OFDb

Genres - Definitionen & eine gravierende Lücke

Begonnen von PierrotLeFou, 3 Juli 2013, 00:48:11

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Chowyunfat2

10 August 2013, 11:33:26 #30 Letzte Bearbeitung: 10 August 2013, 18:42:18 von Chowyunfat2
Ich muss meine endgültige Kapitulation noch mal etwas aufschieben...

Es geht euch also im Grunde nur darum, damit ihr in einer Genreliste alle Filme aufgelistet bekommt, die für euch "Horror" sind und es geht euch auf den Sack, dass Filme, bei denen nur Grusel steht, nicht dabei sind. Und was ist so unerträglich schlimm daran, einfach eine weitere Liste mit "Grusel" aufzumachen?

Mir geht es nicht um irgendwelche Genrelisten, sondern darum, einen Film auf der Übersichtssseite treffend zu charakterisieren (es soll ja Leute geben, die ungefähr wissen möchten, was sie erwartet). Und wenn bei "Enchanting Ghost" Grusel steht, weiß jeder, dass er dort keinen blutigen Schocker erwarten kann! Wenn jetzt bei allen reinen Gruselfilmen (ja, ich weiß für euch existieren die nicht, für mich aber) zusätzlich Horror drinsteht, wäre es - und wenn es wissenschaftlich gesehen noch so sehr korrekt ist - unnötig überfrachtet und man wüsste den Film nicht mehr so gut einzuschätzen, wie es vorher mit Grusel allein noch möglich gewesen ist.

EDIT:
Noch was zum Thema "kein etabliertes Genre":

Wenn buxtebrawler mit der IMDb um die Ecke kommen darf, dann kann ich auch die für chinesische Angelegenheiten deutlich wichtigere Orientierungsquelle HKMDb heranziehen. Dort wird nämlich in der Tat zwischen Horror- und Gespensterfilm unterschieden, dort nennen sie es "Ghost", dieser Begriff wird auf die OFDb übertragen imho optimal mit dem deutschen "Grusel" aufgefangen. Ihr könnt die HKMDb-Verantwortlichen ja mal fragen, wie die es finden würden, wenn man dort den "Ghost"-Filmen inflationär "Horror" hinzufügen oder es gar rauskicken würde.

PierrotLeFou

11 August 2013, 00:00:54 #31 Letzte Bearbeitung: 11 August 2013, 00:09:49 von PierrotLeFou
Zitat von: Chowyunfat2 am 10 August 2013, 11:33:26
Ich muss meine endgültige Kapitulation noch mal etwas aufschieben...

Es geht euch also im Grunde nur darum, damit ihr in einer Genreliste alle Filme aufgelistet bekommt, die für euch "Horror" sind und es geht euch auf den Sack, dass Filme, bei denen nur Grusel steht, nicht dabei sind. Und was ist so unerträglich schlimm daran, einfach eine weitere Liste mit "Grusel" aufzumachen?
Also mir geht es darum, Filme einem Genre nach Definitionen zuordnen zu können, die halbwegs einen Anspruch auf "Objektivität" haben... d. h. dass zu diesem Zweck Genredefinitionen herangezogen werden, die im Schreiben über Film verbreitet sind. "Grusel" existiert da meines Wissens noch nicht mal...

ZitatMir geht es nicht um irgendwelche Genrelisten, sondern darum, einen Film auf der Übersichtssseite treffend zu charakterisieren (es soll ja Leute geben, die ungefähr wissen möchten, was sie erwartet).
Aber dass nun jemand einen Geisterhausfilm beispielsweise nicht als Horrorfilm ansieht, weil er beinahe vor Langeweile eingeschlafen wäre, dann ist das doch sein eigenes Defizit... die Genrezuweisung kann sich auf gängige Definitionen des Genres beziehen... wenn jetzt jeder damit argumentieren wollen würde, welche seiner Freunde was wann als Grusel oder Horror ansehen würden, gäbe es doch ein heilloses Chaos...
Zugegeben: auch wenn Strukturalisten das anders sehen würden ist die Genrezuweisung keine reine Wissenschaft - aber woran soll man sich denn halten, wenn nicht an die Fülle von Sekundärliteratur, die im Hinblick auf die Definition seit Jahrzehnten keinen gravierenden Veränderungen unterliegt?

ZitatUnd wenn bei "Enchanting Ghost" Grusel steht, weiß jeder, dass er dort keinen blutigen Schocker erwarten kann! Wenn jetzt bei allen reinen Gruselfilmen (ja, ich weiß für euch existieren die nicht, für mich aber) zusätzlich Horror drinsteht, wäre es - und wenn es wissenschaftlich gesehen noch so sehr korrekt ist - unnötig überfrachtet und man wüsste den Film nicht mehr so gut einzuschätzen, wie es vorher mit Grusel allein noch möglich gewesen ist.
Das Drama muss auf der OFDb auch damit leben, dass das Melodram nicht extra gelistet wird, der Historienfilm muss damit leben, dass Heritage Filme nicht extra gelistet werden, die "Biografie" muss damit leben, dass Portraitfilme nicht extra gelistet werden, der Musikfilm muss damit leben, dass Musicals nicht extra gelistet werden, der Kriminalfilm existiert gar nicht erst sondern heißt gleich Krimi muss damit leben, dass Gangsterfilme nicht extra gelistet werden...
Da kann man doch als Horrorfilmfan froh sein, dass "Grusel" als zusätzliche Möglichkeit geboten wird... Daran muss sich meinetwegen auch nichts ändern (mehr Auswahl zu haben, ist immer gut) - aber dass Filme, die der gängigen Definition nach Horrorfilme darstellen, auch unter diesem Genre zu finden sind, sollte schon drin sein... ;)

Wie weiter oben bereits erwähnt: Ich denke an manche Filme, die ausschließlich ein wenig mit dunklen Nächten, wallenden Nebeln und Gewittern eine Atmosphäre erzeugen, und an Kinderfilme, in denen Motive des Horrorfilms eingesetzt werden, ohne dass mit ihnen irgendeine Form der Bedrohung einhergehen würde... In diesen Fällen sehe ich tatsächlich einen Mehrwert im Begriff "Grusel".

ZitatEDIT:
Noch was zum Thema "kein etabliertes Genre":

Wenn buxtebrawler mit der IMDb um die Ecke kommen darf, dann kann ich auch die für chinesische Angelegenheiten deutlich wichtigere Orientierungsquelle HKMDb heranziehen. Dort wird nämlich in der Tat zwischen Horror- und Gespensterfilm unterschieden, dort nennen sie es "Ghost", dieser Begriff wird auf die OFDb übertragen imho optimal mit dem deutschen "Grusel" aufgefangen. Ihr könnt die HKMDb-Verantwortlichen ja mal fragen, wie die es finden würden, wenn man dort den "Ghost"-Filmen inflationär "Horror" hinzufügen oder es gar rauskicken würde.
Wenn jetzt alle Genres und Subgenres aus wirklich allen Ländern dieser Welt in der OFDb Unterschlupf finden würden, hätte man sicherlich schnell Probleme, nicht allein wegen der vielen Mehrfachcodierungen...
Ich kann nun nicht sagen, wie seriös diese Datenbank ist (womöglich ziehen sie [das ist jetzt natürlich Quatsch und ich will diese Seite auch nicht diskreditieren] den Grusel-Begriff der OFDb heran, um "Ghost" zu rechtfertigen  :icon_razz:)[1], oder welche Genres in Hong Kong üblich sind... aber solange im deutschsprachigen Raum keine Genres definiert sind, die Subgenres oder womöglich als eigenständig angesehene Genres des (z.B.) asiatischen Raums "übersetzen", halte ich es für wenig sinnvoll, einfach auf (aus der Luft gegriffene) Umgangsprachenbegriffe wie Grusel zurückzugreifen.

Natürlich hat der asiatische Film (bzw. einige Teile davon) hierzulande auch viele Fans und wenn eine Mehrheit da sein sollte, die der Meinung ist, dass diese Filme unter Horror und Fantasy nicht ausreichend aufgehoben sind und dass es im Entstehungsland dafür ein eigenes Genre gibt... ja, dann wäre es meiner Meinung nach einer Überlegung wert, ob man nicht die Original-Genrebezeichnung dieses Landes quasi als Zitat übernimmt und das spezielle, ortbeschränkte Genre über entsprechende Literatur zu diesem Genre definiert... (Der Anime steht hier ja auch für sich, obwohl der Animationsfilm ansonsten gar nicht weiter differenziert wird!) "Grusel" halte ich hingegen für völlig unangebracht, gerade weil es dann wieder Einträger verlockt, europäische oder amerikanische Horrorfilme unter dieser Sparte einzutragen, bloß weil sie diese als harmlos empfinden.
Zudem müsste man genau gucken, ob nicht solche asiatischen Filme hierzulande auch unter dem Begriff des Horrorfilms aufgegriffen werden... (Und da müssten sie dann auch aufgelistet werden, da sich die OFDb bislang ja auf deutschsprachige Genres stützt.) Der japanische "K(w)aidan" beispielsweise taucht im Hinblick auf den Horrorfilm ja immer wieder mal in der Literatur auf.



1.) Oder sie schnappen sich gleich das Subgenre des Ghost Films aus dem englischen Sprachraum, das wie der Zombie Film letztlich eben nur ein Subgenre darstellt, dessen Fans natürlich immer beteuern, dass es was ganz anderes ist als der Horrorfilm
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

PierrotLeFou

6 September 2013, 09:15:43 #32 Letzte Bearbeitung: 13 September 2013, 00:31:42 von PierrotLeFou
Zitat von: MMeXX am  7 August 2013, 09:50:59
Sehr schöne Arbeit! :respekt:

Dennoch: Aus meiner Sicht wäre es ganz praktisch, die Texte zunächst hier zur Diskussion/zum Gegenlesen zu präsentieren, um eben ggf. vor der Aufnahme noch Anmerkungen und Korrekturen anzubringen.

Na dann will ich mal einen Text zur Diskussion stellen... :icon_mrgreen:

Ich wollte mir ja erst den Experimentalfilm vornehmen - wird nun vermutlich Samstag od. Sonntag passieren -, habe mich dann aber für den Horrorfilm entschieden, um dann irgendwann demnächst zu gucken, was mir zum - hier "umstrittenen" - "Grusel" einfallen würde...


Eins vorweg: Der Text ist lang geworden, ich weiß... Ich hatte mich an meine Länge zum Essayfilmtext gehalten und mir als Grenze eine Seite in Schriftgröße 9 gesetzt... jetzt sind es über 2 Seiten geworden. :icon_confused:
Die ersten beiden Blöcke (nach dem Fettgedruckten) liegen mir sehr am Herzen, da würde ich nicht unbedingt größere Passagen kürzen wollen, weil mir dort der Informationsgehalt höher zu sein scheint als im restlichen Teil, der ja bloß einen filmgeschichtlichen Überblick gibt. Komplett weglassen würde ich persönlich diesen filmgeschichtlichen Überblick eher nicht, könnte mir allerdings deutliche Kürzungen vorstellen - wenn ich momentan auch nicht weiß, wie und wo in diesem Bereich das besonders sinnvoll wäre...
Vom Aufbau her habe ich mich einfach an den Essayfilm-Text gehalten...



jetzt der Text:



Horrorfilm: Genre, das in der Regel dem Bereich des Phantastischen Films zugeordnet wird, wobei die Definition von Phantastik in diesem Zusammenhang eine explizit maximalistische – und keine strukturalistisch-minimalistische, welche die Phantastik als ununterscheidbares Nicht-System zwischen dem Realen und dem Wunderbaren verortet – ist. Der Horrorfilm verfolgt – in unterschiedlich starker Ausprägung – das Ziel, dem Publikum ein Gefühl des Schauderns oder Schreckens zu vermitteln. Auslöser dieses Gefühls war zunächst das Fremde, die klassischen Halbwesen: Tiermenschen, Vampire, Geister... später auch das Eigene: die engsten Mitmenschen, das Abjekte des (eigenen) Körpers und gar der Wahn der eigenen Psyche.


Der Horrorfilm hat eine lange literarische Tradition, deren Beginn man gemeinhin in dem Entstehen der engl. gothic novel und dem dt. Schauerroman gegen Mitte/Ende des 18. Jh.s sieht. Die gothic novel bringt dabei zwei verschiedene Schulen hervor: die school of terror, zu der die frühen Werke von Ann Radcliffe zu zählen wären, welche die wunderbaren Ereignisse mit natürlichen Erklärungen versehen, und die school of horror, die mit M. G. Lewis' Roman "The Monk" (1796) beginnt und auf natürliche Erklärungen ebenso verzichtet, wie sie zugleich skandalöse und sadistische Elemente ausreizt. Lewis' Roman – von der deutschen Schauerliteratur beeinflusst – beeinflusste seinerseits die späteren gothic novels und den Schauerroman erheblich. Über den ab Lord Byron & W. Polidori einsetzenden Boom an (nicht selten sexuell aufgeladener, doppeldeutiger) Vampirliteratur – kulminierend in dem penny dreadful "Varney the Vampire" (1845) und B. Stokers "Dracula" (1897) –, die viktorianischen Geistergeschichten eines Le Fanu, die Nachtstücke E. T. A. Hoffmanns, die contes cruels Villiers de L'Isle-Adams oder die Tales of the Grotesque and Arabesque E. A. Poes hat die Horrorliteratur im 19. Jh. einen festen Korpus gewonnen, zu dessen Repertoire noch Tiermenschen, Kunstmenschen & lebende Statuen, Teufel, Hexen, Erscheinungen & Visionen, Verwandlungen & Doppelgänger, sowie – teilweise auch völlig ohne wunderbare Elemente – Martern und makabere Situationen zählen, während zu den Autoren zahlreiche Namen der Weltliteratur gehören. Poe wird dabei häufig als "Vater der modernen Horrorgeschichte" (Zondergeld, Wiedenstried (Hg.): Lexikon der Phantastischen Literatur. Weitbrecht 1998; S. 398) bezeichnet. Doch weder der Begriff der Horrorliteratur, noch der Begriff der Phantastischen Literatur (und selbst der Begriff des Schauerromans) wurden einer einheitlichen, allgemeinverbindlichen Definition unterzogen. (Vgl. Durst: Theorie der phantastischen Literatur. Lit 2007; S. 17-128. Zondergeld/Wiedenstried: Lexikon der phantastischen Literatur. S. 413-414.)

