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Autoren-Thread: Hitmanski

Begonnen von Hitmanski, 8 Dezember 2010, 23:29:02

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Hitmanski

8 Dezember 2010, 23:29:02 Letzte Bearbeitung: 8 Dezember 2010, 23:34:30 von Hitmanski
MoinMoin,

allzu lange ist es ja noch nicht her, dass ich hier bei der OFDB verweile, aber die Möglichkeit dieses Forums möchte ich mir ungern entgehen lassen: Ich hab' beim "Einzug" hierher, mein Textarchiv schon einmal grob aussortiert, und im Moment dürften nur die Reviews hier zu finden sein, die ich für halbwegs tageslichttauglich erachte (Ausnahmen inklusive). Und eben jene möchte ich nun vor's Tribunal stellen lassen, und mich würde einfach interessieren, was ihr von meiner Schreibe/Meinung/wasauchimmer haltet.

http://www.ofdb.de/view.php?page=poster&Kat=Review&Name=96024 (etwaige Formatierungsfehler werden in der nächsten Zeit noch behoben...)

Da ich das web 2.0 nun auch schon einige Zeit bevölkere, hab' ich gelernt, von wohlwollender Kritik bis hin zu wüstesten Beschimpfungen, alles mit stoischer Gelassenheit hinzunehmen, in diesem Sinne: Feuer Frei :icon_twisted:

Mr. Blonde

Ich will nur kurz Herzlich Willkommen sagen und ähnlich kurz fällt auch mein Kommentar zu Deinen Reviews aus. Guter Wortschatz, schön zu lesen und Hintergrundwissen ist anscheinend auch vorhanden. Obwohl ich die ein oder andere Kritik nicht teile (Reservoir Dogs - grrrrrrrrrr, Oldboy - grrrrrrrrrr²), bin ich sicher, dass Du Dein Publikum findest, wenn es nicht schon da ist.  ;)

Zitat
Kurzum: Park tritt auf der Stelle - "Oldboy" ist ein Kino der Kalendersprüche und der großen Gesten, aber auch des reduzierten Inhalts. Armer Octopus!

:icon_mrgreen: Okay, das ist witzig.  :respekt:



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Moonshade

Hi,

bevor die großen Kritiker alle loslegen noch was Inhaltliches, was ich vorwegschicken muß. :icon_eek:
Angesichts deiner Einträge der letzten Tage mußt du dich leider entscheiden, was du willst: entweder deine Texte als lokale Reviews veröffentlichen oder Links zu deinem eigenen Blog (It's just a Film).
Die "Doppelten" hab ich bisher entsorgt (und zwar die externen Links zum Blog, sofern zweimal vorhanden), aber es gilt nun mal: nach Möglichkeit jeder Text nur einmal (und da du über moviepilot zumeist noch mal mit dabei bist, wären es eigentlich dreim, aber da stehst du ja nicht alleine drin).

Wir bitten da um Verständnis.
"Du hältst durch und ich halte durch und nächstes Jahr gehen wir einen saufen!

"Anything invented after you're thirty-five is against the natural order of things.!" (Douglas Adams)

Hedning

@Hitmanski
Mit vielem, was du schreibst, gehe ich konform, sei es nun M, Hostel, Inception (!), ...

Allerdings gehe ich bei Oldboy überhaupt nicht mit, da scheinst du am Wesentlichen vorbeizusehen. Park hat schon in seinem vorigen Film einen ganz eigenen Blick auf die Rachethematik entwickelt und zeigt Rache nicht als Erfüllung, sondern als Entleerung des Rächenden. Und das wird von Choi Min-sik ergreifend - für dich hysterisch - dargestellt, in Verbindung mit einem einmalig verspielten, aber dadurch noch lange nicht albernen Inszenierungsstil und nicht zuletzt einer überaus kundigen Musikauswahl. Einen "Cartoonbösewicht" habe ich da übrigens auch nirgendwo gesehen. Mehr Punkte für "Mamma mia" als für Oldboy, also bitte.

Hitmanski

@ Mr. Blonde
Danke für die Willkommensgrüße :)

@ Moonshade

Hab' ich vor ein paar Minuten selber in euren FAQ gelesen; ich bitte die Umstände zu entschuldigen - aber wie das halt so ist, wenn man in ein neues Forum kommt  :icon_redface:
Aber für die Zukunft weiß ich bescheid, wird nicht nochmal vorkommen.

@ Hedning

Da bist du nicht der Einzige, der sich am "Oldboy"-Review stößt, das sorgt in unregelmäßigen Abständen immer wieder für Diskussionsbedarf - ein Film mit vielen Fans, warum entzieht sich leider etwas meiner Kenntnis - und ich hoffe, ich mach' mir nicht schon nach den ersten Stunden hier wieder Feinde, aber: Selbst wenn man Park unterstellt, dass seine Interpretation des Rachebegriffs eine neue Dimension der Auseinandersezung mit dem Thema darstellt, bleibt sie für mich immernoch unter Unmengen an audio-visuellen Ballast verborgen, dem ich weniger Albernheit, als einfach eine gewisse Selbstgefälligkeit unterstelle: Der Film hangelt sich an seinen Glückskecksweißheiten und halbgaren Metaphern wie dem Octopus entlang, aber einen wirklichen Mehrwert vermag ich nicht zu erkennen: Das ganze Leben als Gefängnis; ein ewiger Kampf mit sich selbst, symbolisiert durch die Walzer-Untermalung - ich glaube schon, dass ich (mittlerweile und gezwungenermaßen :bawling:) die Metaphorik des Films verstanden habe; ändert aber nichts am Gesamturteil; bleibt für mich style-over-substance-Kino, und Park ein elitärer Wichtel.
Und ein designeranzugtragender, goldbezahnter Bösewicht, der in einem Bateman-Gedächtnisloft haust, hat für mich durchaus einen cartoonesken Charakter, bzw. die Attitüde eines Bond-Bösewichts...

