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Die Katastrophe von Tschernobyl - 20 Jahre danach

Begonnen von .sixer., 26 April 2006, 16:33:13

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.sixer.

Vor genau zwanzig Jahren kam es im Kernkraftwerk beim ukrainischen (damals Sowjetunion) Tschernobyl zu einer Kernschmelze und anschließender Explosion im Kernreaktor. Über 5mio. Menschen waren und sind von den Folgen dieser Katastrophe mittelbar und unmittelbar betroffen (verschiedene Krebsarten und Erbschäden sind nur ein Teil der Gesundheitlichen Folgen) und noch heute leben Menschen in dem Gebiet um das Kraftwerk bzw. um die Sperrzone, die um das Kraftwerk errichtet wurde.

Auf www.tagesschau.de gibt es ein sehr interessantes Interview mit dem Journalist Ranga Yogeshwar (kennen vielleicht einige aus der Sendung Kopfball), der das Gebiet besucht hat.

Dieser Thread dient als Erinnerung an diese Katastrophe und kann gerne für sachliche Diskussionen genutzt werden.
"How do you know I'm mad?" said Alice
"you must be," said the cat, "or you wouldn't have come here."

Wir ham kein Strom,
wir ham kein Geld,
wir sind der geilste Club der Welt.

Shub

Zitat von: Dr. Schreck am 26 April 2006, 16:33:13
...und noch heute leben Menschen in dem Gebiet um das Kraftwerk bzw. um die Sperrzone, die um das Kraftwerk errichtet wurde.

Ich habe letztens eine Reportage über die Ukraine gesehen (ich glaube es war im Vorfeld der Parlamentswahlen), in der gezeigt wurde, dass in den letzten Jahren viele Menschen in ihre alten Häuser innerhalb der Sperrzone zurückgekehrt sind. Einige von ihnen sind so arm, dass sie auf den kontaminierten Böden Obst und Gemüse anbauen bzw. Pilze aus den naheglegenen Wäldern essen.  

Shub
Zitat von: Algo
mein kraftstoff ist mumusaft

MäcFly

Dass gerade die Ärmsten der Armen nicht die geringste Chance haben, abseits des verseuchten Gebietes eine neue Existenz zu beginnen, stimmt mich persönlich wirklich betroffen. Genauso wie mich das Verhalten der sowjetischen Regierung von damals (Dementieren der wahren Ausmaße etc.) noch heute wahnsinnig wütend macht. Was der Reaktorunfall damals auch in BRD für Reaktionen ausgelöst hat, weiß ich nur aus Schilderungen meiner Eltern, die persönlich ebenfalls sehr beunruhigt waren, da ich in der Woche nach dem Unfall geboren wurde. Die ganze Zeit liefen dann Radio und Fernseher, weil man ständig Infos über aktuelle Strahlenwerte bekommen wollte, in der Nachbarschaft hat kein einziges Kind mehr draussen gespielt, etc.

Ich empfehle ebenfalls www.tagesschau.de. Klickt dort mal auf die Multimedia-Box "Die ersten Tage nach dem Super-GAU" und seht euch die einzelnen Stationen an. Wo man Amateuraufnahmen von den sog. "Liquidatoren" sieht, die mit einfachsten Mitteln den radioaktiven Schutt ins Kraftwerk zurückschaufeln, läuft es einem wirklich eiskalt den Rücken runter. 
"Man muss immer darauf achten, dass man ein gewisses Niveau nicht unterschreitet - sonst ist es schnell aus."

"Wenn man Mubarak heißt oder Kosslick, dann kann man alles machen." (Uwe Boll)

Fäb

Auf 3Sat in "Kulturzeit" (sehr gute Sendung übrigens!) gab's letztens einen hochinteressanten Bericht über den Fotografen Igor Kostin der direkt nach der Katastrophe, heute auf den Tag genau vor 20 Jahren das erste Mal, vor Ort war und atemberaubende Aufnahmen gemacht hat.

