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Die letzte Sichtung: Serien & Dokus

Begonnen von StS, 21 Juli 2022, 10:11:06

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Private Joker

20 Juli 2024, 23:16:13 #90 Letzte Bearbeitung: 21 Juli 2024, 12:50:56 von Private Joker
The Acolyte (Disney+)

Kein eigener Thread ? - dann muss ich mich also hier auskotzen.

O.K., Scherz, so schlimm wird es nicht. Aber wenn Disney den Zeitgeist jetzt (auch und gleich ziemlich massiv) auf Star Wars loslässt, ist schon Redebedarf. Eine lesbische Producerin, ein hoch diverser Cast, inhaltlich aufgezogen als Konflikt zwischen dem traditionell uneingeschränkt positiv konnotierten Jedi-Orden, der hier aber als Mischung aus kanadischen Kinderdieben der 1950er und katholischer Kirche zu Inquisitionszeiten rüberkommt, versus eine Art feministisch-lesbischer Community / Hexenzirkel, das muss man alles erst mal schlucken. Und wie bei Star Trek gilt: So klar es ist, dass die "Zukunft" sich kaum nach unseren sexuellen Regeln richten wird, so wenig macht das Sinn, wenn sexuelle Diversität in oder über eine Serie gestülpt wird, in der das Wort "Sex" nie ausgesprochen geschweige denn dieser gezeigt oder auch nur angedeutet wurde (außer halt, dass da irgendwann meist undankbarer Nachwuchs auftaucht).

Lassen wir das mal ein Augenblick außen vor und versuchen, das  mal auf seine Qualitäten im Rahmen des SW-Serienuniversums abzuklopfen. Als "relativ" kleine Star-Wars- Story ohne gewaltige intergalaktische Bedrohungen oder Überfinsterlinge mit Riesenraumschiffen ist das bei mir "eigentlich" willkommen. Die Schauplätze lassen die Vermutung zu, dass da ein wenig Geld gespart werden musste - relativ wenig Statisten allerorten, kaum Weltraumszenen, und dieser Waldplanet sieht nicht wirklich echt aus. Immerhin ein nettes Wiedersehen gibt es im Locationbereich, und generell hat der Background mit den verfallenen Rittersitzen im Kontrast zum Metropolplaneten Coruscant durchaus Stil und sorgt für Atmosphäre. Als Actionhighlights gibt es neben den obligatorischen Laserschwertkämpfen (solide, aber nix besonderes) diesmal auch ein bisschen waffenloses "Jedi-Kung-Fu", mal was anderes, obwohl da nicht jeder Darsteller so gut bei rüberkommt wie Matrix-Veteranin Carrie-Anne Moss.

Das mal zur Habenseite. Weniger schön: Trotz mal wieder eher kurzer 8 Folgen a gut 30 Minuten mit reichlich Vor- und Nachspann schleichen sich Längen ein, und man hat sogar noch Zeit für zwei eigentlich überflüssige und fast inhaltsgleiche Rückblendenfolgen. Abgesehen davon, dass Rückblicke zu Lucas Zeiten noch völlig tabu waren - die beiden sind wirlich, wirklich zäh und im bisherigen Star Wars-Serienverse echte Tiefpunkte. Und noch ein Novum eher in negativer Hinsicht: Die Sache mit dem
Spoiler: zeige
großen Jedi-Gemetzel in Folge 5 ist unschön, besonderes weil da letzlich Kinder aka "Padawans" in einen aussichtslosen Kampf geschickt werden -
noch so ein Versuch, den Jedi moralisch ans Bein zu pinkeln ?

Insgesamt eine unnötig modernistische und in reichlich Details fragwürde Fußnote zur Jedigeschichte, die auch ohne große Setpieces zwar zT ganz ordentlich Star Wars-Feeling transportiert, aber generell zu viele falsche Töne anschlägt. Immerhin: Der "Fährtensucher" ist wirklich drollig. Auch deshalb mit etwas Wohlwollen dann noch 5,5/10 insgesamt.

Supacell
(Netflix)

Netflix so "Lass uns mal was mit schwarzen Superhelden, aus`er Londoner Vorstadt, ein paar Kriminelle, ansonsten halt so Typen wie Du und ich. Die sich erst noch finden müssen, um gemeinsam einen Superbösen zu plätten. Hatten wir noch nie, ist doch total zeitgemäß.". Und ich so "Und was ist mit Misfits? Oder Heroes??".

