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Blau ist eine warme Farbe / La vie d’Adèle – chapitres 1&2

Begonnen von KrawallBruder, 28 Dezember 2013, 13:28:46

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KrawallBruder

Ich war gestern im Film und musste mit leichtem Erstaunen feststellen, dass es hier noch gar keinen Thread gibt. (Immerhin Preisträgerfilm der Goldenen Palme 2013)



Release Date (Germany): 19.12.2013
Regisseur: Abdellatif Kechiche
Darsteller: Léa Seydoux, Adèle Exarchopoulos, Salim Kechiouche
Genre: Drama, Liebesfilm

Inhalt:
ZitatMädchen gehen mit Jungs aus – das stellt die 15-jährige Adèle zunächst nicht in Frage. Doch das ändert sich schlagartig, als sie Emma trifft. Die Künstlerin mit den blauen Haaren lässt sie ungeahnte Sehnsüchte entdecken, bringt sie dazu sich selbst zu finden, als Frau und als Erwachsene. Atemberaubend, intensiv und hautnah erzählt Abdellatif Kechiche (Couscous mit Fisch) in BLAU IST EINE WARME FARBE diese universelle Liebesgeschichte. Mit der Goldenen Palme von Cannes zeichnete Jury-Präsident Steven Spielberg nicht nur den Film als Meisterwerk aus, sondern verlieh sie erstmalig auch an die beiden Hauptdarstellerinnen für ihre grandiose schauspielerische Leistung.
(http://blauisteinewarmefarbe.de/inhalt.html)

OFDB:
http://blauisteinewarmefarbe.de/inhalt.html

Trailer:
BLAU IST EINE WARME FARBE | Trailer german deutsch [HD]


Meine bescheidene Meinung:
Ich hatte vor dem Film ein wenig Bedenken, da ich glaube ich noch nie einen Liebesfilm gesehen habe, der 175 Minuten geht...beim Abspann habe ich mich dann gewundert, dass der Film schon vorbei ist.
Ich denke man muss sich auf den Film einlassen, dann kann er auch seine volle Wirkung entfalten und einen mitnehmen. Wer mit Vorurteilen in den Film geht, wird sich sicherlich drei Stunden lang langweilen.
Die schon so oft diskutierten lesbischen Sex-Szenen im Film empfand ich ehrlichgesagt als gar nicht so schlimm, aber teilweise irgendwann peinlich. Man kann sich richtig vorstellen, wie unangenehm der Dreh für die Darstellerinnen gewesen sein muss, wenn es hieß für die dritte oder vierte Sex-Szene noch einmal ihr Geschlechtsteil in die Kamera zu drehen. An sich wirkten einige Szenen einfach zu aufgesetzt und dadurch übertrieben.
Wenn man aber über diese Sachen hinweg sieht, ist es durchaus ein guter Film.

Nerf

Mit Sicherheit der überschätzteste Film des Jahres. Im Kern das umpfzigste Liebesdrama um zwei Menschen, die von vornherein nicht zusammenpassen, trotzdem zusammenkommen und sich schließlich wieder trennen - mit all der Aufdringlichkeit inszeniert, zu der das französische Autorenkino in der Lage ist. Pausenlos wird insistiert, dass beide Damen aus verschiedenen Welten kommen, bei der einen gibt's Austern zu Abend, während die andere ständig nur ihren Spaghettipamps zusammenrührt, die eine ist "Künstlerin" und umgibt sich daher mit einer sinnentleert daherschwafelnden Entourage, die andere kann da natürlich nicht mitreden und kommt sich doof vor etc. Garniert mit Klischee-Randfiguren wie dem coolen schwulen besten Freund und der homophoben Klassenzicke.

Und garniert natürlich mit dampfendem Sex, den Gottseidank schon genug echte Lesbierinnen im Netz als schwüle Ausgeburt eines männlich-voyeuristischen Geistes entlarvt haben - ich fand die Szenen bestenfalls anstrengend, mitunter albern, niemals erotisch, niemals leidenschaftlich.

Ganz, ganz schlimm.
You've been chosen as an extra in the movie adaptation
Of the sequel to your life.