Unter anderem hat er dokumentiert wie die bemitleidenswerten Würstchen, eben jene Liquidatoren, den Atomschutt beseitigt haben. Immer wieder ist er in das Gebiet gereist, es wurde zu seiner Lebensaufgabe. Zwar wurde logischerweise auch er zwischendruch von der Strahlung schwerkrank aber er lebt heute immer noch und scheint bei erstaunlicher Gesundheit zu sein. Zwischendurch haben übrigens immer wieder ob der hohen Strahlung seine Kameras versagt oder auf den Aufnahmen sind deutliche Streifen oder Striemen über das ganze Bild zu sehen, die von der Strahlung herrühren. Jedenfalls skurril-schreckliche aber gleichfalls wichtige Fotos die der Mann unter denkbar großer Lebensgefahr gemacht hat.

Wer es genauer nachlesen will, hier ist der Bericht in Textform von der 3Sat-Seite:

http://www.3sat.de/kulturzeit/lesezeit/89306/index.html


mfg
gr!nch, der damals auch gerade eben ein paar Wöchelchen auf der Erde war  :icon_eek:

Punkrockschuppen

Ich war zu der Zeit gerade mal 11 Jahre alt, und die gesamte Atmosphäre um die Katastrophe fand ich schon ziemlich gruselig.
Allerdings hatte ich damals keine wirkliche Vorstellung davon, was das ganze eigentlich bedeutet. (Versuch mal nem Kind "Radioaktivität" zu erklären, die man weder sehen, riechen, noch anfassen kann).
Ich kann mich noch gut an etliche Diskussionen der damaligen "Erwachsenen" erinnern wie z.B: Darf man noch frisches Gemüse kaufen, kann "das" auch Leitungswasser verseuchen usw.

Was mich heute noch aufregt, ist das solche Vorfälle immer noch heruntergespielt werden.

Ich selber habe jahrelang in nem großen Chemiekonzern gearbeitet, bei dem regelmäßig was in die Luft geflogen ist.
Aber zuerst heißt es immer :"Es besteht keinerlei Gefahr für die Bevölkerung".
Noch nichtmals dann, wenn die Cops mit Gasmasken den Verkehr regeln. Hab ich hier wirklich schon erlebt...

Df3nZ187

Gibt auch nen schönen Artikel bei Telepolis dazu: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/22/22535/1.html

Anonsten hat mich vor allem eine Dokumentation vor paar Tagen auf Phoenix geschockt, über den inzwischen blühenden Reaktor-Tourismus. Mit Geld kann man sich eben doch alles kaufen. Auch nen Urlaubsausflug in die Sperrzone mit Blick auf den Sarkopharg. -__-
www.anime-ronin.de

...in aufwendigen Studien sind wir zu folgendem, sensationellen Ergebnis gekommen:

Dodo

Habe gestern zufällig bei nem Kumpel die Tagesthemen gesehen, war auch interessant aufbereitet. Mich interessiert, wo Flo die 5 Millionen her hat, gestern war von 1 Mio die Sprache, und das war ein Greenpeace-Wert...

Hart fand ich, wie die Kinder in der Schule regelmässig auf Strahlung untersucht werden. Da war ein Junge, der ist schon total verseucht, aber die Eltern haben kein Geld, nur ein paar Meter wegzuziehen. Da frage ich mich, ob der Westen seine Milliardenspenden für die Ärmsten der Armen nicht am falschen Platz platziert...

MfG

Dodo

.sixer.

Zitat von: Dodo am 27 April 2006, 11:05:27
Habe gestern zufällig bei nem Kumpel die Tagesthemen gesehen, war auch interessant aufbereitet. Mich interessiert, wo Flo die 5 Millionen her hat, gestern war von 1 Mio die Sprache, und das war ein Greenpeace-Wert...

Die 5mio. waren natürlich ein Tippfehler. Wobei wenn man bedenkt, dass sogar im Bayrischen Wald noch heute Strahlung zu messen ist, dürfte die Zahl der indirekt betroffenen Menschen noch weit über 5mio liegen.
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Dodo

Hm, habe gerade in der OP auch was von 4,6 Mio gelesen. Wollte jetzt auch nicht den einen oder anderen Wert in Frage stellen, finde es nur komisch, dass es überall was anderes zu lesen gibt.

