst erfolgreiche erste Teil seiner Trilogie über ,,Liebe, Tod und Teufel", so unspektakulär setzt Fatih Akin den zweiten in Szene: ,,Auf der anderen Seite" befasst sich sehr besonnen mit dem Tod und dessen Auswirkung auf die Lebenden, mit deren Trauer und Nachdenklichkeit sowie den Versuchen, einmal eingeschlagene Lebenswege zu ändern. Besonnenheit war bei der Umsetzung des komplexen Plots auch notwendig. Sechs Figuren definieren sechs Handlungsstränge, die an sechs unterschiedlichen Punkten ansetzen, sich teilweise kreuzen, parallel verlaufen und sich am Ende sinngebend zu einem großen Ganzen zusammenfügen.

Nejat ist ein zurückgezogen lebender Germanistikprofessor in Hamburg, sein Vater Ali ein verwitweter, einsamer Mann. Als Ali sich eine Prostituierte sucht, trifft er auf Yeter, die ebenfalls aus der Türkei stammt. Er beschließt, ihr Geld dafür zu geben, dass sie mit ihm zusammenlebt. Nejat gefällt das nicht, bis er Yeter näher kennenlernt, die ihrer Tochter Ayten in Istanbul regelmäßig Geld schickt. Als Yeter stirbt, macht sich Nejat auf die Suche nach der Tochter. Diese ist aber längst in Deutschland, eine politische Aktivistin auf der Flucht vor der türkischen Polizei. Sie lernt eine deutsche Studentin kennen und lieben, was wiederum deren Mutter Susanne nicht gutheißt. Durch ein Missgeschick landet Ayten in Abschiebehaft, und so landet sie wieder in der Türkei.

Wie kaum einem zweiten Autor-Regisseur in Deutschland gelingt Fatih Akin eine fesselnde Balance aus Realismus und Künstlichkeit, die sich in den Dialogen ebenso niederschlägt wie in der Dramaturgie. Die Virtuosität, die er dabei zeigt, bringt ihn in der Tat in die Nähe zu Rainer Werner Fassbinder, mit dem man ihn nach der Besetzung von Hanna Schygulla verglichen hat, was Akin selbst von sich weist. Seine Geschichten sind dem Leben entnommen, aber eindeutig zu Kunst geworden. In kurzen Sätzen umreißen die Figuren im Film ihre Lebenssituation, die sich im nächsten Moment bereits ändern kann – in Sätzen, die sowohl nach persönlich Erlebtem wie nach tiefer Wahrheit klingen. Jede einzelne der Episoden ist ebenso brilliant entworfen wie das dramaturgische Netz, das sie insgesamt bilden. Lange bevor die Figuren ahnen, was sie miteinander verbindet, wird der Zuschauer in die Schnittpunkte der Geschichte eingeweiht, Stück für Stück, durch Motive, Andeutungen oder Äußerungen. Die tragischen Höhepunkte werden sogar vorweggenommen: Zwischentitel, die die Episoden einläuten, kündigen an, wer an deren Ende stirbt. Dieses Stilmittel, der frühneuzeitlichen Literatur entlehnt, macht den Zuschauer zum Mitwisser dessen, was Akin die ,,Weltenseele" nennt und was sich auch als Schicksal oder ,,göttliche Hand" bezeichnen lässt. Gemeinsam sehen so der allwissende Erzähler und das Publikum gelassen dabei zu, wie die Figuren im Film unweigerlich auf ihre Tragödien zusteuern. So groß ihre Anstrengungen auch sind, die sie auf ihrem Weg zum Glücklichsein oder beim Entrinnen aus dem Unglücklichsein auf sich nehmen: Am Ende wird ihr Leben von Zufällen, anderen Menschen und vor allem vom Tod derart beeinflusst, dass all ihr Treiben müßig erscheint. Aber ganz so weit geht Akins Fatalismus dann doch nicht. In den Figuren Nejat und Susanne personifiziert sich die Hoffnung auf Veränderung, auf Liebe, Buße und Vergebung.

