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Bringing Up Baby - Leoparden küßt man nicht (Ex-Film der Woche)

Begonnen von ratz, 5 August 2010, 02:00:05

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ratz

Leoparden küßt man nicht - Bringing Up Baby (1938)

Ich fürchte, wie bei wenigen Filmen sonst ist es bei diese Komödie angeraten, sollte man auch nur irgendwie die Voraussetzungen haben, sie im Originalton zu sehen. Ich hatte es ja schon oben erwähnt: Als er letztes Jahr im TV lief, gab ich nach wenigen Minuten auf und gebe daran der deutschen Synchro die Schuld (obwohl ich die jetzt nicht vorliegen habe und keine direkten Kritikpunkte festmachen kann) - dieser Kommentar könnte glatt von mir sein  :icon_mrgreen: Jedoch - der Originalton hat mich besänftigt und den Film unbeschadet überstehen lassen, ich habe diverse Male heftig gekichert und bin trotz ihres pausenlosen Schnatterns von der Hepburn veritabel angetan. Und am Ende war ich rechtschaffen erschöpft.

Nun. "Leoparden" gilt - nach mäßigem Kinoerfolg - seit Jahrzehnten als ein Meisterstück der Screwball-Komödie, und sicher nicht zu Unrecht. Nicht nur trifft hier eine Ladung von Dialogwitz (die für drei Filme gereicht hätte) auf ein wohldosiertes Maß von physischem Humor bzw. Slapstick, sondern wir haben mit Cary Grant und Katharine Hepburn auch eines der gutaussehend-charmanten Traumpaare der Kinogeschichte vor Augen. Die Handlung ist dermaßen vertrackt, daß sie unmöglich sinnvoll wiedergegeben werden kann, und trotzdem treffen die verschiedenen und zahlreichen Beteiligten ganz in Shakespeare-Manier in einem köstlichen Finale aufeinander, in dem verschiedene Irrungen und Wirrungen aufgeklärt werden. Nur die finale Paarfindung, auf die der ganze Film hinausläuft, wird für eine letzte Szene aufgespart, die noch einmal einen zusätzlichen Knalleffekt bietet. Besonders den Screwball-Aspekt hat Mr. V. Vega in seiner Kritik solide herausgearbeitet.

Es gibt noch einige Details, die ich interessant finde und einmal wahllos herausgreifen möchte. Da wäre zunächst die erstaunliche physische Agilität, die sowohl Grant als auch Hepburn an den Tag legen und die heute wohl aus verschiedenen Gründen undenkbar wäre. Grant machte ohnehin alle Stunts selbst und war aufgrund seiner Herkunft von clownesken Bühnenshows auch entsprechend trainiert, aber auch Hepburns Sturz etwa in Minute 23 ist nicht ohne und ungedoubelt. Diese Fähigkeiten stellen beide ja in "Holiday" aus dem selben Jahr noch einmal eindrücklich zur Schau.
Daß der Leopard ausgerechnet auf das Lied "I can't give you anything but Love" reagiert, ist ein seltsamer Zufall, denn ausgerechnet dieser Titel ist für mich durch Cassavetes' "Killing of a Chinese Bookie" und die deprimierende Darbietung im Stripclub "verdorben". Wäre interessant zu untersuchen, was es da genau für Querverbindungen gibt. Ansonsten kommt der Film übrigens völlig ohne Musik aus, die in dem Verbalgewitter auch keine Chance gehabt hätte.
Noch ein Kritikpunkt, der mich von Anfang an gestört hat: Zu keinem Zeitpunkt nehme ich dem großen, gutaussehenden Grant den trotteligen Wissenschaftler ab, in dieser Hinsicht ist er einfach eine kolossale Fehlbesetzung. Sicher muß man sich hier an die Gesetze Hoolywoods halten und Realismus ganz hintan stellen, vielmehr den Vehikelcharakter des Films für zwei Publikumslieblinge anerkennen.

