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Autoren-Thread: McKenzie

Begonnen von McKenzie, 17 Februar 2007, 17:27:29

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McKenzie

Zitat von: COPFKILLER am 14 Juni 2008, 23:06:38
Leider muss ich gleich zur Arbeit und hab noch Dinge nebenbei zu erledigen, sonst würde ich sofort antworten. Kommt aber, spätestens wenn ich morgen ausgeschlafen habe.

Macht nichts, ich bin eigentlich auch noch viel zu durcheinander nach einer alkoholschwangeren Party gestern (auf der ein Freund stundenlang versuchte, mich davon zu überzeugen dass Peter Greenaway [den ich nicht ausstehen kann] ein Genie ist :icon_mad:).  :icon_mrgreen:

ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

Travis

15 Juni 2008, 02:55:47 #661 Letzte Bearbeitung: 15 Juni 2008, 02:59:18 von Travis
Zitat von: McKenzie am 14 Juni 2008, 23:03:35
oder De Palmas "Scarface", einer der meistüberschätzten amerikanischen Filme ever.
Aha, hast du den mittlerweile gesehen?  :icon_confused: Achso, nein, ist ja gar nicht nötig, ist ja De Palma, da weiß man ja sowieso schon vorher, dass es gar nichts werden kann...  :icon_lol:  :respekt:  ;)

(Hihi, auf den Fortgang eures Greenaway-Duells bin ich ja sehr gespannt, wird bestimmt sehr unterhaltsam...  :icon_twisted:  :icon_mrgreen:)

Mr. Vincent Vega

Zitat von: McKenzie am 14 Juni 2008, 23:12:19
Macht nichts, ich bin eigentlich auch noch viel zu durcheinander nach einer alkoholschwangeren Party gestern (auf der ein Freund stundenlang versuchte, mich davon zu überzeugen dass Peter Greenaway [den ich nicht ausstehen kann] ein Genie ist :icon_mad:).  :icon_mrgreen:

Sei dir weiterhin gewiss - er ist es nicht.

McKenzie

15 Juni 2008, 05:32:48 #663 Letzte Bearbeitung: 15 Juni 2008, 05:42:28 von McKenzie
Zitat von: Travis am 15 Juni 2008, 02:55:47
Aha, hast du den mittlerweile gesehen?  :icon_confused: Achso, nein, ist ja gar nicht nötig, ist ja De Palma, da weiß man ja sowieso schon vorher, dass es gar nichts werden kann...  :icon_lol:  :respekt:  ;)

Ich bin mir 1027 %ig sicher, dass er genau der Film sein wird, den ich mir erwarte (wie mich eigentlich noch keiner der berühmten Gangsterfilm-Klassiker überrascht hat, die überraschenden [wie eben z. B. "Branded to Kill" oder "Ein Mann auf den Knien") sind meistens genau deswegen nicht besonders bekannt / beliebt). Wir können gerne eine Wette mit riskantem Einsatz abschließen - ob mich der Film überraschen wird (und das bekommst du dann schon mit, du kennst ja meine Hemmungslosigkeit) oder ob sich das bekannte De Palma-Seufzen einstellt (ich hätte mir vorhin beinahe "Carlito's Way" angesehen - habe mich aber glücklicherweise für etwas besseres entschieden). Der Mann läuft stets brav in der Spur - bisher hat mir jeder Film von ihm GENAU das Erlebnis gebracht, welches ich erwartet habe - außer vielleicht "Obsession", den ich sogar richtig gut fand  :eek:, das war schon eine Überraschung.  :icon_twisted: Nein, im Ernst: Ich habe zwischenzeitlich schon allerhand zu De Palma gelesen (besonders zu "Scarface" den ja praktisch JEDER vergöttert), auch seit ich mit euch beiden, bzw. euch drei ( :icon_lol:) einige glühende Verehrer kennengelernt habe (es ist mit mir wie mit Leone und den Frauen: Ich würde es so gerne, gerne verstehen) und alles, aber auch wirklich ALLES was ich zu "Scarface", ob nun negativ oder positiv, gelesen habe, klingt nach genau dem, was ich mir erwartet habe, von Anfang an. Vielleicht wäre es richtiger gewesen, anzumerken dass De Palma einer der meistüberschätzten amerikanischen Regisseure ist aber ich wollte etwas konkreter lästern  :icon_redface: und dafür boten sich die meisten der mir bekannten Filme von ihm nicht an. 1:0 für dich.
Aber immerhin: Er ("Scarface") ist in CinemaScope, hat Al Pacino und ist somit markig. Das sollte einen gewissen Unterhaltungswert garantieren, ganz abgesehen von dem immensen Prätentionspotential welches 3stündige Filme und Drehbücher von Leuten wie Oliver Stone meistens besitzen.  :icon_razz: Und dann wartet ja auch noch, Hand aufs Herz, die Francis Ford Coppola-Prätention "Rumble Fish" auf uns, tieftragisch und in schwarzweiß.  :icon_eek:

Aber im Grunde hast du recht: Ich finde es prinzipiell unanständig und größenwahnsinnig, das überhaupt irgend etwas von De Palma im Kanon ist und als filmhistorisch signifikant gilt. Das dürfte eigentlich nicht sein. Bei Tarantino übrigens genauso. Ich dachte, mich trifft der Schlag, als ich "Pulp Fiction" im Reclam's Filmlexikon entdeckt habe.

Zitat von: Mr. Vincent Vega am 15 Juni 2008, 02:56:33
Sei dir weiterhin gewiss - er ist es nicht.

Davon bringt er mich auch nicht ab. Greenaway ist einfach nur zum  :kotz: und da ich bisher nur einige seiner bekanntesten Filme kenne und es mir bereits da die Magenwände nach außen gestülpt hat, möchte ich gar nicht wissen, was er sonst noch fabriziert hat, dieser arrogante, eitle britische Schnösel.

Zitat von: Travis am 15 Juni 2008, 02:55:47
(Hihi, auf den Fortgang eures Greenaway-Duells bin ich ja sehr gespannt, wird bestimmt sehr unterhaltsam...  :icon_twisted:  :icon_mrgreen:)

Oh, ich kann nicht mehr. Wenn mir Alex noch in sturzbetrunkenem, torkelnden Zustand erzählen kann, das Antonioni nur der Prophet für den Gott Greenaway gewesen sei, dann ergibt jegliche Diskussion keinen Sinn, so tief sitzt die Prätention schon. Ich würde im Suff wohl schon vergessen können, wer meine Lieblingsregisseure sind, soweit bin ich noch nicht.  :icon_lol: (Glücklicherweise habe ich diesen fatalen Punkt gestern nicht erreicht).
ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

eltopo

Ich warte immer noch auf einen Feedback von dir, schon vergessen?  :icon_rolleyes:

Happy Harry mit dem Harten

15 Juni 2008, 20:15:54 #665 Letzte Bearbeitung: 15 Juni 2008, 20:17:59 von COPFKILLER
Was ich aus deiner Argumentation gegen PULP FICTION lese, ist für mich eine verständliche, hier aber unangebrachte Gegenreaktion auf den Hype um den Film.

Wir - die jüngeren Filmfans - kennen PULP FICTION eben nur als DEN Über-Kultfilm, schlechthin. Diese Übertreibungen von unerfahrenen Konsumenten - jene die GRINDHOUSE abfeiern, ohne jemals Gefallen zu finden an einem "echten" Exploiter alter Schule - gehen auch mir gehörig gegen den Strich aber diese Reaktionen kann man nicht auf Tarantino selbst abwälzen. Sein zweiter Film ist ganz anders als noch RESERVOIR DOGS und JACKIE BROWN ist doch schon fast als Gegenentwurf zu PULP FICTION zu betrachten. Tarantino selbst schert sich einen Dreck um die landläufige Meinung seiner Oberflächen-Fans, die er nicht erst mit DEATH PROOF sondern auch schon mit JACKIE BROWN und KILL BILL VOL. 2 vor den Kopf gestoßen hat.

Außerdem muss man einfach mal zurück denken. RESERVOIR DOGS war zwar ein Erfolg, aber nicht mehr als ein Startschuss. Tarantino selbst war noch längst nicht richtig etabliert, schon gar nicht beim Mainstream-Publikum. Die Erwartung war also dementsprechend nicht mal ansatzweise gleichzusetzen mit der, unter der JACKIE BROWN zu leiden hatte. Seinen Status bekam PULP FICTION auch nicht über Nacht, der hat sich einfach als Selbstläufer entwickelt. So wie bei einem echten Kultfilm eben üblich.

Zu Roger Avary: Kann ich natürlich auch nicht richtig beurteilen Meines Wissens nach stammt die Idee zur Episode um die Uhr von Bruce Willis von ihm, was Tarantino sozusagen unterschlagen hat. Sicher eine unschöne Geschichte, die man aber mit Vorsicht genießen sollte. Tarantino hat jedenfalls deutlich bewiesen, das er Avary nicht braucht. Andersherum genauso, wie ich finde...

Zitat von: McKenzie am 14 Juni 2008, 23:03:35Und, ganz abgesehen davon, in "Death Proof" versucht Tarantino auch nicht mehr, sich selbst als "Genie" auszustellen, der Film ist geerdet und ehrlich, das fehlt seinen vorherigen Filmen m. E. - ganz so, als hätte er erst jetzt das Gefühl, sich zurücklehnen und Spaß haben zu können ohne dabei auf Erwartungen Rücksicht zu nehmen.

Wie oben schon erwähnt versucht sich Tarantino imo keineswegs als "Genie" darzustellen, im Gegenteil: Er verweigert sich vollends jeglichem "Tiefsinn" und suhlt sich im Trivialen, seinem Metier. Seine Dialoge sind plauderhaft und mit voller Absicht zynisch und oberflächlich. Tarantino macht das was er kann und dafür sollte man ihn nicht verurteilen. Man könnte auch leicht Antonioni unterstellen, sich selbst für ein Genie zu halten und diesen Umstand prahlerisch auszustellen, genauso wie Kubrick nicht selten Prätention vorgeworfen wird. Deine Kritikpunkte sind stichhaltig und nachvollziehbar, zeigen für mich aber eine Weigerung, dich an diesen "maßlos überschätzten" Film anzunähern. Würde PULP FICTION eher ein Schattendasein führen im Bewusstsein des Publikums - du würdest ihn bestimmt lieben...  ;)

Zitat von: McKenzie am 14 Juni 2008, 23:03:35
oder De Palmas "Scarface", einer der meistüberschätzten amerikanischen Filme ever.

Anders als bei CITIZEN KANE und EIN ANDALUSISCHER HUND schließe ich mich dieser Aussage an.

Happy Harry mit dem Harten

Zitat von: McKenzie am 15 Juni 2008, 05:32:48
Greenaway ist einfach nur zum  :kotz: und da ich bisher nur einige seiner bekanntesten Filme kenne und es mir bereits da die Magenwände nach außen gestülpt hat, möchte ich gar nicht wissen, was er sonst noch fabriziert hat, dieser arrogante, eitle britische Schnösel.

Warum hast du dann DER KONTRAKT DES ZEICHNERS mit sieben Punkten bewertet? Ist doch anständig...

Hab selbst noch keinen Film von ihm gesehen, kann also nichts dazu sagen. Von diesem habe ich aber schon mehrfach gutes gehört...