Die Problematik der Definition betrifft auch den Horrorfilm. Zunächst ist anzumerken, dass der Horrorfilm als fester Terminus lange Zeit gar nicht etabliert ist. Die Illustrierte Film-Bühne bezeichnet "King Kong" (1933) im Jahr 1953 als Thriller. S. Kracauer bespricht Horrorfilme noch 1960 unter dem Oberbegriff des Fantastischen, dem er sogar die Trickeffekte des Slapsticks zuordnet. (Vgl. Kracauer: Theorie des Films. Suhrkamp 1985; S. 115-134.) In "Das Grauen im Film" (1940) behandelt er (gestellte) Hinrichtungen & Naturkatastrophen unter dem Label des Grauens & des Entsetzlichen; und unter dem Titel "Hollywood's Terror Films" (1946), von ihm als Hollywoods Greuelfilme übersetzt, fasst er verschiedene Abstufungen des Thrillers zusammen – darunter "Gaslight" (1944), "The Spiral Staircase" (1945) & "Shock" (1946) –, deren Erfolg er vor dem Hintergrund des Krieges deutet und dabei die Ablösung einer einstmals populären Bedrohung wie (z.B.) dem Frankenstein-Monster Karloffs durch eine gegenwärtig populäre Bedrohung (z.B. dem unscheinbaren Nachbarn) thematisiert, ohne jedoch dabei den Begriff des Horrorfilms zu verwenden... Diese Analyse Kracauers ließe sich mit geringen Modifikationen auf den Übergang vom klassischen zum modernen Horrorfilm übertragen. (Vgl. Kracauer: Kino. Suhrkamp 1974; S. 25-27, 27-35.) Der Begriff des Horrors fällt dann jedoch in einem seiner Hauptwerke: 1947 bezeichnet er die auf Poe und Hoffmann rekurrierende Handlung in "Der Student von Prag" (1913) als "Horror-Story" (Kracauer: Von Caligari zu Hitler. Suhrkamp 1984; S. 37) und bezeichnet "Das Cabinet des Dr. Caligari" (1919) als "Schauergeschichte im Geiste E. T. A. Hoffmanns" (A. a. O. S. 71). Unter dem Rückgriff auf die Literatur konnte Kracauer deren Kategorisierungen auf den Film übertragen – was auch für L. H. Eisners "Die dämonische Leinwand" (1955/1975) gilt.
Auch im englischsprachigen Bereich setzt sich die Bezeichnung horror film erst spät durch: Werbeplakate früher Genreklassiker sprechen von der story of the strongest Passion the world has ever known! ("Dracula" (1931)), vom Chilling thriller ("Frankenstein" (1931)) oder Chill thriller ("Bride of Frankenstein" (1935)), verleihen z.B. Karloff den Beinamen The Uncanny ("The Mummy" (1932)) und schmücken die Plakate mit den Begriffen Thrills, Terror, Fantastic, Weird oder Horrifying. In der Presse wurden diese heutzutage als Horrorfilme gefassten Klassiker nicht selten auch als thriller bezeichnet.
Dass sich die Laemmles bei Universal vollkommen bewusst auf die literarischen Klassiker der gothic novel und des victorian gothic konzentriert haben, steht ebenso außer Frage wie die Tatsache, dass die entsprechende Literatur längst unter dem Label horror aufgegriffen worden ist. Dennoch setzt sich gegenüber den Kategorisierungen des chillers oder thrillers der horror film erst im Laufe der Zeit durch. Endgültig etabliert hat er sich dann breits in den 60ern: I. Butlers "The Horror Film" (1967) & C. Clarens "An Illustraded History of the Horror Film" (1968) – nach M. Laclos Klassiker "Le Fantastique au cinéma" (1958) und den Bänden F. J. Ackermans die frühesten populären Buchpublikationen zum Horrorfilm – zeugen davon. Artikel in Filmmagazinen häufen sich zudem mit dem Entstehen der Horrorfilme der Hammer Studios in den späten 50ern. In den 70ern steigt die Zahl der Veröffentlichungen zum Horrorfilm – auch hierzulande – rapide an; was damit zusammenhängt, dass generell "[e]ine publizistische Diskussion zur Bestimmung dessen, was ein Filmgenre ausmacht, [...] in den 60er & 70er Jahren begonnen [hat]." (Jung: Dracula. Filmanalytische Studien zur Funktionalisierung eines Motivs der viktorianischen Populär.Literatur. WVT 1997; S. 51.) Jung merkt an, dass diese Werke vorwissenschaftlich ausgerichtet, meist für Laien geschrieben worden und in ihrer Genredefinition daher eher unsystematisch sind. Entsprechend breit gefächert wird der horror film daher z.B. bei Butler definiert: neben Filmen, die einzig auf die Erzeugung des horrors abzielen, nennt er noch Filme, in denen das Gefühl des horrors essenziell sei aber nicht das einzige Interesse darstelle, Filme, in denen sich zumindest einzelne, kurze Momente eines Gefühls des horrors ausmachen ließen, Filme, in denen ein Gefühl des horrors einer naturalistischen Ausrichtung inhärent sei, und schließlich Dokumentarfilme, in denen Auslöser dieses Gefühls direkt dokumentiert werden.
Darum bemüht, den Horrorfilm stärker von benachbarten Genres – dem Thriller (einst geradezu synonym verwandt), Fantasy- & Science Fiction-Film – abgrenzen zu können, stellt das "Oxford Companion to Film" (1976) vier Kriterien auf, die allesamt erfüllt sein müssen: "1. das Vorkommen fantastischer Elemente, deren Handlungsweise oder bloße Präsenz lebensbedrohend wirken und deren Existenz wissenschaftlich nicht oder nur unzureichend erklärbar ist – dazu gehören auch Extremfälle pathologischen Vernichtungstriebs oder sich selbst erfüllende Angstvorstellungen [...]; 2. der Appell an die Angst des Zuschauers vor dem Unbekannten und Übermächtigen [...]; 3. eine subjektive, das heißt furchtverstärkende Darstellung der Ereignisse [...]; 4. das gemeinsame Einverständnis von Filmemachern und Publikum, daß der erzeugte Schauder als auf der Basis akzeptierter Konventionen künstlich erzeugt und im Endeffekt furchtlösend verstanden wird." (Filmlexikon 1: Filme A-J. Rowohlt 1984; S. 294.) Diese bemerkenswert zeitlose Definition hat heutzutage den letzten Punkt vermutlich dennoch eingebüßt, wenn man die Authentifizierungsstrategien der sich bei einer found footage-Ästhetik bedienenden Horrorfilme der letzten Jahre berücksichtigt.
Konkreter an den Motiven des Genres angelehnt fällt Stigleggers Definition aus: über die Bedrohung durch übernatürliche Mächte/Wesen, die Visualisierung des Innenlebens Wahnsinniger, die Übertreibung einer von Menschen ausgehenden Gefahr, die von einem Menschen besitzergreifenden Mächte, die innerfilmisch im Rahmen von Intrigen bloß inszenierten Schocks oder die verfluchten Orte/Objekte steckt er den Rahmen des Genres ab, wobei alle Punkte als im Dienst der Angsterzeugung stehend betrachtet werden. (Vgl. Stiglegger: Horrorfilm. In: Koebner (Hg).: Sachlexikon des Films. Reclam 2007; S. 311-312.)
Dieses bereits im Wort 'Horror' steckende Moment der Angsterzeugung ist allerdings problematisch: diese auch auf dem Gebiet der Literatur – z.B. von H. P. Lovecraft, R. Caillois oder L. Vax – geforderte Bedingung wurde spätestens mit T. Todorov entkräftet. Auch auf dem Gebiet des Films wird diese Bedingung durch das von Individuum zu Individuum, von Zeitraum zu Zeitraum, von Ort zu Ort verschiedene Angstempfinden untergraben: allenfalls spekulativ wäre die intendierte oder gelungene Angsterzeugung eines Filmes auszumachen, wobei zumindest ein psychoanalytischer Zugriff über den Begriff des Abjekten eine fundierte Argumentationsbasis liefert – welche jedoch nicht den Wirkungsverlust der Angsterzeugung im Laufe der Jahre berücksichtigen kann. Seeßlen/Jung kommen zwar in "Horror. Geschichte und Mythologie des Horrorfilms" (2006) um den Begriff des Unheimlichen nicht herum, listen jedoch auf 100 Seiten Voraussetzungen des Genres, den Ansatz einer Ikonographie des Genres und Fundamente, Strukturen & Kontexte der Angst auf. Das Halbwesen & die Phantastik - begriffen als sich ausbreitende "alte Form des Mythos in den Rissen des neuen Wissens" (Seeßlen, Jung: Horror. Geschichte und Mythologie des Horrorfilms. S. 14) -, die Gewalt und religiöse & sexuelle Subtexte gehören dabei zu den Aspekten, mit denen sich (auf weiteren 800 Seiten) das sich über die Jahrzehnte hinweg wandelnde Genre beschreiben lässt.

Das Genre des Horrorfilms etabliert sich – wie die meisten Genres – erst mit dem Tonfilm. Brownings "Dracula" und die folgenden klassischen Horrorfilmen der 30er Jahre (vor allem bei Universal, aber auch bei RKO) wären zu nennen: erst zu diesem Zeitpunkt beginnt die Serialisierung der Filme über Sequels ("Bride of Frankenstein") und Crossover ("Frankenstein Meets the Wolf Man" (1943)), während zugleich die Standardisierung von Strukturen ("The Mummy" ist beinahe ein freies Remake von "Dracula") & Motiven (Vampir, Werwolf, Mumie, Frankenstein-Monster, Mad Scientist und buckliges Faktotum) unter dem Einfluss amer. & dt. Vorläufer – sowie der literarischen Tradition – ansteigt und z.B. B. Lugosi & B. Karloff zu den ersten Stars dieses Genres avancieren, nachdem L. Chaney sr. – festgelegt auf monströse Rollen in makaberen Dramen – die Etablierung des Horrorfilms als eigenes Genre nicht mehr erlebte.
Dabei sind bekannte Stoffe der Horrorliteratur schon früh vom Film aufgegriffen worden: etwa in "Dr. Jekyll and Mr. Hyde" (1908), "Frankenstein" (1910), "Der Student von Prag" (1913) – unter Beteiligung H. H. Ewers – oder "The Avenging Conscience" (1914) nach Poe. Die bloßen Motive fanden bereits 1896 Einzug in den Film. Vor allem mit dem expressionistischen dt. Stummfilm kommt es zwischen "Das Cabinet des Dr. Caligari" (1919) und "Orlacs Hände" (1924) zu einflussreichen Vorläufern des Genres, die gerade in ihrem Spiel von Licht & Schatten vom amer. Horrorfilm der 30er ausgiebig zitiert werden. Weitere Vorläufer lassen sich in Frankreich & Schweden finden.
In dieser ersten Phase des Horrorfilms sind es vor allem die "Halbwesen, also [...] halb Mensch, halb Tier oder halb lebendig, halb tot oder halb Mensch, halb Dämon" (Seeßlen, Weil: Kino des Phantastischen. Geschichte und Mythologie des Horrorfilms. Rowohlt 1980; S. 9), die das Genre als Auslöser des Horrors dominieren, wobei sich nach Seeßlen/Weil ihre Herkunft der Natur, nicht – wie im Science Fiction Film – der Technik verdanke. Angesichts dieser fremdartigen, wenn auch ähnlichen Halbwesen wird der Horrorfilm dieser Jahre auf die "Formel vom Kampf des 'Eigenen' gegen das 'Fremde'" (Seeßlen, Jung: Horror. Geschichte und Mythologie des Horrorfilms. S. 128) gebracht, die freilich in einigen Stoffen – etwa im Fall von Jekyll & Hyde – bereits hinterfragt wird. Dabei wurden die Feindbilder immer wieder auf die Fremden der Realität zurückgeführt: auf die Osteuropäer etwa ("Dracula", "The Most Dangerous Game"), auf die Frau ("Cat People" (1943)) oder auf die Farbigen ("Dr. Jekyll and Mr. Hyde" (1931), "King Kong" (1933)). (Vgl. auch: Geyrhofer: Horror und Herrschaft. In: Witte (Hg.): Theorie des Kinos. Suhrkamp 1982; S. 55-60.)
Mit "Murders in the Zoo" (1933), "The Black Cat" (1934) und "The Raven" (1935) gerät – nach den eigenwilligen Vorstufen einiger L. Chaney sr.-Filme – zunehmend die Versehrung des eigenen Körpers zum Auslöser des Horrors, bis der Hays-Code diesen Produktionen einen Riegel vorschiebt. In den 40ern endete der Erfolg der Universal-Beiträge mit reißerischen Crossovern, während die "atmosphärisch stimmigen und bereits stark psychologisierenden Filme[] Val Lewtons [...] und Jacques Tourneurs" (Stiglegger. In: Koebner (Hg.): Sachlexikon des Films. S. 312) dominierten, in denen "eine neue Qualität des Schreckens präsentiert [wird]: Die Bedrohung liegt als Atmosphäre über dem ganzen Film; Schatten und Geräusche überzeugen von der Existenz einer unmittelbaren Gefahr, ihre Quelle bleibt jedoch buchstäblich im Dunkeln." (Sannwald: Horrorfilm. In: Rother (Hg.): Sachlexikon Film. Rowohlt 1997; S. 153.) In den 50ern vermischt sich der Horrorfilm nach diesem kurzlebigen Zwischenspiel zumeist mit dem Science Fiction Film: Als Monsterfilm ("Them" (1954), "Tarantula" (1955), "Gojira" (1954)) – in der Regel als Reaktion auf die Erfahrung der Atombombe verstanden – oder als Invasionsfilm ("Invaders from Mars" (1953), "Invasion of the Body Snatchers" (1956)) – in der Regel als Reaktion auf die McCarthy-Ära verstanden.
Ab Ende der 50er entsteht unter M. Bava in Italien, unter T. Fisher & den Hammer Studios in England und unter R. Corman & AIP in den USA eine – sadistischere und im sexuellen Subtext deutlichere – Rückkehr zum traditionell literarisch geprägten Horrorfilm: Mit Hammers Farbfilmen "Curse of Frankenstein" (1957) & "Dracula" (1958) hält erstmal das rote Blut als zentrales Motiv des Genres Einzug. Während sich dieser Boom des sogenannten gothic horrors bereits Ende der 60er, Anfang der 70er seinem Ende zuneigt, setzt sich ab H. G. Lewis' "Blood Feast" (1963) der Splatterfilm durch, der neben den Psychothrillern A. Hitchcocks ("Psycho" (1960) & M. Powells ("Peeping Tom" (1960)) die Wende zum modernen Horrorfilm herbeiführte. Die vor dem Hays-Code schon angedeutete Versehrung des eigenen Körpers dominiert die 70er & 80er, um sich kurz nach der Jahrtausendwende – unter dem Label torture porn – erneut im Kino zu entfalten: "Die extreme Körperlichkeit dieser Filme spiegelt sich auch in ihrer Begrifflichkeit, die auf blood and guts, 'Blut und Eingeweide', geronnenes Blut (engl. gore), herumspritzende (engl. to splatter) Körpersäfte und Innereien sowie auf aufgeschlitzte (engl. to slash) Leiber verweist." (Vossen: Einleitung. In: Dies. (Hg.): Horrorfilm. Reclam 2004; S. 11.) Unter der Regie G. A. Romeros ("Night of the Living Dead" (1968), "Dawn of the Dead" (1978)), W. Cravens ("Last House on the Left" (1972), "The Hills Have Eyes" (1977)), D. Cronenbergs ("Shivers" (1975), "Rabid" (1977)) und T. Hoopers ("Texas Chainsaw Massacre" (1974)) gewinnt dieser Körperhorror – der bei Hooper kaum explizit ausfällt – oftmals satirische Züge. Dagegen verliert sich dieser Ansatz in den 80ern in Sequel-reichen Slasher-Filmen... und gerät vermehrt auch zum Stein des Anstoßes bei Zensur & Kritik.
In den späten 60ern & den 70ern blüht zugleich der lateinamerikanische, europäische und asiatische Horrorfilm auf, nachdem er zuvor meist erst spät entstanden war und auf einzelne Werke beschränkt blieb: "El Fantasma del Convento" (1934) in Mexiko, "Ye ban ge sheng" (1937) in China, "La Torre de los Siete Jorobados" (1944) in Spanien oder "Yotsuya kaidan" (1949) in Japan stellen jeweils frühe, rare Ausnahmen in ihren Entstehungsländern dar, während in Deutschland mit R. Oswalds Tonfilm-Remake "Unheimliche Geschichten" (1932) die Tradition phantastischer Filmstoffe weitestgehend für Jahrzehnte beendet ist. Horrorfilme etablieren sich dann aber mit J. Franco ab 1962 in Spanien – wo P. Naschy unter L. Klimovsky & C. Aured zum Genrestar avanciert. In Frankreich wird J. Rollin mit erotischen Vampirfilmen ab 1968 populär, während in Belgien ab 1971 H. Kümel, J. Brismée & J. Franco mit eigenwilligen Filmen auffallen. J. M. Marins gerät ab 1964 in Brasilien zur Genre-Ikone, in Japan entstehen ab Ende der 50er vermehrt Beiträge, wobei Filme von N. Nakagawa ("Jigoku" (1960)), M. Kobayashi ("Kwaidan" (1964)) & K. Shindo ("Onibaba" (1964), "Kuroneko" (1968)) weltweit gewürdigt werden. In Italien dominieren in den 70ern vor allem Giallothriller, sowie - von einer Splatterästhetik gezeichnete - Zombie- & Kannibalenfilme gegen Ende der 70er & zu Beginn der 80er.
In den 70ern blühen erstmalig oder erneut zahlreiche Subgenres auf: okkulte Horrorfilme, Tierhorror-, Geisterhaus-, Zombie-, Hexenjäger-, Nonnen-, Rape-/Revenge-Filme & Psychothriller durchziehen das Genre. In den 80ern kommen vermehrt Slasher-Reihen & Videoproduktionen auf, während sich unter den ambitionierten Kinofilmen eine Rückläufigkeit bemerkbar macht, die teilweise auch mit dem Abklingen der europäischen Horrorfilmwelle zusammenhängt.
Anfang der 90er Jahre lebt eine Variation des gothic horrors auf, während zugleich der Serienkiller-Film an der Schnittstelle zwischen Thriller und Horrorfilm einen Popularitätsschub erlebt und ein Verschwinden der Splatterästhetik zu bemerken ist. Mit "Scream" (1996) kommt es zu einer kurzlebigen Welle reflexiver, metafilmischer Teenie-Slasher; nach deren Abklingen hält sich allerdings bei T. West oder R. Zombie das selbstreflexive Zitatspiel im Genre, während zudem die ästhetischen Anleihen bei found footage-Filmen einen kleinen Boom erleben. Nach der Jahrtausendwende gerät nach amer. Remakes verstärkt auch der jap. Horrorfilm ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Remakes holen ebenfalls – während Reboots zugleich unpopulär gewordene Filmreihen wiederbeleben – den Zombiefilm aus der Versenkung; sowie den Splatterfilm insgesamt, der über "Hostel" (2006) und die "Saw"-Sequels ein neuartiges – und unter dem umstrittenen Begriff torture porn gefasstes – Subgenre begleitet und auch in Frankreich populäre Filme hervorbringt. Zugleich erleben aber auch traditionellere Geisterfilme – mitunter mit einem Hommage-Charakter ausgestattet – ab der Jahrtausendwende und vor allem in den 10ern einen neuen Aufschwung. Diese Melange aus Selbstreflexion, dem Metafilmischen, der Hommage und dem Zitat mag eine Antwort auf die Krise darstellen, die dem Horrorfilm der 80er vielfach attestiert wird. (Vgl. Stiglegger. In: Koebner (Hg.): Sachlexikon des Films. S. 315. Vossen. In: Dies. (Hg.): Horrorfilm. S. 23-24.)