Und "Mamma Mia!" entzieht sich ja letztendlich jedem Vergleich, da der Film seine Belanglosigkeit ja selber so offensiv zur Schau stellt, als das man sie ihm schlecht zum Vorwurf machen kann. Außerdem sieht selbst Streep in Latzhose besser aus, als Choi Min-sik mit zappelnden Fangarmen im Gesicht  :rofl:

Mr. Blonde

9 Dezember 2010, 02:29:12 #5 Letzte Bearbeitung: 9 Dezember 2010, 02:35:52 von Mr. Blonde
Zitat@ Mr. Blonde
Danke für die Willkommensgrüße :)

You're welcome. ;)

Zitat von: Hitmanski am  9 Dezember 2010, 02:22:40
Und ein designeranzugtragender, goldbezahnter Bösewicht, der in einem Bateman-Gedächtnisloft haust, hat für mich durchaus einen cartoonesken Charakter, bzw. die Attitüde eines Bond-Bösewichts...

Da bringst Du aber was durcheinander. ;) Der Herr mit den Goldzähnen war der Boss des "Gefängnisses" und die bekam er erst nach seiner Zahn-Op.
Einige Szenen dürften für manche Zuschauer sicherlich etwas komisch wirken, man darf da aber auch nicht den kulturellen Hintergrund vergessen, gerade was Humor oder eben Ernsthaftigkeit angeht. Sicherlich experimentiert "Oldboy" mit einigen Stilistiken, dass harmoniert imo aber trotzdem mit dem Gesamtpaket, ohne den Konsens auf der Strecke zu lassen. Aber jeder, wie er's mag.


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Moonshade

Zitat von: Hitmanski am  9 Dezember 2010, 02:22:40
@ Moonshade

Hab' ich vor ein paar Minuten selber in euren FAQ gelesen; ich bitte die Umstände zu entschuldigen - aber wie das halt so ist, wenn man in ein neues Forum kommt  :icon_redface:
Aber für die Zukunft weiß ich bescheid, wird nicht nochmal vorkommen.

Es lebe der Überschwang. Alles klar, kein Thema! :icon_mrgreen:
"Du hältst durch und ich halte durch und nächstes Jahr gehen wir einen saufen!

"Anything invented after you're thirty-five is against the natural order of things.!" (Douglas Adams)

Hitmanski


ZitatDa bringst Du aber was durcheinander. ;) Der Herr mit den Goldzähnen war der Boss des "Gefängnisses" und die bekam er erst nach seiner Zahn-Op.

Echt? Ach, man sollte nie die Macht der Verdrängung unterschätzen - aber mit oder ohne Goldzahn; ich hatte im Finale ständig den Bösewichts aus "Die Another Day" vor Augen ;)
Ansonsten geb' ich dir Recht, irgendeine Art von Konsens wird "Oldboy" bedienen, sonst würde man ihn nicht auf sovielen Lieblingsfilmlisten finden - aber ich hab mich damit arrangiert, dass mir der Zugang zu Parks Filmen nie so richtig gelingen will  :00000109:

ZitatEs lebe der Überschwang. Alles klar, kein Thema!  :icon_mrgreen:
So bin ich eben :icon_cool:

Adam Kesher

Auch von mir ein herzliches Willkommen!

Ich bin gerade erst auf deine Besprechungen aufmerksam geworden und habe stichprobenartig gelesen: Liest sich gut! Schwungvoll, mit viel Verve, manchmal fast ein bisschen viel Schaum vorm Mund, aber immer mit originellen Denkanstößen und Sichtweisen.

Bei ,,Oldboy" stimme ich zu, auch wenn ich mich fast gar nicht mehr an den Film selbst, sondern nur noch an meine Empfindungen danach erinnern kann. Da widerspreche ich auch Hedning (und das tue ich nur selten und zudem ungern), dass ,,Oldboy" die Entleerung des Rächers in innovativer Weise zu Bewusstsein bringen würde. Ist die Entleerung des Rächers nicht Thema von so ziemlich jedem Rache- oder Selbstjustizfilm? (Die einzige Ausnahme, die mir aus dem Stegreif einfallen will, ist der vollkommen schief gelaufene ,,Sleepers".) Dass ,,Oldboy" die Gefühlspalette gegenüber der Rache allerdings auf stoische Hohlheit reduziert, statt über Euphorie, Rausch, Ernüchterung, Verzweiflung und all die anderen Regungen zu sprechen, die sich an ihr entzünden können, nehme ich eher als eine Komplexitätsreduktion gegenüber den meisten anderen Filmen zum Thema wahr.

Auch bei ,,Eden Lake" stimme ich zu: Anspruch und Resultat liegen hier wirklich weit auseinander und es ist sehr erfreulich, dass auch diese Sichtweise einen Anwalt gefunden hat. (Ich habe selbst noch einen Text auf Halde, den ich bei Gelegenheit einstellen werde.)

Sehr interessant auch deine Besprechung zu ,,Sieben". Da hatte ich unlängst wieder eine Unterredung mit Mr. VV und deine Ratlosigkeit, die sich irgendwo zwischen atmosphärischer Bestrickung und inhaltlichen Vorbehalten abspielt, ist eine ziemlich spannende Ergänzung zu den kursierenden Sichtweisen.

Was rede ich: Bitte weitermachen, ich lese gerne mehr davon!

Hitmanski

9 Dezember 2010, 17:06:28 #9 Letzte Bearbeitung: 9 Dezember 2010, 17:22:23 von Hitmanski
ZitatLiest sich gut! Schwungvoll, mit viel Verve, manchmal fast ein bisschen viel Schaum vorm Mund, aber immer mit originellen Denkanstößen und Sichtweisen.