Nejat ist die maßgebliche Brücke zwischen den aufeinander prallenden Kulturen, was seit jeher ein zentrales Thema bei Fatih Akin war, dem Kind türkischer Einwanderer. Als türkischstämmiger Germanistikprofessor ist Nejat perfekt assimiliert, später aber ist sein Wunsch, in Istanbul einen deutschen Buchladen zu besitzen, deutlicher Ausdruck der Sehnsucht des Assimilierten nach der zurückgelassenen Heimat. Seine Suche nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Vergebung für den Vater lässt ihn zu einem stillen Helden wachsen, der sich über alle kulturellen oder politischen Grenzen hinwegsetzt. Sein Vater repräsentiert dagegen die erste Generation der Immigranten, die nie wirklich angekommen ist im fremden Land, er ist einer, der fast nur türkisch spricht und sich am liebsten mit Türken umgibt. Yeter wiederum steht für eine zwar angestrebte, aber völlig fehlgeschlagene Eingliederung, für ein Leben unter Maske und Perücke im Souterrain hinter der Barriere des Rotlichtbezirks. Die junge Ayten versucht ihrerseits kaum, sich zu verstecken: Sie geht mit ihrer Berufung, die Heimat zu retten, auch mit Gewalt, offen um – endet allerdings in der Heimatlosigkeit. Deutschland bleibt für sie reiner Zufluchtsort, und die Türkei zeigt sich ihr von ihren schrecklichsten Seiten. Die beiden deutschen Figuren schließlich verdeutlichen, dass sogar EU-Bürger, die das Thema Türkei sonst kalt lässt, ihre Haltung ändern können. Die Studentin Lotte wird dabei vor allem von ihrer Zuneigung zu Ayten getrieben, und ihre Mutter Susanne wird nicht als klischeehafte Spießerin gezeichnet, weder von Akin noch von Hanna Schygulla selbst, sondern als gebildete Frau, die sich aus dem wahren Leben zurückgezogen hat und nun schlagartig wieder damit konfrontiert wird.

Schließlich verbindet das Thema Familie, das ebenfalls die Filmographie Akins durchzieht, alle Geschichten. Familie ist mal ein Refugium, mal ein Ort, dem man entfliehen will, mal der Inbegriff des Stillstands, mal die Illusion von Glück. Das war in ,,Kurz und schmerzlos" (fd 33 374) so, in ,,Solino" (fd 35 674), auch in ,,Gegen die Wand". Beide Themen, die Kultur und die Familie als Lebenshintergrund, sind bei Akin Ausdruck der eigenen zwiespältigen Haltung zu Deutschland und der Türkei, aber auch zu Tradition und Verwurzelung einerseits und rebellischer ,,Rock'n'Roll"-Attitüde andererseits. Dass gerade vor diesem Hintergrund die Lebenslinien seiner Filmfiguren derart von der scheinbaren Willkür einer überirdischen Macht gelenkt erscheinen und am Ende doch zusammenfinden, mag Ausdruck sein für Akins Hoffnung, dass nicht alles umsonst ist. Was manchmal nicht einfach zu glauben ist, wie die Filmcrew selbst erfahren musste. Am Ende der Dreharbeiten zum Film ist einer der drei Gründer von Akins Produktionsfirma ,,Corazón International" völlig unerwartet, wie vom Blitz getroffen, mit gerade 48 Jahren gestorben: Andreas Thiel, selbst Regisseur und Autor, der lange fürs Fernsehen gearbeitet hat, dann für seinen eigenen Debütfilm ,,Kismet" Fatih Akin als Hauptdarsteller engagiert und ihn seit ,,Solino" als Mitstreiter begleitet hat. Ihm ist ,,Auf der anderen Seite" gewidmet.
Oliver Rahayel


"Pisse vom Opa trinken geht gar nicht, damit ist der Film für mich durch. Schade um die Titten"

psychopaul

Zitat von: Horace am 28 September 2007, 16:43:35
wenn uns auch keine Tour de Force a la "Gegen die Wand" erwartet.