Weitere Literatur zum Horrorfilm:
Everson: Klassiker des Horrorfilms. Goldmann 1980.
Jung, Weil, Seeßlen: Der Horrorfilm. Regisseure, Stars, Autoren, Spezialisten, Themen, Filme von A-Z. Roloff 1977.
Stresau: Der Horrorfilm. Von Dracula zum Zombieschocker. Heyne 1987.






"zwei" Fragen meinerseits:

1.) Die Länge...:
Muss überhaupt gekürzt werden? Was haltet ihr für entfernbar? Macht es Sinn, einfach bloß zahlreiche weitere Wörter mit gängigen Abkürzungen abzukürzen und Trennstriche - wo möglich - durch Klammern zu ersetzen? (Ich glaube, man könnte damit zehn, zwölf Zeilen tilgen, weiß aber nicht, wie sich das auf den Lesefluss auswirkt...)
Wäre für diese Definitionen eine Ausklapp-Funktion wie bei den Review-Tipps möglich/sinnvoll? Oder sollte man die Definitionen hinter die Ranglisten hängen? (Die dürften ja letztlich interessanter sein, allein schon, weil sich da regelmäßig mal etwas tut...)

2.) Etwas naheliegendes...:
Gibt es - neben sicherlich reichlich vorhandenen Rechtschreib- & Flüchtigkeitsfehlern (ich habe noch nicht Korrektur gelesen) - Grund zur Kritik? (Stimmt etwas nicht, habe ich etwas wichtiges unterschlagen? Sollte etwas ausführlicher oder weniger ausführlich angesprochen werden? usw..)
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

ratz


Also bevor ich gleich Kritik äußere, erstmal ein mächtiges   :exclaim: :respekt::exclaim: für den sorgfältigen, ausführlichen und fundierten Text! Obwohl Du offenbar bis über den Stehkragen in der Materie steckst, ist sicher einige Zeit und Arbeit hineingeflossen, das merkt man und es verdient Respekt!

Nun meine Einwände:

1.
Zu lang? Absolut. Schade wäre es trotzdem drum, und eine Möglichkeit für den Interessierten, auf "Weiterlesen" zu klicken, sollte unbedingt her. In dem Zusammenhang braucht es auch irgendwie eine sinnvolle Erreichbarkeit (oder mehrere) dieser Texte, entweder von der Startseite her oder gleich nach dem Aufrufen einer Unter-Ebene, z.B. in der Disc-Area, in den FAQs usw.

2.
Zu wissenschaftlich? Absolut. Du solltest ein wenig die Klientel der OFDb im Auge behalten, der schon das erste "explizit maximalistische – und keine strukturalistisch-minimalistische"-Blabla vermutlich jede Lust nimmt, weiterzulesen. Die ersten beiden Blöcke, die die wichtigsten sind und ohne "Weiterlesen"-Klick dastehen, sollten UNBEDINGT dahingehend radikal entschlackt werden. Beim Essayfilm ist das sicher etwas anderes gewesen, der kann ruhig akademisch betrachtet werden (er wurde ja quasi für Filmstudenten erfunden ;)), aber beim Horrorfilm sollte man etwas bodenständiger bleiben und die theoretische Unterfütterung in den "Bonus"-Bereich packen, auch z.B. die Literaturangaben als Fußnoten dahin, damit sie den Lesefluß nicht stören.

Soviel erst mal vor einem Close Reading, das meinerseits noch folgt (wobei ich fachlich wohl nichts beizusteuern haben werde...).

cu, r.

PierrotLeFou

Zitat von: ratz am  6 September 2013, 12:05:54
...ist sicher einige Zeit und Arbeit hineingeflossen, das merkt man und es verdient Respekt!

Dankeschön...  :love: Das hat tatsächlich etwas gedauert, ziemlich genau die ganze Nacht... momentan habe ich aber wieder eine kleine Entspannungsphase erreicht, von daher: Hörbuch eingelegt und - um die Zeit auch produktiv zu nutzen - den Text zusammengebaut...


ZitatZu lang? Absolut. Schade wäre es trotzdem drum, und eine Möglichkeit für den Interessierten, auf "Weiterlesen" zu klicken, sollte unbedingt her. In dem Zusammenhang braucht es auch irgendwie eine sinnvolle Erreichbarkeit (oder mehrere) dieser Texte, entweder von der Startseite her oder gleich nach dem Aufrufen einer Unter-Ebene, z.B. in der Disc-Area, in den FAQs usw.
Die Weiterlesen-Option würde ich selbst auch begrüßen... Mehr als 20-25 Zeilen dürften wohl stören, wenn man eigentlich bloß einen Blick auf die Rangliste werfen will, weniger als 50 Zeilen können hingegen gar nicht ins Detail gehen...


ZitatZu wissenschaftlich? Absolut. Du solltest ein wenig die Klientel der OFDb im Auge behalten, der schon das erste "explizit maximalistische – und keine strukturalistisch-minimalistische"-Blabla vermutlich jede Lust nimmt, weiterzulesen. Die ersten beiden Blöcke, die die wichtigsten sind und ohne "Weiterlesen"-Klick dastehen, sollten UNBEDINGT dahingehend radikal entschlackt werden. Beim Essayfilm ist das sicher etwas anderes gewesen, der kann ruhig akademisch betrachtet werden (er wurde ja quasi für Filmstudenten erfunden ;)), aber beim Horrorfilm sollte man etwas bodenständiger bleiben und die theoretische Unterfütterung in den "Bonus"-Bereich packen, auch z.B. die Literaturangaben als Fußnoten dahin, damit sie den Lesefluß nicht stören.
Guter Punkt... vor Fußnoten habe ich ein bisschen zurückgescheut, aber es ist vielleicht doch die sinnvollere Wahl... so könnte ich auch im ersten Absatz mit der Kurzbeschreibung des Genres von einem "Phantastischem Film im weitesten Sinne" sprechen, und der Schlenker auf den Phantastik-Diskurs in die Fußnote setzen... so wäre er vorhanden (was mir wichtig erscheint, da der Begriff des Phantastischen einfach vollkommen uneindeutig gebraucht wird), würde sich aber nicht mehr so stark in den kurzen Überblick drängeln...

Ich warte jetzt einfach mal zwei Wochen ab und würde dann die bis dahin eingegangenen Optimierungsvorschläge umsetzen... ;)
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

MMeXX

Auch von meiner Seite erstmal den Daumen nach oben für den Text: :respekt: Den Vorschlägen von ratz pflichte ich jedoch bei: Den ersten Absatz möglichst allgemeinverständlich, präzise und knapp. Und die ausführlichen Anmerkungen sollten nicht unter den Tisch fallen und möglichst mittels Ausklapp-Funktion (oder einer neuen Extra-Seite für Genres?) bereitgestellt werden.

PierrotLeFou

9 September 2013, 05:20:55 #36 Letzte Bearbeitung: 10 September 2013, 00:51:35 von PierrotLeFou
Wie angekündigt noch der Text zum Experimentalfilm... Jetzt würde ich mir wohl erst in ein, zwei Monaten ein neues Genre vornehmen... (Historienfilm, Musikfilm, Thriller, Science Fiction & Grusel reizen mich gleichermaßen... eventuell wäre in ein, zwei Wochen aber auch noch ein "Typ" drin... Stummfilm sollte schnell gehen und nicht zu lang ausfallen: bis auf die Rolle der Begleitmusik vor 1927, den fließenden Übergängen zwischen Stummfilm und Tonfilm in den Jahren 1927-1930 und der Sonderstellung der späten Tonfilme in Stummfilm-Ästhetik wie "Silent Movie" oder "The Artist" ist das ja im Grunde ein selbsterklärender Typ... Falls mir jemand zuvorkommen mag: gerne! :D )


Auch hier ist der Text wieder sehr lang ausgefallen und es scheint mir, dass diese 19000-21000 Zeichen bzw. die 2700-2900 Wörter für mich persönlich wohl einen realistischeren Rahmen darstellen als der vergleichsweise knappe Essayfilm-Text... bei dem lag es sicherlich daran, dass die Literatur dazu neu und überschaubar ist, während zugleich gerade mal 500-1000 Filme vorliegen. Das sieht beim Horrorfilm und selbst beim Experimentalfilm anders aus...
Kleine Verteidigung meinerseits: Der Experimentalfilm besitzt lauter verschiedene, nicht selbsterklärende Strömungen, wird als Begriff immer auch synonym mit dem Avantgarde-Film und dem Underground-Film benutzt und lässt sich nicht unbedingt trennscharf vom bloß experimentellen Spielfilm abtrennen... Die Begriffsgeschichte ist zudem sehr komplex ("Experimentierkunst", Essai = Versuch = Experiment).

Den Vorschlag, doch lieber Fußnoten einzusetzen, habe ich sogleich umgesetzt:



Experimentalfilm: Filmgattung – oftmals auch als Genre bezeichnet[1] –, die sich vorherrschenden Konventionen des Films widersetzt. Häufige Merkmale sind im Verzicht auf eine kohärente – oder gar inkohärente – Narration, im – bisweilen richtungslosen – Thematisieren filmischer Medialität & Materialität, sowie im bewusst gegen jede Massenkompatibilität ausgerichteten Gestus zu erblicken. Die Stoßrichtungen zielen dabei weit auseinander: Experimentalfilme können sich einem freien Ausdruck von Emotionen widmen, Aufklärung über Möglichkeiten, Grenzen & Funktionen des Films ermöglichen oder die Frage nach Stellenwert & Bedeutung des Films in der Gesellschaft aufwerfen. Im Underground-Film der 60er Jahre gewinnt der Experimentalfilm gemeinschaftsstiftende Züge als Kinoereignis der Subkulturen, woraus zugleich auch eine Überschreitung des Mediums Film hervorgeht: die radikalere Aufführung des Experimentalfilms als Performance oder Happening stellt sein weitreichendstes Extrem dar.


Hervorgegangen ist der Experimentalfilm aus der Avantgarde-Bewegung im Kino der 20er (teilweise bereits der 10er) Jahre, deren Vorbild wiederum die avantgardistischen Strömungen in Bildender Kunst und Literatur darstellten: Sowohl der Futurismus ("Vita Futurista" (1916), "Perfido Incanto" (1918)), der Dadaismus ("Entr'acte" (1924), "Vormittagsspuk" (1927)), als auch der Surrealismus ("La Coquille et le Clergyman" (1928), "Un chien andalou" (1928)) finden ihren Weg in den Film. Ebenso der Expressionismus, "der sich allerdings in Deutschland auch kommerziell durchgesetzt hatte und daher nicht mehr zur eigentlichen Avantgarde zu rechnen war"[2], in Amerika hingegen der filmischen Avantgarde erhalten blieb (etwa "The Life and Death of 9413: A Hollywood Extra" (1928)). Zum Avantgardefilm dieser Jahre zählt auch der 'Abstrakte Film'; B. Balázs beschreibt diese Stilrichtung in "Der Geist des Films" (1930) als Bewegung abstrakter, nur noch sich selbst bedeutender Animationen und datiert sie auf V. Eggelings Filme seit den späten 10ern zurück[3] – gleichwohl man in einigen früher entstandenen Arbeiten E. Cohls bereits Vorläufer erkennen kann.
Diese verschiedenen Stilrichtungen lassen sich unter dem Oberbegriff des 'Absoluten Films' fassen, der auf "zwei Matineen zurück[geht], die am 3. und 10.5.1925 im Ufa-Theater am Berliner Kurfürstendamm unter diesem Titel stattfanden"[4], und der von Balázs fünf Jahre darauf als Oberbegriff der genannten Strömungen & Stile gewählt und als Film beschrieben wird, in dem die Eindrücke der Bilder nicht mehr narrativen, ordnenden Strukturen folgen.[5] In Frankreich war dagegen der Begriff des 'cinéma pur' üblich, der auch im Titel des zu diesem Gebiet zählenden Films "Cinq minutes de cinéma pur" (1925) enthalten ist. Das 'cinéma pur' weitete das Vorbild des 'Abstrakten Films' auf nicht animierte Filme aus und trug dazu bei, dass der 'Abstrakte Film' hierzulande über seine ursprüngliche Bedeutung hinausgewachsen ist und häufig synonym mit dem 'Absoluten Film' gebraucht wird. Die Forderung eines 'cinéma pur' wurde dann bereits 1930 zunächst von J. Vigo, 12 Jahre später auch von A. Bazin in Form eines Plädoyers für die Literaturverfilmung deutlich kritisiert.
Bei Vigos vier Regiearbeiten zwischen 1930 und 1934 verbinden sich dann auch Momente eines 'puren' Kinos mit zunehmend mehr 'unreinen' Momenten. Generell ist festzustellen, dass auch der 'Abstrakte Film' immer stärker in den kommerziellen Film übergeht – also aus dem Avantgardefilm in dem bloß avantgardistisch geprägten Mainstreamfilm übersiedelt... denn: "Sobald ein Experiment übernommen wurde, kann es nicht mehr zur Avantgarde gezählt werden, denn die Avantgarde ist einem ständigen Innovationszwang unterworfen."[6] W. Ruttmann stellt sein Schaffen schon Ende der 20er in den Dienst des Werbefilms, während die Disney Studios in Silly Symphonies und ganz besonders in "Fantasia" (1940) – unter Mitarbeit O. Fischingers – auf die Ästhetik des 'Abstrakten Films', der sich mit dem Beginn des Tonfilms auf die Visualisierung von Musik konzentriert, zurückgreifen. Gravierender macht sich dagegen die Konzepte der 'Entarteten Kunst' im nationalsozialistischen Deutschland und des 'Sozialistischen Realismus' in der Sowjetunion bemerkbar, die Avantgardefilme für viele Jahre unterbinden. S. Renon spricht daher auch vom "End of the Avant-Garde in Europe"[7], das er auf 1929-1930 datiert. Dennoch sind auch die 30er & 40er weltweit von bedeutenden Klassikern des Avantgardefilms erfüllt, wenn diese auch überwiegend in Amerika tätig waren: L. Lye, N. McLaren, M. E. Bute, M. Deren, der junge K. Anger & J. Whitney zählen zu den bedeutenderen Namen.