Jo, alles schon mal da gewesen. Dazu genommen, dass hinter dem Projekt ein Typ namens "Rapman" steht, der auch ein, zwei (zum Glück kurze) Musikstücke beträgt, stand das ganze bei mir hochgradig auf Bewährung (also: mal eine Folge antesten, und dann notfalls abbrechen). Aber sieh an: Letztlich doch drangeblieben. Warum? Weil das bewährte Muster trotz alledem trägt. Weil die Spannungsschraube inclusive ein paar Verschwörungen im Hintergrund langsam, aber sauber angezogen wird. Weil die Typen trotz ein paar Vorbehalten ganz interessant gezeichnet sind (sage ich gleich noch was dazu) Und weil die drei oder vier Standoffs "gute Supis gegen böse Supis" (oder auch mal "Gangs ohne Power gegen Gangs mit Power") ganz vernünftig inszeniert sind, so ein bisschen im Stil der frühen X-Men-Filme (also sich in einer Reihe gegenüber aufstellen und dann irgendwas superpowriges aufführen, so wie Blitze aus den Händen, man kennt das). Die ganz großen Highlights sind diese Showdowns zwar nicht (am besten ist noch der vermutlich budgetbedingt nur kurz angedeutete in der "Zukunft", der hat was angenehm apokalyptisches), aber sie halten die Kiste am Laufen, bis zum brauchbaren Finale, mit einer Miniüberraschung und einem soliden Cliffhanger.

Das als "All-Black-Serie" aufzuziehen, ist dagegen eine streitbare Entscheidung, zumal die Figurenzeichnung von den Gangs vielleicht abgesehen auch genausogut einen weißen Vorort wiederspiegeln könnte (Mittelklassefamily mit BMW, Kleingangster, Working Class, die Dealer-Gangs), oder kurz gesagt: Das Figurenangebot bei den erwähnten Misfits war zumindert am Anfang klar interessanter. Trotz alledem: Ganz solider Auftakt, für die eher knapp getimten 6 Folgen auch in der Hoffnung auf die notwendige Fortsetzung dann mal 7/10

Und noch mal eine so ein Blick "nebenher" - wer mal ein paar Tage krank ist und die Zeit mit eher wenig Tiefgründigem vertreiben will, kommt kaum an "The Rookie" vorbei. Allein auf ZDFNeo 73 (!) Ausstrahlungen in 21 Tagen (mal einen Autotimer gesetzt), dazu verfügbar bei Wow, Disney+ und sicher noch anderen Streamern. Ja, das ist irgendwo Fernsehen aus einer anderen Zeit, aber wer sich mal ein paar Folgen rausgepickt hat (Einstiegspunkt spielt keine große Rolle), bleibt auch meistens dran. Eigentlich ist da alles drin, was für ein bisschen Ablenkung notwendig ist - kernig-sympathische Charaktere, etwas (für eine Nachmittagsausstrahlung im ZDF sogar relativ ruppige) Action, die heute übliche Mischung aus in der Mehrzahl in einer Folge abgeschlossenen Plots und ein klein bisschen durchgehende Elemente. Leben muss man mit viel  "Cop-Romantik" - die Jungs und Mädels in Blau haben eigentlich immer recht, kommen immer rechtzeitig, bewähren sich auch schon am ersten Tag auf ihrer ersten Streifenfahrt. Ein paar Problemcops kommen wohl irgendwann auch mal dazu (u.a. Ex-Supi Brandon Routh), aber der Handlungsstrang fehlt mir aktuell noch. Kleiner Highlight-Tip: Das Finale von Staffel 5 ist zwar Quatsch pur (Maskenmänner vs. Cops), aber action- und  temposeitig so ziemlich das aufregendste, was ich seit langem aus dem Bereich US-TV abseits der Streamer gesehen habe (die Auflöungsfolge 6.1, derzeit nur bei Wow, muss dann notgedrungen leicht enttäuschen). An dieser Stelle keine Endnote (dazu fehlt mir noch zu viel), aber als "Reinkucktip" durchaus im Bereich 6-7/10.
"Ich bin zu alt für diesen Scheiß" "Dem Scheiß ist es egal, wie alt Du bist" (James Grady - Die letzten Tage des Condor)

