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Goethe Film

Begonnen von digdog, 9 September 2010, 00:05:12

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digdog

9 September 2010, 00:05:12 Letzte Bearbeitung: 9 September 2010, 00:09:39 von digdog
Hallo, liebe Community! Bin hier zwar noch nicht allzu lange angemeldet, aber doch vertraut mit anderen Filmforen. Da meine Interessen etwas mehr dem anspruchsvollen Film zugetan sind (wobei ich andere Genres nicht abwerten möchte) stelle ich hier einmal den neuen Film von Phillip Stölzl "Goethe" vor! Der Cast ist auch nicht ohne, da hier Schauspieler wie Alexander Fehling, Miriam Stein, Moritz Bleibtreu und Burghard Klaußner mit von der Partie sind! Kinostart ist am 14.10.2010! Da es natürlich auch vorher schon andere Goethe Verfilmungen gegeben hat und diese nicht selten in einem Desaster endeten (siehe "Die Braut" mit Veronica Ferres und Herbert Knaupp) ist die Erwartungshaltung natürlich nicht besonders hoch. Aber nach Betrachtung der beiden Trailer darf man durchaus gespannt sein, natürlich kann man diesem Mann nicht mit einer Verfilmung gerecht werden, sondern immer nur Teilaspekte beleuchten. Der erste Trailer ist schon ca 4 Monate alt, der 2te jedoch neu. Bin gespannt auf eure Meinungen. ;)
Nr 1:
Goethe! | Trailer deutsch/german (2010)

Nr.: 2 Goethe! | Deutscher Kino-Trailer HD

Sollte es das Thema schon geben, so habe ich das übersehen.

SutterCain

Also meinen Geschmack treffen diese überweigend im Werbefernsehen-Frühstücksbutter-Licht gedrehten Bilder überhaupt nicht. Abgesehen davon spricht Goethe hier reinstes Hochdeutsch und das Drehbuch scheint sich lediglich an Herzschmerz und billigen Lachern entlangzuseilen. Meine Erwartungen halten sich also in Grenzen und ich werde dafür nicht ins Kino gehen. Aber da das sowieso nach einem Machwerk aussieht, was mit Hilfe etlicher Förderanstalten produziert worden ist, wird's sicherlich nicht lange dauern, bis man den Film im TV begutachten kann.

Ich bezweifle also ernsthaft, dass "Goethe" eine ähnliche Qualität wie "Schiller" erreicht, den ich für äußerst gelungen halte.

Hedning

Goethe! | Deutscher Kino-Trailer HD

Als Deutscher schäme ich mich für diesen Trailer.

digdog

Zitat von: Hedning am  9 September 2010, 00:34:21
Goethe! | Deutscher Kino-Trailer HD

Als Deutscher schäme ich mich für diesen Trailer.
Warum, wenn man fragen darf?  ;)

Hedning

9 September 2010, 00:49:38 #4 Letzte Bearbeitung: 9 September 2010, 00:56:45 von Hedning
Naja, erstens scheint Goethe hier vorrangig als Witzfigur präsentiert zu werden und außerdem tut die dümmlich wirkende Art, wie der Hauptdarsteller die Zitate aufsagt und überhaupt da agiert, geradezu weh.

Ich finde nicht, dass in einer Verfilmung von Goethes Leben Heiligenverehrung oder sonst irgendwas Steifes betrieben werden sollte. Von mir aus könnte Goethe auch als Unsympath präsentiert werden, wäre einen Versuch wert. Aber das da kommt mir wie eine billig gemachte Komödie in historischen Kostümen vor, mit der Spekulation auf Schulklassen, die zum gemeinschaftlichen Kinobesuch gezwungen werden.  

Goethe ist natürlich der nassforsche provozierende Chaot, der rebellische Jungdichter, dessen Talent keiner erkennen will, der böse Vater bzw. Vormund verbietet den Kontakt usw. Das kommt mir doch sehr schematisch vor. Außerdem das Klischee, dass berühmte Liebesgedichte natürlich immer aus persönlichen Liebesgeschichten der Dichter entstanden sind.