Am interessantesten - und hier komme ich zum Punkt, den es sich vielleicht am meisten zu diskutieren lohnt - scheint mir im Film die Darstellung der Klassen- und Geschlechterrollen zu sein. Mr. VV hat sicher recht, wenn er die Handlung insgesamt im bourgoisen Milieu verortet. Und doch besteht ein beachtliches Gefälle zwischen der nicht arbeitenden, in den Tag hineinlebenden Millionärserbin und dem eher kleinbürgerlichen Wissenschaftler, der einer moralindurchfeuchteten Ehe entgegensieht und sich für Forschungsgelder einschleimen muß (erstaunlich aktuell übrigens). Das Selbstverständnis, das die Hepburn-Figur Dingen (z.B. dem Auto) und Menschen (Grant) entgegenbringt, ist ganz das eines Menschen, dem stets alles zur Verfügung stand und dem materielle Voraussetzungen nichts bedeuten. Entsprechend ist sie es auch, die in der Liebesgeschichte von Anfang an die Fäden in der Hand hält und und Ursache und Verlauf des Plots bestimmt. Die Grant-Figur kann immer nur reagieren und muß sich letztendlich auch dem Liebeswerben fügen, allein schon weil seine (übertrieben verbiestert dargestellte) Verlobte von der Hepburn-Figur vergrault wurde.
Ist das schon emanzipatorisch? Wir haben keine Gegenbilder zu diesem Frauenbild, abgesehen von der erwähnten Verlobten und der reichen Tante, die nicht weiter charakterisiert wird. Auf jeden Fall ist es das Bild einer starken Frau, die sich nimmt was sie will (auch wenn das, dem Zeitgeschmack entsprechend, die Ehe ist). In diesem Zusammenhang ist natürlich der verlorene Knochen - Bone - höchst pikant. Bekanntlich steht im heutigen Sprachbegrauch "Boner" für Erektion, ob das schon damals so war, weiß ich nicht. In einem Knochen ein phallisches Objekt zu sehen, ist jedenfalls nicht zu hoch gegriffen. Immerhin benutzt Grant ja auch erstmalig in der Filmgeschichte das Wort "gay" für Homosexualität (Minute 38), und sobald er im Damenfummel auftritt, verliert er seinen Knochen (Bone -> Penis) und damit seine Männlichkeit.
"My bone! It's rare, it's precious ... give it to me!"
Um so mehr ist er in der Folge dem weiblichen Lenkungswillen ausgesetzt und bekommt seinen Bone erst ganz zum Schluß, rechtzeitig zur und als Voraussetzung für die romantische (und nicht zuletzt sexuelle) Vereinigung, wieder. Ist das Ganze am Ende eine Erpressungsgeschichte, die sich um die Wiederherstellung männlicher Autorität dreht - die nur bedingt gelingt bzw. nur die Erektionsfähigkeit garantiert, um die weiblichen Zielstellungen und Ansprüche zu erfüllen?

Wenn ich in den letzten Thesen etwas zu kühn geworden bin, bitte ich um Entschuldigung, ich habe schon Bier getrunken. Nichtsdestoweniger schienen sie mir die Anknüpfungspunkte zu sein, die den Film auch für ein heutiges Publikum interessant und lohnenswert machen können.

cu, r.

Bretzelburger

Ich reagiere nur aus der Erinnerung, habe den Film aber mehrfach gesehen. Deine "I can't give you anything but love"-Haltung, die ja sehr persönlich ist, teile ich nun gar nicht. Der Song begleitet mich seit Jahrzehnten im positiven Sinn, bis zu einer eigenen Klaviervariante. Ich freue mich immer, wenn ich ihn zu hören bekomme.

Auch finde ich Grant als trotteligen Wissenschaftler sehr überzeugend - eine Rolle, die er übrigens mehrfach in anderen Filmen variierte. Grants Stärke liegt doch gerade in der Ambivalenz einer gewissen Weltfremdheit und der Fähigkeit, souverän und gewandt auftreten zu können. Dadurch hatte er nie die Glätte heutiger Lebemänner, die sich solche "Fehltritte" gar nicht mehr leisten können. Selbst ein Film wie Hitchcocks "Der unsichtbare Dritte" würde nicht funktionieren, wenn Grant nicht auch seine leicht gutgläubige Naivität mit brächte, obwohl er sich gleichzeitig als ziemlich tough erweist.