Chili Palmer

Zitat von: Nerf am 28 Dezember 2013, 14:04:34
Und garniert natürlich mit dampfendem Sex, den Gottseidank schon genug echte Lesbierinnen im Netz als schwüle Ausgeburt eines männlich-voyeuristischen Geistes entlarvt haben - ich fand die Szenen bestenfalls anstrengend, mitunter albern, niemals erotisch, niemals leidenschaftlich.

Moderne Beziehungsdramen sind so gar nicht meins, deswegen werde ich mir dazu wohl beizeiten auch keine eigene Meinung bilden, aber:
Ist der Blick der Kamera in solchen Szenen nicht immer voyeuristisch? Und kann ein männlicher Regisseur solche Vorwürfe überhaupt irgendwie vermeiden?
"I'm an actor, love, not a bloody rocket surgeon".

"Der Terminader is ja im Grunde so'n Kaiborch."

Private Joker

Zitat von: Nerf am 28 Dezember 2013, 14:04:34

Und garniert natürlich mit dampfendem Sex, den Gottseidank schon genug echte Lesbierinnen im Netz als schwüle Ausgeburt eines männlich-voyeuristischen Geistes entlarvt haben - ich fand die Szenen bestenfalls anstrengend, mitunter albern, niemals erotisch, niemals leidenschaftlich.


Ja, das ist genau die KritikerInnengruppe, die ich vor dem Ansehen freizügiger Frauenfilme auch immer konsultiere. Und wenn ich mir ein eher hetero-orientiertes Erotikdrama raussuche, schaue ich auch immer erst mal auf den Seiten der katholischen Landfrauen-Filmgruppe nach, ob der Sex da hinreichend bibeltreu inszeniert wurde (Missionarsstellung, Bettdecke dazwischen und möglichst viel Kleidung an).
"Ich bin zu alt für diesen Scheiß" "Dem Scheiß ist es egal, wie alt Du bist" (James Grady - Die letzten Tage des Condor)

ratz


Die Sache mit dem Bildungsgefälle ist, glaube ich, auch eine spezifisch französische Kiste, wo es ein borniertes, aber einflußreiches (Bildungs-)Bürgertum immer noch gibt. Letzteres wurde ja nach dem Krieg vor allem im Osten Deutschlands zielgerichtet ausradiert.
Es gibt übrigens zur Bildungsthematik einen aktuellen deutschen Beitrag (den ich nicht gesehen hab): Scherbenpark.

Im Übrigen habe ich wirklich Wichtigeres auf der Liste, als zwei Teenie-Weibern drei Stunden lang bei der zeitgemäß homosexuellen Selbstfindung zuzusehen  :scar:

RoboLuster

Zitat von: ratz am 29 Dezember 2013, 15:49:48
Im Übrigen habe ich wirklich Wichtigeres auf der Liste, als zwei Teenie-Weibern drei Stunden lang bei der zeitgemäß homosexuellen Selbstfindung zuzusehen  :scar:

:icon_lol:  Ja, genau.
https://youtu.be/RPQOMyyg9b8                          
"Shoot first, think never!" - Ash

Nerf

Zitat von: Private Joker am 28 Dezember 2013, 16:08:53
Ja, das ist genau die KritikerInnengruppe, die ich vor dem Ansehen freizügiger Frauenfilme auch immer konsultiere. Und wenn ich mir ein eher hetero-orientiertes Erotikdrama raussuche, schaue ich auch immer erst mal auf den Seiten der katholischen Landfrauen-Filmgruppe nach, ob der Sex da hinreichend bibeltreu inszeniert wurde (Missionarsstellung, Bettdecke dazwischen und möglichst viel Kleidung an).

So ganz kann ich den Sinn deines Postings nicht erfassen, aber ja - wenn du ein bibelbasiertes Erotikdrama bewerten willst, solltest du hierfür auch die Bibel zu Rate ziehen.
Wenn es um einen Film geht, der ach so natürlichen Sex zwischen ach so natürlichen Frauenzimmern darstellen will, dann darf man durchaus ein Auge darauf haben, ob dieses Unterfangen geglückt ist, oder ob der Mann auf dem Regisseursstuhl einfach seine eigenen Fieberphantasien umgesetzt hat. (Letzteres scheint der Fall zu sein.)