PierrotLeFou

Zitat von: Hedning am  9 September 2010, 00:49:38
Naja, erstens scheint Goethe hier vorrangig als Witzfigur präsentiert zu werden und außerdem tut die dümmlich wirkende Art, wie der Hauptdarsteller die Zitate aufsagt und überhaupt da agiert, geradezu weh.

Ich finde nicht, dass in einer Verfilmung von Goethes Leben Heiligenverehrung oder sonst irgendwas Steifes betrieben werden sollte. Von mir aus könnte Goethe auch als Unsympath präsentiert werden, wäre einen Versuch wert. Aber das da kommt mir wie eine billig gemachte Komödie in historischen Kostümen vor, mit der Spekulation auf Schulklassen, die zum gemeinschaftlichen Kinobesuch gezwungen werden.  

Goethe ist natürlich der nassforsche provozierende Chaot, der rebellische Jungdichter, dessen Talent keiner erkennen will, der böse Vater bzw. Vormund verbietet den Kontakt usw. Das kommt mir doch sehr schematisch vor. Außerdem das Klischee, dass berühmte Liebesgedichte natürlich immer aus persönlichen Liebesgeschichten der Dichter entstanden sind.

Oh ja :love:

Darauf warte ich schon seit langem :D Ein Film, in dem Goethe als egozentrischer Größenwahnsinniger dem armen Kleist sein Theaterstück versaubeutelt; ein Goethe, der ihn anhimmelnden Anhängern, die meilenweit zu Fuß anreisen bloß um ihn zu treffen, die Tür öffnet und sie dann nicht mal hereinbittet; ein irrer Traumtänzer, der auszieht die Urpflanze zu suchen...
möglichst schrill und polemisch wie Ken Russells Biographie-Spielfilme und gleichzeitig so mitleidig mit dem eitlen Geck von Protagonisten wie Fellinis Casanova... das wäre schön... :love:
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

pm.diebelshausen

Hey, Leute, ist doch klasse: Goethes frühe Jahre von Rosamunde Pilcher gepimpt! Da braucht man dann beider Werk nicht mehr lesen, man kann ja ins Kino gehen. Na, ernsthaft: sieht aus wie ein Schmarrn.

Hedning & Pierrot: bin dabei, was Euren Goethe-Film angeht! Nicht zu vergessen: Goethe als einer, der immer laufen gegangen ist, wenn's mit einem Mädel Ernst wurde.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

ratz


@Trailer: Bah. Würd/werd ich nicht mit dem Arsch ankucken.

Im Übrigen hatte ich erst vor wenigen Wochen magnifiques Vergnügen bei Manns Lotte in Weimar, was eine köstlich-ironische, dabei unglaublich kenntnisreiche und, soweit möglich, authentisch wirkende Goethe-Abarbeitung ist. Es gibt sogar ein Stream-of-consciousness-Kapitel, aber nicht so grausam wie im Ulysses, d.h. mit Interpunktion und allem  ;) - aber eben aus Götes Kopp!
Jedenfalls wurde der sogar von Egon Günther (!) verfilmt, hab ich aber noch nicht gesehen und ziemlich opponierende Meinungen darüber gehört. Kennt den zufällig jemand? Behandelt natürlich gerade den alten Goethe in seinem ganzen Olympiertum.

cu, r.

Hedning

Zitat von: PierrotLeFou am  9 September 2010, 01:24:04Ein Film, in dem Goethe als egozentrischer Größenwahnsinniger dem armen Kleist sein Theaterstück versaubeutelt; ein Goethe, der ihn anhimmelnden Anhängern, die meilenweit zu Fuß anreisen bloß um ihn zu treffen, die Tür öffnet und sie dann nicht mal hereinbittet; ein irrer Traumtänzer, der auszieht die Urpflanze zu suchen...