das finde ich auch irgendwie schade  :icon_razz:  :icon_cool:
Auch die Tatsache, dass es wieder einmal auf dieses mittlerweile doch schon etwas überstrapazierte Muster des "Verknüpfung von Schicksalen"-Prinzips hinausläuft, lässt mich im Vorfeld nicht jubilieren..  :icon_lol: aber für mich dennoch ganz klar: der neue Akin im Kino ist Pflicht  :icon_cool:, bisher konnte mir noch jeder seiner Filme gefallen. 
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Three little devils jumped over the wall...

psychopaul

12 November 2007, 22:02:49 #2 Letzte Bearbeitung: 12 November 2007, 22:08:29 von Bettwurst
Ein schöner, sehr berührender, wunderbarer Film!

Auch wenn es Akin mit der holzhammerhaften Betonung der "Zufallskleinigkeiten" ein, zweimal etwas übertreibt, ist dies aufgrund des großartigen Gesamtbildes letztlich völlig egal. Anfangs war ich noch eher skeptisch, das mancherorts kritisierte Drehbuchrascheln fiel sogar mir unangenehm auf, aber mehr und mehr wird man subtil in die Geschichte hineingezogen.
Vor allem der dritte Akt ist so gefühlvoll und schön, dass es mir wie schon lange nicht mehr die Tränen in die Augen getrieben hat.  ;)  :respekt:

Da passt wirklich alles perfekt, die Bilder, die Gesten, die Dialoge, das "Tempo".

Auch schauspielerisch ist der Film wieder großartig, wenn auch ganz anders angelegt als beim Vorgänger.

Und der Film ist auch eine tolle Reflexion über den Tod, die Menschen, die damit weiterleben und wie neue Bindungen entstehen können und aufgetrennte wieder eingegangen werden können.
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Three little devils jumped over the wall...

Shub

8 März 2008, 16:36:37 #3 Letzte Bearbeitung: 8 März 2008, 20:29:22 von Shub
Mittlerweile ist der Film ja schon seit einigen Tagen auf DVD draußen und ich habe ihn auch endlich gesehen.
Meiner Meinung nach ist "Auf der anderen Seite" Akins reifste Regiearbeit und sein stärkster Film bisher. Wie Paul bereits gesagt hat, hier ist wirklich alles perfekt aufeinander abgestimmt. Die Bilder, die Geschichte(n), die Charaktere, sogar die Musik passen perfekt und sorgen für ein außergewöhnliches Filmerlebnis. :respekt:
Das mit den angesprochenen "Zufälligkeiten" ist vielleicht der einzige Punkt, der mir an diesem nahezu perfekten Film negativ aufgefallen ist, aber das fällt nicht allzu sehr ins Gewicht, wenn man die Gesamtkomposition betrachtet.

9/10
Zitat von: Algo
mein kraftstoff ist mumusaft

Klugscheisser

Auch gestern gesehen. Und ich muss sagen:  :icon_eek:

Unglaublich gut!

Tja, mehr als Paul und Shub schon dazu gesagt haben, fällt mir auch gerade nicht ein. Einfach ansehen und mitgenommen werden!  :respekt:

Einen Vergleich zu Akins anderen Filmen und vor allem mit "Gegen die Wand" kann ich so nicht liefern - fest steht nur, dass der auf jeden Fall demnächst nochmal geguckt werden muss.

Und zum Zufall: Hat mich eigentlich gar nicht gestört, bzw. fand ich nicht negativ anzumerken. Eigentlich bleibt er ja immer folgenlos. Und witzig, als der Prof/Buchhändler Lotte fragt, wie denn ihre Freundin heiße, hätte ich fast den Fernseher angebrüllt, dass sie gefälligst den richtigen Namen sagen soll  :icon_lol:. Aber so ist das eben im Leben. Manchmal weiß man gar nicht, wie nah man seinem Ziel wirklich ist und entfernt sich dann wieder davon.

psychopaul

Zitat von: Klugscheisser am  9 März 2008, 12:54:35
Aber so ist das eben im Leben. Manchmal weiß man gar nicht, wie nah man seinem Ziel wirklich ist und entfernt sich dann wieder davon.

