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Filmausstoß und Gewalt in Filmen

Begonnen von Die Sektion, 8 August 2006, 12:06:38

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Die Sektion

Und mal wieder eine Frage von mir.
Heute geht es mir darum ob man irgendwo herausfinden kann wieviele Filme pro Jahr/Dekade bspw. in Hollwood gemacht wurden. Ich bin der Meinung das in der Goldenen Ära des Kinos der Film einen viel höheren Stellenwert in der amerikanischen Kultur hatte als heute. Damals waren die Menschen nicht abgelenkt von PC-Games, Extremsportarten und anderen Freizeoitmöglichkeiten, also gab es (prozentual) mehr Filme damals!?! Eine weitere Frage ist das Thema der Gewalt.
Mein Vater behauptet standfest das es erst jetzt zu dieser Gewalt gekommen ist. Ich jedoch bin der Meinung das die Menge der Gewaltfilme eigentlich am Abschwächen ist und setzte ihm die Horrowelle der 70er Jahr entgegen unter (und auch die FIlme von bela Ludgosi und Boris Karloff)

Zwei Fragen also bei der ich Hilfe in Form von Links, Buchtipps etc. bräuchte:
1. Steigt mit der Verbreitung von Heimkino und erschwinglichen Kameras auch der professionelle Filmausstoß von bspw. Hollywood.
2. Müssen sich erst jetzt Eltern mit der filmischen Gewalt auseinandersetzen, oder begann die Extreme viel früher?


Danke

Moonshade

Ich möchte ein paar Standpunkte dagegen setzen:

1) Der Zustand der Gesellschaft hat sich in den vergangen 30 Jahren stark verändert und damit auch die Haltung gegenüber der visualisierten Gewalt.
Man könnte sagen, sie ist salonfähig geworden bzw. die Tabus des Zeigens haben sich verändert und sind abgeschwächt worden.
Die Erweiterung der Grenzen hat dazu geführt, daß brutale Horrorfilme inzwischen als normal angesehen werden, bzw. alles was angedeutet wurde, kann und darf jetzt bis zu einem gewissen Grad gezeigt werden.

2) Gewalt im Film ist ja auch immer ein Ausdruck des gesellschaftlichen Zustandes. Ich will nicht sagen, die menschliche Gesellschaft sei reifer geworden, aber Gewalt ist (wenn nicht selbstzweckhaft eingesetzt) meistens begründet durch die Umstände. Deswegen kann man das nicht verallgemeinern.

3) Durch die Zeigebereitschaft und -fähigkeit scheint der Gewaltlevel erhöht zu sein, Gewalt im Kino hat es aber immer gegeben.
Deswegen wäre eine genaue Beschreibung, welche Gewalt hier gemeint ist, angebracht. Ein simpler Western mit vielen Schießereien trägt das gleiche Gewaltpotential in sich, wie ein simpler Horrorfilm wie "Halloween".

4) Gewalt hat sich aus verschiedenen Gründen in den Fokus der Handlung gespielt und wird nicht mehr immer als Bestandteil des Films gesehen wie etwa in den alten Filmen. Die Betonung sorgt für die veränderte Form der Aufnahme bzw. der Wahrnehmung.

5) Die Möglichkeit der Filmproduktion mag sich durch die technische Weiterentwicklung und Zugänglichkeit erhöht haben, aber auch hier sehe ich das Wort "professionell" als nicht genügend definiert an, um dadurch urteilen zu können.
Der Kinoausstoß ist sicherlich geringer geworden, die DVD-Verbreitung sorgt zumindest für erhöhten Ausstoß konstengünstiger Produktionen.

6) Die Extreme sind altersabhängig. War früher Blut verboten, ist es jetzt salonfähig, genauso wie Küsse oder Sex. Auseinandersetzungen gab es schon früher, aber über Dinge, die heute als normal angesehen wurden - das hängt aber von dem Alter und der moralisch-ethischen Einstellung des Rezipienten ab.


Versuch doch mal, da ranzukommen: http://www.amazon.de/gp/product/3832408428/028-5189220-3826116?v=glance&n=299956
"Du hältst durch und ich halte durch und nächstes Jahr gehen wir einen saufen!

"Anything invented after you're thirty-five is against the natural order of things.!" (Douglas Adams)

"Gebt dem Mann ein verdammtes Puppers!"