Dankeschön, sowas hört man natürlich immer gerne :) - zm Schaum vorm Mund sei gesagt, dass du mit "Eden Lake" tatsächlich ein sehr - nunja, engagiertes - Review gefunden hast; in dem ich meinem Ärger, den ich schon beim Sehen entwickelte, in Worte gegossen habe. So ein bisschen Polemik schadet bei solch einem Werk mMn auch nicht wirklich; aber im Normalfall bin ich ganz lieb  :king:

ZitatBei ,,Oldboy" stimme ich zu, auch wenn ich mich fast gar nicht mehr an den Film selbst, sondern nur noch an meine Empfindungen danach erinnern kann. Da widerspreche ich auch Hedning (und das tue ich nur selten und zudem ungern), dass ,,Oldboy" die Entleerung des Rächers in innovativer Weise zu Bewusstsein bringen würde. Ist die Entleerung des Rächers nicht Thema von so ziemlich jedem Rache- oder Selbstjustizfilm? (Die einzige Ausnahme, die mir aus dem Stegreif einfallen will, ist der vollkommen schief gelaufene ,,Sleepers".) Dass ,,Oldboy" die Gefühlspalette gegenüber der Rache allerdings auf stoische Hohlheit reduziert, statt über Euphorie, Rausch, Ernüchterung, Verzweiflung und all die anderen Regungen zu sprechen, die sich an ihr entzünden können, nehme ich eher als eine Komplexitätsreduktion gegenüber den meisten anderen Filmen zum Thema wahr.

Deine Worte zu "Oldboy" sind Balsam in meinen Ohren, man trifft ja tatsächlich wenige Leute, die meine Meinung teilen...

ZitatSehr interessant auch deine Besprechung zu ,,Sieben". Da hatte ich unlängst wieder eine Unterredung mit Mr. VV und deine Ratlosigkeit, die sich irgendwo zwischen atmosphärischer Bestrickung und inhaltlichen Vorbehalten abspielt, ist eine ziemlich spannende Ergänzung zu den kursierenden Sichtweisen.

Ich hab' eher zufällig gestern Abend noch Teile der "Sieben"-Debatte hier auf dem Board gelesen, interessante Standpunkte von euch beiden, und ja: So ganz schlüssig bin ich mir immer noch nicht, was den Film betrifft. Bei der ersten Sichtung war ich von der Atmosphäre gefangen; aber schon beim zweiten Mal, empfand ich eben gerade diese - trotz ihrer Noir-Verweise - als relativ manipulativ, und lenkt eigentlich sehr stark davon ab, dass inhaltlich alte, bzw. schon vorherdagewesene Genrepfade neu beschritten werden. Trotzalledem ein wichtiger Film, vorallem weil alleine die dreckig-düstere Visualisierung schon sehr prägend für viele Epigonen war.

Mr. Vincent Vega

9 Dezember 2010, 22:46:20 #10 Letzte Bearbeitung: 9 Dezember 2010, 22:48:07 von Mr. Vincent Vega
Ach, jetzt hast du dich also auch hier noch her verirrt. :icon_mrgreen:

Na denn mal Willkommen, Bienvenue, Welcome, mein Herr.

Mittlerweile ist das Autorenforum zwar relativ tot, zumindest im Vergleich zu vor einigen Jahren, als hier die wildesten Diskussionen tobten, aber nichtsdestotrotz viel Spaß.

Moviepilot läuft der ofdb zumindest als Stimmenplattform allmählich den Rang ab. Was Fassungen angeht ist sie aber natürlich relativ unverzichtbar.

Hitmanski

Danke Danke  :icon_cool:

Als stiller Beobachter war ich ja schon von Zeit zu Zeit mal hier, aber seit gestern nun auch ganz offiziell - selbst wenn nichts mehr allzu viel los sein sollte, kann ich mich immer noch durch massenweise alte Threads wühlen; und das ist angesichts eines sehr vollen Vorlesungsplans eine durchaus lohnenswerte Beschäftigung ;)


McKenzie

Bisher hatte ich noch nichts von dir gelesen, habe aber gerade in erwartungsvoller Neugierde deinen BLACK SWAN-Text angeklickt - und bin begeistert. ;)  Das ist ein Text, bei dessen genussvoller Lektüre ich mir gewünscht habe, er wäre von mir - einen Film diesen souverän und mit solcher Konzentration zu verreißen, dessen Belanglosigkeit man als offensichtlich empfindet und dessen Status und Eitelkeit man als ärgerlich empfindet, ist sicherlich eine der größten Herausforderungen überhaupt. Wunderbar, wie treffsicher du die leerlaufende, zappelige Aufdringlichkeit der Inszenierung beschreibst und vor allem auch die sexistisch-platte "Frauenverstehung", die Aronofsky mit seinem stock-im-arschigen Bierernst betreibt und dabei vor keiner Plattitüde halt macht. Und natürlich der scharf beobachtete Portman-Diss ("fehlgeleitete Interpretation von method-acting", "anämisches Erscheinungsbild", "biedernste und doch ausdruckloseste Darbietung einer potentiellen Oscar-Kandidatin"  :respekt:), der auch überfällig war. Vielen Dank für diesen Text - der einzig angemessene bisher in der OFDB. Denn sollten sich die lieben Leute von der Filmgazette einmal zu Gemüte führen, angesichts ihres sehr naiven hauseigenen Textes. Dein Text hätte es sicherlich eher verdient, dort zu stehen.

Sehr überrascht war ich übrigens von deiner Verwendung des wunderbaren Wortes "Neoprätentionismus" - darf man fragen, wie du diesen hilfreichen Neologismus gefunden hast?  :icon_mrgreen:
ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

Hitmanski

Soviel Lob, ich werde noch ganz rot - Dankeschön  :icon_razz:

Bis vorhin dachte ich doch tatsächlich, "Neoprätentionismus" würde auf mein Konto gehen, bis eine Google-Recherche offenbarte, dass der Begriff schon irgendwo bei From Beyond auftaucht  :wallbash:

Aber es ist eben ein halbwegs griffiges Wort, um dieses selbstgefällige Anstreben einer Perfektion (oder das, was viele darunter verstehen...) durch vorwiegend technische Mittel und Inszneierung, aber ohne Rückhalt in der Geschichte zu beschreiben. Und "Neo" weil ich sowas seit Kubrick niemanden mehr so oft vorgeworfen habe, wie Aronofsky :P

Bretzelburger

Ich kann mich diesem Lob - trotz schöner Wortkonstruktionen - nicht anschließen, weil deine Anti-Meinung zu "Black Swan" genau den gleichen Weg geht, den du dem Film vorwirfst. Sie ist plakativ, haut nur mit spektakulären Worten auf die Kacke, ist ausschließlich auf Wirkung bei "Brüdern im Geiste" bedacht, begründet nichts und lässt sich keinen Moment ernsthaft auf Aronofsky und die Thematik ein - getreu dem Motte "was ich oberflächlich finde, wird auch entsprechend behandelt".