StS

23 Juli 2024, 10:03:09 #91 Letzte Bearbeitung: 23 Juli 2024, 10:17:37 von StS
,,Skywalkers: A Love Story" (2024) hat mich von Anfang bis Ende gepackt und bestens unterhalten – denn diese knapp 100 Minuten präsentieren einem u.a. intensive Gefühle, beeindruckende Körperbeherrschung, Risikobereitschaft, Architektur, Städteaufnahmen und (Foto/Video)-Kunst innerhalb einer Kombination aus einem ,,Thriller" über kriminelle Aktivitäten, einem spannenden ,,Heist-Movie", einem interessanten Social-Media-Persönlichkeiten-Portrait und einer bewegenden Romanze... durchsetzt mit allerlei Aktivitäten in schwindelerregender Höhe, welche die Ereignisse in dem Film ,,Fall" weit, weit in den Schatten stellen... und das in Echt, denn bei dem Werk handelt es sich keineswegs um ein fiktives, sondern um eine Doku aus dem Hause ,,Netflix", bei der die beiden jungen russischen ,,Rooftopper" Angela Nikolau und Vanya Beerkus im Mittelpunkt stehen...

Die Regisseure Jeff Zimbalist und Maria Bukhonina konnten auf viele Jahre an Bildmaterial zurückgreifen – aus dem Privatleben des Paares, von ihren Vorbereitungen auf den jeweils nächsten ,,Climb" sowie der Durchführungen der extrem riskanten Aktionen. Rasch werden sie einem sympathisch (Angela gegenüber hätte ich wohl auch mindestens einen ,,Crush" entwickelt, hätte ich sie persönlich gekannt) – und so begleiten wir sie im Zuge ihrer Beziehung sowie menschlichen und professionellen Entwicklung. Ihr großes Ziel – speziell nach dem Wegfall der Sponsoren-Gelder nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs: Als erstes den Neubau des Mega-Hochhauses ,,Merdeka 118" in Kuala Lupur erklimmen... und dort oben dann gar noch ein spektakuläres ,,i-Tüpfelchen" draufsetzen...

Man kann über die ,,Rooftopper" denken, was man will – und ja, man sieht auch zwei kurze Aufnahmen, in denen welche in den Tod stürzen – aber was Angela und Vanya geschafft und erlebt haben, ist einfach beeindruckend (manche Images und Momente verschlagen einem förmlich den Atem). Es gibt auch Streit und Panikattacken in luftiger Höhe, Fluchtbemühungen vor Sicherheitsleuten sowie (bei aller Planung) unerwartete Herausforderungen  – stets von ihren HD-Kameras festgehalten. Toll bebildert und ein feines Pacing aufweisend, ist die Doku hochwertig und effektiv gestaltet worden. Würde es sich bei dem Gebotenen um einen Film handeln, wäre ich sehr zufrieden – doch da das Präsentierte echt ist, bin ich wahrlich beeindruckt. Eine zentrale ,,Botschaft" Angelas und Vanyas kommt zwar nicht ganz rüber – alles andere aber schon... 

knappe 9/10

"Diane, last night I dreamt I was eating a large,  tasteless gumdrop and awoke to discover I was chewing one of my foam disposable earplugs.
Perhaps  I should consider moderating my nighttime coffee consumption...."
(Agent Dale B.Cooper - "Twin Peaks")

Moonshade

Vikings Valhalla : Staffel 3 (Netflix)

So Freunde, jetzt ists vorbei mit der Wikingerschlachterei: inzwischen sind ja nicht nur Vikings, sondern auch "Last Kingdom" dahingegangen (bzw. wurden abgeschlossen) und so endet nun auch der Vikings-Nachklapp "Valhalla", der ja ein flottes Jahrhundert nach den anderen Serien spielt (so ca. 1025-1035).