Dieser Begriff des Avantgardefilms war bereits in den 20ern üblich: so schrieb G. Dulac über diese Filme den Aufsatz "Le cinéma d'avant-garde" (1929). Auch wenn in den 30ern bereits der Begriff des 'Experimental Cinema' – als Titel eines gleichnamigen, ab 1930 herausgegebenen und in den 60ern neu aufgelegten Magazins – aufgekommen war, blieb der auf den Film angewendete Begriff der Avantgarde lange Zeit über der gebräuchlichere Terminus. Heutzutage lassen sich beide Begriffe mehr oder weniger synonym verwenden, wenngleich Stummfilme – vor allem französische Beiträge aus den 20ern – und frühe Tonfilme meist als Avantgardefilme bezeichnet werden und der Begriff des Experimentalfilms im engeren Sinne vor allem die selbstreflexiven und mit ihrer Materialität & Medialität arbeitenden Beiträge beschreibt, die in der Mitte des 20. Jh.s einen deutlichen Aufschwung erleben. Je nach Definition ließe sich der Avantgardefilm als Stilbewegung der Gattung des Experimentalfilms, der Experimentalfilm als Genre des Avantgardefilms oder beides synonym als Gattungs- oder Genrebegriff auffassen.
Während sich der Terminus des Experimentalfilms Mitte des 20. Jh.s durchzusetzen beginnt – etwa mit Roger Manvells "Experiment in the Film" (1949), ganz besonders aber mit der Entstehung des Internationalen Experimentalfilmwettbewerbs 'exprmntl' in Knokke im Jahr 1949, wo allerdings überwiegend die berühmten Titel aus den 20ern aufgeführt werden –, wird er hierzulande während der Ära Adenauer erst zögerlich als eigenständige Filmgattung oder Genre verstanden; Experimentalfilm bezeichnet zunächst immer auch frühe Fingerübungen junger Regisseure, erste Proben & Versuche, "die auf kinematographisch-technische Innovationen abzielten bzw. Übungen für spätere Spielfilme des jeweiligen Regisseurs darstellen sollten."[8] Selbst unter den Oberhausenern wie H. Vesely entstehen eher essayistisch orientierte Dokumentarfilme und weniger reine Experimentalfilme. B. Hein formuliert das zögerliche Aufkommen des Experimentalfilms im Deutschland der 50er daher harsch: "Im Großen und Ganzen sind die 50er Jahre die Zeit des Kurzfilms, auf den sich junge Regisseure zurückziehen, bevor sie Mittel für einen Spielfilm bekommen."[9]
Ein Wechsel erfolgt – ausgehend von der amerikanischen Filmkultur – in den 60ern, als K. Anger, S. Brakhage, B. Connor, S. Vanderbeek, G. Markopoulos, E. Emshwiller, K. Jacobs oder A. Warhol mit ihrem Schaffen im frisch ausgerufenen Underground vergleichsweise 'populär' geworden sind. Der Begriff des Underground-Films geht auf S. Vanderbeeks Artikel "The Cinema Delimina: Films from the Underground" (1961) zurück. (Ein älterer Artikel M. Farbers mit dem Titel "Underground Films: A Bit of Male Trust" (1957) hat hingegen nicht mit dem zu tun, was heute als Underground-Film gilt.[10]) Entstanden und avanciert sind diese Underground-Filme im Umfeld des 'New American Cinema', das sich – angeführt von J. Mekas, ausgerufen im September 1960, inspiriert von der 'Nouvelle Vague', dem britischen 'Free Cinema' & dem Konzept des auteurs – gegen Hollywood, das Konventionelle & Althergebrachte richtete. Dabei gab es in den Filmen (der von J. Mekas gegründeten Film Maker's Cooperative) "keine einheitliche Ästhetik, die das New American Cinema propagierte [...]. [E]s kam zu zahlreichen, [...] mal dezidiert politischen, mal dezidiert ästhetizistischen Filmen, zu Avantgarde- und Underground-Produktionen, zu Dokumentar- und Semidokumentarfilmen und auch zu Spielfilmen [...]."[11]

Die Film Maker's Cooperative und die im Experimentalfilmwettberb 'exprmntl' aufgeführten Filme des 'New American Cinema' finden in Europa ihre Nachahmer: P. Verdonk & F. Zwartjes - letzterer zählt zu Hollands, gar zu Europas bedeutendsten Experimentalfilmern - gründen eine Cooperative in Holland, in Österreich entsteht die Austria Filmmakers Cooperative um K. Kren, V. Export & P. Weibel, in England die London Film-makers' Co-op und die Filmmacher Cooperative Hamburg & XSCREEN in Deutschland. Unter diesen neuen Voraussetzungen kommt es weltweit zu Experimentalfilmen in ihrer reinsten Form: 'Materialfilme' & 'Strukturelle Filme' prägen das Bild des Experimentalfilms erheblich. Im 'Materialfilm' – dessen weniger intellektualisierten Vorläufer man bis in den Stummfilm zurückverfolgen kann – wird der Filmstreifen selbst (häufig ein Blankfilm) bearbeitet und im Filmbild sichtbar gemacht wie in den Filmen von W. & B. Hein ("Rohfilm" (1968)). Der 'Strukturelle Film' ist – was mitunter allerdings auch bestritten wird[12] – eng mit dem Strukturalismus verbunden und versucht über streng organisierte Anordnungen seines Materials, über genau festgelegte Bedingungen über Wirkung und Funktion des Mediums Film zu informieren, wenn auch auf nonverbale, keinesfalls eindeutige Weise: "Zorn's Lemma" (1970), ein Dreiakter, der sich in Prolog, Hauptteil & Epilog nach jeweils klar umrissenen Perspektiven dem Verhältnis von Sprache & Bild widmet, "The Flicker" (1965), ein nur aus wechselnden Schwarz- & Weißbildern bestehender Film und "Wavelength" (1967), einem quasi 45minütigen Zoom durch einen Wohnraum auf eine Photographie, zählen zu den kanonisierten Klassikern dieser Ausrichtung des Experimentalfilms. Eine Gruppe weiterer 'Flicker-Filme' sorgt für eine Untergruppierung in diesem Rahmen. Besonders dominant war der 'Strukturelle Film' in England: er wurde vom jungen P. Greenaway aufgegriffen und später mehr und mehr ironisiert und poststrukturalistisch gewendet (z.B. "Vertical Features Remake" (1978)) – selbst noch in seinen Spielfilmen.
Zu weiteren Formen des Experimentalfilms, die in dieser Zeit zunehmen oder gar erstmalig aufkommen, sind der 'Found Footage Film', 'Stasis-Filme', 'Fluxus-Filme', 'Conceptual Films', 'Aktionsfilme' und das 'Expanded Cinema' zu nennen. Im Gegensatz zum streng formalistischen 'Strukturellen Film' und den 'Materialfilmen' stellen diese Ausrichtungen vor allem ein Experimentieren auf inhaltlicher Ebene dar, wobei die Montage ebenfalls durch ein Ausbleiben oder eine hohe Schnittfrequenz mit den Konventionen bricht. Der 'Found Footage Film' – zurückverfolgbar bis mindestens in die 30er ("Rose Hobart" (1936)), je nach Grenzziehung gar bis in die 20er ("Im Schatten der Maschine" (1928)) – montiert bereits bestehendes, vorgefundenes Filmmaterial neuinterpretierend zu einer Collage zusammen: "The Longest Most Meaningless Movie in the World" (1968) dehnt diesen Prozess zudem auf 48 Stunden aus. Oftmals überschreiten diese Filme die Grenze zum Essayfilm, der seinerseits hin und wieder als Unterkategorie des Experimental- oder Dokumentarfilms verstanden worden ist. Eine weitere Gruppierung bilden die - von P. Schrader in "Transcendental Style in Film. Ozu. Bresson. Dreyer" (1972) so bezeichneten - 'Stasis Filme', die sich in meist extrem langen Einstellungen der erheblichen oder absoluten Unbeweglichkeit der Objekte widmen ("Empire" (1964)). Die 'Fluxus-Filme' sind - im Rahmen der Fluxus-Bewegung entstanden - nicht ohne weiteres auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen; oftmals geht es jedoch um das Unterlaufen von Erwartungshaltungen: mal dauert der Vorspann Minuten und der eigentliche Film nur wenige Sekunden, mal besteht ein Film aus Aneinanderreihungen weitestgehend identischer Motive. Der 'Conceptual Film' umfasst die filmischen Beiträge zur Konzeptkunst, die auf minimalistische Weise den Film auf den Kern des Grundgedankens reduzieren: In "Rape" (1969) etwa lassen Y. Ono & J. Lennon eine scheinbar uneingeweihte, ahnungslose Frau von einem voyeuristischen Kamerateam verfolgen. Der 'Aktionsfilm' hält Performances im Rahmen der Aktionskunst fest: bisweilen beinahe ohne jede Montage, teilweise jedoch – z.B. in einigen von K. Kren montierten Werken – bis zur Unkenntlichkeit geschnitten und neu montiert. Im 'Expanded Cinema' kehrt sich dieses Verhältnis um: Der Film konserviert nicht die Performance, sondern die Filmvorführung ist Teil der Performance, wobei es häufig zu Überschneidungen mit dem 'Materialfilm' kommt. In H. Scheugls ,,zzz: Hamburg Spezial" (1968) wird etwa kein Filmstreifen vorgeführt, sondern ein Bindfaden. In Warhols beinahe 24stündigem "****" (1967) wurde das gedrehte Material mit mehreren Projektoren gleichzeitig auf die Leinwand projiziert. Ohnehin sind im New Yorker Underground Filmvorführungen aufgrund improvisierter Leinwände oder unzuverlässiger Projektoren geradezu zwangsläufig hin & wieder zu 'Expanded Cinema'-Beispielen geraten. S. Vanderbeek führt dagegen in seinem eigenen Moviedrome zahlreiche Filme gleichzeitig auf – allesamt projiziert auf eine das Publikum umgebende Kuppel –, während L. Moholy-Nagy in der Theorie bereits 1928 die Projektion auf neuartige Flächen & Objekte jenseits der üblichen Leinwand thematisiert.[13] Greenaway widmet sich dem 'Expanded Cinema' als VJ-Performancer seiner ohnehin als Multimedia-Projekt angelegten "Tulse Luper"-Trilogie und führte seinen ,,Peopling the Palaces at Venaria Reale" (2007) ausschließlich als Multimedia Installation auf. Auch der 'Stop Motion Film' wird vom Experimentalfilm vereinnahmt: z.B. in McLarens "Neighbours" (1958), den Kurzfilmen N. Ôbayashis, die großen Einfluss auf S. Tsukamotos "Tetsuo" (1989) ausgeübt haben, und den Filmen J. Svankmajers. Mit Angers "Scorpio Rising" (1964) gerät nach den 'Abstrakten Filmen' des Tonfilms erneut der Musikfilm zum Gegenstand des Experimentalfilms: eine Entwicklung, die über das Musikvideo schnell kommerzialisiert worden ist.
In diesen mehr oder weniger stark inhaltlich ausgerichteten Experimentalfilmen des Undergrounds der Subkultur der 60er dominieren zudem tabuisierte Themen: Nacktheit, Sex & Drogen werden von J. Smith oder A. Warhol auf skandalöse Weise eingesetzt – während sich die Wiener Aktionisten darüber hinaus noch auf die Körperausscheidungen konzentrieren –, wobei diese Motive für sich nicht immer ausreichen, um einen Film als Experimentalfilm zu fassen; zumal Warhol & P. Morrissey mit ihrer Trilogie "Flesh", "Trash" & "Heat" (1968-1972) eine Kommerzialisierung dieser Motive des Undergrounds betrieben haben. Ein Experimentieren mit den Inhalten verschiebt die betroffenen Filme auch mehr und mehr in den Bereich des Essayfilms: denn die Begriffe "Essay und Experiment[] verbindet im Deutschen der Bedeutungskomplex'Versuch'."[14] Ebenso, wie die Grenze des inhaltlich experimentierenden Films zwischen Experimental- und Spielfilm verwischen kann ("Flaming Creatures" (1963)), verwischt sie daher – ab den 70ern – auch häufig zwischen Experimental- und Essayfilm ("Riddles of the Sphinx" (1977), "Vertical Features Remake").

Als Reaktion auf diese Filme – vor allem auf die 'Materialfilme' & 'Strukturellen Filme' – ist der Experimentalfilm auch hierzulande allmählich als eigenständige Form wahrgenommen worden. Die in den 60ern verbreitete und  bis heute nicht völlig beigelegte Kritik an der Übertragung des naturwissenschaftlichen Experiment-Begriffes auf die Kunst – ein Versuch, der allein über den Begriff der 'Experimentierkunst' bis mindestens in das späte 18. JH zurückreicht –, wie sie 1962 etwa von H. M. Enzensberger vorgenommen wird, kann die feste Etablierung dieser Übertragung keinesfalls verhindern; zahlreiche Buchpublikationen der 70er Jahre zeugen davon: z.B. F. Winckels "Experimentelle Musik" (1970), S. J. Schmidts "Das Experiment in Literatur und Kunst" (1978) oder B. Lindemanns "Experimentalfilm als Metafilm" (1977). Letztgenannte Veröffentlichung versucht erstmals, keinen historischen Überblick über den Experimental- & Avantgardefilm zu liefern, sondern eine systematische Darstellung, die den Filmen einen bewussten Umgang mit den medialen Bedingungen attestiert.
Auch wenn nach dem Boom des 'New American Cinema' und des Underground-Films in den 60er Jahren der Experimentalfilm wieder verstärkt ein Nischendasein führt - nicht selten häufiger im Museum als im Kino -, haben sich nach wie vor zahlreiche Filmemacher besonders dem Experimentalfilm gewidmet: Laura Mulvey mit feministischen-Experimental-/Essayfilmen, James Benning mit dokumentarischen, essayistischen 'Strukturellen Filmen', Martin Arnold mit 'Found Footage'-Werken oder Matthew Barney mit seinem "Cremaster"-Zyklus (1995-2002).
Problematisch bleibt bis heute die zur Zuordnung eines Films zum Experimentalfilmbereich notwendige Unterscheidung zwischen Konvention und Innovation. Schon im Zusammenhang mit dem französischen Avantgardefilm wurden Stilmerkmale auch im narrativen Spielfilm eingesetzt: etwa bei  J. Epstein ("La Chute de la maison Usher" (1928)), M. L'Herbier ("L'Inhumaine" (1924)) oder A. Gance ("La Roue" (1923), "Napoleon" (1927)), der mit "La Folie du Docteur Tube" (1915) einen äußerst avantgardistischen, dabei zugleich sehr narrativen Kurzfilm gedreht hatte. In der russischen Avantgarde fallen etwa S. M. Eisensteins Filme im Gegensatz zum Werk D. Vertovs in den Bereich des Spielfilms. Selbst das 'Expanded Cinema' wurde immer wieder – etwa mit dem Geruchskino-Konzept in J. Waters' "Polyester" (1981) oder den Gimmick-Filmen W. Castles – im Zusammenhang mit konventionellen Spielfilmen umgesetzt. Resnais, Robbe-Grillet, Sokurov – selbst ein erklärter Gegner der Avantgarde –, Greenaway, Jarman, Russell, Maddin, Lynch oder Tarantino verschmelzen vielfach narrative & teilweise sogar massentaugliche Spielfilme mit – dem Experimental- & Avantgardefilm entlehnten – Momenten der Inszenierung. "Eraserhead" (1977) oder "Tetsuo" lassen sich nur unter der Bedingung einer sehr eng gefassten Konvention bzw. eines sehr weit gefassten Abweichens von dieser als Experimentalfilme fassen. Der im Hinblick auf den Kunstbegriff sehr problematische Begriff des 'Art Films', den P. Duncan & P. Young verfolgen,[15] bietet daher zumindest den Vorteil, nicht-narrative Experimentalfilme von den avantgardistisch ausgerichteten, narrativen Spielfilmen unterscheiden und gleichzeitig trotzdem beides von einem streng konventionellen Film abtrennen zu können.

1.) E. Scherer ordnet beispielsweise dem Experimentalfilm in "Erinnerung im Essayfilm. Ivens, Marker, Godard, Jarman" (1999/2001) den Begriff der Filmgattung zu (Fink 2001; S. 12), während etwa im "Sachlexikon des Films" (2002/2007) & im "Sachlexikon Film" (1997) vom Genre die Rede ist. (Vgl.: Voester: Experimentalfilm. In: Rother (Hg.): Sachlexikon Film. Rowohlt 1997; S. 88. Koebner (Hg.): Sachlexikon des Films. Reclam 2007; S. 53.)
2.) Bawden (Hg.): Filmlexikon 1: Filme A-J. Rowohlt 1984; S. 60.
3.) Vgl. Balázs: Der Geist des Films. Suhrkamp 2001; S. 103.
4.) Rother: Absoluter Film. In: Ders. (Hg.): Sachlexikon Film. S. 12.
5.) Vgl. Balázs: Geist des Films. S. 85-106.
6.) Voester: Avantgardefilm. In: Rother (Hg.): Sachlexikon Film. S. 27.
7.) Renan: The Underground Film. An Introduction to its Development in America. Studio Vista 1968; S. 72.
8.) Voester: Experimentalfilm. In: Rother (Hg.): Sachlexikon Film. S. 88.
9.) Hein: Film im Underground. Ullstein 1971; S. 114.
10.) Vgl. Hoberman, Rosenbaum: Mitternachtskino. Kultfilme der 60er und 70er Jahre. Hannibal 1998; S. 44-45.
11.) Kiefer: New American Cinema. In: Koebner (Hg.): Sachlexikon des Films. S. 473.
12.) Während P. Young & P. Duncan in "Art Cinema" (2009) den auf P. A. Sitney zurückgehenden Begriff 'Structural Film' vom Strukturalismus mit deutlicher Betonung abtrennen (S. 106 der Taschen-Ausgabe (2009)), hebt K. Eberhard gerade den Strukturalismus als Basis hervor, vor der sich der 'Strukturelle Film' erst verstehen lässt. (Vgl. Eberhard: Strukturalismus / Struktureller Film. In: Koebner (Hg.): Sachlexikon des Films. S. 692).
13.) Vgl.: Moholy-Nagy: Probleme des Films; Vanderbeek: Kinodrom. In: Witte (Hg.): Theorie des Kinos. Suhrkamp 1982; S. 236-246, 247-249
14.) Nübel: "Eine ganz und gar offene, moralisch im Großen experimentierende und dichtende Gesinnung" – Essayismus und Experimentalismus bei Robert Musil. In: Kreuzer (Hg.): Experimente in den Künsten. Transmediale Erkundungen in Literatur, Theater, Film, Musik und bildender Kunst. Transcript 2012; S. 49-90.
15.) Vgl. Duncan, Young: Art Cinema. S. 8-17.


Weitere Literatur:
Petzke: Das Experimentalfilm-Handbuch. Deutsches Filminstitut 1989.
Scheugl, Schmidt jr.: Eine Subgeschichte des Films. Lexikon des Avantgarde-, Experimental- und Undergroundfilms. 2 Bde. Suhrkamp 1974.
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

Syncroniza

Dann ist also der "1 Second Film" als später Fluxus-Film anzusehen. Scherz am Rande..