Nicht zu vergessen ein Goethe, der dem armen Franz Schubert nicht ein Wort des Lobes bzw. Dankes für dessen Vertonungen spendet... :icon_sad:

Und das muss ja noch lange nicht heißen, ihm seine künstlerischen Leistungen abzusprechen. Mich würde aber eher die Verfilmung des Lebens von Oswald von Wolkenstein, Grimmelshausen, Kleist, Theodor Körner oder Georg Büchner interessieren, oder anderer Dichter, dessen Leben etwas extremer verlaufen sind als das von Goethe. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Schriftstellern, die im Ersten Weltkrieg gefallen sind, aber dafür ist die Zeit wohl noch nicht reif.


pm.diebelshausen

9 September 2010, 02:26:34 #9 Letzte Bearbeitung: 9 September 2010, 02:28:29 von pm.diebelshausen
... oder des zu nicht viel Leben gekommenen Georg Heym! Ich fürchte nur, es sind erstmal keine guten Zeiten für derlei unbequeme und nicht Event-Movie-tauglichen Lebensstories und deshalb ist es vielleicht auch erstmal besser, dass diese Stoffe weiterhin ruhen, bevor Bockmist gemacht (wie anscheinend bei Goethe) und damit die Aussicht auf eine interessantere Verfilmung gar auf Jahrzehnte versemmelt ist. Denkt mal an den "Luther"-Film. Das meinst Du ja ielleicht auch mit "Zeit noch nicht reif".
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

PierrotLeFou

...oder Hanns Heinz Ewers... auch eine ungeheuer schillernde Persönlichkeit, hübsch widersprüchlich, eitel, selbstbewusst, verantwortungslos und manchmal arg bedenklich, aber auch frech, unkonventionell, innovativ und seiner Zeit voraus.

Ich habe ja gerade für Exzentriker, narzistische Genies und heilige Narren ein Faible und unter Künstlern gibt es davon ja gottseidank reichlich...
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

pm.diebelshausen

9 September 2010, 07:52:46 #11 Letzte Bearbeitung: 9 September 2010, 07:55:16 von pm.diebelshausen
Ja, kennst Du denn Hans Jürgen von der Wense, Pierrot? Wenn nicht, MUSST Du Dich mal dem annehmen. Eine Verfilmung dessen Leben müsste allerdings kongenial sein und ein eigenes Form/Inhalt Konzept bringen, aber das heute sichtbare Thema des Wense-Lebens, nämlich ein Genie ohne Publikation und Publikum zu sein, hätte auch was für sich.

Ich seh schon, dass wird hier locker off-topic in dem Thread. Aber das ist bei anspruchsvollen Filmen ja immer so. ;O)
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

PierrotLeFou

Zitat von: pm.diebelshausen am  9 September 2010, 07:52:46
Ja, kennst Du denn Hans Jürgen von der Wense, Pierrot? Wenn nicht, MUSST Du Dich mal dem annehmen. Eine Verfilmung dessen Leben müsste allerdings kongenial sein und ein eigenes Form/Inhalt Konzept bringen, aber das heute sichtbare Thema des Wense-Lebens, nämlich ein Genie ohne Publikation und Publikum zu sein, hätte auch was für sich.

Ich seh schon, dass wird hier locker off-topic in dem Thread. Aber das ist bei anspruchsvollen Filmen ja immer so. ;O)
Von der Wense kenne ich nicht... aber ich werde dann wohl mal Ausschau halten müssen :D
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

Akayuki

Ich kann mich hier den meisten Vorrednern anschließen. Der Trailer verspricht einen erheblichen Anflug von Kitsch. Goethe wirkt hier schon fast eher wie ein introvertierter Schuljunge. Tja, das wird wohl nichts mit einem konstruktiven Beitrag aus dem Land der Dichter und Denker. Den Kinobesuch werde ich mir definitiv verkneifen...
Original Zitat: "Ey Leute, Hard Boiled ist besser als Sex! Da hast du zwei Stunden pure Äckschen!"


digdog

13 September 2010, 18:04:15 #14 Letzte Bearbeitung: 13 September 2010, 20:55:18 von digdog
Zitat von: 2BerettaZKiller am  9 September 2010, 23:25:13
Ich kann mich hier den meisten Vorrednern anschließen. Der Trailer verspricht einen erheblichen Anflug von Kitsch. Goethe wirkt hier schon fast eher wie ein introvertierter Schuljunge. Tja, das wird wohl nichts mit einem konstruktiven Beitrag aus dem Land der Dichter und Denker.