Auffällig an deiner Kritik ist, dass du keinen Moment auf die eigentliche Thematik eingehst - das Ballett. Der Schwarz-Weiß Konflikt - und damit die Sex-Fantasien - gehen ursprünglich auf Tschaikowsky zurück, werden aber, da der vierte Akt oft frei interpretiert wird (selten stirbt der weiße Schwan am Ende), meist zugunsten der weißen Schwanenprinzessin gewichtet. Das der Prinz auch Lust auf die schwarze Schwanenprinzessin hatte, wird gerne als nebensächlich oder kurzer Irrtum weg interpretiert. Das Aronofsky hier den "schwarzen Schwan" wiederbelebt, ist genauso ein intelligenter Schachzug, wie die anämische Erscheinung Natalie Portmans, die ich für eine sehr gute Besetzung halte, vielleicht sogar unfreiwillig gut. Das ihr Wunsch nach Perfektion niemals funktionieren kann, macht Aronofsky schon in den ersten Szenen deutlich, indem er den äußerlich schönen Schein des Balletts als Fake darstellt. Portman bleibt während der gesamten Laufzeit gebremst, nie wirklich aus sich herausgehend, gehemmt bis zur Selbstzerstörung - und das nimmt man ihr jederzeit ab. Vielleicht kann Portman gar nicht anders, aber viele Darsteller spielen letztlich nur sich selbst. Das ganze Gelaber zur Oskar Verleihung, egal ob dafür oder dagegen, geht mir ansonsten echt auf den Geist und hat für mich nichts in einer Filmkritik zu suchen..

Der Hauptfehler deiner Kritik (und nicht nur deiner) liegt in dem ständigen Vergleich zu anderen Filmen oder Regisseuren, die Aronofsky angeblich bis zum Plagiat zu erreichen versuchte. Abgesehen, dass ich solche Behauptungen in Filmkritiken grundsätzlich für unseriös halte, wirfst du nur mit Filmtiteln um dich, die wahrscheinlich dein reiches Filmwissen demonstrieren sollen, ohne dir die Mühe zu geben, die angeblichen Parallelen aufzuzeigen. Selbst wenn du hundertprozentig recht hättest, halte ich so einen Stil nur für besserwisserisch, weil du dir gar nicht erst die Mühe machst, für Leser zu schreiben, die die zitierten Filme oder Regisseure weniger kennen als du.

Ich habe in "Black Swan" weder Polanski noch Cronenberg erkannt, sondern nur Aronofsky in Reinkultur. Ich habe auch meine Probleme mit ihm, mochte "The Fountain" überhaupt nicht, und empfinde seine Filme auch als sehr konstruierte Gebilde, denen es selten gelingt, emotionale Tiefen auszuleuchten. Cronenberg und Polanski haben damit sicherlich keine Probleme, aber deshalb eifert Aronofsky ihnen nicht nach, sondern versucht seinen eigenen Weg. Aus Gesprächen mit Regisseuren weiß ich, dass man als Kritiker oft Aspekte nicht betrachtet, die ihnen wichtig waren. Deshalb sollte auch eine negative Haltung wie die deine, stärker aus subjektiver Sicht geschrieben sein und nicht so generell - als ob nur du recht hättest und Aronofsky natürlich voll durchschaust.

Aber - und damit komme ich auf meinen Anfangskritikpunkt zurück - gibt es hier auch noch Tschaikowskys Musik und Ballett, die zu einem furiosen Ende beitragen, dass meinen Eindruck von dem Film deutlich verbessert hat. In deinem Text kommt das Wort "Ballett" nur im letzten Satz einmal vor, dazu noch mit dem irrigen Zusatz leichtfüssig - wer hat dir denn eingeflüstert, dass Aronofsky hier ein leichtfüssiges Ballett fabrizieren wollte, was ihm dann nicht gelungen sein soll? - aber wirklich interessiert hat dich der Inhalt des Films offensichtlich nicht, sondern nur die Freude an deinem eigenen Text, mit dem du mal so richtig schön drauf hauen konntest. Verstehen kann ich solch Ansinnen ja, aber gut wird der Text dadurch nicht.

Hitmanski

Um gleich zu Beginn dem gegen Ende geäußerten Vorwurf zu begegnen: Es ist nie in meinem Sinne, in meinen Texten nur eine Sicht zuzulassen, Film und Filmkritik lebt ja schlussendlich von der daraus entstehenden Diskussion. Gleichwohl hielt und halte ich es  - vorallem in einem Forum wie diesem, in dem ja doch einige selbst schreiben - für einen allgemeinen Konsens, dass man in Reviews immer nur eine - hoffentlich gut begründete - subjektive Sichtweise des Autors auf den Film vorfindet. Ich persönlich komme mit einem Stil, der etwas objektivierend wirkt, besser zurecht, als mit einer offensichtlich subjektiven Schreibweise - aber es bleibt natürlich immer nur meine Meinung, klar.

Zum inhaltlichen:

Ich habe den Begriff ,,Ballett" beziehungsweise eine Betrachtung, die auf diesen Punkt abzielt, absichtlich unterlassen, weil es für mich trotz des filmischen Überbaus nicht relevant scheint. Meines Erachtens geht es um die Behandlung von Wirklichkeitsverlust, vermeintliche Selbstverwirklichung und -befreiung; eben den bereits angesprochenen Auseinanderfall von Wille, Unterbewusstsein und Körper - letztendlich alles sehr universelle Themen, für deren Behandlung natürlich das Korsett eines ,,Sportfilms" (ich weiß, Ballett ist kein Sport qua definition) durchaus praktisch erscheint, weil einer Mehrzahl des Publikums die Variablen wie Ehrgeiz, Opferbereitschaft und Co so leichter nachvollziehbar erscheint.