Kann mich den Meinungen hier nur anschließen: Tolle/sehr informative (und aufwendige) Texte! :respekt: (Auch das Hinzufügen des Essayfilms zu den Genres empfand ich als positiv.)

Wobei User, die lediglich kurze Hinweise haben wollen, wie sie hier für einen Neueintrag die Genres zuweisen sollen, durchaus etwas erschlagen werden - selbst mit "nur" den ersten Absätzen. :icon_smile: (Die zweite Hälfte des ersten Satzes beim Horrorfilm - "explizit maximalistische" ff. - ließ auch bei mir ein paar Fragezeichen auftauchen.)
Mindestens über die OFDb-FAQ-Seite (verlinkt) sollten alle Genre-Beschreibungen aber dann schon irgendwo versammelt und in ganzer Länge erreichbar sein, ja.
Und die Lektüre des Horrorfilm-Texts hat mich fast davon überzeugt, dass die Tage des Gruselfilm-Genres in der OFDb gezählt sind...

PierrotLeFou

Zitat von: Syncroniza am  9 September 2013, 10:59:34
Und die Lektüre des Horrorfilm-Texts hat mich fast davon überzeugt, dass die Tage des Gruselfilm-Genres in der OFDb gezählt sind...
Ich überlege ja hin und wieder, wie ich da an eine Definition herangehen würde... viel zum Zitieren gibt es da nicht. Aber für gewisse Kriminalfilm - von "Cat and the Canary" Stoffen bis hin zu manchem Edgar Wallace - hat es ja schon einen Mehrwert...

Was aber wirklich schwierig werden wird ist das Herangehen an "Fantasy" - nicht, weil sich das etwa viel schwieriger definieren ließe als Horror- oder Experimentalfilm, sondern weil da bisher in der OFDb ohne jede klare Vorstellung alles mögliche zugeordnet worden ist...


Bislang sehe ich da nur drei Möglichkeiten:

1.) bei etlichen Filme (bestimmt dreistelliger Bereich, mindestens hoher zweistelliger Bereich) Fantasy als Genre tilgen - wobei denen dann unter Genres oftmals 'irgendwas' fehlen würde...
2.) Fantasy gegen Phantastik austauschen, wobei aber dann mehrere hunderte, womöglich tausende Filme der Phantastik ebenfalls zugeordnet werden müssten...
3.) eine Definition schreiben, die darauf hinweist, dass der Begriff Fantasy auf der OFDb etwas doppeldeutig und ungebräuchlich verwendet wird...

Das scheint mir alles nicht optimal zu sein, aber ich habe mich jetzt auch noch nicht ausführlicher mit diesem "Problem" beschäftigt...
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

PierrotLeFou

12 September 2013, 08:28:18 #39 Letzte Bearbeitung: 13 September 2013, 00:43:46 von PierrotLeFou
Ausgehend von dem Genre-Diskussionsthread bin ich mal ein Drittel der von mir bewerteten Gruselfilme durchgegangen und würde vorschlagen, bei folgenden Filmen Horror zu ergänzen oder einzutauschen...:


Horror hinzufügen:

http://www.ofdb.de/film/1995,Frankenstein
http://www.ofdb.de/film/3003,Tanz-der-Vampire
http://www.ofdb.de/film/657,Blair-Witch-Project
http://www.ofdb.de/film/3594,The-Rocky-Horror-Picture-Show
http://www.ofdb.de/film/1945,Die-Neun-Pforten
http://www.ofdb.de/film/228040,Frankenweenie
http://www.ofdb.de/film/3591,Die-Toten-Augen-des-Dr-Dracula
http://www.ofdb.de/film/19759,Der-W%C3%BCrger-im-Nebel
http://www.ofdb.de/film/18655,Corridors-of-Blood
http://www.ofdb.de/film/11063,Dracula-%2779
http://www.ofdb.de/film/1948,Echoes---Stimmen-aus-der-Zwischenwelt
http://www.ofdb.de/film/2375,Fahrstuhl-des-Grauens
http://www.ofdb.de/film/203949,Die-Farbe
http://www.ofdb.de/film/5846,Der-Hund-von-Baskerville
http://www.ofdb.de/film/5063,Der-Leichendieb
http://www.ofdb.de/film/7268,Schloss-des-Schreckens
http://www.ofdb.de/film/1706,Der-Schrecken-vom-Amazonas
http://www.ofdb.de/film/3683,Shadow-of-the-Vampire
http://www.ofdb.de/film/166,The-Sixth-Sense
http://www.ofdb.de/film/8860,Der-Unheimliche-Gast
http://www.ofdb.de/film/52093,Vampire-Bat
http://www.ofdb.de/film/7238,Geisterj%C3%A4ger-John-Sinclair
http://www.ofdb.de/film/2656,Geisterj%C3%A4ger-John-Sinclair---Die-D%C3%A4monenhochzeit
http://www.ofdb.de/film/2268,Angriff-der-Riesenspinne
http://www.ofdb.de/film/201440,Paranormal-Activity-2
http://www.ofdb.de/film/891,Plan-9-from-Outer-Space
http://www.ofdb.de/film/892,Die-Rache-des-W%C3%BCrgers


Horror hinzufügen & Grusel entfernen:

http://www.ofdb.de/film/232,Freaks


Horror & Kinder/Familienfilm hinzufügen:

http://www.ofdb.de/film/4698,Hexen-hexen


Falls da zunächst diskutiert werden soll, kann man diesen Eintrag vielleicht im Genrethread verlinken - oder erst einmal ganz rüberschieben... :00000109:



edit: Es wurde jetzt vorgeschlagen, jedem Film des Genres "Grusel" auch das Genre "Horrorfilm" zuzuordnen oder es gar zu entfernen, wobei es auch gleich eine Gegenstimme gab... Zumindest solange "Grusel" selbst und vor allem benachbarte Genres wie Thriller, Fantasy oder Mystery noch nicht definiert sind, scheint mir nur ansatzweise zu klären zu sein, inwieweit man damit verfahren sollte. Damit aber nicht weiterhin etliche Horrorfilme gar nicht unter "Horrorfilm" angezeigt werden, dachte ich mir, dass es vielleicht zunächst am einfachsten wäre, Filme - bei denen die Sache im Prinzip klar sein sollte - erst einmal bloß per Hand zusammenzutragen...
(Die letzten zwei - einzeln genannten Filme wurden offenbar schon "korrigiert"... Gibt es bei dem restlichen "Grusel"-Film-Block Einwände?)
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

Palaber-Rhabarber

Den Grusel-Block bin ich jetzt durchgegangen und "Grusel" wurde wegen des inflationären Gebrauchs größtenteils entfernt. Sonst müsste man alle klassischen Horrorfilme und neuzeitlichen Spuk-/Mysteryfilme dem Gruselbereich zuordnen. Grusel ist auch mehr eine Verlegenheitsumschreibung, wenn der Horror so stark abgeschwächt ist, dass er (für Erwachsene) als solches kaum noch wahrgenommen wird. Dennoch ist es dem Horror-Genre zuzuordnen so wie alle komödiantischen Unterarten in der Komödie vereint sind.

Bei "Plan 9 from Outer Space" widerspreche ich Dir, wenn es um die Zuordnung zum Horrorgenre geht. Das ist eine dilettantische Trashgranate im klassischen Science-Fiction-Gewand, äquivalent zu den Abenteuern von Kirk und Spock auf fremden Planeten. Da passt ja eher noch Komödie.  :D

PierrotLeFou

Zitat von: Palaber-Rhabarber am 13 September 2013, 21:02:17
Den Grusel-Block bin ich jetzt durchgegangen und "Grusel" wurde wegen des inflationären Gebrauchs größtenteils entfernt. Sonst müsste man alle klassischen Horrorfilme und neuzeitlichen Spuk-/Mysteryfilme dem Gruselbereich zuordnen. Grusel ist auch mehr eine Verlegenheitsumschreibung, wenn der Horror so stark abgeschwächt ist, dass er (für Erwachsene) als solches kaum noch wahrgenommen wird. Dennoch ist es dem Horror-Genre zuzuordnen so wie alle komödiantischen Unterarten in der Komödie vereint sind.

Bei "Plan 9 from Outer Space" widerspreche ich Dir, wenn es um die Zuordnung zum Horrorgenre geht. Das ist eine dilettantische Trashgranate im klassischen Science-Fiction-Gewand, äquivalent zu den Abenteuern von Kirk und Spock auf fremden Planeten. Da passt ja eher noch Komödie.  :D

Unfreiwillige (!) Komik sehe ich auch, wüsste aber nicht, weshalb der nicht trotzdemals Vertreter der Sci-Fi/Horror-Sparte der 50er durchgehen sollte... immerhin machen drei lebende Tote die Gegend in der Nähe eines Friedhofs unsicher - zwei davon im Vampir-Outfit...
Trash? Ja, aber das war ja noch nie ein Genre... Komödie? Nein, relativ eindeutig nicht als Komödie angelegt... ;)

Aber gut, an einem einzelnen Film möchte ich mich nicht aufhängen...
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

Palaber-Rhabarber

Du hast Recht, das ist wirklich eine krude Horror-/Science fiction-Mixtur. Hab ihn gerade nochmal gesehen. Mein Veto bezog sich auch auf Plan 8 from Outer Space: The Lost Chapter.

PierrotLeFou

16 September 2013, 17:48:34 #43 Letzte Bearbeitung: 17 September 2013, 05:47:22 von PierrotLeFou
Da das so reibungslos lief, gleich noch einmal ein paar Titel, bei denen meines Erachtens "Horror" hinzugefügt werden sollte:

http://www.ofdb.de/film/10492,Abbott-und-Costello-treffen-Frankenstein
http://www.ofdb.de/film/5848,Die-Bande-des-Captain-Clegg
http://www.ofdb.de/film/22649,Das-Biest
http://www.ofdb.de/film/5772,Color-Me-Blood-Red
http://www.ofdb.de/film/81045,Dark-Places
http://www.ofdb.de/film/16590,Donovans-Hirn
http://www.ofdb.de/plot/24990,208833,Das-Dritte-Auge
http://www.ofdb.de/film/108753,Der-Eisige-Tod
http://www.ofdb.de/film/183988,The-Headless-Horseman
http://www.ofdb.de/film/184445,The-Hole
http://www.ofdb.de/film/4706,Ich-folgte-einem-Zombie
http://www.ofdb.de/film/6064,Nur-Vampire-k%C3%BCssen-blutig
http://www.ofdb.de/film/8374,Pakt-der-W%C3%B6lfe
http://www.ofdb.de/film/9223,Die-Phantastische-Reise-ins-Jenseits
http://www.ofdb.de/film/86161,Macabre
http://www.ofdb.de/film/111942,Schatten-einer-Katze
http://www.ofdb.de/film/18206,Das-Schwarze-Schloss
http://www.ofdb.de/film/198699,The-Silent-House
http://www.ofdb.de/film/17671,The-Thing-That-Couldn%27t-Die
http://www.ofdb.de/film/35438,Stimmen
http://www.ofdb.de/film/18196,Das-Todbringende-Ungeheuer
http://www.ofdb.de/film/190041,Der-Vampir
http://www.ofdb.de/film/17283,Der-Turm-der-schreienden-Frauen

Ich habe das jetzt trotzdem erst einmal hier - und nicht im Korrekturforum - eingetragen...

(edit: bei folgenden Filmen ebenfalls "Horror" hinzufügen:

http://www.ofdb.de/film/19923,Abbott-und-Costello-gegen-Dr-Jekyll-und-Mr-Hyde
http://www.ofdb.de/film/18195,Die-Augen-des-Satans
http://www.ofdb.de/film/19939,Dracula
http://www.ofdb.de/film/3236,Entfesselte-Begierde
http://www.ofdb.de/film/25385,The-Eye
http://www.ofdb.de/film/162570,Frankestein-El-vampiro-y-compania
http://www.ofdb.de/film/1893,Das-Geisterschloss
http://www.ofdb.de/film/153976,Ring-of-Terror
http://www.ofdb.de/film/18763,Spooks-Run-Wild
http://www.ofdb.de/film/830,Das-Teufelsritual
http://www.ofdb.de/film/3597,Das-Zeichen-des-Vampirs
http://www.ofdb.de/film/6229,Das-Haus-der-blutigen-H%C3%A4nde
http://www.ofdb.de/film/18804,Herr-der-Zombies---Das-Land-der-lebenden-Toten
http://www.ofdb.de/film/2328,Der-Leichengie%C3%9Fer

;) )


Zitat von: Palaber-Rhabarber am 13 September 2013, 21:02:17
Den Grusel-Block bin ich jetzt durchgegangen und "Grusel" wurde wegen des inflationären Gebrauchs größtenteils entfernt. Sonst müsste man alle klassischen Horrorfilme und neuzeitlichen Spuk-/Mysteryfilme dem Gruselbereich zuordnen. Grusel ist auch mehr eine Verlegenheitsumschreibung, wenn der Horror so stark abgeschwächt ist, dass er (für Erwachsene) als solches kaum noch wahrgenommen wird. Dennoch ist es dem Horror-Genre zuzuordnen so wie alle komödiantischen Unterarten in der Komödie vereint sind.
Die Entfernung von "Grusel" bei den genannten Beispielen begrüße ich überwiegend... Die Rangliste könnte man vielleicht auch mal durchgehen und entsprechend ausmisten: http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Grusel  :icon_mrgreen: Über die Hälfte der Filme können da sicherlichlich ausscheiden.

"Grusel" nur als bloßes Subgenre des Horrorfilms aufzufassen, könnte ja dann doch wieder für eine Löschung sprechen, da Subgenres auf der OFDb ansonsten ja kaum berücksichtigt werden... Aber womöglich kann man "Grusel" ja auch als Gebiet zwischen "Horror" und "Fantasy" (was auf der OFDb Fantasy und einen bestimmten Phantastik-Begriff umfast) auffassen, zudem als eng mit dem Begriff "Mystery" verbunden... das wäre dann ja ein Mehrwert, der gegen eine Löschung sprechen würde.
Du hast ja offenbar ein paar Kriterien, nach denen du den "Gruselfilm" definieren würdest: "wenn der Horror so stark abgeschwächt ist, dass er (für Erwachsene) als solches kaum noch wahrgenommen wird"
Vielleicht kann man ja ein paar Kriterien für die Definition des Gruselfilms zusammentragen - damit er zukünftig womöglich nicht mehr so inflationär genutzt wird...
Etwa: "Die Bedrohung im Gruselfilm wird nicht als lebensbedrohend wirkende Bedrohung in Szene gesetzt - und sie widerspricht nicht (oder nur scheinbar) der rationalen Erklärbarkeit..."
Vielleicht könnte man ja mal genauer darüber reden, was man unter "Grusel" überhaupt haben möchte... Ich denke da beispielsweise an einige von denjenigen Edgar Wallace Filmen, die nicht in den Horrorfilmbereich fallen... oder an Kinderfilme, in denen klassische Halbwesen auftreten ohne als Bedrohung (zumindest nicht als lebensbedrohliche) zu agieren... (wobei letztere teilweise auch unter "Fantasy" aufgehoben werden könnten, wenn der Begriff so breit gefasst wird, wie es auf der OFDb momentan der Fall ist....)




"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

Palaber-Rhabarber

Die Grusel Top 100 habe ich jetzt mal aufgerufen und was ich da für Filme lese, ist nicht nur gruslig, sondern geradezu unfassbar lächerlich. Ich kann mich gefühlt nicht daran erinnern, dass die vor 10 Jahren schon alle Grusel als Genre hatten, da muss wohl ein Gruselfetischist am Werke gewesen sein. Der Begriff wird hier so überstrapaziert gebraucht (Arsen und Spitzenhäubchen ein Gruselfilm, ich fall gleich in den Monitor), dass mir jegliche Lust auf eine Definitionsdiskussion vergangen ist. Genau aus diesem Grund wurde auch Trash gekickt, weil dann irgendwann auch Rosamunde Pilcher als Trash markiert war.

Jeder Thriller, jeder Horrorfilm, jede schwarze Komödie ließe sich nach subjektivem Empfinden als Grusel markieren. Genau das spiegelt auch diese bunt gewürfelte Liste wieder.

Morgen kaufe ich einen Radiergummi.  :icon_mrgreen:

PierrotLeFou

Zitat von: Palaber-Rhabarber am 17 September 2013, 00:05:15
Die Grusel Top 100 habe ich jetzt mal aufgerufen und was ich da für Filme lese, ist nicht nur gruslig, sondern geradezu unfassbar lächerlich. Ich kann mich gefühlt nicht daran erinnern, dass die vor 10 Jahren schon alle Grusel als Genre hatten, da muss wohl ein Gruselfetischist am Werke gewesen sein. Der Begriff wird hier so überstrapaziert gebraucht (Arsen und Spitzenhäubchen ein Gruselfilm, ich fall gleich in den Monitor), dass mir jegliche Lust auf eine Definitionsdiskussion vergangen ist. Genau aus diesem Grund wurde auch Trash gekickt, weil dann irgendwann auch Rosamunde Pilcher als Trash markiert war.