Das ist ja das Problem bei deutschen Filmen, sobald versucht wird, etwas Romantik zu erzeugen, heißt es Kitsch und das Gegenteil davon ist dann Trash. Goethes Person war so vielfältig, daß man aber sowohl den Schuljungen als auch dem späteren Gelehrten und Geheimrat eine eigene Identität andichten kann!
Ich werde mir den Film nicht entgehen lassen, weil ich den Score und auch die dazu passenden Bilder wunderschön finde.  ;)

Akayuki

Zitat von: digdog am 13 September 2010, 18:04:15Das ist ja das Problem bei deutschen Filmen, sobald versucht wird, etwas Romantik zu erzeugen, heißt es Kitsch und das Gegenteil davon ist dann Trash. Goethes Person war so vielfältig, daß man aber sowohl den Schuljungen als auch dem späteren Gelehrten und Geheimrat eine eigene Identität andichten kann!
Ich werde mir den Film nicht entgehen lassen, weil ich den Score und auch die dazu passenden Bilder wunderschön finde.  ;)

Wie du schon bereits festgestellt hast, "versuchen" deutsche Filme oftmals Romantik zu erzeugen. Allerdings driften die meisten Werke fast immer auf Telenovela-Niveau ab. Die Folge sind unerträgliche Herzschmerz-Plattitüden unterlegt mit pseudoromantischem Gedudel als Hintergrundmusik. Und dabei stehe ich romantischen Stoffen nicht grundsätzlich abgeneigt gegenüber.
Ich dachte mir eben, dass bei einem Goethe Film der Fokus mehr auf sein literarisches Schaffen und dem Menschen an sich gerichtet werden sollte. Der Trailer verspricht dies jedenfalls nicht...
Original Zitat: "Ey Leute, Hard Boiled ist besser als Sex! Da hast du zwei Stunden pure Äckschen!"


digdog

Zitat von: 2BerettaZKiller am 13 September 2010, 19:56:57
Wie du schon bereits festgestellt hast, "versuchen" deutsche Filme oftmals Romantik zu erzeugen. Allerdings driften die meisten Werke fast immer auf Telenovela-Niveau ab. Die Folge sind unerträgliche Herzschmerz-Plattitüden unterlegt mit pseudoromantischem Gedudel als Hintergrundmusik. Und dabei stehe ich romantischen Stoffen nicht grundsätzlich abgeneigt gegenüber.
Ich dachte mir eben, dass bei einem Goethe Film der Fokus mehr auf sein literarisches Schaffen und dem Menschen an sich gerichtet werden sollte. Der Trailer verspricht dies jedenfalls nicht...

Wobei man dann natürlich sagen kann, daß, wenn der Film tatsächlich schwerpunktmäßig Goethes literarisches Schaffen darstellen würde, es einem Teil des Publikums wiederrum zu kopflastig wird, was gerade dem deutschen Film in der Vergangenheit immer angelastet wurde.  ;)

Roughale

14 September 2010, 11:12:53 #17 Letzte Bearbeitung: 14 September 2010, 11:14:31 von Roughale
Der Trailer ist echt mies. Das mag daran liegen, dass mal wieder, wie so oft in deutschen Filmen, versucht wird, was ganz Grosses zu schaffen, aber man zum Beispiel nicht die talentierten Schauspieler dazu hat. Nicht, dass es die nicht gibt, aber entweder wollen sie nicht mitmachen, oder die Macher haben keine Ahnung, was gutes Schauspiel ausmacht. Egal, man hat ja eine bekannte Persönlichkeit, auf die man sich stützen kann: Den, meiner Meinung nach, gross überschätzten JWvG - fein, macht da noch der Moritz mit, dann kann es ja nicht schiefgehen - zur Not bekommt die wissenschaftlich bemerkenswerte (Ironie!) Farbentheorie des Schmierfinks eben das 3D Treatment - wird schon klappen ... oder eben wahrscheinlich nicht!