MfG

Dodo

.sixer.

Zitat von: Dodo am 27 April 2006, 11:55:20
Hm, habe gerade in der OP auch was von 4,6 Mio gelesen. Wollte jetzt auch nicht den einen oder anderen Wert in Frage stellen, finde es nur komisch, dass es überall was anderes zu lesen gibt.

MfG

Dodo

Das Problem ist wohl, dass die Folgen kaum zu erfassen sind. Aber ob es nun 1mio oder 5mio oder 10mio betroffene Menschen sind, sowas darf nicht wieder passieren.
Ich hoffe ohenhin, dass am Atomausstieg festgehalten wird. Das mag zum jetzigen Zeitpunkt für viele vielleicht unrealistisch klingen aber die Gelder sollte man lieber mal in die Erforschung von Alternativen stecken.
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Shub

Zitat von: Dr. Schreck am 27 April 2006, 11:16:34
Die 5mio. waren natürlich ein Tippfehler. Wobei wenn man bedenkt, dass sogar im Bayrischen Wald noch heute Strahlung zu messen ist, dürfte die Zahl der indirekt betroffenen Menschen noch weit über 5mio liegen.

Es sollen ja schon alleine über 200.000 Ex-Angehörige der Roten Armee betroffen sein, die aus allen Teilen der Sowjetunion zum Aufräumen abkommandiert und an forderster Front als sogenannte Liquidatoren eingestetzt wurden. Von diesen Soldaten soll angeblich keiner namentlich erfasst worden sein, sodass kein einziger in irgendeiner Statistik auftaucht.

Interessant finde ich auch diesen Artikel, der deutlich die Verharmlosung des Reaktorunglücks durch die Internationale Atomenergiebehörde anprangert.
ZitatBisher sind weniger als 50 Menschen durch den Atomunfall gestorben, höchstens 4.000 Tote sind noch zu erwarten
:doof:
Bei solchen Aussagen, fehlen einem echt die Worte. :icon_rolleyes:

Zitat von: Punkrockschuppen am 26 April 2006, 21:41:26
Ich war zu der Zeit gerade mal 11 Jahre alt, und die gesamte Atmosphäre um die Katastrophe fand ich schon ziemlich gruselig.
Allerdings hatte ich damals keine wirkliche Vorstellung davon, was das ganze eigentlich bedeutet. (Versuch mal nem Kind "Radioaktivität" zu erklären, die man weder sehen, riechen, noch anfassen kann).
Ich kann mich noch gut an etliche Diskussionen der damaligen "Erwachsenen" erinnern wie z.B: Darf man noch frisches Gemüse kaufen, kann "das" auch Leitungswasser verseuchen usw.

Ich war damals 7 Jahre alt und fand die Situation ebenfalls äußerst bedrohlich. Ich kann mich noch erinnern, dass meine Mutter kaum noch Gemüse und Frischmilch gekauft hat und meine Freunde und ich nicht mehr draußen spielen durften bzw. Regen meiden sollten etc.

Shub

Zitat von: Algo
mein kraftstoff ist mumusaft

Punkrockschuppen

Ich kann mich übrigens noch daran erinnern, das ich mit meinen Eltern in dem Sommer des GAUs nach Ungarn in den Urlaub gefahren bin.
Der Supergau war natürlich auch dort Gesprächsthema #1, aber so richtig verstanden hat das damals trotzdem keiner.

Die haben Dir da ne dicke Möhre hingehalten, und gesagt "Kuck mal. Da ist doch nix dran. Die kannste doch essen".

Sogesehen haben die meisten Menschen in ganz Europa genauso naiv gehandelt und gedacht, wie ich als 11jähriger.
Die Leute wurden einfach lange Zeit von den Medien für dumm verkauft, weil ja nur irgendwo in Russland ein AKW hochgegangen ist.

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