Die Hepburn selbst war sicherlich Mitte der 30er Jahre schon emanzipiert, was ihr das Dasein in Hollywood nicht immer erleichterte. Ihre Rolle sehe ich dagegen eher als Karikatur an, denn - wie du richtig sagst - beruht ihr "Habenwollen" als Tochter aus reichem Haus, eher den Gesetzesmäßigkeiten materieller Sucht, in diesem Fall auch hinsichtlich des Ehemanns. Ich bin mir sicher, dass Katherine Hepburn solche Frauen eher negativ fand, was man durchaus spürt. Deshalb sehe ich die Entwicklung nicht nur im Sinne der Männlichkeitsfindung des Wissenschaftlers, sondern auch im Begreifen menschlicher Werte bei ihr. Letztlich ist der Film eine Ansammlung von Karikaturen (gerade auch in den wunderbaren Nebenfiguren), der sich in alle Richtungen austobt.

Rollo Tomasi

Zitat von: ratz am  5 August 2010, 02:00:05
Am interessantesten - und hier komme ich zum Punkt, den es sich vielleicht am meisten zu diskutieren lohnt - scheint mir im Film die Darstellung der Klassen- und Geschlechterrollen zu sein. Mr. VV hat sicher recht, wenn er die Handlung insgesamt im bourgoisen Milieu verortet. Und doch besteht ein beachtliches Gefälle zwischen der nicht arbeitenden, in den Tag hineinlebenden Millionärserbin und dem eher kleinbürgerlichen Wissenschaftler, der einer moralindurchfeuchteten Ehe entgegensieht und sich für Forschungsgelder einschleimen muß (erstaunlich aktuell übrigens). Das Selbstverständnis, das die Hepburn-Figur Dingen (z.B. dem Auto) und Menschen (Grant) entgegenbringt, ist ganz das eines Menschen, dem stets alles zur Verfügung stand und dem materielle Voraussetzungen nichts bedeuten. Entsprechend ist sie es auch, die in der Liebesgeschichte von Anfang an die Fäden in der Hand hält und und Ursache und Verlauf des Plots bestimmt. Die Grant-Figur kann immer nur reagieren und muß sich letztendlich auch dem Liebeswerben fügen, allein schon weil seine (übertrieben verbiestert dargestellte) Verlobte von der Hepburn-Figur vergrault wurde.
Ist das schon emanzipatorisch? Wir haben keine Gegenbilder zu diesem Frauenbild, abgesehen von der erwähnten Verlobten und der reichen Tante, die nicht weiter charakterisiert wird. Auf jeden Fall ist es das Bild einer starken Frau, die sich nimmt was sie will (auch wenn das, dem Zeitgeschmack entsprechend, die Ehe ist). In diesem Zusammenhang ist natürlich der verlorene Knochen - Bone - höchst pikant. Bekanntlich steht im heutigen Sprachbegrauch "Boner" für Erektion, ob das schon damals so war, weiß ich nicht. In einem Knochen ein phallisches Objekt zu sehen, ist jedenfalls nicht zu hoch gegriffen. Immerhin benutzt Grant ja auch erstmalig in der Filmgeschichte das Wort "gay" für Homosexualität (Minute 38), und sobald er im Damenfummel auftritt, verliert er seinen Knochen (Bone -> Penis) und damit seine Männlichkeit.
"My bone! It's rare, it's precious ... give it to me!"
Um so mehr ist er in der Folge dem weiblichen Lenkungswillen ausgesetzt und bekommt seinen Bone erst ganz zum Schluß, rechtzeitig zur und als Voraussetzung für die romantische (und nicht zuletzt sexuelle) Vereinigung, wieder. Ist das Ganze am Ende eine Erpressungsgeschichte, die sich um die Wiederherstellung männlicher Autorität dreht - die nur bedingt gelingt bzw. nur die Erektionsfähigkeit garantiert, um die weiblichen Zielstellungen und Ansprüche zu erfüllen?
Wenn ich in den letzten Thesen etwas zu kühn geworden bin, bitte ich um Entschuldigung, ich habe schon Bier getrunken. Nichtsdestoweniger schienen sie mir die Anknüpfungspunkte zu sein, die den Film auch für ein heutiges Publikum interessant und lohnenswert machen können.