Man Behind The Sun

Zitat von: Die Sektion am  8 August 2006, 12:06:38

2. Müssen sich erst jetzt Eltern mit der filmischen Gewalt auseinandersetzen, oder begann die Extreme viel früher?


die filmische gewalt begann tatsächlich schon in den frühen 70ern. ist nicht böse gemeint: aber wenn dein vater DAS nicht bemerkt haben sollte, dann ist er wohl erst in den 90ern aufgewachsen (das jahrzehnt, welches wohl prozentual die wenigsten gewaltfilme brachte.)

in den 70ern kamen filme heraus, die angeblich auch eine antwort auf die politischen umstände, größtenteils derer in den USA, sein sollten; "Texas Chainsaw Massare" oder "Night of the living dead" ('68) oder der nachfolger "Dawn of the dead" ('79) - alles gewaltfilme als antwort auf watergate, vietnam, konsumwahn und co.

vor etwa drei - vier monaten schrieb der "spiegel" im kulturteil, dass genau dieses phänomen heute wieder auf die leinwände vorschnellt. da wurden filme wie "hostel", "dawn remake" oder aber auch das "TCM remake" genannt. alles filme, die angeblich eine antwort auf krieg und terrorismus seien. inwieweit das stimmt, kann ich nicht beurteilen, dafür bin ich zu wenig mit der materie vertraut.

aber ich schweife ab: weder du, noch dein vater hat recht. die welle der gewaltfilme schwächt weder ab, noch ist sie gerade erst im kommen. die horrorfilme der 70er/80er, als auch solche "gewalt-epen" heutzutage wie "hostel" oder "hills have eyes" sprechen ganz klar dagegen.

was dein vater vielleicht gemeint haben könnte, ist, dass die gewalt heute durch bessere technik expliziter dargestellt werden kann...?
In heaven everything is fine.


Fäb

Vielleicht bezog sich sein Vater auch auf noch ältere Filme wie Hitchcocks Psycho (1960) etwa, wo ja nun wirklich fast überhaupt nichts zu sehen ist, und sich das meiste im Kopf des Zuschauers abspielt. Exemplarisch dafür die berühmtete "Duschszene". Durch die Schnitte wirkt die Szene viel heftiger als sie ist, denn de facto sind ja weder Messereinstiche in den Körper oder auch nur ein blanker Busen zu sehen. Und dennoch schreckten ja (laut Making Of) die Produzenten beim Testscreening bei dieser Szene auf und protestierten. Die Szene musste zurückgespult werden und den Herren vom Verleih klargemacht werden, dass da wirklich nichts derartiges zu sehen ist, sondern sich nur in der Einbildung abspielt, durch die geniale Schnittweise hervorgerufen.

Später, oder auch heutzutage hätte die gute Janet Leigh fröhlich dahingemetzelt werden können und die Kamera hätte voll drauf halten dürfen. Ob das wirkungsvoller ist, sei mal dahingestellt.

Die Sektion

O.k. erstmal Danke für das Feedback!

@Moonshade
Stimme dir in eigentlich all deinen Punkten zu. Besonders der Teil der Gewaltakzeptanz ist interessant und für meine weitere Diskussion sicherlich hilfreich. Eine Sache höchstens: Gewalt in Filmen war doch auch schon früher Zweck und nicht nur Rahmen (wenn ich dich richtig verstanden habe), oder mit welchem Film (wenn man es an einem festmachen kann) fängt der Selbstzweck der Gewalt an?

Mit professioniell meinte ich eigentlich alle Filme die der Öffentlichkeit zugänglich sind. Aber ich sehe ein das man das nicht belegen kann. Es gab doch auch schon mal einen Thread der sich mit der Anzahl der Filme beschäftigt hatte und zu dem Schluß kam, dass dieses Thema nicht zu berechnen sei.

Die technischen/gesellschaftlichen Konventionen (Stichwort Duschszene "Psycho") hatten wir natürlich bedacht! Wir hatten uns darauf geeinigt sie in eine Linie mit bspw. dem Kettensägenmassaker in "Scareface" (Brian dePalma) zu setzen. Also auch nicht gezeigte Gewalt, mit der richtigen Technik gefilmt, wird zu einer vom Zuschauer als real empfundenen Gewalt.

@Man behind the Sun
Ja, genau das habe ich meinem Vater auch gesagt. Er hat die 70er verschlafen. (... DDR!, also kann man ihm das unmöglich anlasten :icon_mrgreen:) Dennoch würde mich interessieren woher du das:
Zitat(das jahrzehnt, welches wohl prozentual die wenigsten gewaltfilme brachte.)
hast. Genau so  etwas in statsistischer Form suche ich nähmlich!

Nun in einem Punkt will ich meinen Standpunkt verteidigen. Ich denke wirklich das die Gewaltwelle vorbei ist. Immerhin sind viele der heutigen Sachen nur trostlose Remakes. Falls es wirklich interesse an diesem Sektor geben wüirde, dann würden auch hier Innovationen stattfinden. Aber ich gebe gerne zu, dass ich das recht sujektiv sehe. :icon_confused: :icon_mrgreen:

Danke auch für den Krieg und Terrorismus-punkt. Interessant, darüber hab ich noch nie nachgedacht!