Travis

Zitat von: McKenzie am 15 Juni 2008, 05:32:48
Ich bin mir 1027 %ig sicher, dass er genau der Film sein wird, den ich mir erwarte (wie mich eigentlich noch keiner der berühmten Gangsterfilm-Klassiker überrascht hat, die überraschenden [wie eben z. B. "Branded to Kill" oder "Ein Mann auf den Knien") sind meistens genau deswegen nicht besonders bekannt / beliebt). Wir können gerne eine Wette mit riskantem Einsatz abschließen - ob mich der Film überraschen wird (und das bekommst du dann schon mit, du kennst ja meine Hemmungslosigkeit) oder ob sich das bekannte De Palma-Seufzen einstellt (ich hätte mir vorhin beinahe "Carlito's Way" angesehen - habe mich aber glücklicherweise für etwas besseres entschieden). Der Mann läuft stets brav in der Spur - bisher hat mir jeder Film von ihm GENAU das Erlebnis gebracht, welches ich erwartet habe - außer vielleicht "Obsession", den ich sogar richtig gut fand  :eek:, das war schon eine Überraschung.  :icon_twisted: Nein, im Ernst: Ich habe zwischenzeitlich schon allerhand zu De Palma gelesen (besonders zu "Scarface" den ja praktisch JEDER vergöttert), auch seit ich mit euch beiden, bzw. euch drei ( :icon_lol:) einige glühende Verehrer kennengelernt habe (es ist mit mir wie mit Leone und den Frauen: Ich würde es so gerne, gerne verstehen) und alles, aber auch wirklich ALLES was ich zu "Scarface", ob nun negativ oder positiv, gelesen habe, klingt nach genau dem, was ich mir erwartet habe, von Anfang an. Vielleicht wäre es richtiger gewesen, anzumerken dass De Palma einer der meistüberschätzten amerikanischen Regisseure ist aber ich wollte etwas konkreter lästern  :icon_redface: und dafür boten sich die meisten der mir bekannten Filme von ihm nicht an. 1:0 für dich.

Nein, überraschend ist "Scarface" insgesamt sicherlich nicht. Überraschung ist ja gut und schön, aber für mich keineswegs das Maß der Dinge. Und wenn man so will, ist "Scarface" natürlich pures Genrekino, aber mit einer Intensität, Leidenschaft, Dringlichkeit, Virtuosität und Moroder-geschwängerten Eighties-Feeling, das mir das mehr als nur völlig ausreicht. Ganz abgesehen davon: Argento, Antonioni oder Leone haben mich eigentlich auch nie wirklich ernsthaft überrascht. Trotzdem käme ich nie auf die Idee, ihnen das anzukreiden.

Zitat von: McKenzie am 15 Juni 2008, 05:32:48Aber immerhin: Er ("Scarface") ist in CinemaScope, hat Al Pacino und ist somit markig. Das sollte einen gewissen Unterhaltungswert garantieren, ganz abgesehen von dem immensen Prätentionspotential welches 3stündige Filme und Drehbücher von Leuten wie Oliver Stone meistens besitzen.
Na siehste, du bist schon auf dem richtigen Weg!  :LOL:

Zitat von: McKenzie am 15 Juni 2008, 05:32:48Aber im Grunde hast du recht: Ich finde es prinzipiell unanständig und größenwahnsinnig, das überhaupt irgend etwas von De Palma im Kanon ist und als filmhistorisch signifikant gilt. Das dürfte eigentlich nicht sein. Bei Tarantino übrigens genauso. Ich dachte, mich trifft der Schlag, als ich "Pulp Fiction" im Reclam's Filmlexikon entdeckt habe.

Hm, ich finde ja eigentlich, dass "Scarface" schon deshalb nicht wirklich in deine Auflistung passt, weil er nun wirklich keineswegs einen vergleichbaren Status wie "Psycho" oder "Citizen Kane" hat. Eher im Gegenteil: er mag zwar ein Kultobjekt vieler Jugendlicher und ein Favorit von so manchem Cineasten sein, aber es wäre mir neu, dass er darüber hinaus als filmischer Meilenstein oder wegweisendes Meisterwerk gehandelt würde, und auf Kritikerlisten oder in Filmkanones ist er mir eigentlich auch noch nie untergekommen. Und für De Palma allgemein gilt ähnliches, weshalb ich das eher aus komplett unterschiedlicher Perspektive sehe, ihn nämlich für stark unterschätzt halte. Hm, selbst bei der Sight & Sound-Umfrage geht De Palma abgesehen von "Carrie" komplett leer aus. Nein, von überschätzt kann, gerade im amerikanschen Raum, wirklich kaum die Rede sein (wobei ich das Wort 'überschätzt' sowieso tendenziell anmaßend-prätentiös finde  ;)). Und wie ich zufällig gerade festgestellt habe, hat Adam Kesher vorhin eine sehr treffende Kritik zum nicht sonderlich beliebten "Der Tod kommt zweimal" online gestellt, womöglich ist das gar der Auftakt zu einer kleinen De Palma-Reviewserie seinerseits, was ich natürlich sehr begrüßen würde. :D

Bretzelburger

Adam Kesher`s Review zu "Der Tod kommt zweimal" hat mich nicht überzeugt, weil diese in Kurzform nur so vor Attributen strotzt, ohne diese weiter auszuführen oder am Objekt zu begründen. Dabei finde ich seine Einschätzungen keineswegs falsch, aber ich hätte gerne mehr dazu gewusst. So ist mir der Gedanke "Ein formvollendeter Thriller nach italienischem Vorbild" neu, so dass ich ihn gerne im Detail begründet gelesen hätte.

Ich mag De Palma seit den 70er Jahren, aber für mich war er immer ein bisschen anrüchig und leicht schmuddelig, dazu sehr atmosphärisch und direkt in Dingen, bei denen Andere sich dezent zurückgehalten hätten (wie etwa in der Dracula-Szene zum Abspann von "Der Tod kommt zweimal"). In seine Filme zu gehen hatte für mich etwas vom heimlichen Comiclesen in den 60er Jahren, als diese in Deutschland noch als Untergang der Kultur galten. Durch diese persönlihen Erfahrungen geprägt, fällt es mir schwer, seine Filme objektiv zu betrachten.

McKenzie

16 Juni 2008, 13:11:35 #669 Letzte Bearbeitung: 16 Juni 2008, 13:14:59 von McKenzie
Zitat von: Bretzelburger am 16 Juni 2008, 12:24:40
So ist mir der Gedanke "Ein formvollendeter Thriller nach italienischem Vorbild" neu, so dass ich ihn gerne im Detail begründet gelesen hätte.

Kein Wunder, es würde mich überraschen, wenn du, trotz deines langen, erfahrungsreichen Lebens  :icon_mrgreen:, schon irgendwann einmal zu dem Subgenre des "Giallo" vorgestoßen wärest, diese Filme wären deine Kragenweite vermutlich nicht.

Ich liebe sie trotzdem und das gerade aufgrund ihrer archaischen, ehrlichen und zugleich auf sehr krude Art abgründigen Gangart und ihren Stilwillen, den 70ies-Camp, etc. - aufgemotzt für Hollywood-Verhältnisse von einem ewigen cineastischen Dieb ohne Feingespür für den wahren Moment (wer auch immer es schrieb, hatte recht: "Wo bei Hitchcock das Blut reichte, muss es bei De Palma die Wunde sein"), in diesem Gewand möchte ich sie nicht sehen. Aber eigentlich dürfte der ewige Hinweis auf "Blow out" (sowie auf "Mission: Impossible" und "Black Dahlia", diese sagenhaften Gurken) ausreichen, um De Palma jeglicher Integrität zu berauben. Ich weiß nicht, ob Antonioni "Blow out" gesehen hat - aber er hätte vermutlich mit einem schadenfrohen Grinsen auf diese dümmliche Komplett-Verfehlung reagiert. De Palma macht aus dem Vorbild genau das, was das Massen-Publikum sich von jenem erwartete, nicht bekam und was Antonioni bewusst vermieden hat - er geht also praktisch einer Intelligenz in die Falle, die seine eigene bei weitem übersteigt.  :icon_twisted:

Ansonsten vielleicht später noch mehr dazu...

@ Andi:

... denn irgendwie wittere ich hier gerade schon wieder lästige Anti-Künstlerautoritäts-Strömungen (Der Filmemacher ist Gott und unantastbar, wer immer sich dagegen wehrt, ist ein militanter Kino-Anarchist!  :icon_twisted:) und subversiv-plakatives Genrefan-Gedankengut, das muss schnellstens neutralisiert werden.

PS: Irgendwie scheint es unter Cineasten aber ohnehin einfach chic zu sein, Filmhistorische Zitate / Anspielungen / Versatzstück-Spielereien gut zu finden, das wird mir immer ein Rätsel bleiben. Aber irgendwoher muss er ja kommen, dieser beharrliche Fetisch für Godard, De Palma, Tarantino, Scorsese...
ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

Travis

Zitat von: Bretzelburger am 16 Juni 2008, 12:24:40
Adam Kesher`s Review zu "Der Tod kommt zweimal" hat mich nicht überzeugt, weil diese in Kurzform nur so vor Attributen strotzt, ohne diese weiter auszuführen oder am Objekt zu begründen.
Das ist immer ein bisschen das Manko von Kurzkritiken, dass man als Leser gelegentlich Lücken füllen und Vorwissen einbringen muss, aber wenn sie mit einer so präzisen Verdichtung und Prägnanz formuliert sind, wie das bei Kesher meistens der Fall ist, fühle ich dennoch meistens stärker bereichert und mit interessanten Ideen/Aspekten versorgt als von vielen längeren Texten, zumal sich bei mehrmaligem Lesen und eigenem Abgleich am Objekt dann doch das meiste klären lässt.


@McKenzie (um hier der allgemeinen Nachvollziehbarkeit halber beim Nickname zu bleiben :icon_smile:)

Jetzt auf einmal "Black Dahlia" als 'sagenhafte Gurke' zu bezeichnen, obwohl du von ihm nach eigenem Bekunden doch sogar positiv überrascht warst und 6 Punkte gabst, finde ich doch etwas seltsam (sicherlich ist der Film kein Glanzstück, aber 'Gurke' beginnt für mich bei 3 Punkten abwärts...). "Blow Out" habe ich leider zu lange nicht mehr gesehen und fand ihn damals auch nicht unbedingt herausragend, bin mir aber mittlerweile sicher, ihn stark unterschätzt zu haben, nicht zuletzt dank der verlässlichen Einschätzung zweier fachkundiger Bekannter, die große Anhänger des Films sind. Und vermutlich gewinnt er ohnehin zusätzlich, wenn man "Blow Up" kennt (ja, das meine ich ernst), was bei mir damals noch nicht der Fall war.
Wie auch immer, ganz allgemein jedenfalls für den Moment nur so viel: wenn man so will, ist doch längst jeder mehr oder weniger 'Dieb', ob bewusst oder unbewusst, gewollt oder ungewollt - niemand ist frei von Einflüssen, und es gibt vereinfacht gesagt nichts, was nicht schon erzählt worden wäre. De Palma bekennt sich ganz einfach von Anfang an dazu und geht viel offensiver damit um. Für mich ist das eine ganz logische und plausible Vorgehensweise: er bedient sich vorhandener Plots und Konstellationen, weil ihn das an sich offenbar nicht sonderlich interessiert, und verwendet seine Kreativität dann lieber auf wichtigere Dinge, um dann mit zuerst einmal recht beliebigen und formbaren Konstrukten zu arbeiten und etwas eigenes daraus zu entwickeln, und das sehr wohl mit Feingespür und auf verschiedenen Reflektionsebenen. Über die Intelligenz eines Filmemachers zu spekulieren finde ich dabei ebenso anmaßend wie müßig, sich gegenüber vermeintlichen Trends abzugrenzen (oder Trends zur Abgrenzung zu konstruieren) ebenso. Das aber nur am Rande - aber nachdem zwischen uns so oft Konsens herrscht, kann ein bisschen Dissenz ja auch nicht schaden...  ;)

Zitat von: McKenzie am 16 Juni 2008, 13:11:35Der Filmemacher ist Gott und unantastbar, wer immer sich dagegen wehrt, ist ein militanter Kino-Anarchist!
Kein Problem, diese Position nehme ich gerne ein. :icon_twisted:

Zitat von: McKenzie am 16 Juni 2008, 13:11:35subversiv-plakatives Genrefan-Gedankengut, das muss schnellstens neutralisiert werden
Tja, siehste, da zeigt sich, wer sich nicht dafür zu schade ist, den 'Genrefan' zu geben, und wer 'Prätentionspotenzial' braucht...  :king:

Mr. Hankey

ZitatIn seine Filme zu gehen hatte für mich etwas vom heimlichen Comiclesen in den 60er Jahren, als diese in Deutschland noch als Untergang der Kultur galten.
Laut einem Making Of, welches ich heute zufällig gesehen habe, galten Comics in damaliger Zeit nicht nur in Deutschland der "Untergang der Kultur". Amerika hatte damit wohl ähnliche Probleme gehabt!