Jeder Thriller, jeder Horrorfilm, jede schwarze Komödie ließe sich nach subjektivem Empfinden als Grusel markieren. Genau das spiegelt auch diese bunt gewürfelte Liste wieder.

Morgen kaufe ich einen Radiergummi.  :icon_mrgreen:

Es sind ja momentan "nur" 1000 Filme in der OFDb als "Grusel" markiert... mal schauen, wieviele nach dem Rotstift noch unter "Grusel" fallen... Wobei das natürlich bei "Das Schloß im Spinnwebwald" oder "Im Reich der Leidenschaft" meines Erachtens schon etwas stimmiger klingt als "Horror" oder "Fantasy"... daher kann ich Chowyunfat2 schon sehr gut verstehen. (Aber es müsste dann eben mal eine Definition her, damit man sich nicht aufgerufen fühlt, jeden Gothic Horror Vertreter als Gruselfilm anzugeben...)
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

pm.diebelshausen

17 September 2013, 18:41:36 #46 Letzte Bearbeitung: 17 September 2013, 18:44:31 von pm.diebelshausen
Nur weil es mir gerade in den Sinn kam: würde eine Zusammenwerfung der beiden Begriffe etwas bringen = "Horror/Grusel"? So wie es bei "Liebe/Romantik" und "Kinder-/Familienfilm" in der OFDb der Fall ist? Das könnte die Hemmschwelle, "Grusel" zuzuordnen, erhöhen und zugleich die fließende, unscharfe Definitionsgrenze bzw. Genre-Subgenregrenze umgehen lassen.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.


PierrotLeFou

"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

Palaber-Rhabarber

Horror ergänzt, die Top 100 plus Nachzügler bin ich durchgegangen, der Genre-Rest folgt stückweise. Falls irgendwo zu Unrecht Grusel entfernt wurde, bitte Bescheid geben. Die Zusammenlegung von Horror und Grusel wäre ein Kompromiss.

PierrotLeFou

18 September 2013, 13:08:54 #50 Letzte Bearbeitung: 23 September 2013, 00:55:39 von PierrotLeFou
Hier mal schnell eine eingeschobene, kurze Definition zum Kurzfilm:


Kurzfilm: Unabhängig von Genre- & Gattungszugehörigkeit fungierender Terminus, der Filme mit einer niedrigen Laufzeit umfasst. Inhaltlich und stilistisch decken Kurzfilme damit alle Gebiete ab: es gibt dokumentarische ("Borinage" (1933)), essayistische ("Une Catastrophe" (2008)), experimentelle ("Meshes of the Afternoon" (1943)) & fiktionale ("Liberty" (1929)) Kurzfilme gleichermaßen, ebenso animierte Kurzfilme ("Steamboat Willie" (1928)). Bei fiktionalen Kurzfilmen handelt es sich um Spielfilme im ursprünglichen Sinn: dennoch stellt der Spielfilm, zu dessen Konventionen längst eine Laufzeit von 1½ od. 2 Stunden zählt, im üblichen Sprachgebrauch mittlerweile das Gegenteil des Kurzfilms dar – eine Gepflogenheit, welche die nichtfiktionalen Kurzfilme ignoriert, weshalb der unübliche Begriff des Langfilms durchaus Vorteile bietet. Nicht selten weisen Kurzfilme aufgrund der knappen Laufzeit verstärkt anekdotische od. allegorische Züge[1] auf.


Der Kurzfilm lässt sich bis zur Geburtsstunde des Films zurückverfolgen: die frühen, 1888 entstandenen Filme L. A. A. Le Princes dauern bloß zwei, drei Sekunden, die frühen Filme von G. Méliès und den Brüdern Lumière ab 1895 dauern meist eine knappe Minute. "Noch 1903 betrug der Anteil der Kurzfilme an der gesamten Filmproduktion 96%."[2] Ab 1911, vor allem zwischen 1913 und 1915 setzen sich dann vermehrt abendfüllende, ein- bis dreistündige Filme durch – gleichwohl einstündige Filme bereits 1906 entstanden sind ("The Story of the Kelly Gang").
Uneinigkeit besteht im Hinblick auf die mögliche Maximallaufzeit des Kurzfilms. R. Rother legt sich im "Sachlexikon Film" (1997) gar nicht erst fest, während E. M. Behrendt im "Sachlexikon des Films" (2002/2007) eine Maximallaufzeit von 30 Minuten angibt. Zur Bestimmung der Maximallaufzeit des Kurzfilms, über welche er sich eigentlich erst vom Langfilm (od. Spiel- bzw. Feature-Film) abgrenzen lässt, werden üblicherweise die Vorgaben der zahlreichen Kurzfilmfestivals herangezogen: In seltenen Fällen liegen die Laufzeitbegrenzungen dort bereits bei 90 Sekunden, üblich sind jedoch vor allem die Angaben von 30, 40 od. 45 Minuten, während Angaben von 60 Minuten bereits wieder eine Seltenheit bilden. Auf der OFDb stellen 45 Minuten ebenfalls die Obergrenze dar. Irritierend muss der Versuch ausfallen, den Kurzfilm bloß ex negativo über den Lang- bzw. Feature-Film zu definieren, welchem je nach Definition (durch Filminstitute od. -gewerkschaften) eine Mindestlänge von 1600 Metern, von 40 Minuten oder gar 80 Minuten zugeschrieben wird.
Nach dem ersten Weltkrieg hat der Langfilm den Kurzfilm längst an Popularität überholt. Der Kurzfilm stellt in den 20ern vor allem ein Gebiet der Avantgardefilmer dar und gerät fortan immer auch zum Experimentierfeld für Filmemacher, die sich später mit Langfilmen breitenwirksam durchzusetzen verstehen: etwa J. Negulesco ("Alice in Movieland" (1940)), J. Rivette ("Aux quatre coins" (1949)), S. Kubrick ("Day of the Fight" (1951)), F. Truffaut ("Une visite" (1955)), W. Herzog ("Herakles" (1962)), M. Scorsese ("What's a Nice Girl Like You Doing in a Place Like This?" (1963)), G. Van Sant ("The Discipline of D.E." (1982)), P. T. Anderson ("Cigarettes and Coffee" (1993)). In den 40ern handelte es sich dabei meist um Auftragsarbeiten großer Studios mit Werbefunktion, später boten das Fernsehen (C. Schlingensief), der Underground (P. Morrissey), Studenten-Abschlussarbeiten (T. Malick), Festivals (A. Kluge), Musikvideos (M. Nispel) und schließlich das Internet (F. Alvarez) einen Raum, um neben dem – während der 70er aus der Mode geratenden – Konzept des Vorfilms im Kino den Kurzfilm zugänglich zu machen.
Trotz der Bemühungen von Festivals & Fernsehprogrammen geht dem Kurzfilm eine Breitenwirksamkeit in der Regel ab.

1.) Vgl. Hans Jürgen Wulff: Kurzfilm. http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=242 (18.09.2013).
2.) Behrendt: Kurzfilm. In: Koebner (Hg.): Sachlexikon des Films. Reclam 2007; S. 390.


Weitere Literatur zum Kurzfilm:
Kremski: Überraschende Begegnungen der kurzen Art: Gespräche über den Kurzfilm (Schnitt 2005).
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

PierrotLeFou

19 September 2013, 17:04:15 #51 Letzte Bearbeitung: 24 September 2013, 03:13:40 von PierrotLeFou
So, noch ein Text zum Stummfilm... auf Stilfragen und die Entwicklungen in einzelnen Ländern habe ich jetzt verzichtet, das hätte kein Ende mehr genommen. Stattdessen habe ich mich bloß auf die schwammige Grenze zwischen Stumm- und Tonfilmen und die entsprechende Entwicklung konzentriert.



Stummfilm: Film ohne zusätzlich zum Bild aufgezeichnete Tonspur, der die Filmgeschichte von ihren Anfängen bis Ende der 20er Jahre dominierte. Der Stummfilm wurde in den seltensten Fällen stumm aufgeführt: kommentierende Erzähler und vor allem Musiker begleiteten die Aufführungen in der Regel. Eine der populären Ausnahmen stellt dagegen Dreyers "La Passion de Jeanne d'Arc" (1928) dar, der im Sinne Dreyers vollkommen stumm aufgeführt worden ist. Abgelöst wurde der Stummfilm zwischen Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre vom Tonfilm: dass während dieser Zeit ebenfalls der Begriff des Sprechfilms – in Analogie zum talkie oder all talkie im engl. Sprachraum – gebräuchlich war,[1] weist indirekt auf den tönenden Charakter von Stummfilmaufführungen hin. Charakteristisch für den Stummfilm – im Gegensatz zu den frühen Tonfilmen – ist der Umstand, dass die s/w-Aufnahmen oftmals viragiert oder – gerade im Fall von Kurzfilmen – sogar handcoloriert präsentiert worden sind. Mindestens 4/5 aller Stummfilme gelten als verschollen.


Die Art und Weise der Präsentation von Stummfilmen schwankte erheblich: teilweise begleitete ein komplettes Orchester – nach extra für den Film zusammengestellten Partituren (teilweise eigener Kompositionen) – die Aufführungen, was gerade bei groß produzierten und als gesellschaftliches Ereignis beworbenen Produktionen der Fall war ("Birth of a Nation" (1915)), teilweise kamen Kinoorgeln zum Einsatz, teilweise improvisierten einzelne Pianisten unterschiedlichsten Talents im Kinosaal nach Lust & Laune;[2] zugleich wurden aber auch Grammophone od. Phonographen zur musikalischen Begleitung eingesetzt. Gerade in der frühen Filmgeschichte war die Musikbegleitung nicht allein ästhetisch motiviert, sondern auch durch das Vorhaben, "die Geräusche der Projektionsapparatur zu übertönen"[3]. Erzähler waren vor allem in der Frühzeit des Kinos üblich, als die starke Verknappung von Handlungen in Kurzfilmen bei gleichzeitig noch nicht voll entfalteten Erzählkonventionen (und einem Fehlen noch nicht vollständig etablierter Zwischentitel bzw. Texttafeln) erläuternde Kommentare geradezu notwendig erscheinen ließ, da "die Filme selbst lange nur Ketten einzelner Schlüsselsituationen präsentierten, meist in Form visueller Tableaus, die mit statischer Kamera frontal aufgenommen waren."[4] Heutzutage liegen Stummfilme auf DVD/BR meist mit neu eingespielten Originalkompositionen & neuen Kompositionen vor; im Falle früher Kurzfilme existieren vielfach auch eingesprochene Kommentarspuren, die nicht mit den gängigen Audiokommentaren zu verwechseln sind.
Bereits früh kam es zu Optimierungsversuchen des Bestrebens, dem Film eine akustische Begleitung zukommen zu lassen: O. Meßter widmet sich 1903 seinen Biophon-Versuchen und H. Vogt beschäftigte sich seit 1905 mit den Möglichkeiten einer Tonfilm-Technik. Der erste Lichtton-Film – spätestens ab Beginn der 30er die gängigste Tonfilm-Technik – erlebt seine Uraufführung bereits 1921 in Schweden und geht auf den Erfinder S. Berglund zurück. H. Vogt bringt es mit seiner Lichton-Technik ab Dezember 1922 zu frühen Tonfilmvorführungen ("Der Brandstifter" (1922)), von denen "Das Leben auf dem Dorfe" (1923) heute als einzig – wenngleich fragmentarisch – erhaltener gilt. Das kostenspielige Verfahren und das Problem der Synchronisation zwecks internationaler Verbreitung schieben einer Etablierung dieser Technik jedoch den Riegel vor. Erst der Erfolg von Nadelton-Filmvorführungen durch Warner Bros. im Jahr 1926 und ganz besonders ihr erster Naldelton-Spielfilm "The Jazz Singer" (1927) führt das allmähliche Ende des Stummfilms in den kommenden drei bis acht Jahren herbei. Fortan setzt sich aber vor allem das auf Vogt zurückgehende Lichttonverfahren unter W. Fox durch.
Das Aufkommen des Tonfilms wird während der Umbruchphase von Filmkritik & Filmschaffenden teilweise skeptisch bis widerwillig verfolgt & kommentiert; Chaplin, der sich nur zögerlich dem Tonfilm zuwendet und noch in "Modern Times" (1936) mit Elementen der Stummfilmästhetik arbeitet, lehnte den Tonfilm lange entschieden ab und prophezeite noch 1931: "Ich geben den talkies noch sechs Monate. Höchstens ein Jahr. Dann sind sie erledigt."[5] Radikaler als Chaplin, der in "Modern Times" den Stummfilm mit den Mitteln des Tonfilms feiert, legt J. S. Watson mit dem Tonfilm "Tomatos Another Day" (1930) eine deutliche, heute kurzsichtig anmutende Kritik am Tonfilm vor. Arnheim verteidigt zwar in "Film als Kunst" den Tonfilm als berechtigte Filmform gegenüber den Vorwürfen eines kommerziellen Ausverkaufes der Filmkunst auf Kosten des Stummfilms, wenngleich auch er die umfassende Verdrängung des Stummfilms durch den Tonfilm bedauert, diskreditiert allerdings den "reine[n] Sprechfilm"[6], der "mit Filmkunst nichts zu tun"[7] habe.[8]
Nicht bloß der Stummfilm wurde ab 1927 immer stärker vom Tonfilm abgelöst, sondern auch zahlreiche Filmschaffende selbst erlebten diesen Wechsel als bedrohlich: den Umschwung von einem gestischen & mimischen Schauspiel zu Sprechrollen konnte nicht jeder Filmstar meistern (wie P. Negri od. E. Jannings),[9] während ambitionierte Regisseure ihre letzten Stummfilmwerke in einer Zeit der Konzentration der Produzenten auf den Tonfilm nicht mehr in geplanter Form verwirklichen konnten; so wurde etwa von Stroheims "Queen Kelly" (1928) mitten in der Produktion vorzeitig und entgegen der Intentionen von Strohheims zu einem Ende gebracht. Anderen ambitionierten Stummfilmen wurde bei ihren Aufführungen nur noch eine geringe Aufmerksamkeit zuteil. Während der Tonfilm den Stummfilm abzulösen beginnt – im osteuropäischen & asiatischen Bereich dauert dieser Wechsel noch bis Mitte der 30er an –, entstehen vermehrt Filme, bei denen die Grenze zwischen Stumm- und Tonfilm nicht mehr trennscharf zu ziehen ist: in dieser Phase des Übergangs zeigt sich erst die Schwierigkeit, den Stummfilm eindeutig zu definieren. In "The Jazz Singer" nehmen Dialoge nur einen Bruchteil der Laufzeit ein, während der Einsatz von Zwischentiteln überwiegt. Ein- und derselbe Film wird als Ton- & Stummfilmfassung vermarktet ("The Thirteenth Chair" (1929)), als Stummfilm geplanten & gedrehten Filmen wird nachträglich eine Tonspur aus Musik & spärlicher Geräuschkulisse auferlegt ("Where East is East" (1929)), Stummfilme erhalten eine Tonfilm-Rahmenhandlung (,,Prazdnik svyatogo Yorgena" (1930)), während mancher Filmemacher (z.B. Chaplin) zwar das Lichtton-Verfahren aufgreift, um damit dennoch Filme in Stummfilmästhetik (wenn auch mit fester Musik- & Geräuschspur) anzufertigen.
Diese Uneindeutigkeit durchzieht vor allem jüngere Filme, die im Zeitalter des Tonfilms auf eine Stummfilmästhetik zurückgreifen: "Silent Movie" (1976) – ein Farbfilm – enthält eine feste Musikspur, aber keinerlei Dialoge (nur einmal spricht Pantomime M. Marceau das einzige Wörtchen "Non!"), G. Maddin verzichtet in zahlreichen Filmen auf Geräusche oder Dialoge und setzt einzig auf die Musikbegleitung und Zwischentitel, "The Artist" verfährt lange Zeit ebenso, um sich am Ende jedoch als talkie auszuweisen. Weitere Filme in mehr oder weniger stark ausgeprägter Stummfilm-Ästhetik der jüngsten Zeit stammen von H. Achternbusch ("I Know the Way to the Hofbräuhaus" (1991)), J. Brabec ("Kravý román" (1993)), A. Kaurismäki ("Juha" (1999)), A. Leman ("The Call of Cthulhu" (2005)), F. Potente ("Der die Tollkirsche ausgräbt" (2006)), M. de Oliveira ("Rencontre unique" (2007) od. P. Berger ("Blancanieves" (2012)).
Nicht immer lässt sich diese Stummfilm-Ästhetik einwandfrei von Experimental- & Musikfilmen ohne jede diegetische Tonquelle unterscheiden (etwa P. Portabellas "Vampir Cuadecuc" (1971), der dann aber in seinem Epilog einen langen Monolog enthält). Aus technischer Sicht handelt es sich freilich bei keinem dieser Filme um einen Stummfilm, da die den Tonfilm charakterisierende synchrone Wiedergabe aufgezeichneter Bild- & Ton-Informationen gegeben ist, während die Ästhetik oftmals der Stummfilmästhetik entspricht. Von einer Stummfilm-Ästhetik weichen solche Werke allerdings ab, wenn – wie in "The Artist" – der Film Dialoge enthält und somit eher einen talkie bzw. part talkie darstellt, oder wenn – wie bei Portabella – die Musikspur auf ein experimentelles, die Beziehung von Bild und Ton thematisierendes Verhältnis zur Bildebene abzielt.