Deshalb halte ich auch den Verweis auf Tschaikowsky für nicht falsch, aber letztendlich zu sehr auf das offensichtliche Thema versteift. Ich bin kein großer Ballett-Kenner, möchte meine Ausführungen und Eindrücke deshalb auch nicht über Maß objektiviert wissen, aber für mich geht Aronofksy doch gerade einen anderen Weg, als ,,Schwanensee" - in seinem Film steht eindeutig die psychische Metamorphose im Vordergrund, das Innenleben seiner Protagonistin; ihre Beziehung zu den anderen Figuren wird weitestgehend ausgeblendet, oder nur mit ihr im Kontext verständlich. Insofern finde ich BLACK SWAN viel zentrierter, die Gewichtung ist vollkommen anders, als das ich die Korrespondenz zwischen Stück und Film, die es zweifellos an manchen Stellen gibt, für wirklich ausschlaggebend erachte.
Deshalb sehe ich auch die Flucht in die einfache Symbolik aus Schwarz und Weiß für missglückt; wer sich bewusst von einer Märchenerzählung wegbewegt, und ein Psychogramm anstrebt, der muss auch die entsprechenden Tiefen besser ausloten, als es hier geschehen ist.

Soviel ,,Gelaber" zur Oscarverleihung war in dem Text ja nun nicht enthalten; die eine Spitze gegen Portman spiegelt einfach meinen Eindruck wider, weil ich ihre Art der Darstellung für sehr symptomatisch erachte: Die Verbissenheit, dieses Streben nach Perfektion macht sie stets damit deutlich, dass sie bedeutsam in die Leere starrt; eine Art der Darstellung, die in den letzten Jahren vermehrt prämiert worden ist, und deshalb hoch im Kurs zu stehen scheint. Insofern sehe ich darin auch eine gewisse Mutlosigkeit, die sich durchaus auf die Qualität des Films als solches auswirkt.
Ich habe zugegebenermaßen auch ein Problem damit, wenn man ihre Hungerkur als großes Schauspiel wertet, wie es nicht wenige Reviews allerorts machen. Das ist für mich Schauspielhandwerk, aber keine Schauspielkunst.

Den Vergleich mit den anderen Filmen habe ich bewusst kurz gehalten, zum einen, weil der Text in seiner jetzigen Form nunmal nur privates Kurzreview und kein Auftragstext ist, der auf allumfassender Ausleuchtung abzielt, zum anderen, weil ich deine Position im Grundsätzlichen sogar teile. Soweit ich mich erinnern kann, ist es der erste Text von mir, in de ich einen direkten Vergleich bemühe, und das auch nur deshalb, weil ich ihn so offensichtlich finde:

REPULSION und BLACK SWAN sind nicht nur in manchen Szenen innerhalb der Wohnung ähnlich aufgebaut (Arme aus der Wand weichen sich bewegenden Bildern), sondern auch die Symbolik der Wohnung ist eine ähnliche ; steht sie in beiden Fällen doch für den zunehmenden Wegfall von Bezugs- und Rückzugspunkten. Zu Beginn sind die Wahnvorstellungen äußerst dosiert und fast nur außerhalb, mit zunehmender Metamorphose leidet auch die Beziehung zur Mutter und schlussendlich verfällt sie dem Wahn soweit, dass er nicht mehr nur - wie anfänglich - in den Ballett-Sequenzen oder dem dortigen Umfeld, sondern auch in den eigenen vier Wänden auftaucht. Ich finde, man kann den REPULSION-Vergleich auch in diesem Punkt ziehen, wenn man sich nicht an den einzelnen Variablen aufhängt.
Dass ist der Grund, warum ich explizit SPIDER im Text erwähnt habe: Natürlich gibt es die "klassischen" Body-Horror-Anleihen, das Spiel mit der Verwandlung des Menschen; aber das ist garnicht so sehr, worauf ich hinaus wollte: SPIDER ist kein Body-Horror, sondern spielt ganz ähnlich mit der Vermischung von Realität und schizophrenen Vorstellungen, bricht diese wieder, und er stellt eben auch die Frage, die BLACK SWAN stellt: Hat die Umwelt einen solch starken Einfluss auf die eigene Psyche, dass wir uns unterbewusst dazu veranlasst sehen, diesen Strömungen nachgeben zu müssen; ist das Handeln (oder hier eben die eingebildete Metamorphose) wirklich die Selbstverwirklichung, oder doch nicht vielmehr die Selbstaufgabe (schließlich ist ihr einziger Wunsch doch nur, es allen Recht zu machen, der Mutter, dem Lehrer, der Vorgängerin, der Konkurrentin) - ich finde, die ganze Entwicklung ist trotz der scheinbaren Befreiung in der Mitte doch eher devoter Art, und führt in beiden Fällen zur Selbstzerstörung. 
Deshalb fehlt mir auch diese innere Zerrissenheit; der Film liefert ja durchaus Ansätze dafür, dass der Portman-Figur diese zunehmende Verwandlung unheimlich und ungewollt erscheint, obwohl sie von ihr offensichtlich profitiert - auch hier wieder die Konkurrenz zwischen Wille und Unterbewusstsein; womit wir wieder bei Cronenberg wären.
Natürlich kann man darüber streiten, ob sich diese Parallelen, die ich aufzuzeigen versucht habe, auch demjenigen erschließen werden, der weder Polanski, noch Cronenberg kennt; aber das halte ich in dem kleinen Rahmen, den der Vergleich einnimmt, für verschmerzbar, zumal ich durchaus versucht habe, die inhaltliche Nähe zwischen SPIDER und BLACK SWAN zu umreißen.
Die Frage, was Aronofksy wollte, und was er letztendlich erschaffen hat, ist eine Frage, bei deren Gewichtung ich dazu tendiere, das Endergebnis über das Ansinnen zu stellen. Und damit schließt sich der Kreis wieder: Die Bewertung von beiden nehme ich natürlich anhand meiner eigenen Maßstäbe vor.