Aber das nur so nebenbei! ;)
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McKenzie

17 Juni 2008, 02:12:05 #672 Letzte Bearbeitung: 17 Juni 2008, 03:19:48 von McKenzie
Posting 1 von 3

Hatte gerade ein schönes, langes Posting bereit und es leider versehentlich gelöscht. Daher jetzt im Schnelldurchlauf, ich bin sowieso sehr gereizt ob des dröhnenden Hup-Konzerts vor meinem Fenster. Unglaublich, aber der öde Fussball bringt die armen Menschen offenbar um ihren letzten Rest Verstand.   :algoschaf:

Zitat von: COPFKILLER am 15 Juni 2008, 20:15:54
Was ich aus deiner Argumentation gegen PULP FICTION lese, ist für mich eine verständliche, hier aber unangebrachte Gegenreaktion auf den Hype um den Film.

Der Hype ist mir bei der Rezeption des Films und seiner Bewertung / Einordung vollkommen gleichgültig, meine Abneigung gegen diesen Hype rührt eben aus meiner Kenntnis des Films heraus und dem Ärger darüber, das hier Lorbeeren geerntet werden, die eigentlich eher an andere gehen müssten (und damit meine ich weder Avary noch die von Tarantino zitierten Originale).

Zitat von: COPFKILLER am 15 Juni 2008, 20:15:54
Wir - die jüngeren Filmfans - kennen PULP FICTION eben nur als DEN Über-Kultfilm, schlechthin.

Und diesen Umstand findest du nicht irgendwie seltsam, bzw. befremdlich? Das "Pulp Fiction", dieser Zeitgeist-Film im Gegensatz zu den Zeitgeist-Filmen vergangener Dekaden ein vergangenes Kino zitiert anstatt, wie andere, ältere Zeitgeist-Filme, eine eigene künstlerische Antwort auf den Zeitgeist zu erfinden und damit aber einen solchen Erfolg hat?!


Zitat von: COPFKILLER am 15 Juni 2008, 20:15:54
Zu Roger Avary: Kann ich natürlich auch nicht richtig beurteilen Meines Wissens nach stammt die Idee zur Episode um die Uhr von Bruce Willis von ihm, was Tarantino sozusagen unterschlagen hat. Sicher eine unschöne Geschichte, die man aber mit Vorsicht genießen sollte.

Habe dazu wenigstens in der IMDb etwas gefunden, ein ausführlicheres Interview wäre natürlich schöner gewesen:

ZitatI've realized that I can't hang out with him [Quentin Tarantino]. I talk with him, and he just sucks stuff from me.

Zitat[on Quentin Tarantino doing his Top Gun (1986) speech in the film Sleep with Me (1994)] Important lesson learned. Intellectual properties can be taken from you if you put them in the air. Result is to never speak to anyone else ever again and withdraw from society. Keep few friends and speak to them rarely.

...

Zitat von: COPFKILLER am 15 Juni 2008, 20:15:54
Tarantino hat jedenfalls deutlich bewiesen, das er Avary nicht braucht.

Ja - aber auch erst jüngst. "Jackie Brown" halte ich nämlich für längst nicht so souverän wie die meisten anderen, für mich ist das ein unreifer, obschon interessanter, ungehobelter Klotz von einem Film.

Zitat von: COPFKILLER am 15 Juni 2008, 20:15:54
Tarantino selbst schert sich einen Dreck um die landläufige Meinung seiner Oberflächen-Fans, die er nicht erst mit DEATH PROOF sondern auch schon mit JACKIE BROWN und KILL BILL VOL. 2 vor den Kopf gestoßen hat.

Das mag stimmen - aber Tarantino hat bei weitem zu lange mit fremden Federn kokettiert.


Zitat von: COPFKILLER am 15 Juni 2008, 20:15:54
Wie oben schon erwähnt versucht sich Tarantino imo keineswegs als "Genie" darzustellen

Nein, das nicht unbedingt, war ein wenig überspitzt formuliert - eher als "Mann mit dem Plan".  :icon_mrgreen: Und das an sich ist auch schon unangenehm genug.

Zitat von: COPFKILLER am 15 Juni 2008, 20:15:54
Er verweigert sich vollends jeglichem "Tiefsinn" und suhlt sich im Trivialen, seinem Metier.

Das halte ich für eine gewagte Behauptung, ich persönlich habe zumindest in "Death Proof" (allerdings auch der einzige Tarantino, mit dem ich mich bisher so eingehend "beschäftigt" habe) durchaus "Tiefsinn" (sinnvoll, das in Anführungszeichen zu setzen) entdecken können. Dahingehend muss ich mein nach der Erstsichtung geschriebenes Review auch bei Gelegenheit noch überarbeiten.

Zitat von: COPFKILLER am 15 Juni 2008, 20:15:54
Tarantino macht das was er kann und dafür sollte man ihn nicht verurteilen.

Dafür verurteile ich ihn auch nicht, nur hat es mir persönlich zu lange gedauert, bis Tarantino sich mit seinem ungesunden "Selbstbewusstsein" zurückgelehnt und sich zu seinen Vorbildern bekannt hat ohne dabei auf seiner eigenen "Cleverness" herumzureiten. "Pulp Fiction" fehlt m. E. die nötige Selbstironie, hier wird gefällig ein großes Ringelpiez inszeniert das unentwegt auf die eigene Raffinesse hinweist und so penetrant auf eben jenen Ruf als popkulturelles Phänomen hinarbeitet, dass es einem schlecht werden kann.

Zitat von: COPFKILLER am 15 Juni 2008, 20:15:54
Man könnte auch leicht Antonioni unterstellen, sich selbst für ein Genie zu halten und diesen Umstand prahlerisch auszustellen, genauso wie Kubrick nicht selten Prätention vorgeworfen wird.

Wenn man diese Behauptung ernstlich aufstellt, muss man aber immerhin anführen, das diese beiden Regisseure mit gänzlich eigenem Gedankengut und einer eigenen Ästhetik prahlen können und dazu jedes Recht haben.  ;)
Abgesehen davon - auf Kubrick mag das teilweise sogar tatsächlich zutreffen, einem Antonioni das zu unterstellen ist aber pure Provokation und angesichts der thematischen Ausrichtung seiner Filme grotesk.

Zitat von: COPFKILLER am 15 Juni 2008, 20:15:54
Deine Kritikpunkte sind stichhaltig und nachvollziehbar, zeigen für mich aber eine Weigerung, dich an diesen "maßlos überschätzten" Film anzunähern.

Warum lässt du mich den Film nicht einfach schlecht finden sondern musst mit allen Mitteln meine Gründe dafür für nichtig erklären? Lass' mich doch!  :icon_mrgreen: Ich habe Tarantino schon längst neue Chancen gegeben, ich bin bei "Death Proof" ins Kino marschiert mit der festen Erwartung, mich pausenlos aufzuregen und Tarantino im Anschluss noch mehr zu verdammen. Das hielt sich sogar noch während des Vorspannes der "typisch Tarantino" ist. Aber letztlich habe ich mir eingestehen müssen, dass Tarantino doch etwas mehr kann als nur zitieren. Die anschließenden Zweit-Sichtungen von "Jackie Brown" und "Kill Bill" standen natürlich so schon unter einem ganz anderen Stern.

Zitat von: COPFKILLER am 15 Juni 2008, 20:15:54
Würde PULP FICTION eher ein Schattendasein führen im Bewusstsein des Publikums - du würdest ihn bestimmt lieben...  ;)

Wohl kaum, ich bin noch nie ein Liebhaber dieses heteromanen Jungs-Kinos mit all seinen coolen Sprüchen, seinen lässigen "Helden", seiner skurrilisierten Gewalt, seiner mit Gangster-Romantik geschwängerten Poserei, seinem aufgesetzten Humor und auch seinem oft (besonders in "Pulp Fiction") aufgesetzten Tiefgang. Es ging und geht mir auf die Nerven und PF könnte auch ein echter Underground-Film sein, auf 16mm mit einem Niedrigst-Budget gedreht, ich würde ihn immer noch nicht ausstehen können.

Ich rezipiere Filme nicht nach ihrer Reputation, noch einmal. Es kann sein, das mein Hass auf Godard z. B. vielleicht noch um ein kleines Quäntchen erhöht wird durch den Blick auf sein typisches Publikum, das ist jedoch eine absolute Ausnahme und möglicherweise Resultat einer kleinen Neurose bei mir.  :icon_mrgreen:

Zitat von: COPFKILLER am 15 Juni 2008, 20:15:54
Anders als bei CITIZEN KANE und EIN ANDALUSISCHER HUND schließe ich mich dieser Aussage an.

Lieber Gott, bitte lass mich Karriere machen in Hollywood damit ich ein Remake von CITIZEN KANE drehen kann.

Zitat von: COPFKILLER am 15 Juni 2008, 20:15:54
Warum hast du dann DER KONTRAKT DES ZEICHNERS mit sieben Punkten bewertet? Ist doch anständig...

Schockschwere Not!  :eek: Das war meine Erstwertung, direkt nach der Sichtung (im Kino) vor zwei Jahren, vorgenommen ohne Kenntnis weiterer Greenaway-Filme. Ich wusste direkt im Anschluss noch nicht so recht, ob ich den Film nun verdammen oder ihn und seine Gangart als offenbar notwendiges Übel akzeptieren soll. Schlussendlich wiegt bei mir die restrospektive Gesamtbetrachtung, die sich innerhalb von Tagen oder weniger Wochen nach der Sichtung ergibt, immer schwerer, daher gibt es bei mir öfter nachträgliche Ab- und Aufwertungen. Danke für den Hinweis, ich habe den Film gerade heruntergestuft.

Zitat von: COPFKILLER am 15 Juni 2008, 20:30:24
Hab selbst noch keinen Film von ihm gesehen, kann also nichts dazu sagen. Von diesem habe ich aber schon mehrfach gutes gehört...

Guter Einstieg, nehme ich an. Noch nicht das formvollendete, elitäre Greenaway-Prätentions-Kotzstarrkrampf-Brett wie einige seiner späteren Filme. Viel Spaß damit, "betreffs deines Vergnügens mit ihm"!  :icon_twisted: (das letztere Zitat verstehst du nach Sichtung des Films - btw., bist du eigentlich eher O-Ton-Gucker, Synchro-Anhänger oder Mixer wie ich?)

Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 04:23:11
Nein, überraschend ist "Scarface" insgesamt sicherlich nicht.

I knew it.

Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 04:23:11
Überraschung ist ja gut und schön, aber für mich keineswegs das Maß der Dinge.

Doch, in gewissem Sinne ist Überraschung für mich schon EIN Maß der Dinge. Gerade das macht Kino für mich aus, dass es mich immer wieder überrascht, verblüfft, mir neue Perspektiven und Möglichkeiten zeigt, mich zu ungewöhnlichen Konfrontationen zwingt, mich in meinem Individualismus ebenso kritisiert wie bestätigt. Das ist eine Herausforderung, die ich vom Kino erwarte...

Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 21:53:29
De Palma bekennt sich ganz einfach von Anfang an dazu und geht viel offensiver damit um.