1.) In den frühen Filmtheorie setzt sich allerdings schnell der Begriff des Tonfilms durch, etwa in B. Balázs' "Der Geist des Films" (1930). (Vgl. Balázs: Der Geist des Films. Suhrkamp 2001; S. 113-144.) R. Arnheim behandelt den Sprechfilm in "Film als Kunst" (1932/1974) einerseits ganz klar als Unterkategorie des Tonfilms, beschreibt den Tonfilm aber andererseits als Gebiet zwischen zwei Grenzen: "Die eine Grenze verkörpert der extreme Sprechfilm, die andere der stumme Film" (Arnheim: Film als Kunst. Fischer 1979; S. 256).
2.) Vgl. Kracauer: Theorie des Films. Suhrkamp 1985; S. 190.
3.) Filmlexikon 3: Filme T-Z. Rowohlt 1984; S. 675.
4.) Schweinitz: Stummfilm. In: Koebner: Sachlexikon des Films. Reclam 2007; S. 696.
5.) Zitiert nach: Robinson: Chaplin. Sein Leben. Seine Kunst. Diogenes 1993; S. 537.
6.) Arnheim: Film als Kunst. S. 256.
7.) Arnheim: Film als Kunst. S. 262.
8.) Noch in den 60ern wird S. Kracauer, der mit seiner realistischen Tendenz der formgebenden Tendenz Arnheims eher gegenübersteht, in seiner "Theory of Film" (1960) ebenfalls filmische und unfilmische Verwendungen des Tons kategorisieren. (Vgl. Kracauer: Theorie des Films. S. 147-213.)
9.) "Singin' in the Rain" (1952) od. "The Artist" (2011) widmen sich später solchen Schicksalen.


Weitere Literatur zum Stummfilm:
Balázs: Der sichtbare Mensch. Suhrkamp 2001.
Brennicke/Hembus: Klassiker des Deutschen Stummfilms 1910-1930. Goldmann 1983.
Brownlow: Hollywood: The Pioneers. Knopf 1980.
Dahlke/Karl (Hg.): Deutsche Spielfilme von den Anfängen bis 1933.
Eisner: Die dämonische Leinwand. Kommunales Kino Frankfurt 1979.
Müller: Vom Stummfilm zum Tonfilm. Fink 2003.
Toeplitz: Geschichte des Films. Band 1: 1895-1928. Henschel 1992.
Toeplitz: Geschichte des Films. Band 2: 1928-1933. Henschel 1992.




Ich würde im Laufe der kommenden Woche dann den Horrorfilm-text überarbeiten und ein paar Tage später Dr. Kosh eine PM schicken.


Noch etwas zum Stummfilm:
Bei "The Artist" sollte Stummfilm meines Erachtens entfernt werden... Der enthält schließlich nicht nur Musikuntermalung, sondern auch Dialoge gegen Ende...

Vielleicht wäre es ja eine Überlegung wert, für frühe "Tonfilme" ("Jazz Singer") und manche "Stummfilme" des Tonfilmzeitalters den part talkie als Typ in die OFDb zu integrieren... ein großer Teil der Filme, bei denen man darüber streiten kann, ob es sich um Stumm- oder Tonfilme handelt, könnte auf diese Weise sinnvoll & eindeutig gekennzeichnet werden.

Ich würde in den Text oben gerne auch auf eine offizielle Handhabung der OFDb im Hinblick auf Filme, die sowohl als Stummfilm, als auch als Tonfilm vermarktet worden sind, hinweisen: Aber soweit ich weiß, gibt es momentan keine verbindliche Vorgaben, ob man diese Filme als Stumm- oder Tonfilme kennzeichnen soll... :00000109:
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

MMeXX

Zitat von: PierrotLeFou am 19 September 2013, 17:04:15Noch etwas zum Stummfilm:
Bei "The Artist" sollte Stummfilm meines Erachtens entfernt werden... Der enthält schließlich nicht nur Musikuntermalung, sondern auch Dialoge gegen Ende...
Okay

ratz


Pierrot, habe den Horrorfilm-Text mal korrekturgelesen und nur ein paar Kleinigkeiten gefunden. Alles weitere über PM, gell?

cu, r.

ratz

23 September 2013, 13:04:59 #54 Letzte Bearbeitung: 23 September 2013, 13:45:55 von ratz
Zitat von: PierrotLeFou am 19 September 2013, 17:04:15

Vielleicht wäre es ja eine Überlegung wert, für frühe "Tonfilme" ("Jazz Singer") und manche "Stummfilme" des Tonfilmzeitalters den part talkie als Typ in die OFDb zu integrieren... ein großer Teil der Filme, bei denen man darüber streiten kann, ob es sich um Stumm- oder Tonfilme handelt, könnte auf diese Weise sinnvoll & eindeutig gekennzeichnet werden.

Ich würde in den Text oben gerne auch auf eine offizielle Handhabung der OFDb im Hinblick auf Filme, die sowohl als Stummfilm, als auch als Tonfilm vermarktet worden sind, hinweisen: Aber soweit ich weiß, gibt es momentan keine verbindliche Vorgaben, ob man diese Filme als Stumm- oder Tonfilme kennzeichnen soll... :00000109:

Part-talkies als Extra-Genre fände ich ein bißchen zu kleinteilig, erstens betrifft es doch eher wenige Filme, und zwotens bleibe ich mir in meiner eigenen Haltung treu, was die Ablehnung des Typs Stummfilm betrifft  :nono: (hier nachzulesen).
Sicher könnten bei den betroffenen Filmen (von denen es ja oft mehrere Versionen gibt) Zusatzinfos eingetragen bzw. die jeweiligen Fassungseinträge kenntlich gemacht werden.

Ob man in die Genre-Definitions-Texte auch noch die Handhabung speziell in der OFDb integriert, ist noch ein weiteres Thema, ich würde davon absehen und die vermutlich wenigen Fälle im KF abhandeln.

PierrotLeFou

24 September 2013, 01:31:11 #55 Letzte Bearbeitung: 24 September 2013, 03:05:07 von PierrotLeFou
Fußnoten eingefügt, dank ratz noch etliche Fehler rausgehauen... ändern konnte ich den entsprechenden Eintrag nicht mehr, daher nochmals der alte Text in neuer Form:




Horrorfilm: Genre, das in der Regel dem Bereich des Phantastischen Films zugeordnet wird.[1] Der Horrorfilm verfolgt – in unterschiedlich starker Ausprägung – das Ziel, dem Publikum ein Gefühl des Schauderns oder Schreckens zu vermitteln. Auslöser dieses Gefühls war zunächst das Fremde, die klassischen Halbwesen: Tiermenschen, Vampire, Geister... später auch das Eigene: die engsten Mitmenschen, das Abjekte des (eigenen) Körpers und gar der Wahn der eigenen Psyche.


Dem Horrorfilm geht eine lange lit. Tradition voraus, auf die sich seine Themen & Motive stützen und deren Beginn man gemeinhin in der engl. Gothic novel und dem dt. Schauerroman gegen Mitte/Ende des 18. Jh.s sieht. Die Gothic novel bringt dabei zwei verschiedene Schulen hervor: die School of terror, zu der die frühen Werke von A. Radcliffe zu zählen wären, welche wunderbare Ereignisse mit natürlichen Erklärungen versehen, und die School of horror, die mit M. G. Lewis' Roman "The Monk" (1796) beginnt und auf natürliche Erklärungen ebenso verzichtet, wie sie zugleich skandalöse & sadistische Elemente ausreizt. Lewis' Roman – von der deutschen Schauerliteratur beeinflusst – beeinflusste seinerseits die späteren Gothic novels und den Schauerroman erheblich. Über den ab Lord Byron & W. Polidori einsetzenden Boom an (nicht selten sexuell aufgeladener, doppeldeutiger) Vampirliteratur – kulminierend im Penny dreadful "Varney the Vampire" (1845) und B. Stokers "Dracula" (1897) –, die viktorianischen Geistergeschichten Le Fanus, die "Nachtstücke" E. T. A. Hoffmanns, die "Contes cruels" Villiers de L'Isle-Adams oder die "Tales of the Grotesque and Arabesque" E. A. Poes hat die Horrorliteratur im 19. Jh. einen festen Korpus gewonnen, zu dessen Repertoire noch Tier- & Kunstmenschen, lebende Statuen, Teufel, Hexen, Erscheinungen & Visionen, Verwandlungen & Doppelgänger, sowie – teilweise auch völlig ohne wunderbare Elemente – Martern & makabere Situationen zählen, während zu den Autoren zahlreiche Namen der Weltliteratur gehören. Poe wird dabei häufig als "Vater der modernen Horrorgeschichte"[2] bezeichnet. Doch weder der Begriff der Horrorliteratur, noch der Begriff der Phantastischen Literatur (und selbst der Begriff des Schauerromans) wurden einer einheitlichen, allgemeinverbindlichen Definition unterzogen.[3]

Die Problematik der Definition betrifft auch den Horrorfilm. Zunächst ist anzumerken, dass der Horrorfilm als fester Terminus lange Zeit gar nicht etabliert ist. Die Illustrierte Film-Bühne bezeichnet "King Kong" (1933) im Jahr 1953 als Thriller. S. Kracauer bespricht Horrorfilme noch 1960 unter dem Oberbegriff des Fantastischen, dem er sogar die Trickeffekte des Slapsticks zuordnet.[4] In "Das Grauen im Film" (1940) behandelt er (gestellte) Hinrichtungen & Naturkatastrophen unter dem Label des Grauens & des Entsetzlichen; und unter dem Titel "Hollywood's Terror Films" (1946), von ihm als Hollywoods Greuelfilme übersetzt, fasst er verschiedene Abstufungen des Thrillers zusammen – darunter "Gaslight" (1944), "The Spiral Staircase" (1945) & "Shock" (1946) –, deren Erfolg er vor dem Hintergrund des Krieges deutet und dabei die Ablösung einer einstmals populären Bedrohung wie (z.B.) dem Frankenstein-Monster Karloffs durch eine gegenwärtig populäre Bedrohung (z.B. den unscheinbaren Nachbarn) thematisiert, ohne jedoch dabei den Begriff des Horrorfilms zu verwenden. Diese Analyse Kracauers ließe sich mit geringen Modifikationen auf den Übergang vom klassischen zum modernen Horrorfilm übertragen.[5] Der Begriff des Horrors fällt dann jedoch in einem seiner Hauptwerke: 1947 bezeichnet er die auf Poe und Hoffmann rekurrierende Handlung in "Der Student von Prag" (1913) als "Horror-Story"[6] und bezeichnet "Das Cabinet des Dr. Caligari" (1919) als "Schauergeschichte im Geiste E. T. A. Hoffmanns"[7]. Unter dem Rückgriff auf die Literatur konnte Kracauer deren Kategorisierungen auf den Film übertragen – was auch für L. H. Eisners "Die dämonische Leinwand" (1955/1975) gilt.
Auch im englischsprachigen Bereich setzt sich die Bezeichnung Horror film erst spät durch: Werbeplakate früher Genreklassiker sprechen von der story of the strongest Passion the world has ever known! ("Dracula" (1931)), vom Chilling thriller ("Frankenstein" (1931)) oder Chill thriller ("Bride of Frankenstein" (1935)), verleihen z.B. Karloff den Beinamen The Uncanny ("The Mummy" (1932)) und schmücken die Plakate mit den Begriffen Thrills, Terror, Fantastic, Weird oder Horrifying. In der Presse wurden diese heutzutage als Horrorfilme gefassten Klassiker nicht selten auch als Thriller bezeichnet.
Dass sich die Laemmles bei Universal vollkommen bewusst auf die literarischen Klassiker der Gothic novel und des Victorian gothic konzentriert haben, steht ebenso außer Frage wie die Tatsache, dass die entsprechende Literatur längst unter dem Label Horror aufgegriffen worden ist. Dennoch setzt sich gegenüber den Kategorisierungen des Chillers oder Thrillers der Horror film erst im Laufe der Zeit durch. Endgültig etabliert hat er sich dann bereits in den 60ern: I. Butlers "The Horror Film" (1967) & C. Clarens "An Illustraded History of the Horror Film" (1968) – nach M. Laclos Klassiker "Le Fantastique au cinéma" (1958) und den Bänden F. J. Ackermans die frühesten populären Buchpublikationen zum Horrorfilm – zeugen davon. Artikel in Filmmagazinen häufen sich zudem mit dem Entstehen der Horrorfilme der Hammer Studios in den späten 50ern. In den 70ern steigt die Zahl der Veröffentlichungen zum Horrorfilm – auch hierzulande – rapide an, was damit zusammenhängt, dass generell "[e]ine publizistische Diskussion zur Bestimmung dessen, was ein Filmgenre ausmacht, [...] in den 60er & 70er Jahren begonnen [hat]."[8] Jung merkt an, dass diese Werke vorwissenschaftlich ausgerichtet, meist für Laien geschrieben worden und in ihrer Genredefinition daher eher unsystematisch sind. Entsprechend breit gefächert wird der Horror film daher z.B. bei Butler definiert: neben Filmen, die einzig auf die Erzeugung des Horrors abzielen, nennt er noch Filme, in denen das Gefühl des Horrors essenziell sei aber nicht das einzige Interesse darstelle, Filme, in denen sich zumindest einzelne, kurze Momente eines Gefühls des Horrors ausmachen ließen, Filme, in denen ein Gefühl des Horrors einer naturalistischen Ausrichtung inhärent sei, und schließlich Dokumentarfilme, in denen Auslöser dieses Gefühls direkt dokumentiert werden.
Darum bemüht, den Horrorfilm stärker von benachbarten Genres – dem Thriller (einst geradezu synonym verwandt), Fantasy- & Science Fiction-Film – abgrenzen zu können, stellt der "Oxford Companion to Film" (1976) vier Kriterien auf, die allesamt erfüllt sein müssen: "1. das Vorkommen fantastischer Elemente, deren Handlungsweise oder bloße Präsenz lebensbedrohend wirken und deren Existenz wissenschaftlich nicht oder nur unzureichend erklärbar ist – dazu gehören auch Extremfälle pathologischen Vernichtungstriebs oder sich selbst erfüllende Angstvorstellungen [...]; 2. der Appell an die Angst des Zuschauers vor dem Unbekannten und Übermächtigen [...]; 3. eine subjektive, das heißt furchtverstärkende Darstellung der Ereignisse [...]; 4. das gemeinsame Einverständnis von Filmemachern und Publikum, daß der erzeugte Schauder als auf der Basis akzeptierter Konventionen künstlich erzeugt und im Endeffekt furchtlösend verstanden wird."[9] Diese bemerkenswert zeitlose Definition hat heutzutage den letzten Punkt vermutlich dennoch eingebüßt, wenn man die Authentifizierungsstrategien der sich bei einer Found footage-Ästhetik bedienenden Horrorfilme der letzten Jahre berücksichtigt.
Konkreter an den Motiven des Genres angelehnt fällt Stigleggers Definition aus: über die Bedrohung durch übernatürliche Mächte/Wesen, die Visualisierung des Innenlebens Wahnsinniger, die Übertreibung einer von Menschen ausgehenden Gefahr, die von einem Menschen besitzergreifenden Mächte, die innerfilmisch im Rahmen von Intrigen bloß inszenierten Schocks oder die verfluchten Orte/Objekte steckt er den Rahmen des Genres ab, wobei alle Punkte als im Dienst der Angsterzeugung stehend betrachtet werden.[10]
Dieses bereits im Wort 'Horror' steckende Moment der Angsterzeugung ist allerdings problematisch: diese auch auf dem Gebiet der Literatur – z.B. von H. P. Lovecraft, R. Caillois oder L. Vax – geforderte Bedingung wurde spätestens mit T. Todorov entkräftet. Auch auf dem Gebiet des Films wird diese Bedingung durch das von Individuum zu Individuum, von Zeitraum zu Zeitraum, von Ort zu Ort verschiedene Angstempfinden untergraben: allenfalls spekulativ wäre die intendierte oder gelungene Angsterzeugung eines Filmes auszumachen, wobei zumindest ein psychoanalytischer Zugriff über den Begriff des Abjekten eine fundierte Argumentationsbasis liefert – welche jedoch nicht den Wirkungsverlust der Angsterzeugung im Laufe der Jahre berücksichtigen kann. Seeßlen/Jung kommen zwar in "Horror. Geschichte und Mythologie des Horrorfilms" (2006) um den Begriff des Unheimlichen nicht herum, listen jedoch auf 100 Seiten Voraussetzungen des Genres, den Ansatz einer Ikonographie des Genres und Fundamente, Strukturen & Kontexte der Angst auf. Das Halbwesen & die Phantastik - begriffen als sich ausbreitende "alte Form des Mythos in den Rissen des neuen Wissens"[11] -, die Gewalt und religiöse & sexuelle Subtexte gehören dabei zu den Aspekten, mit denen sich (auf weiteren 800 Seiten) das sich über die Jahrzehnte hinweg wandelnde Genre beschreiben lässt.