Lässt man mal die Nackedeiszenen beiseite, bleibt ein hausbackenes Dramödchen, bei der vor allem das schauspielerische Unvermögen von Mme. Exarchopoulos auffällt.
You've been chosen as an extra in the movie adaptation
Of the sequel to your life.

PierrotLeFou

Zitat von: Nerf am  3 Januar 2014, 14:25:43Lässt man mal die Nackedeiszenen beiseite, bleibt ein hausbackenes Dramödchen, bei der vor allem das schauspielerische Unvermögen von Mme. Exarchopoulos auffällt.

Ich kenne den Film jetzt nicht, hoffe allerdings nach wie vor, dass er mir gefallen wird... und selbst wenn er "nur" einen recht soliden Beziehungsstreifen ohne darüber hinausreichenden Mehrwert darstellen sollte, dann wäre das angesichts seiner Verlagerung in die Homosexualität nicht das schlechteste, was einem so unterkommen kann.


ZitatWenn es um einen Film geht, der ach so natürlichen Sex zwischen ach so natürlichen Frauenzimmern darstellen will, dann darf man durchaus ein Auge darauf haben, ob dieses Unterfangen geglückt ist, oder ob der Mann auf dem Regisseursstuhl einfach seine eigenen Fieberphantasien umgesetzt hat. (Letzteres scheint der Fall zu sein.)

Die Lesbe im Kino hat ja generell das "Problem", dass Männer hinter der Kamera oder vor der Leinwand in ihr häufig eine Abbildung erotischer Phantasien sehen. (Da bilde ich selbst wohl auch keine Ausnahme und wenn man diesen Umstand bereits als sexistisch bezeichnen möchte, dann wäre ich das wohl nur insofern eher weniger, weil ich Schwule oder Heteropaare ebenfalls auf vergleichbare Weise wahrnehme; ich finde es zunächst auch gar nicht sonderlich schlimm, andere Menschen gelegentlich auch mal als Sexobjekt wahrzunehmen; das ist nunmal unvermeidlich und geschieht in jeder Beziehung, in jedem Flirt usw., weil der oder die Andere für einen selbst immer auch einen Objektstatus besitzt... allenfalls im Orgasmus - oder in der tiefreichenden Liebe mancher Paare, die wirklich ihr gesamtes, jahrzehntelanges Leben miteinander verbracht haben - verschmilzt die Grenze zwischen zwei Menschen derartig, dass dieser Objekt-Status keinerlei Rolle spielt. Es käme für mich bloß darauf an, dass man andere Menschen nicht ausschließlich oder auch bloß überwiegend als Sexobjekt wahrnimmt.) Insofern habe ich durchaus ein wenig Verständnis dafür, dass - gerade bei Lesben, die sich ständig männlichen Blicken ausgesetzt sehen - diese Sexszenen (die ich allerdings nicht kenne) unangenehm aufstoßen.
Dennoch würde die Beurteilung von lesbischen Sexakten im Kino durch Lesben nicht ernster nehmen als die Beurteilung durch andere Menschen. Zum einen wurden beispielsweise Mitglieder lesbischer SM-Szenen jahrelang von Feministinnen heftig attackiert - und zwar auch (wenn nicht gar: vor allem) von lesbischen Feministinnen. Zum anderen stehen diesen kritischen Stimmen auch Aussagen der Darstellerinnen gegenüber, die sich durchaus dagegen wehren, sie hätten bloß die erotischen Phantasien eines männlichen Regisseurs umgesetzt und nicht auch eigene Vorstellungen erheblich einfließen lassen. (Es ist ja auch ein bisschen gaga anzunehmen, dass Lesben, Schwule, Hetero-Männer oder -Frauen allesamt denselben Sex praktizieren, den andere Menschen desselben Geschlechts und derselben Ausrichtung praktizieren.) Und selbst wenn ich da als männliches Wesen (oder ein anderes männliches Wesen) vor der Leinwand oder Bildschirm hocken und von diesen Szenen erregt werden sollte, so würde ich das weder dem Film noch mir selbst vorwerfen wollen: weshalb sollte ich denn die erotischen Spannungen einer Szene von der Geschlechtszugehörigkeit der Figuren abhängig machen? (Diese Abneigung gegenüber dem "männlichen Blick" kann ich angesichts der historischen Etwicklung nachvollziehen, aber angesichts einer Utopie von Gleichberechtigung, sexueller Aufgeschlossenheit und getilgten traditionellen Geschlechterrollen ist diese Abneigung letztlich selbst etwas, was noch überwunden werden müsste.)