... man könnte auch schlicht behaupten, De Palma umschifft diese Herausforderung, geht auf der breiten anstatt der schmalen Brücke, weicht also der Unbequemlichkeit kreativer Anstrengung aus und wirft lieber Tiefkühlware in die Mikrowelle. Kann man dann auf dem Teller ja auch appetitlich anrichten. Im übrigen klaut De Palma ja nicht nur bei Hitchcock sondern in der ganzen Filmgeschichte. Dieser furchteinflößend der Filmliteratur und herkömmlichen Filmgeschichtsschreibung versklavte Bodo Traber von Splatting Image nannte De Palma einen "viel zu oft als Hitchcock-Epigone verkannten Auteur". Falsch. Er ist ein in seiner Dreistigkeit sogar noch unterschätzter Plagiator der, und das ist das schlimmste dabei, über genug filmisches Talent verfügt um damit ungeschoren davon zu kommen (inszenieren kann er ja, keine Frage).


Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 04:23:11
Ganz abgesehen davon: Argento, Antonioni oder Leone haben mich eigentlich auch nie wirklich ernsthaft überrascht.

Dann ist dir offenbar das Beste an ihren Filmen entgangen. :icon_eek: Diese Aussage verblüfft mich gerade nicht wenig. Ist das dein Ernst?!?
Wie auch immer, ich liebe diese drei (Meister-)Regisseure vor allem deswegen, weil sie mich immer wieder erstaunen und überraschen und mir mehr filmische Vielfalt / Vielschichtigkeit / Originalität aufgezeigt haben, als es ein "cineastischer Herausgeber" wie De Palma jemals könnte.

Andi, ich bin enttäuscht von dir. Und dabei haben wir doch gerade erst "Le Cinque Giornate" zusammen gesehen - und du willst mir ernstlich erzählen, der Film hätte dich nicht überrascht? (Nun ja, vielleicht werde ich eine solche Überraschung ja bei De Palma noch mit "The Phantom of the Paradise" erleben  :icon_lol:). Na ja, es hilft alles nichts...

Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 04:23:11
Und wenn man so will, ist "Scarface" natürlich pures Genrekino, aber mit einer Intensität, Leidenschaft, Dringlichkeit, Virtuosität und Moroder-geschwängerten Eighties-Feeling, das mir das mehr als nur völlig ausreicht.

...du bist eben doch ein kleiner Zelluloid-Genießer und Dandy, den man immer wieder in die schmutzige Kohlengrube mühseliger Filmrezeption ziehen muss!  :icon_twisted: ;)

Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 04:23:11
Trotzdem käme ich nie auf die Idee, ihnen das anzukreiden.

Solltest du auch nicht, da du ohnehin immer pr********er wirst, dürfte sich die Überraschung schon noch einstellen, wenn der Dunst der schönen CinemaScope-Bilder, der tollen Musik und markigen Gesten verflogen ist.  :icon_lol:

Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 04:23:11
Hm, ich finde ja eigentlich, dass "Scarface" schon deshalb nicht wirklich in deine Auflistung passt, weil er nun wirklich keineswegs einen vergleichbaren Status wie "Psycho" oder "Citizen Kane" hat. Eher im Gegenteil: er mag zwar ein Kultobjekt vieler Jugendlicher und ein Favorit von so manchem Cineasten sein, aber es wäre mir neu, dass er darüber hinaus als filmischer Meilenstein oder wegweisendes Meisterwerk gehandelt würde, und auf Kritikerlisten oder in Filmkanones ist er mir eigentlich auch noch nie untergekommen.
Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 04:23:11
Hm, selbst bei der Sight & Sound-Umfrage geht De Palma abgesehen von "Carrie" komplett leer aus. Nein, von überschätzt kann, gerade im amerikanschen Raum, wirklich kaum die Rede sein

KRITIKER! Fange mir nicht an mit Kritikern, Filmwissenschaftlern und wie das ganze pestilente, kunstfeindliche Gewürm sich sonst noch nennt, mein Zorn über dieses Gekreuch, den Eiter in den Gebeinen des Kinos, ist derzeit gerade auf einem neuen Höhepunkt angelangt. Für jeden respektierenswerten Kritiker müsste ich eigentlich die Hände über meinem Kopf falten, so selten ist diese Spezies (Leider schätzen die meisten meiner Lieblings-Kritiker De Palma, es ist wirklich grotesk).
Auf den Kritiker-Kanon gebe ich gar nichts (abgesehen von dem Fakt, das er über weite Strecken genauso [gewöhnlich] aussieht wie der Kanon der [gemeinen] Cineasten  :icon_twisted:), ich meinte explizit den Cineasten-Kanon und in dem ist "Scarface" in De Palmas Version eigentlich beinahe noch präsenter als Howard Hawks' (der als Regisseur natürlich unendlich hoch über De Palma schwebt) Original.

Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 04:23:11
(wobei ich das Wort 'überschätzt' sowieso tendenziell anmaßend-prätentiös finde ).

Als Fan von Regisseuren wie De Palma, Bogdanovich, Scorsese und Herzog musst du das ja auch finden.  ;)

Zitat von: Bretzelburger am 16 Juni 2008, 12:24:40
Adam Kesher`s Review zu "Der Tod kommt zweimal" hat mich nicht überzeugt, weil diese in Kurzform nur so vor Attributen strotzt, ohne diese weiter auszuführen oder am Objekt zu begründen.

Genau das ist es, was mir zunehmend gegen den Strich geht: Eine Filmkritik ist keine Beweisführung und ich bin als Kritiker vielleicht gut beraten, aber keineswegs dazu verpflichtet, meine Behauptungen zu begründen. Punkt. Vielleicht bin ich derzeit aufgrund meiner privaten Situation (keine näheren Ausführungen) tendenziell etwas aggressiv, aber ich würde bzgl. der Rezeption von Filmkritiken vorschlagen: Friss oder stirb. Im übertragenen Sinne, versteht sich.

Zitat von: Bretzelburger am 16 Juni 2008, 12:24:40
Ich mag De Palma seit den 70er Jahren, aber für mich war er immer ein bisschen anrüchig und leicht schmuddelig, dazu sehr atmosphärisch und direkt in Dingen, bei denen Andere sich dezent zurückgehalten hätten (wie etwa in der Dracula-Szene zum Abspann von "Der Tod kommt zweimal").

:respekt:

Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 21:53:29
Das ist immer ein bisschen das Manko von Kurzkritiken, dass man als Leser gelegentlich Lücken füllen und Vorwissen einbringen muss, aber wenn sie mit einer so präzisen Verdichtung und Prägnanz formuliert sind, wie das bei Kesher meistens der Fall ist, fühle ich dennoch meistens stärker bereichert und mit interessanten Ideen/Aspekten versorgt als von vielen längeren Texten, zumal sich bei mehrmaligem Lesen und eigenem Abgleich am Objekt dann doch das meiste klären lässt.

Im Prinzip hat Adam Kesher das unperfekte und mangelhafte Prinzip der Filmdienst-Kurzkritiken perfektioniert. Im guten wie im schlechten. Ich bin, wie schon oft erwähnt, ein Fan. Trotzdem: Manchmal bin ich ein wenig skeptisch bezüglich dieser Form und ihrer teilweise auch ominösen Möglichkeiten. Mehr dazu aber nur, wenn sich Adam hier zu Wort meldet.  ;)

Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 21:53:29
@McKenzie (um hier der allgemeinen Nachvollziehbarkeit halber beim Nickname zu bleiben :icon_smile:)

Travis, Noodles oder Pike Bishop - mit keinem dieser drei Nicknames komme ich zurecht, sie sind mir entschieden zu... na ja, du weißt schon.  :icon_lol:

Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 21:53:29
Jetzt auf einmal "Black Dahlia" als 'sagenhafte Gurke' zu bezeichnen, obwohl du von ihm nach eigenem Bekunden doch sogar positiv überrascht warst und 6 Punkte gabst, finde ich doch etwas seltsam (sicherlich ist der Film kein Glanzstück, aber 'Gurke' beginnt für mich bei 3 Punkten abwärts...).

Keineswegs, ich hätte vielleicht noch anmerken sollen, dass der "guilty pleasure"-Faktor bei diesem Film gegenüber De Palmas früheren Zitate-Sammlungen aus den 70igern und 80igern noch erheblich höher ist, der Film für mich also eine Art "Camp-Spaß" darstellt. Insofern ist er durchaus eine Gurke und wenn ich sachlich bewerten würde (tue ich aber nicht, das ist etwas für dieses Gew... äh, Filmkritiker) müsste ich eigentlich 3/10 vergeben, da ich aber so steif nicht bin lasse ich Großmut walten und genieße die De Palmasche Peinlichkeit als reizvolles Scheitern auf hohem handwerklichen Niveau. "Zombies unter Kannibalen" ist auch eine Gurke und bekommt 8/10 (und somit 2 Punkte mehr als "The Black Dahlia"  :icon_twisted:).

Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 21:53:29
"Blow Out" habe ich leider zu lange nicht mehr gesehen (...) bin mir aber mittlerweile sicher, ihn stark unterschätzt zu haben

Aber selbstverständlich! Theooo, wir fahr'n nach Bamako...  :pidu:
ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

McKenzie

17 Juni 2008, 02:14:02 #673 Letzte Bearbeitung: 17 Juni 2008, 03:11:18 von McKenzie
Posting 2 von 3.

Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 21:53:29
Und vermutlich gewinnt er ohnehin zusätzlich, wenn man "Blow Up" kennt (ja, das meine ich ernst), was bei mir damals noch nicht der Fall war.

=>

Zitat von: McKenzie am 16 Juni 2008, 13:11:35
Irgendwie scheint es unter Cineasten aber ohnehin einfach chic zu sein, Filmhistorische Zitate / Anspielungen / Versatzstück-Spielereien gut zu finden und "Kino-Memory" zu spielen, das wird mir immer ein Rätsel bleiben. Aber irgendwoher muss er ja kommen, dieser beharrliche Fetisch für Godard, De Palma, Tarantino, Scorsese...

Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 21:53:29
Wie auch immer, ganz allgemein jedenfalls für den Moment nur so viel: wenn man so will, ist doch längst jeder mehr oder weniger 'Dieb', ob bewusst oder unbewusst, gewollt oder ungewollt - niemand ist frei von Einflüssen, und es gibt vereinfacht gesagt nichts, was nicht schon erzählt worden wäre.

Das stimmt, ich kann es nicht leugnen, vor allem nicht angesichts meines Films. Aber wie sagte Kinski, zweifellos ein Wahnsinniger trotz seines Genies: ICH BIN SO, WIE ICH BIN!
Und das ist keine ausreichende Entschuldigung. Weder für indiskutables Benehmen (und so sehr ich auch solidarisch zu Kinski bin, manchmal hat er es übertrieben) noch unbedarfte Plagiate.

Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 21:53:29
Für mich ist das eine ganz logische und plausible Vorgehensweise: er bedient sich vorhandener Plots und Konstellationen, weil ihn das an sich offenbar nicht sonderlich interessiert, und verwendet seine Kreativität dann lieber auf wichtigere Dinge, um dann mit zuerst einmal recht beliebigen und formbaren Konstrukten zu arbeiten und etwas eigenes daraus zu entwickeln, und das sehr wohl mit Feingespür und auf verschiedenen Reflektionsebenen.

So, der große Moment ist gekommen: Bisher hat mir noch niemand auch nur in Ansätzen plausibel erklären können, WAS genau denn das Eigene ist, das De Palma angeblich entwickelt, WAS denn mit viel Feingespür inszeniert und auf verschiedenen Reflektionsebenen behandelt wird.
Ich höre!

Die Bühne gehört dir. Travis, übernehmen Sie!

(Ich weiß, ich bin fies, aber dieser ewige De Palma-Hick-Hack zehrt an meinem ohnehin knapp bemessenen Gedulds-Vorrat).

Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 21:53:29
Über die Intelligenz eines Filmemachers zu spekulieren finde ich dabei ebenso anmaßend wie müßig

Stimmt, war auch nur billige Provokation meinerseits.

Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 21:53:29
sich gegenüber vermeintlichen Trends abzugrenzen (oder Trends zur Abgrenzung zu konstruieren) ebenso.

D'Accordo. Man muss "es" einfach nur "können".

Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 21:53:29
Das aber nur am Rande - aber nachdem zwischen uns so oft Konsens herrscht, kann ein bisschen Dissenz ja auch nicht schaden...  ;)

Eben, wir können dadurch nur markiger werden.

Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 21:53:29
Kein Problem, diese Position nehme ich gerne ein. :icon_twisted:

Funktioniert aber nicht, dafür bist du zu bourgeois.   :pidu:
Abgesehen davon noch einmal, in Ruhe: Den Künstler selbst umgibt eine Aura völliger Anarchie die nur insofern begrenzt sein darf, als er sich nicht vollkommen introvertieren sondern immer das Vorhaben eines Dialogs mit dem Publikum - welcher Art, ob angenehm oder unangenehm, eloquent oder kurz angebunden, intim oder oberflächlich, das ist egal - im Auge behalten sollte, also den Film nicht ausschließlich für sich selbst mache und dabei den grundhumanistischen Gedanken der Verantwortung, die eine Filmproduktion birgt, nicht aus dem Auge verlieren möge.
Der Rezipient hingegen mache es sich zu einem seiner Grundprinzipien, diese Anarchie, deren Vorteil desgleichen auch ihr Nachteil ist, im individual-demokratischen Sinne wieder weit genug einzuschränken um aus ihr auf vernunftorientierter Basis Nutzen zu ziehen und die Freigeistigkeit des Künstlers kritisch zu hinterfragen denn sie ist ja auch bedenklich, die Freigeistigkeit, nichtsdestotrotz, und die Zahl derer, die sich mit unguten Resultaten berrauscht haben an diesem Elixier, diese Zahl ist durchaus hoch. Der Rezipient möge sich demzufolge also entscheiden, ob er tendenziell eine unpersönliche Filmrezeption, die anarchische Formen annimmt und auf persönliche Absichten etwaiger Künstler keinerlei Rücksicht nimmt, zu entwickeln gedenkt oder ob er eine persönliche Rezeption bevorzugt, die immer auf Augenhöhe mit dem Film und seinen Absichten bleibt. Ein Film ist weiterhin ein Kunstwerk, ein Kunstwerk das Werk eines Menschen, ein Umgang mit dem Werk eines Menschen in gewissem Sinne der Umgang mit dem Menschen selbst und der Umgang mit dem Menschen löblicherweise an gewisste moralische Grundwerte gebunden; im Umgang mit dem Kunstwerk soll daher das gleiche geschehen mit großem Respekt vor dem Menschen, Wie am Set, so auch im Kino., etc., etc., etc., etc., etc., etc.  AMEN!

:icon_cool::icon_mrgreen: 

Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 21:53:29
Tja, siehste, da zeigt sich, wer sich nicht dafür zu schade ist, den 'Genrefan' zu geben, und wer 'Prätentionspotenzial' braucht...  :king:

(Feingeistig auf französisch) Je suis prétentieux - (prollig im imaginären amerikanischen Slang) And I'm proud of it!

Yesterday, all pretention seemed so far away, Bamako I know I'll have to stay, oh I believe in yesterday.

Übrigens bist du gewiss ein großer Fan von Ivo Ritzer, oder?




@ Mr. Vincent Vega:

Holst du dann mal Sutter Cain?  :icon_mrgreen:
ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

McKenzie

17 Juni 2008, 03:00:42 #674 Letzte Bearbeitung: 17 Juni 2008, 12:13:51 von McKenzie
Achtung, Posting 3 von 3.  :icon_lol:  :algo:

Zitat von: Hedning am  5 Juni 2008, 18:41:06
Beide haben ja eine unüberschaubare Filmographie hinterlassen, wobei D'Amato aufgrund dreier wirklich beunruhigender und auf jeglichen befriedigenden moralischen Ausgleich verzichtender Horrorfilme - Buio Omega, Anthropophagus und Rosso Sangue - bei mir etwas höher im Kurs steht als Franco.

Sehr interessant. Für mich sind diese drei (abgesehen von einigen wirklich gruseligen Szenen in dem besonders schlechten "Rosso Sangue") einfach nur simpelste Exploitation besonders schlichter Machart, pragmatisches Kalkül und nur für den schnellen, schmutzigen Spaß  :icon_mrgreen: gut, das allerdings so richtig, "Buio Omega" habe ich bestimmt schon viermal gesehen und obwohl ich "Man-Eater" eigentlich wirklich, wirklich schlecht finde fasziniert er mich irgendwie. Aber das ist für mich reiner (aber schöner) Schund, nichts ernstzunehmendes. M. E. alles Resultat von D'Amatos Vergangenheit als Kameramann, einem Gespür für Licht und Schatten. Was mich bei D'Amato aber einfach stört: Das tritt auch nur sporadisch zutage, der Mann hatte einfach keinerlei persönlich Ambitionen außer Geld, Geld und nochmals Geld zu machen. Und das merkt man seinen weitgehend uninspirierten Filmen auch an.

Zitat von: Hedning am  5 Juni 2008, 18:41:06
Franco hatte das große Glück, eine Schauspielerin wie Soledad Miranda zur Verfügung zu haben, und irgendwie scheint ihm das schon Substanz genug für Filme wie Vampyros lesbos, Sie tötete in Ekstase oder Eugenie de Sade zu sein.

Natürlich ist dieses spezielle Charisma der Miranda für diese Filme essentiell, aber ihr eigentlicher Vorzug ist es m. M. nicht - dafür "spielt" sie einfach zu schlecht.  :icon_mrgreen:

Zitat von: Hedning am  5 Juni 2008, 18:41:06
Jess Franco ist für mich zumindest bei diesen Filmen jemand, der sich den Eindrücken in passiver Bewunderung hingibt

Das ist zweifellos richtig und für mich einer der Hauptgründe dafür, warum ich einen so umstrittenen - um nicht zu sagen: verrufenen - Filmemacher zu meinen Favoriten zähle. Eine vollkommen instinktive Regieführung, aus dem Bauch heraus, spontan und gelöst. Das hat bei ihm teilweise aber auch zum Desaster geführt nur...

Zitat von: Hedning am  5 Juni 2008, 18:41:06
Ich habe gerade bei diesen Filmen den Eindruck einer gewissen Hilflosigkeit oder Willenlosigkeit, mit dem der Regisseur seinen zweifellos ansprechenden Motiven gegenübersteht.

...und keinen konsequent gestaltenden Zugriff auf sie findet.

... modelliert er diese Eindrücke durchaus. Man vergleiche, um jetzt Beispiele aus der Francoschen Kernphase zwischen 1966 und 1972 zu nehmen, zum einen beispielsweise die psychedelischen, mit grellen Farben, Weichzeichner und stark kontrastierenden Licht gestalteten und sehr gesetzten, gediegenen Bilder in "Die Jungfrau und die Peitsche" oder "Venus in Furs", oder auch die fast schon an Lang und Dreyer erinnernden, extrem stilisierten Schwarzweiß-Bilder in "The Diabolical Dr. Z" und die edle Ausstattungsfotographie in "Justine" - und demgegenüber die überwiegend mit Handkamera gedrehten, teilweise improvisierten (natürlich aber auch "billigeren") "Vampyros Lesbos", "Nightmares come at Night" oder "Eugenie de Sade", die formal allesamt Reminiszenzen an das Cinéma Vérité beinhalten und narrativ durch diese wie zufällige, aber doch auch bewusste (aber im jeweiligen "Moment" nie konkret als bewusst oder unbewusst erkenntliche) Aufsplitterung klassischer Filmstrukturen Parallelen zur Nouvelle Vague ziehen - auch im Vergleich mit den linearen und "sauber umgesetzten" übrigen genannten Filmen. Franco kann sowohl sehr konventionell, geradlinig und ohne formale wie erzählerische Spielereien eine Geschichte nach gängigen Schemen des Genre-Kinos umsetzen - als auch all das vollkommen auflösen und sich treiben lassen...

Zitat von: Hedning am  5 Juni 2008, 18:41:06
Mir gefallen seine konventioneller erzählenden Filme wie Justine, Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne und Jack the Ripper besser, auch wenn sie nicht so ein unverkennbares Franco-Flair entfalten.

... was mir bedeutend besser gefällt als die meist uninspirierten, biederen und öden Dietrich-Produktionen. Es sei dir gegönnt, aber ich würde gute Lakritze trotz ihres strengen Aromas billigen Fruchtbonbons jederzeit vorziehen.  :icon_mrgreen: Ich habe dieses "gelöste" noch bei keinem anderen Filmemacher entdecken können (außer vielleicht bei Argento, der allerdings aufgrund seiner vollkommenen, extrem perfektionistischen formalen Diszipliniertheit ein ganz anderes Kapitel ist) und ich vergöttere es.

Zitat von: Hedning am  5 Juni 2008, 18:41:06
Ein totaler Fehlgriff sind meiner Ansicht nach die Bühneneinlagen bei Vampyros Lesbos, bei denen die wunderschöne Miranda für eine Stripshow niedrigster Klasse geopfert wird - das tut weh.

Zum einen ist diese Strip-Show nach meinem Verständnis ein erotischer Tagtraum von Ewa Strömbergs Figur, zum anderen reißt er damit, ähnlich wie der ungleich großartigere, reifere "Daughters of Darkness" von Harry Kümel (den ich mal dringend besprechen müsste), die "Problematik eines Vampirlebens" an - die Unmöglichkeit, als Vampir eine normale Existenz im Alltag der diesseitigen Welt zu bestreiten, die Degradierung zum Monster, Lustobjekt und zum unverstandenen Auswuchs einer vergangenen Zeit.
Man könnte die moderne Behausung der Gräfin auf der Insel als Budget-Schwäche ausweisen, man könnte sie aber auch - diverse dort stattfindende Handlungen deuten darauf hin - als gescheiterten Versuch der Gräfin, sich dem Zeitgeist anzupassen, interpretieren. Immerhin schläft sie auch in dieser Behausung immer noch in ihrem alten Sarg und diniert mit ihren Gästen nach klassischer Art.

Vielleicht findest du das zuviel des Guten, vielleicht liegt es aber schlicht daran, das Franco in Interviews selbst einen sehr beherrschten und intelligenten Eindruck macht der die Möglichkeiten einer solchen Vieldeutigkeit seiner Filme unermesslich erscheinen lässt. Der Mann ist einfach ein Mysterium.

Zitat von: Hedning am  5 Juni 2008, 18:41:06
Sicher können diese Filme szenenweise unter Umständen eine berauschende Wirkung entfalten, aber für mich wirken sie auf Dauer etwas schlaff und unentschlossen (auch Paroxismus und Eugenie).

Uneinheitlich ja, aber schlaff? Auf keinen Fall, zumindest in meinen Augen. Aber ich mag auch speziell uneinheitliche Filme sehr.  ;)

Zitat von: Hedning am  5 Juni 2008, 18:41:06
Sehr gut finde ich allerdings auch Blue Rita, wo sich aus Elementen wie optisch verfremdeten Frauenkörpern, blinkenden Lämpchen und weißem Betäubungsnebel ein wirklich funktionierendes Gesamtkonzept ergibt.

Das stimmt, "Blue Rita" ist wirklich bemerkenswert - Dietrich wollte sicherlich nicht mehr als einen ganz banalen Soft-Porno und Franco hat daraus ein wirklich bizarres Stück Pop Art geschaffen... diese bunten Perücken, metallischen Röhren, transparanten Kunststoff-Möbel, das violette, gelbe und grüne Licht, die strengen, schlichten Formen, der groteske Russ Meyer-Plot... All das ist wirklich... ein sehr achtenswerter Versuch, aus Nichts Gold zu machen.  :icon_lol:
ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

Vince

 :LOL:

Kenzie, jetzt hast du dich selbst übertroffen.

McKenzie

17 Juni 2008, 12:05:24 #676 Letzte Bearbeitung: 17 Juni 2008, 12:07:20 von McKenzie
Zitat von: Vince am 17 Juni 2008, 11:52:08
:LOL:

Kenzie, jetzt hast du dich selbst übertroffen.