Nönö, ich glaube, das kann man schon son sagen.
Hab den Film jetzt auh längernicht gesehen.
Aber ich weiß, dass es in dem Film vor allem um eins geht: Sex!
Und da man das damals nicht so deutlich sagen konnte wie heute, hat man das alles sehr schon verklausuliert.
"Ich hab neulich gehört: 35 % der Zahlen und Fakten, die so kursieren, stimmen gar nicht! ... Das ist fast ein Drittel!" (Hagen Rether)
"Stellen sie sich einmal vor, es gäbe keine Autos, es gäbe keine Telefone und es gäbe keine Computer .... sie würden doch den ganzen Tag fernsehen, oder?" (Hagen Rether)

ratz

Zitat von: Bretzelburger am  5 August 2010, 10:21:50

Deine "I can't give you anything but love"-Haltung, die ja sehr persönlich ist, teile ich nun gar nicht.


Ja, da bin ich empfindlich. So werde ich mir auch A Clockwork Orange kein zweites Mal ansehen können, denn nach Jahren der Vergessensarbeit werde ich mir den Beethoven nicht noch einmal versauen. Bei irgendwelchen Ami-Schlagern kann ich damit leben  :icon_mrgreen:

Zu Grant: Was den Unsichtbaren Dritten betrifft, hast Du absolut recht, hier trifft er das perfekte Maß zwischen Naivität, Humor, Mann von Welt und Gigolo. Und auch sonst finde ich ihn absolut sympathisch, eben weil er den so uneitlen Hang zur Selbstironie hat. Trotzdem ist er in "Leoparden" - als Wissenschaftler und einen Gutteil trotteliger als im Unsichtbaren Dritten - unglaubwürdig und zu sehr Bild von einem Mann. Da helfen auch zu kurze Hosen und eine Harold-Lloyd-Brille nichts, seine Figur ragt schon arg weit ins Klamottige der überzogenen Nebenfiguren hinein. Besonders im Gegensatz zur doch irgendwie nachvollziehbaren Gestaltung der Hepburn-Figur fällt das auf.

Im Übrigen sind mir inhaltlich und formal noch eine ganze Handvoll Referenzen zu Shakespeare-Komödien ein- und aufgefallen, aber diese zu explikieren ist hier der falsche Ort (wertneutral gemeint!).

Zitat

Aber ich weiß, dass es in dem Film vor allem um eins geht: Sex!


Nun, diese Darstellung ist mir dann doch wieder etwas zu vergröbert  ;)

cu, r.

Mr. Vincent Vega

Ich habe den Film letztes Jahr wieder gesehen und er ist in meiner Wertschätzung noch gestiegen (das Review würde ich so heute im Übrigen nicht mehr unterschreiben). Finde ratz' Anmerkungen oben sehr zustimmenswert und halte das auch für den richtigen Zugang zum Film.

Wäre da nicht das letzte Drittel, das mit Timing-Problemen und einem erheblichen Verlust des Comedygehalts zu kämpfen hätte, wäre BRINGING UP BABY für mich sowas wie die absolut perfekte Komödie.

ratz

Zitat von: Rollo Tomasi (Telly Savalas) am  5 August 2010, 10:50:31

Und da man das damals nicht so deutlich sagen konnte wie heute, hat man das alles sehr schon verklausuliert.


Noch ein Nachtrag dazu: Bei folgender Szene ist mir neulich die Kinnlade runtergefallen. Entweder die Zensoren haben gepennt, oder ein Spaßvogel hats durchgewunken  :icon_mrgreen:

Heaven Can Wait (Lubitsch): Cigar Scene

cu, r.

MMeXX

11 August 2010, 17:43:41 #6 Letzte Bearbeitung: 11 August 2010, 17:51:11 von MMeXX
Nachdem ich mir nun auch den Audiokommentar von Peter Bogdanovich angehört habe, noch ein paar kurze Anmerkungen. Zunächst der AK selbst: Abgesehen von einigem Leerlauf sowie plötzlichem Gelächter und einigen eher schwach geführten Argumentationen ("It's better to see this on the big screen, because it's bigger.") gibt es doch einige interessante Informationen zu Hawks, Hepburn und Grant sowie vor allem zu den filmischen Aspekten (Länge einer Szene, Wahl der Einstellungen). Insgesamt eher durchwachsener Kommentar, weil die Informationsdichte nicht über den Großteil des Films gehalten werden kann. (Die Extras der US-DVD sind allgemein sehr umfangreich und ansehenswert.)

