Die letzte Sichtung: Serien & Dokus

Begonnen von StS, 21 Juli 2022, 10:11:06

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Private Joker

8 September 2023, 01:02:00 #60 Letzte Bearbeitung: 8 September 2023, 01:40:27 von Private Joker
The Ark (Wow)

Ja, ja, was geht mich mein Geschwätz... und so weiter. Und nein, das ist auch nach heutzutage fast schon langen 12 Folgen keine gute Serie - flache Tricks, flache Figuren, flache Handlung. Und streng genommen nicht mal wirklich Science Fiction, oder anders ausgedrückt: fast alle Figuren, Plots und Situationen könnten auch aus einer Krankenhaus- oder Firefighter-Serie stammen.

Warum drangeblieben ? Das ist ein irgendwie drolliger Nostalgietrip in eine Zeit, in der man Unterhaltung ohne den ganzen Firlefanz mit Zeitsprüngen, dramaturgischen Volten und hochdiversen Casts mit lauter halbguten Figuren erzeugen wollte. Hier ist (fast) immer von Anfang an klar, wer gut/böse/auf Bewährung ist, wer zu wem gehört, welche Intrige oder Wendung als nächstes kommt und warum die Pläne der Bösen immer so schön schiefgehen. Die Nerds sind so nerdig wie einst Crusher, die Helden gutaussehend und mit Zusatzpower, die Liebespärchen so absehbar wie die Weltraumphysik weitab der Realität.

So ist das ein Dranbleiber wider alle Vernunft - objektiv kaum mehr als ganz knapp 5/10, aber mit dem Trash- oder Weitersehenwill-Faktor, der TV-Serien wie Battlestar Galactica (die alte) einst so faszinierend machte. Auch wenn die Konkurrenzsituation damals eine ganz andere war.

Then you run (Wow)

Aus der demächst endenden Eigenproduktionslinie von Sky kommt dieser Versuch in schwarzhumorigem Thriller über eine Jungmädelclique auf der Flucht vor Killer-Onkel und anderen unliebsamen Zeitgenossen.

Erinnert von der Grundkonstellation so ein bisschen an Sky Rojo, aber mit der Idee, das mit Teenagern zu drehen, versperrt man sich doch reichlich Optionen. Soll heißen - wirklich Action, Gewalt, Sex und ähnliches gibt es nicht. Wobei, Gewalt eigentlich schon, aber verlagert in einige für die Handlung eher irrelevante Szenen vor allem um den superfiesen "Traveller" (Christian Rubeck). Generell ist die Parade von Bösewichten wirklich eindrucksvoll und die vielleicht größte/einzige Stärke der Serie: Außer dem erwähnten Rubeck als Überkiller machen auch Coyle und Famke Janssen da einen guten Job, wobei O-Ton-Fans wohl anmerken müssen, dass Famke als BKA-Beamtin schon sprachlich eher fragwürdig rüberkommt.

Umso bedauerlicher, dass am Ende die Hoffnung auf einen großen Showdown um die drei enttäuscht wird, irgendwie haben die zu diesem Zeitpunkt zumindest überwiegend was anderes vor. Das was davon übrigbleibt, strapaziert dann allerdings auch ein wenig die Glaubwürdigkeit des ganzen, aber das kann man spoilerfrei nicht vertiefen, es zeigt aber auch die grundlegenden Schwächen des Konstrukts. Auch einzelne Episoden geraten eher zäh bis nervig, zB die um den Solotrip der Schwangeren aus der Truppe und deren potentielle Killer. Insgesamt eine passable Grundidee, aus der zu wenig gemacht wurde. Viel zu wenig. 4,5/10

Und noch eine Enttäuschung: Crossfire - Tod in der Sonne (ZDF) bringt die eigentlich unschlagbare Kombo aus "Keeley Hawes" und BBC-Krimi, aber das Resultat ist objektiv wie gefühlt eine komplette Pleite - ein völlig unausgegorener Mix aus der Stirb-Langsam Grundidee und Familiendrama. Über die Gangster erfährt man wenig, der ganze Plan ist dürftig, Action gibt es kaum und die ständig hereingeschnittenen Rück- und Seitenblenden um das Familienleben der Beteiligten sind genau der Grund, warum eine eigentliche Lachnummer wie The Ark so schön kuschelig altmodisch wirkt. Bei gegen Ende leicht nachgelassener Aufmerksamkeit vielleicht etwas zu harsche 3/10.