Mach mich nicht schwach, sonst bekomme ich noch das Gefühl, wirklich die Grenzen des Normalen überschritten zu haben.  :icon_lol:

Da ich aber ohnehin schon immer seltener poste, sollte ein gelegentliches Monsterposting doch erlaubt sein. Oder eben vielleicht auch zwei... oder drei... oder... :algo:
ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

Hedning

Danke für die ausführliche Antwort, sicher Grund genug, die angesprochenen Filme noch mal dahingehend zu überprüfen. The Diabolical Dr. Z kenne ich noch nicht, aber aufgrund der Beschreibungen wässert mein Mund bereits danach. Sicher sind die meisten Dietrich-Coproduktionen eher leicht debile Softsex-Klamotten, aber die portugiesische Nonne und Jack the Ripper stechen da m. E. allein schon wegen der guten Besetzungen mit Kinski, Herbert Fux, William Berger u. a. und der sehr atmosphärischen Drehorte hervor. Zudem bin ich ein Fan der Filmmusik von Walter Baumgartner, auch wenn es meistens dasselbe Stück in den verschiedensten Arrangements ist :icon_mrgreen:

Zitat von: McKenzie am 17 Juni 2008, 03:00:42
Sehr interessant. Für mich sind diese drei (abgesehen von einigen wirklich gruseligen Szenen in dem besonders schlechten "Rosso Sangue") einfach nur simpelste Exploitation besonders schlichter Machart, pragmatisches Kalkül und nur für den schnellen, schmutzigen Spaß  :icon_mrgreen: gut, das allerdings so richtig, "Buio Omega" habe ich bestimmt schon viermal gesehen und obwohl ich "Man-Eater" eigentlich wirklich, wirklich schlecht finde fasziniert er mich irgendwie. Aber das ist für mich reiner (aber schöner) Schund, nichts ernstzunehmendes. M. E. alles Resultat von D'Amatos Vergangenheit als Kameramann, einem Gespür für Licht und Schatten. Was mich bei D'Amato aber einfach stört: Das tritt auch nur sporadisch zutage, der Mann hatte einfach keinerlei persönlich Ambitionen außer Geld, Geld und nochmals Geld zu machen. Und das merkt man seinen weitgehend uninspirierten Filmen auch an.

Es ist schon eine seltsame Sache, wenn ein Regisseur wiederholt in Interviews erzählt, dass er alles nur für das liebe Geld gemacht hat, statt seine Filme als revolutionäre Kunstwerke zu verklären. Für mich ist das eher eine Geste der Bescheidenheit, als eine künstlerische Bankrotterklärung. Denn die drei genannten Filme sind m. E. bemerkenswerte nihilistische Auseinandersetzungen mit Angst und Wahnsinn. Zu Antropophagus, der für mich mehrere unvergessliche Szenen (womit ich nicht die Ausweidungen meine) zu bieten hat, kopiere ich jetzt mal aus meiner (sicher nicht besonders gelungenen) OFDb-Kritik:

ZitatDer Film setzt ganz auf seine starken Atmosphärefaktoren: Zu einer sehr seltsamen, permanent ein leichtes Unwohlsein provozierenden minimalistischen Synthetik-Musikuntermalung irren ein paar Touristen über eine menschenleere Insel, während eine Gefahr, die sie lange gar nicht kennen, sie nach und nach dezimiert. Wenn das Bild- und Werbematerial zu diesem Film, mit denen beispielsweise die NSM-DVD den Rezipienten überschwemmt, nicht schon eindeutigen Aufschluss über das Monster bieten würde, könnte die Spannung noch erheblich stärker greifen.

Der Horror, in den sich die Reisenden auf der Insel unbewusst begeben, wird in unheilvollen Ahnungen, die unter anderem durch eine Kartenlegerin zum Ausdruck gebracht werden, schon vorhergesagt. Das ist zwar nicht die originellste Idee, aber wie fast alles in dem Film auf gelungene Weise in Szene gesetzt, und Szenen wie die, in der die Kartenlegerin ihr Tarot-Blatt mit ausdruckslosem Gesicht ins Meer gleiten lässt, bleiben über die Filmdauer hinaus im Gedächtnis.

Die Höhepunkte des Film sind nicht, wie bei US-Slasherware üblich, einzig und allein die Splatterszenen, sondern es gelingt Massaccesi, über die gesamte Filmdauer den Eindruck eines lastenden Unheils zu erwecken, das wie eine stets zur Entladung bereite Gewitterwolke über den Köpfen der ziellos umherlaufenden Opfer schwebt. Sensible femmes fragiles wie Tisa Farrow und Margaret Mazzantini tragen dazu bei, das Treiben des Menschenfressers in seiner omnipräsenten Bedrohlichkeit zu intensivieren. Auch die bereits oben angesprochene, sehr karge Musik, deren Klangflächen - offenbar absichtlich - befremdlichen Tonhöhenschwankungen ausgesetzt sind, setzt sich wie ein dumpfer Druck im Kopf des Hörers fest und lässt stets neue Schrecken erwarten.

Darüber hinaus kann der Film auch mit sehr gelungenen punktuellen Schockeffekten aufwarten. Das erste Auftauchen des Menschenfressers, den man bis dahin nur im Off erleben durfte, hätte Massaccesi gar nicht besser machen können. Luigi Montefiori alias George Eastman steht mit seinem ekligen Gesichtsüberzug auf einmal da und ringt sich ein völlig krankes Grinsen ab, das muss man einfach gesehen haben. Auch die alte Frau, die ab und zu unversehens auf der Insel auftaucht, sorgt für das eine oder andere Erschauern.

Deine Signatur verrät, dass dich die "dritte Mutter" doch mehr beeindruckt hat, als du zugeben willst - sehe ich das richtig? ;)

Mr. Vincent Vega

Ich dachte ja, das Kesher-Review zu BODY DOUBLE sei ein guter Witz, sollte ich mich da geirrt haben?

Ich meine, eine derart schwulstig-wortschwallige und am eigentlich Gegenstand ja gar nicht mehr beweisbare, weil völlig überschäumende Besprechung kann doch nicht ernst gemeint sein?

Habe ich damals etwa wirklich einen anderen Film gesehen? Der BODY DOUBLE nämlich, den ich kenne, ist eine unsäglich langweilige, aus griffbereiten Versatzstücken von VERTIGO über REAR WINDOW zusammen gemixte, anzügliche, vulgäre, plumpe Nummernrevue im Eighties-Gewand, deren narrative Konstruktion ebenso schlicht wie schlecht, vorhersehbar (im Titel bereits verraten!) wie langweilig ist, und die ihren aufgesetzten, wahllos eingestreuten Porno- und Filmszene-Hintergrund nur für die De Palma-üblichen Chauvi-Strapsen-Männer-Fantasien ausbeutet. Das alles gipfelt in einer selten dämlichen, unendlich langen, aber deshalb keineswegs virtuosen Verfolgungsjagd, deren ostentatives Handwerk sich im Leben nicht mit dem völlig nichtigen Inhalt deckt. Hilfe, was ist das für ein banaler Haufen Käse, den De Palma da immer bis auf wenige Ausnahmen* verzapft.


(* Phantom of the Paradise, Carlito's Way, Mission: Impossible, mit Abstrichen Blow Out)

Mr. Hankey

17 Juni 2008, 21:34:33 #679 Letzte Bearbeitung: 17 Juni 2008, 21:36:28 von Mr. Hankey
Du siehst bei Brian De Palma-Filmen fast grundsätzlich andere Filme, als die Anderen. Anders sind Deine Meinungen zu seinen Werken mitunter kaum zu erklären. (sieht man vielleicht mal von etwaigem Realitäts-Verlust ab ;)) ;)

Keshers Review ist zwar alles in allem vielleicht wirklich etwas überzogen, trifft den Nagel aber (in Ansicht von Keshers üblicher Form) durchaus auf den Kopf! :D
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Mr. Vincent Vega

Aha, danke Frau Rieger, jetzt hab ich's verstanden. ;)

Travis

18 Juni 2008, 00:54:54 #681 Letzte Bearbeitung: 18 Juni 2008, 01:03:15 von Travis
Zitat von: Mr. Vincent Vega am 17 Juni 2008, 21:30:54
Habe ich damals etwa wirklich einen anderen Film gesehen?
Was denn auch sonst? Jeder sieht doch seinen eigenen Film, immer. :icon_smile:


Zitat von: McKenzie am 17 Juni 2008, 02:12:05
Doch, in gewissem Sinne ist Überraschung für mich schon EIN Maß der Dinge. Gerade das macht Kino für mich aus, dass es mich immer wieder überrascht, verblüfft, mir neue Perspektiven und Möglichkeiten zeigt, mich zu ungewöhnlichen Konfrontationen zwingt, mich in meinem Individualismus ebenso kritisiert wie bestätigt. Das ist eine Herausforderung, die ich vom Kino erwarte...
Zitat von: McKenzie am 17 Juni 2008, 02:12:05
Diese Aussage verblüfft mich gerade nicht wenig. Ist das dein Ernst?!?
Wie auch immer, ich liebe diese drei (Meister-)Regisseure vor allem deswegen, weil sie mich immer wieder erstaunen und überraschen und mir mehr filmische Vielfalt / Vielschichtigkeit / Originalität aufgezeigt haben,
Um gleich mal auf deine Verwunderung einzugehen: der Knackpunkt scheint mir da wie offenbar häufiger, dass wir eine andere Auslegung bzw. Anwendung bestimmter Wörter praktizieren. Was du oben darüber schreibst, was für dich Kino ausmacht – das würde ich sofort unterschreiben. Es scheint nur so zu sein, dass ich mit dem Wort "Überraschung" nicht so recht klar komme. Und natürlich war die Aussage hinsichtlich Argento, Antonioni und Leone genervte Polemik, und auch mehr so gemeint: ich schätze sie genau dafür, dass sie mir neues zeigen oder bekanntes auf eine neue Weise zeigen, nennen wir es also "überraschen" – der Punkt ist: insofern erwarte ich auch einfach, dass sie mich überraschen, mich mit unbekanntem konfrontierten, und weil es erwarte, bin ich nicht überrascht, wenn ich von ihnen "überrascht" werde. LOL, klingt ziemlich unsinnig, ich weiß... Was ich damit implizit im Grunde nur sagen wollte: De Palma überrascht mich in diesem Sinne sehr wohl, und das mit fast allen seinen Filmen. Man mag ihm oberflächlich einen bestimmten Stil oder meinetwegen eine bestimmte Masche vorwerfen, aber genau das kann man bei Argento, Antonioni oder Leone eben auch, unter einem gewissen Blickwinkel bekommt man da (ein Film wie DIE HALUNKEN ist da natürlich sowieso noch mal ein Sonderfall, aber den gibt es bei De Palma mit meinetwegen CASUALTIES OF WAR oder vermutlich PHANTOM OF THE PARADISE genauso) meistens schon, was man sich erwarten kann, aber eben auch viel mehr und etwas ganz anderes – je nach dem, auf welcher Ebene man sich bewegt.

Zitat von: McKenzie am 17 Juni 2008, 02:12:05
Dieser furchteinflößend der Filmliteratur und herkömmlichen Filmgeschichtsschreibung versklavte Bodo Traber von Splatting Image nannte De Palma einen "viel zu oft als Hitchcock-Epigone verkannten Auteur". Falsch.
Eine gute Gelegenheit, mal wieder darauf hinzuweisen, dass es da kein "falsch" und kein "richtig" gibt. Höchstens für den Einzelnen. :icon_smile: (Jaja, meine penetrante Differenzierungswut, ich weiß...)