(Ganz nebenbei: einer der Filme über lesbische Beziehungen, der sich am geschicktesten dagegen wehrt, einen männlichen Blick zu bedienen, ist Karoly Makks "Der andere Blick" (1982), in dem eine Lesbe vor einem Polizeibeamten über ihre strafbaren Neigungen berichten soll, das auch tut und schließlich dem Mann heftig wegen seiner voyeuristischen Haltung attackiert.)
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

PierrotLeFou

11 Mai 2014, 01:16:57 #8 Letzte Bearbeitung: 11 Mai 2014, 06:51:41 von PierrotLeFou
Endlich gesehen... :D

Zitat von: Nerf am  3 Januar 2014, 14:25:43Lässt man mal die Nackedeiszenen beiseite, bleibt ein hausbackenes Dramödchen, bei der vor allem das schauspielerische Unvermögen von Mme. Exarchopoulos auffällt.

Dem würde ich definitiv nicht zustimmen. Zwar war der Film leider keine Offenbarung für mich, aber wenn ich ihn im Rahmen reiner Liebesfilme betrachte, dann würde ich ihn schon zu einem der besten Beiträge in den letzten zwei, drei Jahrzehnten zählen. Schauspielerisches Unvermögen ist mir zumindest bei den Hauptfiguren nicht aufgefallen; der Exarchopoulos habe ich den etwas unsicheren & verletzlichen Charakter zu jeder Minute abgenommen. (Davon abgehen müsste ich die Leistung ja ohnehin daran messen, was von der Regie gefordert worden ist... und was das war, ist ja ziemlich unklar...)
Für mich war das ein unterhaltsames, einfühlsames Liebesdrama, das in ein trauriges und zugleich aber auch sehr gewöhnliches Ende mündet; zudem wird man zwischendurch nochmals darauf gestoßen, dass Homosexuelle (was Heteros, die es nicht betrifft, gerne leugnen) nach wie vor mit Homophobie konfrontiert werden, ohne dass der Film jedoch in einen Homophobie-Problemfilm ausarten würde... das wurde alles ziemlich ziemlich locker und unaufdringlich in 3 Stunden verpackt - und wenn ich etwas bemängeln müsste, dann wären es wohl folgende zwei Punkte:

1.) Wenn man an den Sexszenen etwas bemängeln will, dann sicher nicht die Art und Weise der jeweiligen Akte, sondern schlicht und ergreifend die Schönheit der Darstellerinnen; das macht aus den Szenen in erster Linie spekulative und (unangemessen?) erregende Momente und man kann sich denken, weshalb man denselben Film sicherlich niemals mit (z.B.) einer fettleibigen und einer schielenden Hauptdarstellerin zu sehen bekommen wird... (natürlich könnte man noch fragen, ob es nötig gewesen ist, diese Sexszenen überhaupt zu zeigen, gerade auch in dieser Konzentration auf die perfekte Erfüllung & Ekstase... aber dem Film geht es ja gerade auch darum, dass die Beziehung an sich ziemlich perfekt ist, um dann trotzdem zu enden...)
2.) Die Zweierbeziehung. Das ist ja bei Liebesfilmen keine Seltenheit, aber angesichts der äußerst freizügigen Sexszenen (die die intimsten Stellen dann aber doch verdeckt lassen) und der Wahl einer lesbischen Beziehung war ich doch etwas irritiert von dem doch arg konservativen Grundgerüst der Handlung, welches die Figuren Dreierbeziehungen oder offene Beziehungen gar nicht erst ernsthaft ins Augen fassen lässt. Im Grunde werden hier - wie in den meisten Liebesfilmen - die Probleme erst von den Figuren selbst geschaffen, die sich doch recht spießig verhalten.

Aber letztlich ist es vielleicht auch gar nicht verkehrt, dass ein Homo-Liebesfilm die Elemente traditioneller Liebesfilme übernimmt...
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

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