esta es la mejor mota
When there is no more room for talent OK will make another UFC

McKenzie

15 September 2010, 00:58:39 #18 Letzte Bearbeitung: 15 September 2010, 01:00:14 von McKenzie
Also ich freue mich auf den Film. Der Trailer sieht nach einer grandios eklektizistischen Sternstunde filmischer deutscher Selbstwahrnehmung aus, verbunden mit dem subversiven Charme, den bereits Tykwers PARFUM im Umgang mit seiner heiligen Vorlage aufwies!  :D :icon_mrgreen: :icon_twisted:
ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

Hedning

Zum Thema "deutsche Selbstwahrnehmung":

Ich mit meinen einfachen Denkstrukturen würde das, was sich in diesem Trailer andeutet, eher als den zeitgeistsymptomatischen Versuch beschreiben, ein deutsches Thema (um nicht zu sagen einen deutschen Fetisch) namens Goethe möglichst undeutsch (nämlich als seichte US-Teenklamotte) zu verfilmen.

Also wird letztlich gerade nicht versucht, was ganz Großes zu schaffen. Kein "faustischer" Goethe, kein Pathos à la "Prometheus" (dieses Gedicht fällt ja auch in die im Film offenbar dargestellte Schaffensphase). Es wird eher eine neudeutsche Lockerheit à la Sommermärchen 2006 angestrebt, die nur eben sehr gewollt rüberkommt. "Wir sind die neuen Deutschen, bitte habt uns lieb" - das wird nie funktionieren.


Mr. Blonde

Bin ich der einzige, der sich bei dem Trailer an die überzogene (aber unterhaltsame) Charakterisierung von Mozart in "Amadeus" erinnert fühlt? Nur eben schlechter...  :icon_rolleyes:

Hedning

Passt schon, der Vergleich. "Amadeus" könnte da tatsächlich Pate gestanden haben. Allerdings fand ich es da nicht viel weniger schlimm.

ratz


... Und "die" deutsche Selbstwahrnehmung scheint ja schon innerhalb dies kleinen Threads in verschiedene Richtungen zu sprießen.

Irgendein unterschwelliger Reflex hat mich von den größeren deutschen "Prestige"produktionen - das gilt für das Parfum und etwa auch den Untergang - immer ferngehalten. Wie ein auf der Unterseite schimmeliges Brot, dem man sonst nichts ansieht, das man aber instinktiv nicht anrührt.
Auf der anderen Seite gibt es viele großartige kleinere Produktionen, die sich eben gerade nicht an Nationalheiligtümern vergreifen und (vielleicht deshalb) viel besser eine u.a. nationale Selbstwahrnehmung befördern. Bekanntestes Beispiel wäre Wer früher stirbt... oder so manche Perle, zu der ich mich nicht ins Kino aufraffen konnte und die dann im TV-Spätprogramm (z.B. Kleines Fernsehspiel) gefunden werden muß.

Dabei will ich gar nicht davon anfangen, daß ich Biopics sowieso überflüssig finde und besonders jene über Künstler, da damit nur der naive Zusammenhang zwischen Leben und Werk proklamiert wird, der nicht nur idiotisch, sondern sogar schädlich ist. Amadeus ist eine Ausnahme, weil er genügend Selbstreflexion aufbringt und seinen Gegenstand fortwährend ironisiert - so einen Film hätten Deutsche zu Mozart niemals hinbekommen.

cu, r.

pm.diebelshausen

15 September 2010, 09:56:33 #23 Letzte Bearbeitung: 15 September 2010, 10:00:43 von pm.diebelshausen
Ich warte in dem Zusammenhang übrigens seit Jahren auf den fetten, deutschen Blockbuster, in dem die Kanzlerin die Erde vor Meteoriten, Tsunamis und Plattentektonik rettet. Da wäre eine Klasse Nummer mit Acion und Ironie drin.