Zitat von: McKenzie am 17 Juni 2008, 02:12:05
Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 04:23:11
Und wenn man so will, ist "Scarface" natürlich pures Genrekino, aber mit einer Intensität, Leidenschaft, Dringlichkeit, Virtuosität und Moroder-geschwängerten Eighties-Feeling, das mir das mehr als nur völlig ausreicht.
...du bist eben doch ein kleiner Zelluloid-Genießer und Dandy, den man immer wieder in die schmutzige Kohlengrube mühseliger Filmrezeption ziehen muss!  :icon_twisted: ;)
Auch hier sicherheitshalber noch mal: SCARFACE hat mich durchaus überrascht, angeregt, hinterfragt, auf bestimmten Ebenen. Angesichts deiner Position zu De Palma und zu Gangsterfilmen bin ich allerdings sehr skeptisch, ob es dir auch so gehen wird, weswegen ich dir da gar nicht erst etwas versprechen will, was du dann vielleicht nicht im Film finden wirst (jeder ist sein eigener Schatzgräber [jaja, im Grunde eine Binsenweisheit]). Und notfalls funktioniert er eben auch als Genrekino prächtig, ein Wert, den man nicht unterschätzen sollte, wie ich finde.

Zitat von: McKenzie am 17 Juni 2008, 02:12:05
KRITIKER! Fange mir nicht an mit Kritikern, Filmwissenschaftlern und wie das ganze pestilente, kunstfeindliche Gewürm sich sonst noch nennt, mein Zorn über dieses Gekreuch, den Eiter in den Gebeinen des Kinos, ist derzeit gerade auf einem neuen Höhepunkt angelangt. Für jeden respektierenswerten Kritiker müsste ich eigentlich die Hände über meinem Kopf falten, so selten ist diese Spezies (Leider schätzen die meisten meiner Lieblings-Kritiker De Palma, es ist wirklich grotesk).
Auf den Kritiker-Kanon gebe ich gar nichts (abgesehen von dem Fakt, das er über weite Strecken genauso [gewöhnlich] aussieht wie der Kanon der [gemeinen] Cineasten  :icon_twisted:), ich meinte explizit den Cineasten-Kanon und in dem ist "Scarface" in De Palmas Version eigentlich beinahe noch präsenter als Howard Hawks' (der als Regisseur natürlich unendlich hoch über De Palma schwebt) Original.
Naja, gerade weil du so gern gegen Kritiker und Filmwissenschaftler wetterst (was mir in dieser verbissenen, hasserfüllten Drastik schon etwas befremdlich erscheint, ähnlich wie die Tiraden gegen bestimmte Filmemacher; etwas mehr Entspanntheit würde da sicher nicht schaden :andy:  ;)), bin ich davon ausgegangen, das du dich auch darauf bezogen hast. Und der "Cineasten-Kanon" ist ja nun auch etwas ziemlich schwammig-ominöses, oder? Frag mal im foreignfilms-Forum, was die von SCARFACE halten, die Meinungen dürften nicht allzu euphorisch ausfallen... ;)
Und ich finde ja auch, dass die Version von De Palma dem (freilich auch sehr tollen) Original von Hawks überlegen ist...

Zitat von: McKenzie am 17 Juni 2008, 02:12:05
Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 04:23:11
(wobei ich das Wort 'überschätzt' sowieso tendenziell anmaßend-prätentiös finde ).

Als Fan von Regisseuren wie De Palma, Bogdanovich, Scorsese und Herzog musst du das ja auch finden.  ;)
Also als Fan von Bogdanovich oder Herzog würde ich mich jetzt nicht unbedingt bezeichnen. Aber mir ging es da ja sowieso eher um grundsätzlicheres. Und da habe ich, nicht ganz so schlimm wie bei "prätentiös", aber doch ein ähnliches Problem mit dem Wort "überschätzt", weil es implizit den Anhängern eines Films oder Filmemachers die Legitimation ihrer Anhängerschaft abzusprechen versucht oder für nicht ernstzunehmend erklärt. Und das hat etwas ziemlich anmaßendes. Ist aber ein kompliziertes Thema, können wir uns bei besserer Gelegenheit noch mal drüber unterhalten.

Zitat von: McKenzie am 17 Juni 2008, 02:12:05Travis, Noodles oder Pike Bishop - mit keinem dieser drei Nicknames komme ich zurecht, sie sind mir entschieden zu... na ja, du weißt schon.  :icon_lol:
Dann halt Matalo. Zukünftige Optionen wären vermutlich Chow Mo-wan oder David Locke, auch wenn ich damit sehr vom Muster abweichen würde... ;)

Zitat von: McKenzie am 17 Juni 2008, 02:12:05müsste ich eigentlich 3/10 vergeben, da ich aber so steif nicht bin lasse ich Großmut walten und genieße die De Palmasche Peinlichkeit als reizvolles Scheitern auf hohem handwerklichen Niveau. "Zombies unter Kannibalen" ist auch eine Gurke und bekommt 8/10 (und somit 2 Punkte mehr als "The Black Dahlia"  :icon_twisted:).
Ok, kann ich nachvollziehen. Das mit ZOMBIES UNTER KANNIBALEN übrigens auch, den würde ich auch eindeutig höher als BLACK DAHLIA bewerten (weil er noch auf eine weitaus offenherzigere, brachialere Weise misslungen ist – ja, so paradox ist das manchmal :D).

Zitat von: McKenzie am 17 Juni 2008, 02:14:02
Irgendwie scheint es unter Cineasten aber ohnehin einfach chic zu sein, Filmhistorische Zitate / Anspielungen / Versatzstück-Spielereien gut zu finden und "Kino-Memory" zu spielen, das wird mir immer ein Rätsel bleiben. Aber irgendwoher muss er ja kommen, dieser beharrliche Fetisch für Godard, De Palma, Tarantino, Scorsese...
Tja, schon wieder so eine Unterstellung... man findet doch (im Normalfall zumindest) etwas nicht nur deshalb gut, weil es chic ist, das gut zu finden, sondern weil es einem tatsächlich gefällt. Und was einem gefällt, sollte immer noch jedem selbst überlassen bleiben.

Zitat von: McKenzie am 17 Juni 2008, 02:14:02
So, der große Moment ist gekommen: Bisher hat mir noch niemand auch nur in Ansätzen plausibel erklären können, WAS genau denn das Eigene ist, das De Palma angeblich entwickelt, WAS denn mit viel Feingespür inszeniert und auf verschiedenen Reflektionsebenen behandelt wird.
Ich höre!
Das lässt sich jetzt - zumindest von meiner Seite - nicht in ein paar schnöde Worte pressen. Außerdem, weil hier ja der genaue "Beweis" gefordert wird: abgesehen von BLACK DAHLIA ist es tatsächlich gut drei Jahre her, dass ich zuletzt einen Film von De Palma gesehen habe... Insofern muss ich das verschieben, vielleicht ergibt sich ja die Gelegenheit, wenn wir dann demnächst mal gemeinsam einen seiner Filme sehen... :icon_razz:

Zitat von: McKenzie am 17 Juni 2008, 02:14:02
aber dieser ewige De Palma-Hick-Hack zehrt an meinem ohnehin knapp bemessenen Gedulds-Vorrat).
Tja, du bist es doch, der immer darauf zurück kommt bzw. durch entsprechende Äußerungen ein "Hick-Hack" provoziert.  ;)

Zitat von: McKenzie am 17 Juni 2008, 02:14:02
Eben, wir können dadurch nur markiger werden.
:pidu:

Zitat von: McKenzie am 17 Juni 2008, 02:14:02
Funktioniert aber nicht, dafür bist du zu bourgeois.   :pidu:
Hehe, Wolf im Schafspelz... :icon_twisted:

Zitat von: McKenzie am 17 Juni 2008, 02:14:02
oder ob er eine persönliche Rezeption bevorzugt, die immer auf Augenhöhe mit dem Film und seinen Absichten bleibt.
Interessant, hinter der Bezeichnung "persönliche Rezeption" (weil du das vor ein paar Wochen auch mal kurz ins Spiel brachtest) hätte ich etwas anderes vermutet. Aber das würde hier zu ausführlich werden. Genauso das Thema der "Absichten" des Films...

Zitat von: McKenzie am 17 Juni 2008, 02:14:02
(Feingeistig auf französisch) Je suis prétentieux - (prollig im imaginären amerikanischen Slang) And I'm proud of it!
:respekt: :rofl:

Zitat von: McKenzie am 17 Juni 2008, 02:14:02
Übrigens bist du gewiss ein großer Fan von Ivo Ritzer, oder?
Nein, überhaupt nicht, wie kommst du darauf? Ich schätze es vor allem, wenn versucht wird, komplizierte Dinge in einfachen Worten auszudrücken, bei Ritzer ist es ja eher umgekehrt, da wird vieles auf geradezu grotesk überzogene Weise unnötig verklausuliert. Das ist jedenfalls mein Eindruck.

So, jetzt habe ich es hier auch mal zu einem Monsterposting gebracht.  :icon_mrgreen:

McKenzie

Zitat von: Hedning am 17 Juni 2008, 15:31:34
The Diabolical Dr. Z kenne ich noch nicht, aber aufgrund der Beschreibungen wässert mein Mund bereits danach.

Den muss man als Liebhaber von 60iger B-Horror / Crime gesehen haben, grandios. Von den mir bekannten Schwarzweiß-Filmen Francos sicherlich der surrealistischste und bizarrste. Vielleicht bin ich mit dem Dreyer-Vergleich zu voreilig gewesen, ich kenne von ihm bisher nur "Michael", finde den aber ganz groß und visuell aufgrund seiner Strenge und Modernität nachhaltig beeindruckend. Jedenfalls ist Francos Konglomerat aus nostalgischer Stummfilmäshtetik und 60ies-Ambiente sehr, sehr interessant. (Übrigens hat Franco das Drehbuch hier - es ist mir nach wie vor unbegreiflich wie es zu dieser bizarren Konstellation kommen konnte - gemeinsam mit Jean-Claude Carrierè geschrieben. DEM Jean-Claude Carrierè, der sonst regelmäßig mit Bunuel, Godard, Schlöndorff und Fleischmann über dem Schreibtisch hing, bzw. hängt).

Zitat von: Hedning am 17 Juni 2008, 15:31:34
Sicher sind die meisten Dietrich-Coproduktionen eher leicht debile Softsex-Klamotten, aber die portugiesische Nonne und Jack the Ripper stechen da m. E. allein schon wegen der guten Besetzungen mit Kinski, Herbert Fux, William Berger u. a. und der sehr atmosphärischen Drehorte hervor.

Nun ja... ich finde nicht, dass die etwas reißen können (abgesehen natürlich von Herbert Fux, der einfach GOTT ist - kennst du Geißel des Fleisches?), Kinski spielt in "Jack the Ripper" so lustlos, dass es einem wirklich vergehen kann. Jack the Ripper - das hätte für ihn eine DER Rollen schlechthin sein können. Vor allem dieser Film machte auf mich den Eindruck eines britischen TV-Krimis.

Zitat von: Hedning am 17 Juni 2008, 15:31:34
Zudem bin ich ein Fan der Filmmusik von Walter Baumgartner, auch wenn es meistens dasselbe Stück in den verschiedensten Arrangements ist :icon_mrgreen:

Unglaublich, das würde ihn sicherlich freuen.  :icon_mrgreen: Ja, der Mann ist schon sehr... bequem. Besonders schlimm in "Der Würger vom Tower" und "Der Ruf der blonden Göttin", die gehört mit zu den bodenlosesten "Leistungen" die ein "Filmkomponist" je erbracht hat.

Aber gerade hier muss ich doch anmerken: Baumgartner verliert als Franco-Komponist himmelhoch gegen Bruno Nicolai und Hübler / Schwab.

Zitat von: Hedning am 17 Juni 2008, 15:31:34
Es ist schon eine seltsame Sache, wenn ein Regisseur wiederholt in Interviews erzählt, dass er alles nur für das liebe Geld gemacht hat, statt seine Filme als revolutionäre Kunstwerke zu verklären. Für mich ist das eher eine Geste der Bescheidenheit, als eine künstlerische Bankrotterklärung.