Mr. Vincent Vega

Zitat von: Hitmanski am 24 Januar 2011, 12:25:48Bis vorhin dachte ich doch tatsächlich, "Neoprätentionismus" würde auf mein Konto gehen, bis eine Google-Recherche offenbarte, dass der Begriff schon irgendwo bei From Beyond auftaucht  :wallbash:

Das ist bei uns schon seit Jahren eine gängige Begrifflichkeit, nachdem "prätentiös" zeitweise sogar zu einer Wortsperrung hier im Forum führte.

Daran merkt man wohl, dass man alt wird - die nächste Generation der Prätentionsphobiker steht schon in den Startlöchern.

Du machst dich also gut. :icon_mrgreen:

Crumby Crumb & the Cunty Bunch

24 Januar 2011, 16:42:04 #17 Letzte Bearbeitung: 24 Januar 2011, 16:44:13 von LeCrumb
Zitat von: Mr. Vincent Vega am 24 Januar 2011, 16:30:49
Daran merkt man wohl, dass man alt wird - die nächste Generation der Prätentionsphobiker steht schon in den Startlöchern.

Genau; im Business sind 25 Jahre ja wie 75.

Irgendwo fehlt mir hier noch die lockere Randbemerkung, daß Udo schon seit über 30 Jahren den Schwanensee tanzen kann. :icon_lol:
'Are you talkin' to me? You talkin' to me?' - Raging Bull, Pacino. Love that movie!

Hitmanski

Ich fühle mich gerade wieder unheimlich jung; was es hier schon alles gab, noch bevor ich von der Existenz dieses Forums überhaupt erfahren habe  :king:

Dabei ist "prätentiös" ein so essentielles Wort, welches viele Filme kurz und prägnant beschreibt :)

Aber egal, ich genieße diese sachliche Ruhe hier, viel schöner als in einem gewissen anderen Filmforum im Moment :anime:

Bretzelburger

Noch mal kurz zu deiner Kritik und den neuen Erläuterungen - ich habe grundsätzlich nichts gegen plakatives Draufhauen, aber bei den Aronofsky-Reszensionen sehe ich aktuell zwei Hauptlinien, die mir beide nicht gefallen - die "Über-den-Klee-Lober" und ständig vom Oskar-Quatscher und die Aronofsky-Basher und ständig vom Oscar-Quatscher (du hast dich in dem Punkt zugegeben zurück gehalten, aber ich finde jedes Wort zu viel für die Thematik). Beide Richtungen sind sich vielfach ähnlich - keine Argumentationen, sondern nur Schlagworte, keine wirkliche Auseinandersetzung mit der Thematik. Im Grunde ist es schon okay, was du schreibst, aber mir war das zu nah an eine der beiden Grundlinien, außerdem fand ich deine Ausführungen hier deutlich erhellender.

Hedning

http://www.ofdb.de/review/63,447057,Halloween---Die-Nacht-des-Grauens

Die magere Wertung macht sich an der vermeintlich durch den Film vermittelten Sexualmoral fest, aber kann man daraus, dass ein Mörder junge Leute umbringt, die gerade Geschlechtsverkehr hatten, wirklich schließen, dass der Film letzteres verteufelt? Hier wird m. E. zu leichtfertig gefolgert, auch wenn sich das bei den "Slasher"-Filmen im allgemeinen inzwischen so ziemlich unhinterfragt eingebürgert hat. Zudem möchte man infolge des Hinweises auf die versatzstückartig übernommenen "Vorbilder" auch wissen, an welche Filme dabei gedacht wird (so zusammengeklaut, wie es hier den Anschein bekommt, ist "Halloween" m. E. nicht), das gäbe sicher Aufschluss über den dahinterstehenden Gedankengang. 

Zudem finde ich folgende Formulierung merkwürdig:
Zitatdie doch nie mehr war, als der bloße Ausgangspunkt eines einzig seinem bodycount verschriebenen späteren Franchise

Gerade ein Ausgangspunkt einer Filmreihe muss doch gewisse Stärken und Einprägsamkeiten haben, sonst hätte es das "Franchise" nicht gegeben. Und "Halloween" kann man sicher nicht vorwerfen, sich im Bodycount zu erschöpfen.

Hitmanski

So mager, wie es auf den ersten Blick vielleicht aussieht, finde ich die fünf Punkte eigentlich gar nicht, sondern in diesem Fall drückt das Punkte-Schema, mit welchem ich sonst eher wenig anzufangen weiß, tatsächlich recht genau meine Stimmungslage nach dem Film aus: Carpenter gebührt Lob für die Finessen seiner effizient-effektiven und manchmal tatsächlich sogar intensiven Inszenierung (die ich angesichts der vielen anderen Reviews, die sich mit diesen Punkten auseinandersetzen, nur kurz angerissen habe), und doch bleibt ein fader Beigeschmack angesichts der inhaltlichen Komponente: Es ist ja nicht nur die Tatsache, dass Myers stets diejenigen killt, die ihre jugendliche Freiheit auf Kosten ihrer vermeintlichen Pflichten ausleben - sei es nun durch Sex, das Rauchen eines Joints oder ähnlich profaner Dinge - sondern eben auch darum, dass er diesem Schema die "Standhafte" als Identifikationsabgebot und Erfolgsaussicht gegenüberstellt. Letzlich schwächt der Film dann sogar der starken Position des Final Girls, in dem er sie nicht an der vermeintlichen Unsterblichkeit des Killers, sondern an sich selbst scheitern lässt; (vorläufig) gebannt wird die Gefahr der Situation erst durch das Einschreiten des männlichen Doktors, der ihr zur Hilfe eilen muss.