Schön gesagt.  :icon_smile:

:icon_confused:  :icon_sad: :icon_mrgreen:

freut mich, dass euch der auch so gut gefallen hat.  :respekt:
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Klugscheisser

Zitat von: Bettwurst am  9 März 2008, 13:11:13
Schön gesagt.  :icon_smile:

:D

Eine Frage hätte ich noch:
Hat eigentlich Lottes Mutter die Polizei verständigt oder ist die Polizeikontrolle Zufall?
Wie seht ihr das?

psychopaul

Pff, lange her.  :icon_razz:

wie und wo hat die denn stattgefunden?
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Three little devils jumped over the wall...

Klugscheisser

Ayten hat sich mit Lottes Mutter gestritten ("Fuck the EU!"), sitzt dann auf der Treppe vorm Haus und Lotte kommt mit dem Auto an. Ayten bittet Lotte, mit ihre Mutter zu suchen, und die beiden fahren nach Bremen. Nachts werden sie dann von der Polizie angehalten. Zuvor - als die beiden losfahren - schaut Lottes Mutter noch aus dem Fenster zu den beiden. Was sie da denkt, oder was in ihr vorgeht, war mir nicht sonderlich klar. Deshalb dachte ich erst, dass sie evtl. die Polizie angerufen hat.

psychopaul

hmm, glaube eher, dass es Zufall war. Obwohl die Mutter vielleicht schon die Polizei verständigt hat/hätte, um nach ihnen zu suchen, aber die haben sie ja im Straßenverkehr rausgefangen? noch dazu nachts, wenn ich mich recht erinnere?? das kann fast nicht geplant gewesen sein? aber vielleicht hat es Akin auch etxra so vage gehalten, damit beides möglich wäre - Zufall oder Plan  :icon_smile:

wie auch immer, jedenfalls scheiße gelaufen  :icon_confused:  ;)
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Three little devils jumped over the wall...

Klugscheisser

Ja, das war nachts. Die Figur der Mutter ist zu diesem Zeitpunkt ja noch sehr ambivalent, bzw. nicht wirklich zu deuten. Weiß sie z. B. das ihre Tochter lesbisch ist und das sie etwas mit Ayten angefangen hat? Und wie steht sie dazu? Da kam ich nur dann drauf, bzw. hat mich die Szenenfolge irgendwie drauf gestoßen, dass es die "böse" Mutter war (dann hätte die Polizei das Kennzeichen gewusst und "gezielt" nach ihnen gesucht).
Tja, wirklich beantworten können wir die Frage wohl nicht. Ist mir nur gerade wieder eingefallen. :D

psychopaul

Jo, solche "Kleinigkeiten" machen dann ja auch zum Teil den Reiz aus.  :icon_smile:

Und gerade das mit der Mutter ist ja so interessant, weil sie mit ihren Ansichten und Handlungsweisen ja garantiert nicht so ganz unbeteiligt an dem weiteren Ablauf der Ereignisse war (hoffe, dass ich jetzt keinen Blödsinn rede  :icon_mrgreen: ). Das macht dann auch die Szenen mit ihr gegen Ende des Films noch intensiver und berührender.

Jetzt bekomme ich schon Lust drauf, den nochmal zu sehen.
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Klugscheisser

Zitat von: Bettwurst am  9 März 2008, 14:02:52
Jo, solche "Kleinigkeiten" machen dann ja auch zum Teil den Reiz aus.  :icon_smile:

Definitv!  :respekt:
So macht man gute Filme.  :D

Zitat von: Bettwurst am  9 März 2008, 14:02:52
Jetzt bekomme ich schon Lust drauf, den nochmal zu sehen.

Hehe. Ich auch...
Hach, das Ende ist auch so grandios. Zumal ja auch hier wieder offenbleibt, ob Nejat (?) - falls er denn wieder zurückgeht - Ayten bei sich zu Hause noch antrifft.

Und noch eine Frage:
Nejat gibt seinem Vater doch ein Buch und sagt "Und lies das Buch". Was für ein Buch ist das, bzw. weiß jemand etwas über den Inhalt?