Den Film selbst fand ich sehr unterhaltsam. Allerdings bin ich mir bei folgender Anmerkung nicht recht sicher:
Zitat von: ratz am  5 August 2010, 02:00:05
Immerhin benutzt Grant ja auch erstmalig in der Filmgeschichte das Wort "gay" für Homosexualität (Minute 38),
Hast du das nach eigenem Ermessen so festgelegt oder irgendeine Quelle? Mir erschien die Verwendung des Wortes "gay" hier eher in seiner "traditionellen" Bedeutung, also eher als "überaus fröhlich/lustig". Wobei sich an diesem Beispiel auch sehr schön eine mögliche unterschiedliche Interpretation des Wortgebrauches/-verständnisses nachvollziehen lässt.


EDIT:
In Bezug zu der Sexualität ist natürlich auch die Zweideutigkeit des Titels nicht zu verachten. Da ist ja einerseits der konkrete Bezug zum Leopard "Baby", wie eben auch als interpretatorischer Ansatz das Heranziehen des "Babys/sexuellen Kindes" Huxley. Der ja von dem unter der Fuchtel stehen seine Verlobten herangezogen wird zu der "freien", weil auf echter Liebe aufbauenden Beziehung zu Susan - inklusive des Erlangen des "bones".

ratz

Zitat von: MMeXX am 11 August 2010, 17:43:41

Zitat von: ratz am  5 August 2010, 02:00:05
Immerhin benutzt Grant ja auch erstmalig in der Filmgeschichte das Wort "gay" für Homosexualität (Minute 38),
Hast du das nach eigenem Ermessen so festgelegt oder irgendeine Quelle?


Die englische Wikipedia-Seite widmet dem Umstand einen ganzen Absatz und belegt dies auch mit Literatur. Natürlich ist das Ganze dadurch nicht in Stein gemeißelt, aber in Anbetracht der dort dargelegten Fakten sowie der Tatsache, daß Grant die Stelle improvisiert haben soll und auch sonst kein ganz eindeutiges Privatleben führte, ist die Annahme einer homosexuellen Konnotation durchaus haltbar, finde ich.
Und stimmt, die Zweideutigkeit im Titel ergänzt noch prima den Reifeprozess des männlichen Helden.

Leicht OT: Macht Bogdanovich überhaupt noch eigene Filme, oder labert er nur noch in DVD-Extras über andere? Und daß er nicht immer der spritzigste/interessanteste Kommentator sein soll, hab ich schon wiederholt gelesen ...

cu, r.

Intergalactic Ape-Man

Hab mir den gestern angesehen und kann von dem meisten hier Gesagten wenig abweichen. Und vor allem nervte mich der Film dafür, daß ich Screwball und Slapstick nicht unbedingt mag, erstaunlich wenig. Das liegt wohl daran, daß Hawks abseits der Manegenunterhaltung nicht vergisst, die Figuren auch mit Identitäten zu versehen und daß bestimmte Situationen einfach köstlich ausgearbeitet sind. Das Timing auf der Polizeiwache, als der Sheriff reihum die Personen als Lügner darstellt, die eigentlich doch im Bett liegen, unter den regelmässig eintreffenden Leopardenjägern dem Wahnsinn nahe ist, gekrönt von Susans Nummer als Gangsterbraut*, ist mein persönliches Highlight. Diese Nähe zum Theater muß man bei der Inszenierung aktuellerer Filme missen.
Daß einen Bringing up Baby letztlich nicht weiter gebracht hat, muß man bei dieser Stilrichtung wohl kaum erwähnen. Aber wie Happy ist das Ende eigentlich? David ist doch eine sowas von arme Sau, daß er von dieser Nervensäge nicht wegkommt, kann man da eigentlich noch, ganz ungeachtet des sexuellen Subtextes, von einer Komödie sprechen?