Als großen Einfluss auf Carpenter und seinen Film würde ich definitv die Genreurgesteine PEEPING TOM und PSYCHO zählen, von denen HALLOWEEN zum einen das voyeuristische Verlangen seines Täters übernimmt, sowie die strukturellen Parallelen zwischen dem Ausleben von unterdrückter/unmöglicher Sexualität durch Gewalt beim Archetyp Bates und eben Myers hier. Keine unmittelbar inhaltlichen, sondern eher global-strukturelle Auswirkungen würde ich hinsichtlich TEXAS CHAINSAW und Cravens LAST HOUSE vermuten, die beide einem überwiegend jugendlichen Mikrokosmos einer plötzlich hereinbrechenden Gefahr aussetzen - ähnliches macht HALLOWEEN mit dem Einfall von Myers in die beschauliche suburb ja auch.
Dass alles ändert freilich nichts an der Leistung Carpenters, diese Versatzstücke zu einem neuen Ganzen zu formen, aber den Anspruch der erste Slashers überhaupt, den ihm manche andichten, zu sein, verdient er mMn nicht, und den inhaltlichen Tenor halte ich für irgendwas zwischen ärgerlich und bedenklich.

PierrotLeFou

9 März 2011, 05:43:56 #22 Letzte Bearbeitung: 9 März 2011, 06:11:38 von PierrotLeFou
Zitat von: Hitmanski am  9 März 2011, 01:33:28
So mager, wie es auf den ersten Blick vielleicht aussieht, finde ich die fünf Punkte eigentlich gar nicht, sondern in diesem Fall drückt das Punkte-Schema, mit welchem ich sonst eher wenig anzufangen weiß, tatsächlich recht genau meine Stimmungslage nach dem Film aus: Carpenter gebührt Lob für die Finessen seiner effizient-effektiven und manchmal tatsächlich sogar intensiven Inszenierung (die ich angesichts der vielen anderen Reviews, die sich mit diesen Punkten auseinandersetzen, nur kurz angerissen habe), und doch bleibt ein fader Beigeschmack angesichts der inhaltlichen Komponente: Es ist ja nicht nur die Tatsache, dass Myers stets diejenigen killt, die ihre jugendliche Freiheit auf Kosten ihrer vermeintlichen Pflichten ausleben - sei es nun durch Sex, das Rauchen eines Joints oder ähnlich profaner Dinge - sondern eben auch darum, dass er diesem Schema die "Standhafte" als Identifikationsabgebot und Erfolgsaussicht gegenüberstellt. Letzlich schwächt der Film dann sogar der starken Position des Final Girls, in dem er sie nicht an der vermeintlichen Unsterblichkeit des Killers, sondern an sich selbst scheitern lässt; (vorläufig) gebannt wird die Gefahr der Situation erst durch das Einschreiten des männlichen Doktors, der ihr zur Hilfe eilen muss.

Als großen Einfluss auf Carpenter und seinen Film würde ich definitv die Genreurgesteine PEEPING TOM und PSYCHO zählen, von denen HALLOWEEN zum einen das voyeuristische Verlangen seines Täters übernimmt, sowie die strukturellen Parallelen zwischen dem Ausleben von unterdrückter/unmöglicher Sexualität durch Gewalt beim Archetyp Bates und eben Myers hier. Keine unmittelbar inhaltlichen, sondern eher global-strukturelle Auswirkungen würde ich hinsichtlich TEXAS CHAINSAW und Cravens LAST HOUSE vermuten, die beide einem überwiegend jugendlichen Mikrokosmos einer plötzlich hereinbrechenden Gefahr aussetzen - ähnliches macht HALLOWEEN mit dem Einfall von Myers in die beschauliche suburb ja auch.
Dass alles ändert freilich nichts an der Leistung Carpenters, diese Versatzstücke zu einem neuen Ganzen zu formen, aber den Anspruch der erste Slashers überhaupt, den ihm manche andichten, zu sein, verdient er mMn nicht, und den inhaltlichen Tenor halte ich für irgendwas zwischen ärgerlich und bedenklich.

Ich persönlich tendiere auch eher in Hednings Richtung.

Was auch immer die Intentionen hinter einem Slasherfilm (in diesem Falle: Halloween) gewesen sein mögen: was wiegen die denn letztlich, wenn man eine andere Rezeptionshaltung einnehmen kann?
Bei "Halloween" erscheint es mir offensichtlich, dass hier die Opfer durchaus Identifikationspotential haben (sie tun "verbotene" Dinge, wie man es als älterer jugendlicher Zuschauer ebenfalls tut)... Jamie Lee Curtis birgt da in meinen Augen (trotz ihrer Hauptrolle) nicht mehr Identifikationspotential in sich als die anderen, eher weniger: als zurückhaltende, etwas biederere Figur ist sie eher jemand, dem man es am allerwenigsten zutraut, im Kampf gegen einen Irren über sich hinaus zu wachsen (auch wenn sie da Hilfe von einem vorgewarnten und bewaffneten Pleasence erhält: sie schlägt sich wackerer als ihre Freunde...)
Kurz: eine Gruppe, mit der man sich als Teenager identifizieren kann, ist in Gefahr und die unscheinbarste übersteht es dann - das steht doch der Zielgruppe näher als ein Stoff um einen maskentragenden Irren, der vor allem eine wohlerzogene, biedere Elterngeneration um die Ecke bringt...

(Das wird natürlich problematisch bei Slashern, deren Täter gemeinhin die Gunst eines Publikums genießen...)


edit: noch was ganz anderes: wirklich tolle Reviews... besonders gefallen hatte mir das "Batmans Rückkehr"-Review... :D
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

Hitmanski

Zitatedit: noch was ganz anderes: wirklich tolle Reviews... besonders gefallen hatte mir das "Batmans Rückkehr"-Review... icon_biggrin

Dafür erst einmal Dankeschön, freut mich zu hören!  :icon_razz:


ZitatBei "Halloween" erscheint es mir offensichtlich, dass hier die Opfer durchaus Identifikationspotential haben (sie tun "verbotene" Dinge, wie man es als älterer jugendlicher Zuschauer ebenfalls tut)... Jamie Lee Curtis birgt da in meinen Augen (trotz ihrer Hauptrolle) nicht mehr Identifikationspotential in sich als die anderen, eher weniger: als zurückhaltende, etwas biederere Figur ist sie eher jemand, dem man es am allerwenigsten zutraut, im Kampf gegen einen Irren über sich hinaus zu wachsen (auch wenn sie da Hilfe von einem vorgewarnten und bewaffneten Pleasence erhält: sie schlägt sich wackerer als ihre Freunde...)