Shub

Zitat von: Klugscheisser am  9 März 2008, 14:20:42
Hach, das Ende ist auch so grandios. Zumal ja auch hier wieder offenbleibt, ob Nejat (?) - falls er denn wieder zurückgeht - Ayten bei sich zu Hause noch antrifft.

Was das Ende angeht, hätte ich auch eine kleine Frage. Bin ich eigentlich der einzige der denkt, dass Nejats Vater raus aufs Meer gefahren ist, um Selbstmord zu begehen?

Zitat von: Klugscheisser am  9 März 2008, 14:20:42
Und noch eine Frage:
Nejat gibt seinem Vater doch ein Buch und sagt "Und lies das Buch". Was für ein Buch ist das, bzw. weiß jemand etwas über den Inhalt?

Laut IMDb soll es sich um die "Die Tochter des Schmieds" des türkischstämmigen Schriftstellers Selim Özdogan aus Köln handeln. Siehe hier und hier.

Infos zum Buch gibt es z.B. bei amazon.de. ;)


Zitat von: Algo
mein kraftstoff ist mumusaft

Mr. Vincent Vega

Eine kleine GF-Geschichte: Nachdem wir uns einige Male im Kino gesehen und via Crumb/Rügi etwas kennengelernt hatten, bemerkten Robi van Gore und ich, dass meine Mom mal seine Lehrerin war. Noch obskurer wurde es, als wir vor einigen Tagen darüber sprachen, dass er mit seiner Klasse früher sogar bei uns zuhause war und wir vor 13 Jahren sogar schon mal gemeinsam auf einer Klassenfahrt waren (ich als kleines Anhängsel, Robi als Schüler der 10. Klasse). Dass wir uns da also so lange später unbekannterweise über zehn verschiedene Ecken treffen und quasi so einige Überschneidungen in der Vergangenheit hatten, war schon ein ziemlicher Zufall, der gezeigt hat, wie klein die Welt ist.

Was will ich damit sagen? Wer dem Film Konstruktion und Unglaubwürdigkeit vorwirft, sollte sich vielleicht noch einmal Gedanken darüber machen, wo überall Verbindungen herrschen, die man überhaupt nicht kennt oder wahrnimmt.

Aber AUF DER ANDEREN SEITE ist noch wegen so viel mehr ein Meisterwerk.

psychopaul

Genau darum, weil das Leben so komplex ist und auf dieser Welt wohl alles passieren kann und schonmal passiert ist, halte ich auch das Argument von Überkonstruktion oder unglaubwürdig bei Filmen in sehr vielen Fällen für völlig daneben.

Zum Ende: es war zwar nicht mein erster Gedanke  ;) aber ja, vor allem da solange nichts mehr kommt, ist auch das eine Möglichkeit, andererseits besteht wenigstens noch ein bißchen Hoffnung auf ein Wiedersehen.
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McKenzie

Ganz abgesehen auch davon, das Akin m. E. elegant jede prätentiöse Herumreiterei auf diesem narrativen Motiv vermeidet (Einziger Kipp-Moment ist die Sequenz, in der sich das Auto und die Straßenbahn mit Yeter und Nejat kreuzen). Es ist im Endeffekt ja nur ein "Kunstgriff", der es ermöglicht, die Charaktere und ihre Entwicklungen / Veränderungen noch etwas weiter auszubauen, eigentlich wäre es gar nicht mal nötig gewesen (wohl aber reiz- und sinnvoll), es könnten auch einzelne, voneinander unabhängige Episoden sein. Es wird hier aber voll ausgeschöpft - was man von vielen dieser "Schicksale zusammenführen"-Arthouse-Filmen nicht behaupten kann.

Einer weisen Eingebung folgend habe ich den Film auf dem Türkei-Deutschland-Festival hier in Nürnberg noch ein zweites Mal im Kino gesehen (Nurgül Yesilçay war da) und musste leider feststellen, das er mir plötzlich sehr fremd vorkam, völlig im Gegensatz zur 1. Sichtung die mich vollkommen umgeworfen hat. Daher bin ich schon sehr gespannt auf den DVD-Werdegang des Films und hoffe, das er auf dem Monitor nichts von seiner Unmittelbarkeit verliert.