Auch die letzten 8 Folgen boten wieder einen flotten Bilderbogen, inzwischen sind fast alle christianisiert und die Kirche hat den Daumen drauf, ansonsten gibt es wieder flotte Meucheleien und Ränkespiele in Dänemark, Norwegen und England. In der Abteilung historische Fakten kommt es hier zum Ende von Großkönig Knut und dessen Erbfolgeregleung leitet die längeren englischen Bruderkriege ein, das passiert halt, wenn man quer durch Europa mehrere Damen gerammelt hat.
Auf der fiktiven Seite findet die Story Leif Erikssen (ok, den gab es), Freydis aus Grönland und Königsaspirant Harald ihr Ende, das bedeutet viel Spaß: da wird Sizilien belagert und Harald scheitert in Konstantinopel als Kaiseraspirant, Freydis muss sich aus Jomsburg verdrücken und legt sich mit ihrem Daddy an und Leif macht den Indiana Jones und sucht den Weg nach Amerika, indem er überall in Europa nach Geheimwissen sucht.

Ist alles schön bunt und sehr sorgfältig gemacht, allerdings ziehen sich einige Stränge etwas und das führt dazu, dass man das interessanteste an der Historie, also den Bruderkrieg samt aller Intrigen, eigentlich gar nicht zu Gesicht bekommt, als es nämlich so langsam losgeht, ist die Staffel vorbei. Auch Freydis Familienfehde wird am Ende nicht mehr ganz aufgelöst und vermutlich wollten die Macher nicht noch einmal dafür sorgen, dass einige ihrer Helden in Amerika landen, also bleibt es beim Plan.

Alles in allem wieder gute Unterhaltung mit einigen flotten Anachronismen, die nächste Serie sollte dann am besten das Gestreite, Geschnetzel und die Invasion Englands von 1040-1066 umfassen, da ist noch Potential, wenn es nach mir ginge. Solide 7,5/10
"Du hältst durch und ich halte durch und nächstes Jahr gehen wir einen saufen!

"Anything invented after you're thirty-five is against the natural order of things.!" (Douglas Adams)

Moonshade

Das Decameron (Netflix)

Ist immer lustig, wenn ich mit Spaß was anfange und 20 min später bei Netflix inside quasi brühwarm lese, es sei der größte Flop seit irgendwann und man habe die Serie schon im Vorfeld auf "limited series" und damit auf Miniserien-sofort-tot runtergestuft.
Ganz im Ernst: so schlecht ist "Decameron" nun wirklich nicht, da gibt es viel größeren Mist auf Big N zu sehen, der auch mehr Erfolg hat, aber es passt nicht ins Portfolio, da muss irgendwas bei der Planung falsch bewertet worden zu sein.

Ich hab die 8 Folgen jetzt durch und hab mich über vier Tage sehr gut amüsiert, auch wenn das Ganze natürlich weder hart an der Vorlage von 1353 noch irgendwo bei Pasolinis bekanntem Werk verortet ist.
Inhaltlich hält man sich an die Grundkonstellation: drei Männer und sieben Frauen fliehen vor der Pest 1348 aus Florenz in eine Villa auf dem Land. Im Buch werden da dann über 10 Tage 100 Geschichten erzählt, das findet hier nicht statt, allenfalls sind einige Handlungsstränge vielleicht aus den Geschichten übernommen. Tatsächlich endet die Serie damit, dass die Überlebenden anfangen sich Geschichten zu erzählen.
In der Presse las mal viel vom Monty Python Stil - und ja, wer auf eine satte Farce steht, die mit MP-ähnlichem Humor angereichert ist und wie britisches Boulevardtheater gespielt wird, hat hier einen field day, ich hab mich köstlich amüsiert.
Dabei fällt das Auge automatisch auf das hochkomische Stielaugengesicht von Tanja Reynolds, die schon als Lily Iglehart "Sex Education" zu einer Tentakelsexcomedy gerinnen ließ. Ihre Mimik ist elementar für die Comedy, aber die anderen lassen sich auch nicht bitten.
Inhaltlich ist das ein Status- und Liebesreigen, angereichert mit Macht- und Sexspielchen, gerinnt dann angesichts der vorrückenden Pest und marodierenden Söldnern zu einer teilweise tödlichen Tragikomödie rund um den Sinn des Daseins, immer kurz vor dem Absurden.
Wird vielen zu unfokussiert sein und führt eigentlich auch nicht wirklich irgendwo hin, aber der Weg, den die figuren hier nehmen ist eigentlich das Ziel, wobei nach der Hälfte der Zeit sehr plötzlich eine der Figuren kommentarfrei ausscheidet (stirbt), was den Ton ein wenig schief werden lässt, aber den Weg für die zweite Staffelhälfte (die ernster und philosophischer ist) frei macht.
Tatsächlich findet die Serie mit Folge 8 tatsächlich so etwas wie ein Ende, traut sich leider nicht soweit vor, ein zeitgemäßes oder satirisches Statement zum Stand der Dinge zu machen. Was bleibt, ist leichte Kost mit einigen Spitzen und diversen Lachern, angereichert (was auch schon fast wieder abgedroschen ist) zwischendurch mit modernen Rock-, Wave- und Popsongs zum zusätzlichen Soundtrack.