Das Genre des Horrorfilms etabliert sich – wie die meisten Genres – erst mit dem Tonfilm. Brownings "Dracula" und die folgenden klassischen Horrorfilmen der 30er Jahre (vor allem bei Universal, aber auch bei RKO) wären zu nennen: erst zu diesem Zeitpunkt beginnt die Serialisierung der Filme über Sequels ("Bride of Frankenstein") und Crossover ("Frankenstein Meets the Wolf Man" (1943)), während zugleich die Standardisierung von Strukturen ("The Mummy" ist beinahe ein freies Remake von "Dracula") & Motiven (Vampir, Werwolf, Mumie, Frankenstein-Monster, Mad Scientist und buckliges Faktotum) unter dem Einfluss amer. & dt. Vorläufer – sowie der literarischen Tradition – ansteigt und z.B. B. Lugosi & B. Karloff zu den ersten Stars dieses Genres avancieren, nachdem L. Chaney sr. – festgelegt auf monströse Rollen in makaberen Dramen – die Etablierung des Horrorfilms als eigenes Genre nicht mehr erlebte.
Dabei sind bekannte Stoffe der Horrorliteratur schon früh vom Film aufgegriffen worden: etwa in "Dr. Jekyll and Mr. Hyde" (1908), "Frankenstein" (1910), "Der Student von Prag" (1913) – unter Beteiligung H. H. Ewers' – oder "The Avenging Conscience" (1914) nach Poe. Die bloßen Motive fanden bereits 1896 Einzug in den Film. Vor allem mit dem expressionistischen dt. Stummfilm kommt es zwischen "Das Cabinet des Dr. Caligari" (1919) und "Orlacs Hände" (1924) zu einflussreichen Vorläufern des Genres, die gerade in ihrem Spiel von Licht & Schatten vom amer. Horrorfilm der 30er ausgiebig zitiert werden. Weitere Vorläufer lassen sich in Frankreich & Schweden finden.
In dieser ersten Phase des Horrorfilms sind es vor allem die "Halbwesen, also [...] halb Mensch, halb Tier oder halb lebendig, halb tot oder halb Mensch, halb Dämon"[12], die das Genre als Auslöser des Horrors dominieren, wobei sich nach Seeßlen/Weil ihre Herkunft der Natur, nicht – wie im Science Fiction Film – der Technik verdanke. Angesichts dieser fremdartigen, wenn auch ähnlichen Halbwesen wird der Horrorfilm dieser Jahre auf die "Formel vom Kampf des 'Eigenen' gegen das 'Fremde'"[13] gebracht, die freilich in einigen Stoffen – etwa im Fall von Jekyll & Hyde – bereits hinterfragt wird. Dabei wurden die Feindbilder immer wieder auf die Fremden der Realität zurückgeführt: auf die Osteuropäer etwa ("Dracula", "The Most Dangerous Game"), auf die Frau ("Cat People" (1943)) oder auf die Farbigen ("Dr. Jekyll and Mr. Hyde" (1931), "King Kong" (1933)).[14]
Mit "Murders in the Zoo" (1933), "The Black Cat" (1934) und "The Raven" (1935) gerät – nach den eigenwilligen Vorstufen einiger L. Chaney sr.-Filme – zunehmend die Versehrung des eigenen Körpers zum Auslöser des Horrors, bis der Hays-Code diesen Produktionen einen Riegel vorschiebt. In den 40ern endete der Erfolg der Universal-Beiträge mit reißerischen Crossovern, während die "atmosphärisch stimmigen und bereits stark psychologisierenden Filme[] Val Lewtons [...] und Jacques Tourneurs"[15] dominierten, in denen "eine neue Qualität des Schreckens präsentiert [wird]: Die Bedrohung liegt als Atmosphäre über dem ganzen Film; Schatten und Geräusche überzeugen von der Existenz einer unmittelbaren Gefahr, ihre Quelle bleibt jedoch buchstäblich im Dunkeln."[16] In den 50ern vermischt sich der Horrorfilm nach diesem kurzlebigen Zwischenspiel zumeist mit dem Science Fiction Film: Als Monsterfilm ("Them" (1954), "Tarantula" (1955), "Gojira" (1954)) – in der Regel als Reaktion auf die Erfahrung der Atombombe verstanden – oder als Invasionsfilm ("Invaders from Mars" (1953), "Invasion of the Body Snatchers" (1956)) – in der Regel als Reaktion auf die McCarthy-Ära verstanden.
Ab Ende der 50er entsteht unter M. Bava in Italien, unter T. Fisher & den Hammer Studios in England und unter R. Corman & AIP in den USA eine – sadistischere und im sexuellen Subtext deutlichere – Rückkehr zum traditionell literarisch geprägten Horrorfilm: Mit Hammers Farbfilmen "Curse of Frankenstein" (1957) & "Dracula" (1958) hält erstmals das rote Blut als zentrales Motiv des Genres Einzug. Während sich dieser Boom des sogenannten Gothic horrors bereits Ende der 60er, Anfang der 70er seinem Ende zuneigt, setzt sich ab H. G. Lewis' "Blood Feast" (1963) der Splatterfilm durch, der neben den Psychothrillern A. Hitchcocks ("Psycho" (1960) & M. Powells ("Peeping Tom" (1960)) die Wende zum modernen Horrorfilm herbeiführte. Die vor dem Hays-Code schon angedeutete Versehrung des eigenen Körpers dominiert die 70er & 80er, um sich kurz nach der Jahrtausendwende – unter dem Label Torture porn – erneut im Kino zu entfalten: "Die extreme Körperlichkeit dieser Filme spiegelt sich auch in ihrer Begrifflichkeit, die auf blood and guts, 'Blut und Eingeweide', geronnenes Blut (engl. gore), herumspritzende (engl. to splatter) Körpersäfte und Innereien sowie auf aufgeschlitzte (engl. to slash) Leiber verweist."[17] Unter der Regie G. A. Romeros ("Night of the Living Dead" (1968), "Dawn of the Dead" (1978)), W. Cravens ("Last House on the Left" (1972), "The Hills Have Eyes" (1977)), D. Cronenbergs ("Shivers" (1975), "Rabid" (1977)) und T. Hoopers ("Texas Chainsaw Massacre" (1974)) gewinnt dieser Körperhorror – der bei Hooper kaum explizit ausfällt – oftmals satirische Züge. Dagegen verliert sich dieser Ansatz in den 80ern in Sequel-reichen Slasher-Filmen - und gerät vermehrt auch zum Stein des Anstoßes bei Zensur & Kritik.
In den späten 60ern & den 70ern blüht zugleich der lateinamerikanische, europäische und asiatische Horrorfilm auf, nachdem er zuvor meist erst spät entstanden war und auf einzelne Werke beschränkt blieb: "El Fantasma del Convento" (1934) in Mexiko, "Ye ban ge sheng" (1937) in China, "La Torre de los Siete Jorobados" (1944) in Spanien oder "Yotsuya kaidan" (1949) in Japan stellen jeweils frühe, rare Ausnahmen in ihren Entstehungsländern dar, während in Deutschland mit R. Oswalds Tonfilm-Remake "Unheimliche Geschichten" (1932) die Tradition phantastischer Filmstoffe weitestgehend für Jahrzehnte beendet ist. Horrorfilme etablieren sich dann aber mit J. Franco ab 1962 in Spanien – wo P. Naschy unter L. Klimovsky & C. Aured zum Genrestar avanciert. In Frankreich wird J. Rollin mit erotischen Vampirfilmen ab 1968 populär, während in Belgien ab 1971 H. Kümel, J. Brismée & J. Franco mit eigenwilligen Filmen auffallen. J. M. Marins gerät ab 1964 in Brasilien zur Genre-Ikone, in Japan entstehen ab Ende der 50er vermehrt Beiträge, wobei Filme von N. Nakagawa ("Jigoku" (1960)), M. Kobayashi ("Kwaidan" (1964)) & K. Shindo ("Onibaba" (1964), "Kuroneko" (1968)) weltweit gewürdigt werden. In Italien dominieren in den 70ern vor allem Giallothriller, sowie - von einer Splatterästhetik gezeichnete - Zombie- & Kannibalenfilme gegen Ende der 70er & zu Beginn der 80er.
In den 70ern blühen erstmalig oder erneut zahlreiche Subgenres auf: okkulte Horrorfilme, Tierhorror-, Geisterhaus-, Zombie-, Hexenjäger-, Nonnen-, Rape-/Revenge-Filme & Psychothriller durchziehen das Genre. In den 80ern kommen vermehrt Slasher-Reihen & Videoproduktionen auf, während sich unter den ambitionierten Kinofilmen eine Rückläufigkeit bemerkbar macht, die teilweise auch mit dem Abklingen der europäischen Horrorfilmwelle zusammenhängt.
Anfang der 90er Jahre lebt eine Variation des Gothic horrors auf, während zugleich der Serienkiller-Film an der Schnittstelle zwischen Thriller und Horrorfilm einen Popularitätsschub erlebt und ein Verschwinden der Splatterästhetik zu bemerken ist. Mit "Scream" (1996) kommt es zu einer kurzlebigen Welle reflexiver, metafilmischer Teenie-Slasher; nach deren Abklingen hält sich allerdings bei T. West oder R. Zombie das selbstreflexive Zitatspiel im Genre, während zudem die ästhetischen Anleihen bei Found footage-Filmen einen kleinen Boom erleben. Nach der Jahrtausendwende gerät nach amer. Remakes verstärkt auch der jap. Horrorfilm ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Remakes holen ebenfalls – während Reboots zugleich unpopulär gewordene Filmreihen wiederbeleben – den Zombiefilm aus der Versenkung; sowie den Splatterfilm insgesamt, der über "Hostel" (2006) und die "Saw"-Sequels ein neuartiges – und unter dem umstrittenen Begriff Torture porn gefasstes – Subgenre begleitet und auch in Frankreich populäre Filme hervorbringt. Zugleich erleben aber auch traditionellere Geisterfilme – mitunter mit einem Hommage-Charakter ausgestattet – ab der Jahrtausendwende und vor allem in den 10ern einen neuen Aufschwung. Diese Melange aus Selbstreflexion, dem Metafilmischen, der Hommage und dem Zitat mag eine Antwort auf die Krise darstellen, die dem Horrorfilm der 80er vielfach attestiert wird.[18]

1.) Die Definition von Phantastik ist in diesem Zusammenhang eine explizit maximalistische - die von der Fabel bis zur Utopie alle Handlungen fasst, die wunderbare bzw. übernatürliche Elemente enthalten – und keine strukturalistisch-minimalistische, welche die Phantastik als ununterscheidbares Nicht-System zwischen dem Realen und dem Wunderbaren verorte.
2.) Zondergeld, Wiedenstried (Hg.): Lexikon der Phantastischen Literatur. Weitbrecht 1998; S. 398.
3.) Vgl. Durst: Theorie der phantastischen Literatur. Lit 2007; S. 17-128. Zondergeld/Wiedenstried: Lexikon der phantastischen Literatur. S. 413-414.
4.) Vgl. Kracauer: Theorie des Films. Suhrkamp 1985; S. 115-134.
5.) Vgl. Kracauer: Kino. Suhrkamp 1974; S. 25-27, 27-35.
6.) Vgl. Kracauer: Von Caligari zu Hitler. Suhrkamp 1984; S. 37.
7.) A. a. O. S. 71.
8.) Jung: Dracula. Filmanalytische Studien zur Funktionalisierung eines Motivs der viktorianischen Populär-Literatur. WVT 1997; S. 51.
9.) Filmlexikon 1: Filme A-J. Rowohlt 1984; S. 294.
10.) Vgl. Stiglegger: Horrorfilm. In: Koebner (Hg).: Sachlexikon des Films. Reclam 2007; S. 311-312.
11.) Seeßlen, Jung: Horror. Geschichte und Mythologie des Horrorfilms. S. 14.
12.) Seeßlen, Weil: Kino des Phantastischen. Geschichte und Mythologie des Horrorfilms. Rowohlt 1980; S. 9.
13.) Seeßlen, Jung: Horror. Geschichte und Mythologie des Horrorfilms. S. 128.
14.) Vgl. auch: Geyrhofer: Horror und Herrschaft. In: Witte (Hg.): Theorie des Kinos. Suhrkamp 1982; S. 55-60.
15.) Stiglegger. In: Koebner (Hg.): Sachlexikon des Films. S. 312.
16.) Sannwald: Horrorfilm. In: Rother (Hg.): Sachlexikon Film. Rowohlt 1997; S. 153.
17.) Vossen: Einleitung. In: Dies. (Hg.): Horrorfilm. Reclam 2004; S. 11.
18.) Vgl. Stiglegger. In: Koebner (Hg.): Sachlexikon des Films. S. 315. Vossen. In: Dies. (Hg.): Horrorfilm. S. 23-24.


Weitere Literatur zum Horrorfilm:
Everson: Klassiker des Horrorfilms. Goldmann 1980.
Jung, Weil, Seeßlen: Der Horrorfilm. Regisseure, Stars, Autoren, Spezialisten, Themen, Filme von A-Z. Roloff 1977.
Stresau: Der Horrorfilm. Von Dracula zum Zombieschocker. Heyne 1987.
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

PierrotLeFou

4 Oktober 2013, 18:16:53 #56 Letzte Bearbeitung: 4 Oktober 2013, 18:21:17 von PierrotLeFou
So, die Texte zum Horror-/Stumm-/Kurz-/Experimentalfilm hat Dr. Kosh nun ebenfalls eingefügt...

Momentan stehen also nach wie vor folgende Genres/Typen ohne jede Beschreibung/Erklärung da:

http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Amateur
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Anime
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Biographie
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Eastern
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Fantasy
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Historienfilm
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Kampfsport
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Katastrophen
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Kinder-%2FFamilienfilm
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Kom%C3%B6die
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Krieg
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Krimi
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Liebe%2FRomantik
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Mondo
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Musikfilm
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Mystery
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Science-Fiction
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Sex
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Splatter
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Sportfilm
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Thriller
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Tierfilm
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=TV-Film
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=TV-Mini-Serie
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=TV-Pilotfilm
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=TV-Serie
http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Western

Und http://www.ofdb.de/view.php?page=genre&Genre=Grusel - wobei ja scheinbar offen ist, ob das nicht noch mit Horror zusammengelegt wird... ;) Mondo, Splatter, Tierfilm dürften eigentlich schnell geschrieben sein... Mystery & Fantasy dürften bestimmt einige Anstrengungen abverlangen... Ich werde wohl erst während der Weihnachtszeit wieder ein Genre/Typ in Angriff nehmen...
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RoboLuster

https://youtu.be/RPQOMyyg9b8                          
"Shoot first, think never!" - Ash

PierrotLeFou

Zitat von: RoboLuster am  5 Oktober 2013, 01:59:13
Amateur ist eh kein Genre, eher noch "Typ".

Sehe ich eigentlich auch so...
Zudem bin ich mal gespannt darauf, wie man da mit eine Definition eine Grenze ziehen kann: Ist man kein Amateurfilmer mehr, wenn das Budget in den 5- oder 6stelligen Bereich klettert? Ist man kein Amateurfilmer mehr, wenn man an ein Fachhochschule das Filmemachen erlernt hat? Ist man kein Amateurfilmer mehr, wenn bereits ein halbes Dutzend Filme gedreht hat? Oder zeichnet sich der Amateurfilm doch nur durch eine eigene Ästhetik aus (und könnte auch von Michel Gondry mit professionellen Darstellern für ein paar Millionen in Szene gesetzt werden...)? :00000109:
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

RoboLuster

5 Oktober 2013, 02:57:49 #59 Letzte Bearbeitung: 5 Oktober 2013, 03:01:22 von RoboLuster
Und wenn Grusel zu Horror soll, dann kann man es gleich ganz als Genre weglassen. Man kann dann eh nicht mehr danach suchen.


Wäre beides halt auch gut für eine Schlagwortsuche.



ps: TV-Film
TV-Mini-Serie
TV-Pilotfilm
TV-Serie

Auch eher "Typ", IMO.
https://youtu.be/RPQOMyyg9b8                          
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