Ich weiß nicht, was die zeitgenössische Kritik sagte und warum Leoparden küsst man nicht zuletzt nicht so erfolgreich gelaufen sein soll, obschon ich selber das Dauerfeuer stellenweise auch recht anstrengend fand. Mit His Girl Friday aber hat Hawks ja wohl genau darauf reagiert und dann eine ausbalanciertere Komödie abgeliefert, mit der ich ganz subjektiv viel mehr anfangen kann. Vielleicht ist der ungezähmtere Leopard aber für sich genau deshalb auch reizvoll?

* Es wird ja gesagt, sie würde Filme nachäffen. Ist das eventuell ein weiterer Verweis auf das gesamte Verhalten der Figur Susan?

ratz

Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 16 August 2010, 19:17:39

Daß einen Bringing up Baby letztlich nicht weiter gebracht hat, muß man bei dieser Stilrichtung wohl kaum erwähnen.


Im Sinne von: Wir haben nichts  dazugelernt?

Ich las mal irgendwo, die besten Komödien seien die, die haarscharf an der Tragödie vorbeischrammen. Ergänzen müßte man in diesem Fall: Bzw. die, die die Tragödie nur kaschieren. Das stimmt hier, denn er bekommt zwar seinen Knochen wieder, aber das Skelett (und damit das, was für ihn wichtig ist) bricht zusammen und er hat sie am Hals. So läßt sich das emanzipatorische Potenzial prima umbiegen in die patriarchalische Furcht vorm nudelholzschwingenden Weib  ;)

cu, r.

Intergalactic Ape-Man

Zitat von: ratz am 16 August 2010, 22:49:48
Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 16 August 2010, 19:17:39

Daß einen Bringing up Baby letztlich nicht weiter gebracht hat, muß man bei dieser Stilrichtung wohl kaum erwähnen.


Im Sinne von: Wir haben nichts  dazugelernt?

Ja, auch. Und die Anforderung an den Denkapperat ist halt eher, dem Feuerwerk zu folgen, als daß der Film wirklich (heraus-)fordernd wirken würde. Die Sexualisierung bestimmter Bilder ist ja nett, auch schlüssig, aber jetzt nicht gerade ein erfüllendes Motiv. Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, daß z.B. McGs Charlie's Angels Verfilmungen nicht frappierend ungleich anspruchsvoll, lediglich die Spielfreude in ein Kostüm von Explosionen, Blue Screen und Wirework kleidend, ausfallen würden. Das sei bitte nicht herablassend zu verstehen, denn letztere habe ich im O-Ton tatsächlich lieben gelernt, nachdem ich sie synchronisiert noch verabscheute.

Um auf deine Emanzipation Bezug zu nehmen: Ist Susan denn wirklich eine Nudelholzschwingerin? Ist sie nicht viel mehr ein verspieltes Kätzchen?

ratz

Zitat von: Intergalactic Ape-Man am 17 August 2010, 01:17:30

Um auf deine Emanzipation Bezug zu nehmen: Ist Susan denn wirklich eine Nudelholzschwingerin? Ist sie nicht viel mehr ein verspieltes Kätzchen?


Naja, vergriffen hab ich mich im Phrasen-Baukasten auf jeden Fall, meinte eher die Hosen-Anhaberin. Und Kätzchen ja (Achtung, neue Phrase) - doch mit Krallen.  :icon_rolleyes:

Aber den Vergleich mit Charlies Angels finde ich doch ungerecht, denn wo der eine auf One-Liner setzt, funktioniert der andere im verbalen Schlagabtausch, wo der eine mit klassischen (Theater-)Tugenden auskommt, braucht der andere ein Heer an Effektspezialisten. Hier Charisma, dort Titten. Und daß "Leoparden" noch in 50 Jahren gesehen werden wird, ist nicht schwer vorauszusagen, eben aufgrund der benannten Qualitäten, die keinem Alterungsprozess ausgesetzt sind. Bei Charlies Angels bin ich da nicht so sicher (und ich weiß auch nicht, ob ich ihn jemals noch mal sehen werde - wozu?).

cu, r.

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