@gr!nch
Was das explizite Darstellen der Gewalt angeht, hab ich das oben ja schon geklärt: Nicht gezeigtes haben wir (so weit es uns möglich war) dem später gezeigtem gleichgesetzt.
btw: Die Duschszene ist mir beim erstenmal Sehen gar nicht im Gedächtnis geblieben, erst durch späteres genaueres Beschäftigen hab ich sie mir "wirklich" angesehen. (Was nun wahrscheinlich genau das beweist was mein Vater beklagt, wir (meine Generation) stumpft ab!)


Man Behind The Sun

9 August 2006, 01:15:27 #5 Letzte Bearbeitung: 9 August 2006, 01:25:01 von Man Behind The Sun
Zitat von: Die Sektion am  9 August 2006, 00:50:07
@Moonshade
Eine Sache höchstens: Gewalt in Filmen war doch auch schon früher Zweck und nicht nur Rahmen (wenn ich dich richtig verstanden habe), oder mit welchem Film (wenn man es an einem festmachen kann) fängt der Selbstzweck der Gewalt an?

Das kann man in der Tat nicht wirklich festmachen. Ich würde aber sagen, dass es frühestens da angefangen hat, als Gewalt "geil" wurde, wozu aber immer noch der Reiz des Verbotenen zählte. In den Produktionsländern wie den USA waren solche Verbote ja nie vorhanden, deswegen brauchte man sich auch nicht an der Gewalt "aufgeilen", weil sie schlicht und einfach nicht "reizte" - sie war nun mal nicht verboten.

Filme wie Maniac, DOTD oder NOTLD stellen Gewalt keinesfalls selbstzweckhaft dar. Lediglich einige Jugendliche in den 80ern versuchten an diese Filme ranzukommen, um die Gewalt nicht als Rahmen des Films, sondern als Aufhänger dafür zu sehen, sich einen geilen "bluhd-Abend" zu machen.

Ich denke, dass die Italiener damit anfingen, die Gewalt Selbstzweckhaft darzustellen. Ich denke da an Fulci; wenig Story, viel Gekröse. Auch Cannibal Holocaust wollte mehr durch seine Gewalt schocken, als sie anstelle dessen als Rahmen einzusetzen.

Zitat von: Die Sektion am  9 August 2006, 00:50:07

@Man behind the Sun
Dennoch würde mich interessieren woher du das:
Zitat(das jahrzehnt, welches wohl prozentual die wenigsten gewaltfilme brachte.)
hast. Genau so etwas in statsistischer Form suche ich nähmlich!

Ich muss gestehen, dass ich das mal irgendwo gelesen habe, allerdings nicht mehr weiß, woher ich das hatte. Aber denk doch mal rein logisch: Die 80er sind vorbei, der Schock mit Hetzkampagne auf Gewaltfilme steckt noch in den Knochen. Hinzu kam, dass das Thema Horror schlicht und einfach ausgelutscht war; alles schon mal da gewesen und wenig Innovationen. Erst Mitte der 90er kam ja mit "Scream" eine neue kleine Horrorwelle.

Zitat
Nun in einem Punkt will ich meinen Standpunkt verteidigen. Ich denke wirklich das die Gewaltwelle vorbei ist. Immerhin sind viele der heutigen Sachen nur trostlose Remakes. Falls es wirklich interesse an diesem Sektor geben wüirde, dann würden auch hier Innovationen stattfinden. Aber ich gebe gerne zu, dass ich das recht sujektiv sehe. :icon_confused: :icon_mrgreen:

Das verstehe ich, aber was haben denn Remakes mit der Gewalt in Filmen zu tun? Nur weil die Filme nicht mehr innovativ sind, heißt das doch nicht, dass sie minder brutal sind?

Zitat
Danke auch für den Krieg und Terrorismus-punkt. Interessant, darüber hab ich noch nie nachgedacht!

Bitte! Das ist aber nicht von mir, sondern von irgendwelchen Medienwissenschaftlern. Auf der einen Seite klingt das plausibel und durchaus interessant, auf der anderen Seite aber auch etwas weit hergeholt. Naja.
In heaven everything is fine.


barryconvex

Zitat von: Man Behind The Sun am  8 August 2006, 13:43:55
Zitat von: Die Sektion am  8 August 2006, 12:06:38

2. Müssen sich erst jetzt Eltern mit der filmischen Gewalt auseinandersetzen, oder begann die Extreme viel früher?


die filmische gewalt begann tatsächlich schon in den frühen 70ern. ist nicht böse gemeint: aber wenn dein vater DAS nicht bemerkt haben sollte, dann ist er wohl erst in den 90ern aufgewachsen (das jahrzehnt, welches wohl prozentual die wenigsten gewaltfilme brachte.)