Ansonsten habe ich ja nix dagegen, wenn man sich an sog. Ikonen ordentlich vergreift, aber der Trailer zu diesem "Goethe" legt mir Nahe, dass da nur Klamauk rausgemolken werden soll, indem man jugendlichen Sturm und Drang mit pubertärem Rennen und Rutschen missinterpretiert und also "Geist" durch "dreist" ersetzt. Flach wie ne Goethe-Briefmarke.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

PierrotLeFou

Zitat von: Hedning am 15 September 2010, 02:07:22
Zum Thema "deutsche Selbstwahrnehmung":

Ich mit meinen einfachen Denkstrukturen würde das, was sich in diesem Trailer andeutet, eher als den zeitgeistsymptomatischen Versuch beschreiben, ein deutsches Thema (um nicht zu sagen einen deutschen Fetisch) namens Goethe möglichst undeutsch (nämlich als seichte US-Teenklamotte) zu verfilmen.

Also wird letztlich gerade nicht versucht, was ganz Großes zu schaffen. Kein "faustischer" Goethe, kein Pathos à la "Prometheus" (dieses Gedicht fällt ja auch in die im Film offenbar dargestellte Schaffensphase). Es wird eher eine neudeutsche Lockerheit à la Sommermärchen 2006 angestrebt, die nur eben sehr gewollt rüberkommt. "Wir sind die neuen Deutschen, bitte habt uns lieb" - das wird nie funktionieren.

Hm, stimmt... da müsste sich schon ein Syberberg aus dem Ruhestand bequemen und einen "Goethe - Ein Film aus dem Lande der Richter und Henker" aus dem Boden stampfen - zumindest in Frankreich würde das dann als urdeutsch angesehen werden... :icon_mrgreen:
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

Bretzelburger

Ihr macht euch unnötig sorgen, denn "Goethe!" ist, wider der in dem Trailer geschürten Erwartungshaltung, ein wirklich schöner, anrührender Film geworden. Kein großer philosophischer Wurf, sondern ein Liebesfilm, der sich die Freiheit zwischen Realität und "Den Leiden des jungen Werther" nimmt. Die wenigen albernen Szenen passen sehr gut in den Gesamtkontext und habe mit irgendeiner überdrehten Fassung nichts zu tun. Auch wenn das Tempo locker/schnell ist, wird man doch stimmig 250 Jahre zurückgesetzt, und bekommt eine "RomCom" serviert, die sich im amerikanischen Kino (und dem dieses nachmachende deutsches Kino) heute so keiner mehr traut. Sehr gut gespielt, vor allem von Moritz Bleibtreu, den ich lange nicht mehr (noch nie?) so gut gesehen habe. Unglückliche Liebesgeschichten sind eben doch die schönsten...

pm.diebelshausen

Schön, schön. Und warum muss es dann Goethe sein? Oder klebt da am Ende Blut und Hirn an der Wand? o.O

Aber zugegeben: ist natürlich unfair, über den Film zu urteilen ohne ihn gesehen zu haben.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

Bretzelburger

Das hat schon direkt mit Goethe zu tun und seinem "Sturm und Drang" - die Liebesgeschichte ist auch auf erfrischende Weise altmodisch. Nur wie du auf Hirn kommst, ist mir ein Rätsel ???

pm.diebelshausen

Oh, das war eine Hoffnung von mir, weil Du "Werther" gesagt hast. Wäre für mich ein Grund gewesen, den Film anzusehen, wenn da eine klassische RomCom im suizidalen Blutbad enden würde, aber die Eier hat man heute in D-Land wohl wirklich nicht. Schade. Mir scheint, dann hat man doch nur die seichten Aspekte aus Werther verwurstet, statt die ebenfalls darin enthaltenen Dimensionen zu nutzen. Wie gesagt: wozu dann Goethe, wenn man ja doch nur Utta Danella von ihm übriglässt?

:D
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

Bretzelburger

Wenn's Utta Danella gewesen wäre, hätte es mir (wahrscheinlich) nicht gefallen, aber ob die radikale Hirn an Wand Version gleich besser wäre, da habe ich auch meine Zweifel. Mich hat der Film ernsthaft berührt - einfach eine schöne Liebesgeschichte.

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