Mir hat es gefallen, aber ich kann verstehen, wenn das Publikum sagt: what's the point und das alles durchfallen lässt. Bei dem generischen Serienstoff, der inzwischen aus allen Richtungen für Netflix produziert wird, ist das aber eine erfrischende Abwechslung. 7/10
"Du hältst durch und ich halte durch und nächstes Jahr gehen wir einen saufen!

"Anything invented after you're thirty-five is against the natural order of things.!" (Douglas Adams)

Glod

Blue Eye Samurai : Staffel 1 (Netflix)



Ein junger Kämpfer, der aufgrund seiner gemischtrassigen Herkunft und der damit verbundenen blauen Augen im Japan der Edo-Zeit seit seiner Kindheit ein Aussätziger ist, begibt sich auf einen Rachefeldzug, um seinen Erzeugern das Lebenslicht auszublasen. Mehrzahl deswegen, weil er nicht weiß, wer sein Vater ist und deswegen alle zur der Zeit in Japan vorhandenen 4 Weißen vorsorglich dran glauben sollen.

Die Prämisse klingt ziemlich doof, aber die Serie macht in ihren 8 Folgen eine Menge daraus. Ich weiß nicht, wie realitätsgetreu die Darstellung der damaligen Epoche ist, aber es WIRKT auf jeden Fall sehr realistisch. Es ist auch keinesfalls so, dass hier einfach nur Gemetzel auf Gemetzel folgt. Die Serie nimmt sich auch einiges an Zeit für die Figuren und schafft es so, eine sehr runde Geschichte zu erzählen, die ganz offensichtlich noch weitergehen soll.

Die Darstellung ist dabei klar auf ein erwachsenes Publikum ausgerichtet. Mal abgesehen von der hinreichend ausufernden Gewalt, ist die Inszenierung von Sexualität und deren Abgründen auch nicht gerade zurückhaltend. Die thematisierten gesellschaftlichen Hintergründe sind dem jüngeren Publikum jetzt auch nicht gerade große Unterhaltungsgaranten. Ich sag mal so - ich hatte kein Problem damit, meine 13jährige mit in Deadpool 3 zu nehmen, aber für das hier ist sie definitiv noch zu jung. Und nein, die Serie ist kein Gorefest, welches eine Abartigkeit an die nächste reiht. Es ist schlicht und ergreifend Unterhaltung für Erwachsene, frei nach dem Motto "Life sucks. Get a helmet".

Die technische Umsetzung ist Güteklasse 1a. Der Detailgrad ist schlicht atemberaubend. Obwohl klar als Anime stilisiert, vergisst man mitunter, dass man einen Zeichentrickfilm anschaut, so gut ist das alles gemacht.
Die Action ist ebenfalls hervorragend choreografiert und inszeniert. Allerdings besticht die Serie eben am meisten in ihren ruhigeren Szenen, wenn man die Arbeit der Künstler richtig in sich aufsaugen kann.
"Er wird mir eine Kugel verpassen und dann Selbstmord begehen." -Nina Meyers-

"Wir passen schon auf, dass er keinen Selbstmord begeht." -Jack Bauer-

Moonshade

Perfekt Verpasst (Amazon Prime)