Und der "First Look" des Tages: "Harlan Cobens Shelter" (Amazon). Der US-Thrillerautor hat so weit ich das sehe eigentlich einen ganz guten Ruf, "seine" bisherigen Verfilmungen auf Netflix liefen aber bislang ein bisschen unter dem Radar (irgendwie hat mir Netflix da auch nie was in der Richtung vorgeschlagen, obwohl das eigentlich in mein Beuteschema passt).
Vielleicht ist Amazon die bessere Plattform, um da ein bisschen Buzz zu erzeugen. Aber warum gerade mit so einer Teenager-/Highschoolkiste anfangen ? Das ist für einen Thriller um verschwundene (untote?) Verwandte, Geld, Drogen oder was auch immer kein guter Ausgangspunkt und führt zu wunderlichen Szenen, zB wenn da eine 16jährige ständig mit einer Schusswaffe herumfuchtelt und es irgendwie keinen wundert. Ansonsten watet die Serie knietief im Teenieserien-Klischee, das Standardpersonal gängiger Highschoolszenarien von den Außenseitern über die Bitches zu den Bullies ist vollständig angetreten.
Der Plot ist ehrlicherweise nicht völlig uninteressant, irgendwie bleibt man da schon dran. Mit einem anderen, erwachseneren Ansatz wäre das vermutlich eine ganz andere Hausnummer.
"Ich bin zu alt für diesen Scheiß" "Dem Scheiß ist es egal, wie alt Du bist" (James Grady - Die letzten Tage des Condor)

Moonshade

Good Omens 2 (Amazon Prime)

Nachdem "Good Omens", die Terry Pratchett-Verfilmung, mit David Tennant und Michael Sheen, recht gute Note für den versponnen-kurios-komischen Tonfall einfahren konnte, ist die Serie nun mit Staffel 2 zurück.
Pratchett konnte die Vorlage nicht fertigstellen, also hat sich wohl Neil Gaiman des Rudiments angenommen und es nun weiterentwickelt.

Der leicht-amüsante Tonfall hat sich gehalten, die Schauspieler harmonieren prächtig, aber das Tempo ist immer noch bedächtig bis schlingernd, manchmal möchte man schon, dass die Figuren schneller zu Potte kommen, aber an Plot mangelt es der zweiten Runde sowieso. Im Fokus sollte eben ein nackter Erzengel Gabriel stehen, der ohne Erinnerung vor Azis Buchladen steht, aber diese Idee wird meistens stiefmütterlich behandelt, um den Protagonisten die Gelegenheit zu geben, in verschiedenen Vergangenheitsepisoden zu glänzen und gleichzeitig eine neue Liebe zwischen Plattenhändlerin und Cafebesitzerin zu schmieden.

Witzig ist das schon, aber der Gabrielplot reicht nach dem Start dann nur für die Episoden 5+6, alles weitere wirkt narrativ gestreckt oder dazu gedacht, geht aber leicht von der Hand.
Die Party gehört eindeutig Tennant, der jede Szene wegknuspert, in der er von der Kette gelassen wird.

Das Finale wird nicht jedem gefallen, aber die Staffel diente vor allem wohl als Übergang für eine mögliche Staffel 3, die am Ende angeteasert wird und alles ist so offen, das man nur hoffen kann, dass es wirklich dazu kommt.

Entspanntes Gegnigger, 7,5/10 !
"Du hältst durch und ich halte durch und nächstes Jahr gehen wir einen saufen!

"Anything invented after you're thirty-five is against the natural order of things.!" (Douglas Adams)

Moonshade

Deadloch (Amazon Prime)

Eine Serie, die sicher die Gemüter im LGBT-Zeitalter teilen wird, wie Moses das Rote Meer.

Erdacht in Australien, in einem kleinen Nest in Tasmanien spielend. Dort steht in einem Örtchen seit einigen Jahren eines dieser freigeistigen, vielfältigen, esoterischen, exotisch sexuellen und kreuz und queeren Festivals an, das sogenannte "Feastival". Während alle auf Nacktmeditation, Klangschalenmystik oder vierstündige Arthausfilme über den Uterus hoffen, findet sich am Rand des Sees eine nackte Leiche. Erdrosselt, Zunge abgeschnitten. Für die örtliche (lesbische) Polizistin ein ungewöhnlicher Fall seit sie ihre Großstadtbullenrolle aufgegeben hat, für ihre Frau eine Störung der Planung der gemeinsamen Zukunftsplanung. Also schickt man einen Profi vom Festland: eine vollkommen durchgeknallte, unfokussierte und jeden vor sich hinbeleigende Polizistin, die alles macht, nur nicht einen klaren Gedanken zu fassen.