Ein besonderes Identifikationspotential bietet sicherlich keine der Figuren, dazu sind sie allesamt zu kurz und grob umrissen, das stimmt wohl (Desinteresse, dass man dem Film sicher auch vorwerfen könnte...). Letzlicht braucht ein Film dieser Art aber eine Figur, auf die sich die Hoffnungen auf Überleben der Zuschauer vereinbaren lassen, um überhaupt einen emotionalen Bezug zum Geschehen herzustellen - und als solche ist Curtis schon alleine aufgrund der längsten Leinwandzeit, sowie eben der von dir benannten, klassischen Heldengeschichte ("Erst unsicher, wächst im angesicht der Gefahr dann aber über sich selbst hinaus") im Hintergrund, die erste und einzige Wahl.

Zitat
Was auch immer die Intentionen hinter einem Slasherfilm (in diesem Falle: Halloween) gewesen sein mögen: was wiegen die denn letztlich, wenn man eine andere Rezeptionshaltung einnehmen kann?

Dass man eine andere Haltung, bzw. Lesart dazu einnehmen kann, streite ich nicht ab, ebenso gibt es natürlich eine Berechtigung für die Frage danach, ob man einen Slasher überhaupt derartig politisieren sollte. Und doch stellt sich selbst unter diesen Vorraussetzungen die Frage, ob man HALLOWEEN bezüglich seines Tenors, den man anderes gewichten, aber sicher nie vollständig wegdiskutieren kann, zumindest eine grobe Fahrlässigkeit, wenn nicht sogar eben doch Vorsatz unterstellen möchte: Es erscheint mir nahezu unmöglich, dass Carpenter die offensichtlichste aller Lesarten (mit der ihn ja auch bereits damals die zeitgenössische Kritik konfrontiert hat) einfach nicht wahrhaben möchte, und sich gewissermaßen auf die entpolitisierte Naivität eines PSYCHO beruft, die es aber gerade im Horror/Thrillersegment doch spätestens seit den Debüts von Craven und Hooper nicht mehr gegeben hat.
Für mich bleibt da ein fader Beigeschmack, den auch diverse andere Interpretationsansätze nicht vollständig ausräumen konnten...

Vince

Ich muss mich dem ekelhaften Lobgehudel anschließen.  ;) Ich komme nicht mehr dazu, so viele Filmkritiken zu lesen, wie mir das lieb wäre, entsprechend entdecke ich auch nur wenig neue viel versprechende Autoren, aber die paar Sachen, die ich mal kurz überflogen habe, regen definitiv dazu an, deine Lektüre mal etwas zu intensivieren. Zwar muss ich mich Bretzels Kritik in Sachen "Black Swan" in Teilen anschließen, würde sie aber nicht so harsch ausdrücken.

Hitmanski


Adam Kesher

Entschiedener Einspruch zur Halloween-Diskussion: Das Besondere an ,,Halloween" ist doch gerade, dass nicht klar wird, ob den Jugendlichen ihre Freizügigkeit zum Verhängnis wird oder – ganz im Gegenteil – das gesellschaftliche Verbot, sich ungestört in ihrer natürlichen Umgebung ausleben zu dürfen. Wann immer sie intim werden wollen, müssen sie nämlich vor Spießeraugen flüchten und sich in obskure Nischen zurückziehen. Erst dort lauert die Gefahr. Insofern liefert der Film Argumente für zwei entgegen gesetzte Interpretationslinien: Die puritanische Linie wird die Ausschweifungen der Jugendlichen als Wurzel des Übels ausmachen. Die liberale Linie wird gesellschaftliche Liebesverbote verantwortlich machen. Mit diesem genialen Trick wird der Film nicht nur sehr vielfältig, weil er widersprüchliche Sichtweisen provoziert und auch argumentativ ausstattet, statt das Publikum auf eine einzige, richtige Sichtweise einzuschwören. Er verdient sich vor allen Dingen auch den Status eines Klassikers, weil er ein Klischee zugleich bedient und bricht, und zwar noch bevor es sich als Klischee etablieren konnte. Damit ist der Film den schematischen Nachfolgern, die erst noch kommen sollten, schon weit voraus – finde ich zumindest.

Hitmanski

Die Möglichkeit der zwei Interpretationsansätze ist sicherlich nicht vollständig zu leugnen, weshalb ich es auch überhaupt nicht tun werde. Ich halte die Gegenmeinung durchaus für vertretbar (Oh Gott, jetzt spricht der Jurist aus mir :doof:), aber mich konnte sie trotzdem nie so wirklich überzeugen: Selbst wenn man die beiden Theorien akzeptiert, so ist die puritanisch/reaktionäre Lesart doch diejenige, die als offensichtlicher durch den Film vorgegeben erscheint, und den Zuschauer eben doch "einschwört", denn das Schema lässt sich ja durchaus auf die Grundzüge "Sex = Tod" und "Jungfrau = Überlebende" herunterbrechen, während man zur Widerlegung stets eine gewisse intellektuelle Ebene (eben die Konstruktion a la "fehlender Rückzugsraum") hinzufügen muss, damit sie Bestand hat - und damit ist man letztlich im Reich der Spekulation, der Film liefert mir da zu wenige Anhaltspunkte, als dass ich diese Art von Subtext für zwingend erachten würde (wohlwissentlich, dass eine gewisse Sepkulation und Interpretation nicht zwangsläufig etwas Schlechtes sein muss, ich mach das bei anderen Filmen ja auch von Zeit zu Zeit).

ZitatEr verdient sich vor allen Dingen auch den Status eines Klassikers
Diesen Status würde ich ihm sowieso nicht absprechen wollen, auch wenn meine Wertung sich vielleicht nicht damit vertragen mag, denn natürlich kann man ihm seinen Einfluss und die Prägung des Subgenres- im Positiven, wie im Negativen - nicht absprechen.

MMeXX

Herzlichen Glückwunsch zum Ehrentag!

Hitmanski

Dankeschön, Dankeschön  :king:

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