Deutsche Serien schaue ich eigentlich nur selten und deutsche Komödien sogar noch seltener, aber hier hab ich angesichts der Kritiken mal eine zögernde Ausnahme gemacht.
Aus nostalgischen Gründen also mal wieder die altgediente Paarung von Anke Engelke und Bastian Pastewka geschaut, für 8 Folgen sollte man das aushalten können.
Und ja - auch ohne Kenntnis der Sat1-RTL-Sitromcoms der letzten 30 Jahre - das Ergebnis ist ganz vergnüglich geworden, die Stars sind allerdings in die Jahre gekommen.
So trägt Pastewka jetzt 12-Tage-Bart zu seinem Krötenhals und bei Engelke merkt man angesichts ihrer Puttchen-Buchhändlerin-Gedächtnis-Frisur nur zu sehr, wie sich Visagisten allmählich auch an ihr abarbeiten - aber die Story von den beiden Königskindern (Sportartikelverkäufer sucht nicht, aber findet Buchhändlerin), die einander lange nicht finden, obwohl sie den fast gleichen Freundeskreis haben, funktioniert.
Der Witz ist einfach: sie begegnen sich nie - erst in der vorletzten Folge - rennen aber häufig knapp an sich vorbei oder erinnern sich wegen Drogen nicht mehr ans Gesicht zur Stimme.

Dazwischen tummeln sich vielerlei wilde Figuren, Engelkes genervte Verkäuferkollegin, der neu-schwule Großpapi, die polyamouröse ältere Tochter Pastewkas. Dazu kommt bei ihm noch eine gescheiterte Ehe, eine traumatisierte jüngere Tochter und ein Hund, der ihm am ersten Abend bei sich wegstirbt. Derweil hadert Engelke mit ihrer unzufriedenen Kodderschnauze und dem Literaturerfolg einer alten Bekannten, die inzwischen zur halben Erzfeindin stilisiert wird.
Am meisten profitieren wird von den flotten zusammen 240 Minuten vermutlich der Schauplatz Marburg, ein malerisches Örtchen, welches meist so alteingesessen-grün-sonnenbestrahlt-superclean daherkommt, wie es sonst nur "Bridgerton" mit dem London von 1815 durch CGI geschafft hat.

Nette Sache, leichte Feierabendkost, wenig Peinlichkeiten. 7/10
"Du hältst durch und ich halte durch und nächstes Jahr gehen wir einen saufen!

"Anything invented after you're thirty-five is against the natural order of things.!" (Douglas Adams)

Private Joker

Perfekt verpasst hat mir Amazon auch mal ungefragt untergejubelt, nach dem Ende von "Jackpot". Jo, irgendwo mag ich den Pastewka ja (der Mitschnitt von dem Kölner Konzert, das aus seinem Krimipodcast entstanden ist, ist wirklich grandios), aber im TV spielt der halt irgendwie immer sich selbst. So gesehen war die "Pastewka"-Serie die perfekte Umgebung für ihn; hier in der (schönen) Kulisse von Marburg fand ich das eher selbstreferenziell und bis einschließlich Folge 2 wenig zielführend. Aber trotzdem ganz nett und sicher ein brauchbarer Lückenfüller.

Aber weswegen ich eigentlich hier bin:

Red Eye (Netflix)

Vom Streaming-Marktführer zugekaufter gradliniger Brit-Thriller, von der Fachkritik eher maßvoll begeistert aufgenommen, die statt dessen lieber Apples "Hijack" empfiehlt. Meine ganz unfachkritische Meinung: F... Euch und behaltet ihr den Elba, ich nehm den hier. Warum ? Ganz einfach, weil das ein mätzchenfreier, altmodischer Nägelkauer ist, wie ihn vorrang nur die Briten hinbekommen. Straff inszeniert, stimmungssteigernd in einem echten Flugzeug gedreht (habe ich gelesen), über gut getimte 6 Folgen längenfrei und mit genau so vielen Twists, das es einen auch nicht stört, dass die meisten vorhersehbar sind. Aber halt auch nicht alle.
Was den "Realismusfaktor" angeht, der mir Hijack zT verleidet hat: Ja - o.k, auch hier muss ich nicht alles glauben. Ein Flugzeug, das quasi zum fliegenden Leichenhaus wird, ohne (freiwillig) umzukehren? Nun gut, das wird politisch begründet, kann plausibel sein, oder auch nicht. Kleine Hunde in der Kabine? Gift im Essen, wo man es auch gleich ins Getränk schütten könnte? Tote, die innerhalb von wenigen Minuten im Flugzeug nicht nur getötet werden, sondern kurz davor auch noch gefoltert und verhört (Schreie, anyone?). Alles grenzwertig, aber nie komplett drüber. Und es ist und bleibt natürlich eher eine Thriller-/Krimifantasie als ein beinhart realitätsnaher Flugzeugfilm Marke "7500". Klar, das galt für Hijack irgendwo auch, aber der hat ständig so getan, als wäre müsste man den Quatsch mit dem Entführer-Einflüsterer wirklich glauben, die Attitüde fehlt hier erfreulicherweise komplett.