Natürlich stecken da jede Menge Backstories drunter, wie auch hinter den ganzen Figuren aus der Stadt und rund um das Festival, die sich früher oder später quasi alle als Verdächtige anbieten, wenn sie nicht irgendwann tot aufgefunden werden.

Ich warne vor: man braucht schon einen schön schrägen Humor, um diese grelle Mischung LGBT-Botschaft und -Veralberung bei gleichzeitigem zotenhaften, übersexuellen Durchbeleidigen jeder Strömung und Richtung, jedes Geschlechts und eine ganzen Reihe von Formen des Missbrauchs, wirklich unterhaltsam zu finden.

Vor allem muss man durch die ersten zwei Folgen durch, in denen der "Profi" (oder die "Professionelle") so unkontrolliert durch die Gegend flucht (und quasi jeder Fluch hat eine sexuelle Konnotation), dass viele vermutlich aufgeben.
Unter dieser zappelig-überdrehten Oberfläche verbirgt sich aber ein sehr gut konstruierter Krimiplot mit mehr als einem Dutzend Leichen und so vielen Wendungen und Fallstricken, wie das Autorenduo in die 8 Folgen bringen konnte.
Und ab Folge 3 bekommen die Figuren und die Ermittlungen dann auch immer mehr Struktur und Tiefe, die Dialoge mehr Ernst und die Story mehr Thrill, wobei ich konstatieren musste, dass das einer dieser konstruierten Plots ist, in dem die "Guten" ihre Limitierungen zum Positiven überwinden und die Gegenfraktion verliert (vorzugsweise übrigens Würde, Körperteile oder das Leben) und zwar fast ausnahmslos.

Natürlich trägt die ganze Produktion ihre pro-feminine Agenda quer über der Brust, schafft es aber sie soweit in der Grotesken zu versenken, dass man an einer Stelle tatsächlich aus dem ganzen Runter- und Niedergefluche ganz kurz aussteigt, weil ein Ausspruch an Grundsätzen rüttelt, die nicht infrage gestellt werden sollten. Dann wird weiter geflucht.

Mit einer Fülle übersteigerter Nebenfiguren ausgezeichnet und mit einem soliden Tempo umgesetzt, hat dieses Ermittlungsspiel Marke "Columbo auf Tourette" wirklich an jedem Geduldsfaden intern und extern gesägt.

Ich persönlich hatte den Spaß des Jahres, wenn man möchte, kann man das natürlich auch ideologisch dekonstruieren. Aber das macht den Spaß kaputt, denn es wird sich bewusst am Rande der Parodie entlang bewegt.
8,5-9/10 von mir.
"Du hältst durch und ich halte durch und nächstes Jahr gehen wir einen saufen!

"Anything invented after you're thirty-five is against the natural order of things.!" (Douglas Adams)

Newendyke

Zitat von: Newendyke am 20 Oktober 2022, 10:26:01The Bear (D+)

Ein junger, hoch ambitionierter Koch (Jeremy White - Shameless) findet sich im heruntergewirtschafteten Sandwich-Shop seines toten Bruders wieder, den er, anfangs mit großem Zwang für sein neues Team, wieder auf Vordermann bringen will. Nicht nur das eingefahrene Team seines Bruders, aber auch eine junge Köchin stehen ihm dabei zur Seite und auch mal im Wege.
Die Serie nimmt dabei eine Vielzahl von Themen auf, wie z. B. der Verlust und die Trauer der Hinterbliebenen eines Suizids, Identität eines Restaurants und Klassenunterschiede in der Küche, Betäubungsmittelmissbrauch in der Branche. Das Ganze wird sehr schnörkellos von den Charakteren getragen und mit einem sehr feinen Soundtrack wird die Hektik in der Küche und die Reibereien in der Truppe vorangetrieben. (besonderes Highlight ist Episode 7!!!)

Freu mich schon auf die nächste Staffel.

8/10


BÄMM!
Und weiter geht's mit Staffel 2, die es wirklich schafft viele Klischees intelligent zu umfahren und viele neue Schichten den Charakteren hinzu zu fügen. Bin noch nicht durch, aber bisher klares Highlight ist Episode 6, die einen wirklich krassen Kontrast herstellt und die Familie "Bear" bis auf die Eingeweide seziert; ganz zu schweigen von all den Stars, die sich hier die Klinke in die Hand geben (Curtis MUSS sowas von den Emmy nächstes Jahr gewinnen!!!).
Momentan tendiere ich stark zu einer 9/10, ein absolutes Brett wird hier abgeliefert!!!


"Ich will jetzt nichts mehr hören, von wegen keinen Job, kein Auto, keine Freundin, keine Zukunft und keinen Schwanz." (der Meister - Gran Torino)

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