zu remakes / Gewalt
Ich denke, daß Gewalt in Horrorfilmen heute kaum noch als "subversiv" empfunden wird. (Ausnahme möglicherweise Asien, Beispiel Battle Royal). Sie ist auch nicht mehr auf ein Genre beschränkt, weil die 90er in ihrer Steigerung der
Kommerzialisierung ohnehin die meisten Genres eingestampft hat.
Gewalt wurde nicht nur gesellschafts- (Schweigen der Lämmer), satire- (Natural Born Killers) sondern auch komödienfähig (Pulp Fiction, From Dusk ...)



magdebürger

Als in einem der ersten Filme eine Eisenbahn auf die Zuschauer zufuhr, kreischten sie sehr erschrocken auf.
Als in THE GREAT TRAIN ROBBERY der leader of the gang am Ende (oder auch Anfang) des Films in das Publikum schießt, hat die filmische Gewalt einen ersten Höhepunkt erreicht. Das war 1903.
Zitieren wir die deutsche Nacktphilosophin H.Knef: "Von da an ging's bergab." Das neue Medium wurde erst als Rummelplatzattraktion miß(oder etwa doch richtig?)verstanden und dann als mögliche kulturelle Gefahr begriffen.
Als die Surrealisten im "Andalusischen Hund" ein Auge in Großaufnahme zerschnitten, erreichte die Gewalt im Stummfilm 1929 den absoluten Höhepunkt.
Dann wurde es neben der Bilderflut auch noch laut, die talkies kommen.
Und Frankensteins Monster wirft ein kleines Mädchen in's Wasser.
In Tod Brownings Freaks tauchen echte Freaks auf.
In Amerika gab es nun den Hays-Code, der für Sauberkeit im Kino sorgen sollte.
Dann kam die Farbe und in den Hammerfilmen der 50er war das Blut von Dracula blutrot.
Fuad Ramses schlachtet 1963 in BLOOD FEAST die Opfer brutaler denn je in langen Einstellungen ab.
Gewalt war am Anfang des Films und wird am Ende da sein. Die Schlachtereien in Shakespeares Königsdramen oder bei Aischylos lange vor Christus zeigen uns, dass es schon lange vor dem Film auf der Bühne Gewalt gab. Ist sie nun selbstzweckhaft oder dient sie der Handlung? Egal, sie ist da. Sie ist Teil von unserer Kunst und Kultur.
Es ist nun einmal so: Die Extreme begannen schon immer früher.

Moonshade

Zitat von: Die Sektion am  9 August 2006, 00:50:07
O.k. erstmal Danke für das Feedback!

@Moonshade
Stimme dir in eigentlich all deinen Punkten zu. Besonders der Teil der Gewaltakzeptanz ist interessant und für meine weitere Diskussion sicherlich hilfreich. Eine Sache höchstens: Gewalt in Filmen war doch auch schon früher Zweck und nicht nur Rahmen (wenn ich dich richtig verstanden habe), oder mit welchem Film (wenn man es an einem festmachen kann) fängt der Selbstzweck der Gewalt an?

Ich würds nicht Rahmen, sondern Element der Handlung nennen. Inzwischen sind ja einige Filme vorhanden, die nichts anderes tun, als Gewalt aneinander zu reihen.
Setzt man die Übernahme des Films durch die Gewalt irgendwo fest, gibt es leider auch immer Argumente dagegen.
Nominiere ich "Blood Feast", ist das nur eine Überhöhung bestehender Themen durch graphischere Effekte.
Nominiere ich heftige Giallos, kann man bei Argento von der Ästhetirisierung des Tötens sprechen.
Nominiere ich Romero, kommen wieder gesellschaftskritische Aspekte dagegen

Und die Definition von Gewalt steht eben immer noch aus, denn sie ist stets zeitlich einzuordnen (und damit laufenden gesellschaftlichen Veränderungen unterworfen) und hat keinen Anfang und kein Ende (ein Indianerangriff im Western von 1935 ist ebenso eine Gewaltorgie, nur vll. ohne die Zeigefreudigkeit.

IMO selbstzweckhaft sind Horrorfilme (jetzt speziell nur die) jedoch verstärkt durch die Direct-to-Video-Produktionen und den Homevideomarkt, wo es wirklich nur noch um eine Aneinanderreihung kreativer (hoffentlich zumindest) Mordszenen ging. Und auch da interpretieren manche noch reichlich rein und sei es nur der künstlerische Triumph der Machbarkeit durch Form über Inhalt, technische gegen narrative Elemente.
"Du hältst durch und ich halte durch und nächstes Jahr gehen wir einen saufen!

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