Übrigens muss ich das einfach noch los werden: Die Kussszene zwischen Ayten und Lotte auf der Party ist einer der schönsten mir bekannten Filmküsse überhaupt, alleine wegen dieser kurzen Sequenz könnte man diesen großartigen Film wieder und wieder sehen.  :icon_eek:
ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

Mr. Vincent Vega

Endlich erneut gesichtet.

Mcknezies Empfindung kann ich nachvollziehen und mit Abstrichen auch teilen - mir kam der Film nun auch ein wenig ... ich finde kein Wort dafür ... vor, er konnte mich nicht auf die gleiche Weise fesseln wie beim ersten Sehen.

Das allerdings spricht keinesfalls gegen den Film. Ich wusste nun, auf was ich mich einzustellen habe, und vor allem habe ich AUF DER ANDEREN SEITE letztes Jahr als derartige Bereicherung wahrgenommen, als einen Film, der mir etwas erzählt über Kultur und Menschen, das ich noch nicht wusste und kannte. Er kann von daher nur anders funktionieren beim zweiten Mal, er muss es sogar.

Und vieles mehr fiel mir dieses Mal auf, viele Feinheiten, die Akin den Figuren mit auf den Weg gibt. Wie ähnlich er Lotte und deren Mutter zeichnet, wie fein und sorgfältig. Zu Hochtouren läuft er für mich im zweiten Akt auf, hier plötzlich inszeniert Akin noch dynamischer, noch geschlossener und fesselnder. Die ganzen Szenen mit Ayten und Lotte sind grandios, man spürt förmlich, wie hier ein Autor (auch, aber nicht nur im literarischen Sinne) alle Zügel fest in der Hand hält. Und wie der Film ganz generell Raum lässt, wie er Raum schafft, das ist großartig und absolut meisterlich.

Ich war weniger berührt und eingestellter auf den Film, und dennoch hat er nichts von seiner Faszination verloren. Er bleibt für mich das absolute Glanzlicht des deutschen Kinos seit Ewigkeiten.

McKenzie

Zitat von: Mr. Vincent Vega am  9 April 2008, 02:53:36
Er bleibt für mich das absolute Glanzlicht des deutschen Kinos seit Ewigkeiten.

... und ein ebensolches ist aber eindeutig auch "Gegen die Wand", den ich kürzlich ENDLICH gesehen habe. Großartig (allerdings natürlich  ;) nicht so groß wie "Auf der anderen Seite"). Was du an dem auszusetzen hast...?

Zweifellos hat Akin aber sein persönliches Meisterwerk noch nicht gedreht, ich bin mir sicher das er in Zukunft irgendwann noch etwas größeres, "ultimativeres", vollkommeneres aus dem Hut zaubern wird. Und darauf freue ich mich schon sehr.

PS:
Taugt die DVD etwas? Man sollte bei einer Neuerscheinung von Pandora-Film davon ausgehen können, aber nichts ist ausgeschlossen...
ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

Mr. Vincent Vega

Ich muss GEGEN DIE WAND nun freilich noch einmal sehen. Beim ersten Mal hat er mich zwiegespalten zurückgelassen.

Ich schaue den Film gerade mit Audiokommentar, der ganz angenehm zu hören ist. Akin erzählt recht filmtheoretisch (aber einfach) und erklärt seine Bildkompositionen (ich wurde schon mehrfach "bestätigt" - gestern bei der Zweitsichtung fiel mir z.B. auf, dass sämtliche Einstellungen ein "auf der anderen seite" abbilden und suggerieren, was auch stimmt). Die Interviews auf Disc 1 sind sehr gut (Schygulla ist zum Niederknien), bei Disc 2 bin ich noch gar nicht angekommen, freue mich aber tierisch auf die Extras.

Im Übrigen halte ich AUF DER ANDEREN SEITE für Akins Meisterwerk. :icon_cool:

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