Also: Fans von "Night Agent" sollten einen Blick riskieren, die schöne alte Formel "Guter Typ+Nette UND toughe Lady gegen alle dunklen Mächte dieser Welt, incl. CIA, MIxy sowie vielleicht die Chinesen" feiert ein paar überraschende/erfreuliche Comebacks. Und Armitage geht sowieso immer.

Vermutlich abgeschlossen, schade eigentlich, davon würde ich auch noch eine Staffel nehmen, auch wenn da eigentlich nichts offen bleibt. 7,5/10.

Warrior (Wow)

Eine der Stiefkinder des modernen TV, mit Senderwechseln und Absetzungen/Doch-Verlängerungen. Gerade deshalb reizt es mich, da noch mal ein bisschen Werbung für zu machen, auch wenn nicht so viele "Wow" haben dürften und es selbst dort nicht durchgehend abrufbar ist.

Als Mischung aus "Kung-Fu"-Reboot, natürlich um Lichtjahre zeitgemäßer, mit der - zusammen mit "Gangs of London" - härtesten Action des aktuellen TV schon relativ speziell. Trotzdem gibt es wenige Serien, die politisch-"woke" Botschaften und knallharte Fights so gut unter einen Deckel bekommen haben. Manches mag streitbar sein; das Großaufgebot von "Bad White Men" - historisch sicher nicht völlig herbeifabuliert - kann und soll nach dem Willen der Macher natürlich Sympathie für die chinesischen Figuren erzeugen. Die bei ganz objektiver Betrachtung auch "nur" Verbrecher sind, Tongs und Gangs, Kriminelle in einem Land, das sie "eigentlich" vielleicht nicht mit ganz weit offenen Armen, aber immerhin ohne Wenn und Aber aufgenommen hat. Vielleicht konnten sie nicht anders, wurden von den Umständen in die Richtung getrieben - die Serie stellt das in den Raum und ich wage auch nicht komplett zu widersprechen. Aber trotzdem, so ein Geschmäckle bleibt..

Was nichts daran ändert, dass das für Actionfans einer der wenigen verbliebenen Kracher ist, harte, blutige Kämpfe mit Leuten, die das wirklich können (Taslim, vor allem) und das in angemessener Zahl und Timing pro Folge. Und im Gegensatz um Mohrhuhnschießen bei den späteren "Strike Back"-Staffeln von dem gleichen, mittlerweile abgewickelten Label "CineMaxx" sogar durchweg spannend, weil es halt auch um etwas geht und die Bösen nie nur Kanonenfutter sind. Wer danach sucht, wird auch einige Folgen finden, die hübsche Referenzen zu "Kung Fu" enthalten, dem entfernen Verwandten nach den "Writings of Bruce Lee".

Das vermutliche Ende mit Staffel 3 ist übrigens sagen wir mal "halb abgeschlossen", wenn es jetzt wie wohl feststeht doch nicht mehr weitergeht, kann man damit gut leben. 8/10, trotz ganz kleiner Bedenken gegen die "Message".
"Ich bin zu alt für diesen Scheiß" "Dem Scheiß ist es egal, wie alt Du bist" (James Grady - Die letzten Tage des Condor)

Newendyke

Terminator Zero (Netflix)

Also wieder Judgement Day, also wieder die Zukunft, und das auf ein paar Zeitebenen, die gar nicht mal so schlecht die Handlungsstränge zusammenführen. Auf der einen Seite das franchise-typische Katz und Maus-Spiel zwischen Terminator und Gejagten / Beschützern und andererseits der Dialog zwischen Programmierer und dessen Skynet-Konter-KI. Letzteres läuft auf so Meta-Pseudo-philosophischem Zeugs raus, das man "gerne" in Sci-Fi-Animes unterbringt, wird aber dann doch sehr zweckdienlich am Ende aufgelöst.
Viel interessanter waren dann die kleineren twists in den letzten beiden Folgen, wobei keiner soooo unvorhersehbar war. Kann man alles als weiterführende, aber doch eigenständige Geschichte im T-Universum mitnehmen, macht aber auch nicht so viel Neues draus, was ich eigentlich erhofft hatte; man bleibt im Großen und Ganzen der bekannten Formel treu.

Mal abwarten, ob es eine Fortsetzung geben wird.

6/10


"Ich will jetzt nichts mehr hören, von wegen keinen Job, kein Auto, keine Freundin, keine Zukunft und keinen Schwanz." (der Meister - Gran Torino)

PostalDude

7 September 2024, 14:13:52 #98 Letzte Bearbeitung: 7 September 2024, 14:18:25 von PostalDude
Im Laufe des letzten Jahres gesehen, oft vor der Spätschicht noch 2 Folgen:

Hör mal, wer da hämmert: Die komplette Serie



Ich kann jede Folge mitsprechen, ich liebe jede einzelne Folge, einfach die beste Serie! ♥
Mehr Power! ARR! ARR! ARR!  :happy2:

5/5

Moonshade

My Lady Jane (Amazon Prime)

Das Wichtigste vorneweg: kaum war die Serie endlich veröffentlicht, war sie von Prime auch schon gecancelt, das ging in wenigen Tagen.
Daher gibts nur 8 Folgen und ja, das Ende ist relativ offen - da hatte man sicherlich was für 3-4 Staffeln mit vor, denn schließlich basiert der Kokolores auf einer Buchserie.

Also: Jane Grey vs. Mary Tudor, Lizzibeth die Erste noch auf der Ersatzbank, die 1550er Jahre. Das Ganze aber nicht todernst, da ist Jane Grey immer gleich tot, sondern auf "Bridgerton" gemacht. Also mit Lachern und Trotteln und Karikaturen als Nebenfiguren. Die inzwischen etablierte Präsentation aller möglichen freunldichen Hauttöne hat man dort auch entnommen. Dazu natürlich reichlich Romantik und ein paar Bettszenen von sehr jungen, ordentlichen Darstellern.
Das könnte klappen, aber nein, wir mischen da noch eine Fantasykomponente rein: es gibt rein menschliche Briten (Veritaner) und Mischwesen (Ethyaner), die sich in ein Tier (aber nur ein bestimmtes jeder) verwandeln können.

Der Clou an der Sache ist keiner: natürlich herrscht britisichen KÖnigshaus Machtkampf galore und die Mischwesen müssen ganz dringend ausgerottet werden, weil...hab ich nicht verstanden, ist auf jeden Fall eine Methapher auf andere Religionskonfessionen und wer 10 Cents weiterdenkt ist dann auch beim LGBT+ Thema.

Das wiederum wird gar nicht richtig aufgedröselt, wieso es überhaupt diese Mischwesen gibt und wo das Problem ist. Stattdessen wird die zweite Staffelhälfte zu einem Showcase an platt-albernem Overacting durch die Mary-Tudor-Grimassenzieherin, die um Haaresbreite bei Alice im Wunderland und Monty Python anfangen könnte.

Noch Streusel?
Na klar, zwischendurch gibt es moderne Popsongs aus den 80ern und 90ern in neuen Fassungen, wo hab ich das bloß schon...

Also finito: das alles ist ein Flickenteppich an bekannten Ideen und trotz einiger netter Gags ist die zweite Staffelhälfte eine ziemlich öde bis klamaukige Angelegenheit und kann die Frische der Auftaktepisode leider nicht mehr erreichen.
Dass man die Serie gekippt hat, für mich kein Problem, da wiegen dramaturgische Faustpfände wie 1899 oder Archive 81 schwerer mit der Cancellation.
Kann man natürlich trotzdem gucken, aber spätestens bei dem adrett nach oben brennenden Scheiterhaufen in Episode 8, der mit den CGI-Flammen, ist Schluss mit lustig. 4/10
"Du hältst durch und ich halte durch und nächstes Jahr gehen wir einen saufen!

"Anything invented after you're thirty-five is against the natural order of things.!" (Douglas Adams)

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