Es geht mir nicht darum, ob sich ein Regisseur als Künstler sieht und auch nicht darum, ob er bewusst Ambitionen hat (du solltest meinen Geschmack doch kennen!  ;)), ich finde es z. B. sogar eher anziehend wenn ein Regisseur wie Louis Malle sich von seinen Kollegen und Freunden wie Godard, Truffaut und Rivette dadurch abgrenzt, dass er sich als "anspruchsvoller Handwerker" bezeichnet.

Aber wenn das Nichtvorhandensein jeglicher persönlicher Motivationen, die über profanes Kalkül hinausgehen, so bemerkbar macht wie bei D'Amato - und auf mich wirken die meisten seiner Filme schlicht UNINSPIRIERT, d. h. beliebig, austauschbar, uninteressant, bieder - dann kann man diese "Keule" schon auspacken.

Kurz: Er darf schon dem schnöden Mammon verpflichtet sein, nur darf man das seinen Filmen dann nicht auf diese Art und Weise anmerken. John Ford beispielsweise war auch ein reiner Handwerker und auch ein Stück weit Auftragsarbeiter, man merkt seinen Filmen aber doch eine eigene Handschrift und eine gewisse Freude, Begeisterung an. Meistens jedenfalls.

Zitat von: Hedning am 17 Juni 2008, 15:31:34
Denn die drei genannten Filme sind m. E. bemerkenswerte nihilistische Auseinandersetzungen mit Angst und Wahnsinn.

Abbildungen dessen sind sie wohl, aber Auseinandersetzungen? Ich weiß ja nicht...  ;)

Zitat von: Hedning am 17 Juni 2008, 15:31:34
Deine Signatur verrät, dass dich die "dritte Mutter" doch mehr beeindruckt hat, als du zugeben willst - sehe ich das richtig? ;)

Ich habe den Film inzwischen noch einmal gesehen, allerdings auf YouTube auf Italienisch mit spanischen Untertiteln  :icon_lol:, und irgendwie mochte ich ihn etwas mehr, für eine Aufwertung auf 3/10 reicht es aber nicht, er ist und bleibt einfach bodenlos schlecht. Aber diese Einstellung in meiner Signatur, die liebe ich über alles wie die vorangegangene Sequenz mit dem "Kindsmord" überhaupt einen der besten, Argentoeskesten Momente des Films darstellt.
Nein, der Film IST mies, aber er ist zumindest interessant. "The Card Player" war z. B. nicht mies, dafür aber relativ uninteressant.
ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

McKenzie

Zitat von: Mr. Vincent Vega am 17 Juni 2008, 21:30:54
Der BODY DOUBLE nämlich, den ich kenne, ist eine unsäglich langweilige, aus griffbereiten Versatzstücken von VERTIGO über REAR WINDOW zusammen gemixte, anzügliche, vulgäre, plumpe Nummernrevue im Eighties-Gewand, deren narrative Konstruktion ebenso schlicht wie schlecht, vorhersehbar (im Titel bereits verraten!) wie langweilig ist, und die ihren aufgesetzten, wahllos eingestreuten Porno- und Filmszene-Hintergrund nur für die De Palma-üblichen Chauvi-Strapsen-Männer-Fantasien ausbeutet. Das alles gipfelt in einer selten dämlichen, unendlich langen, aber deshalb keineswegs virtuosen Verfolgungsjagd, deren ostentatives Handwerk sich im Leben nicht mit dem völlig nichtigen Inhalt deckt. Hilfe, was ist das für ein banaler Haufen Käse, den De Palma da immer bis auf wenige Ausnahmen* verzapft.

Was willst du trinken? Bionade hätte ich greifbar.  :icon_mrgreen: Ich kenne "Body Double" noch nicht aber deine Beschreibung deckt sich weitgehend mit meiner Meinung zu De Palma, nur das ich ihn für keinen Chauvi halte (auch wenn das naheliegend wäre - aber wenn so etwas naheliegend ist, greifst du ja meist auch sofort zu).

Zitat von: Mr. Hankey am 17 Juni 2008, 21:34:33
Du siehst bei Brian De Palma-Filmen fast grundsätzlich andere Filme, als die Anderen. Anders sind Deine Meinungen zu seinen Werken mitunter kaum zu erklären. (sieht man vielleicht mal von etwaigem Realitäts-Verlust ab

Ich würde eher sagen, bei De Palma setzt bei den meisten anderen Leuten automatisch ein Realitäts-Verlust ein, wenn sie die schicken Bilder sehen, den tollen Suspense spüren, die scharfen Chicks und die blutigen Morde.

Merke, Hankey: Unterhaltungswert ist nicht gleich Qualität.  ;)

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
So, jetzt habe ich es hier auch mal zu einem Monsterposting gebracht.  :icon_mrgreen:

Willkommen im Club, möge deine Mitgliedschaft lange währen.  :pidu:

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
Was denn auch sonst? Jeder sieht doch seinen eigenen Film, immer. :icon_smile:

Darauf hoch die Tassen. Es gibt trotzdem Gut und Böse, richtig und falsch.  :icon_twisted: Die Moral ist der ewige Verfolger des jugendlichen Freigeistes, jaja.

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
Um gleich mal auf deine Verwunderung einzugehen: der Knackpunkt scheint mir da wie offenbar häufiger, dass wir eine andere Auslegung bzw. Anwendung bestimmter Wörter praktizieren.

Offensichtlich. Die deutsche Sprache ist viel zu schön, um so stocksteif gebraucht zu werden, wir wollen uns doch nicht mit den bourgeoisen Germanisten (Hedning hat das jetzt überhört) verbrüdern, oder?  :icon_lol:

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
Was du oben darüber schreibst, was für dich Kino ausmacht – das würde ich sofort unterschreiben.

Hätte mich auch schwer gewundert (und enttäuscht).

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
der Punkt ist: insofern erwarte ich auch einfach, dass sie mich überraschen, mich mit unbekanntem konfrontierten, und weil es erwarte, bin ich nicht überrascht, wenn ich von ihnen "überrascht" werde.

:00000109:

Ach so:

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
LOL, klingt ziemlich unsinnig, ich weiß...

Je pense bien.

Ich verstehe zwar, worauf die hinaus willst, allerdings ist dieser Gedankengang doch sehr - tut mir leid, es schon wieder sagen zu müssen, aber mir fällt kein passenderes Wort ein - prätentiös. Es geht nicht um die Überraschung über die Überraschung. Außerdem wirkt dieser Ansatz auf mich reichlich verkopft, so weit denke ich vielleicht in der Distanz aber doch nicht in direktem Zusammenhang mit der Rezeption eines Films. Übrigens verstehe ich jetzt noch weniger, warum du "Traumstadt" nur mittelmäßig fandest, gerade dieser Film, von dem du sicherlich Überraschungen erwartet hast, sollte durch unerwartete Überraschungen gegen die Erwartungshaltung angesteuert haben.  :icon_lol:
Abgesehen davon überraschen mich zahlreiche von mir besonders geschätzte (teilweise auch deswegen besonders geschätzte Filme) immer wieder aus neue und anders. Bisher hat mich z. B. fast jeder Argento überrascht und doch habe ich im Rahmen meiner aktuellen Wiederauffrischungs-Reihe einige Überraschungen mit seinen Filmen erlebt, die gegen meine eigene Überraschungs-Erwartungshaltung verstoßen, kurz: Ich bin von Aspekten überrascht worden, die ich trotz guter Kenntnis der Filme (ich habe eigentlich fast jeden Argento mindestens viermal gesehen) nie für möglich gehalten hätte. Argento, der ambitionierte Genrefilmer stirbt immer weiter ab, Argento, der falsch eingeschätzte Philosoph und Autorenfilmer wächst immer weiter.

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
Was ich damit implizit im Grunde nur sagen wollte: De Palma überrascht mich in diesem Sinne sehr wohl, und das mit fast allen seinen Filmen.

Donnerwetter, das ist eine "Leistung". Vielleicht bin ich auch schon zu abgestumpft und du sensibler.  :rofl:

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
Man mag ihm oberflächlich einen bestimmten Stil oder meinetwegen eine bestimmte Masche vorwerfen, aber genau das kann man bei Argento, Antonioni oder Leone eben auch, unter einem gewissen Blickwinkel bekommt man da meistens schon, was man sich erwarten kann, aber eben auch viel mehr und etwas ganz anderes – je nach dem, auf welcher Ebene man sich bewegt.

De Palmas Filme haben nichts persönliches oder intimes an sich, damit sind sie für mich vornherein weit uninteressanter. Es sei denn, man wil das aktive Ausleben cineastischer Vorlieben (Huu, das klingt ja schon fast pervers - wie schön...) als persönlich ausweisen, als selbstreflexiv.

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
Eine gute Gelegenheit, mal wieder darauf hinzuweisen, dass es da kein "falsch" und kein "richtig" gibt. Höchstens für den Einzelnen. :icon_smile: (Jaja, meine penetrante Differenzierungswut, ich weiß...)

Doch. Es gibt Himmel und Hölle, De Palma wird aber aufgrund seiner Uneigenständigkeit ewig im Fegefeuer brutzeln.

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
Angesichts deiner Position zu De Palma und zu Gangsterfilmen bin ich allerdings sehr skeptisch, ob es dir auch so gehen wird, weswegen ich dir da gar nicht erst etwas versprechen will, was du dann vielleicht nicht im Film finden wirst (jeder ist sein eigener Schatzgräber [jaja, im Grunde eine Binsenweisheit]).

Ist auch besser, so besteht kein Risiko, vielleicht doch den kleinen Trotzkopf in mir zu wecken. Auch wenn ich, anders als unsere beiden ehrwürdigen Chef-Prätendenten oder Mr. Vincent Vega keinen Drang verspüre, dauernd der verbreiteten Meinung gegensteuern zu müssen.

Übrigens lasse ich hier gerade den Trailer zu "Matalo" (danke für den Reminder) auf Hochtouren laufen wegen der knorken Musik, den müssen wir sehr, sehr bald ansehen (ebenso wie "Heaven's Gate", aber das wird in diesem Leben vermutlich nichts mehr).

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
Und notfalls funktioniert er eben auch als Genrekino prächtig, ein Wert, den man nicht unterschätzen sollte, wie ich finde.

Keinesfalls. Als einfaches, unterhaltsames und formal hochwertiges (aber natürlich uneigenständiges) Genre-Kino funktioniert De Palma eigentlich immer, ich habe mich bisher bei keinem seiner Filme gelangweiltm (soll heißen, interessant war es immer, du kennst ja meine Abneigung gegen die Wörter "Unterhaltung" und "Langeweile"). Ist eben Hochglanz-Exploitation und unter diesem Gesichtspunkt ist er "schon okay".  :icon_lol: Aber ihn derart zu prätentieren und auf eine höhere künstlerische Ebene zu hieven, das geht zu weit. VIEL zu weit.

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
Naja, gerade weil du so gern gegen Kritiker und Filmwissenschaftler wetterst (was mir in dieser verbissenen, hasserfüllten Drastik schon etwas befremdlich erscheint, ähnlich wie die Tiraden gegen bestimmte Filmemacher; etwas mehr Entspanntheit würde da sicher nicht schaden :andy:  ;)), bin ich davon ausgegangen, das du dich auch darauf bezogen hast.

Der durschnittliche Cineast (wir sind überdurchschnittlich, oder etwa nicht?  :king:) ist mir auch eher suspekt, von daher...

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
(was mir in dieser verbissenen, hasserfüllten Drastik schon etwas befremdlich erscheint, ähnlich wie die Tiraden gegen bestimmte Filmemacher; etwas mehr Entspanntheit würde da sicher nicht schaden :andy:  ;))

Je kleiner der Pöbel ist, der gegen die Diktatur wettert, desto lauter muss er schreien.

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
Und der "Cineasten-Kanon" ist ja nun auch etwas ziemlich schwammig-ominöses, oder? Frag mal im foreignfilms-Forum, was die von SCARFACE halten, die Meinungen dürften nicht allzu euphorisch ausfallen... ;)

Glaube ich nicht, inzwischen hat De Palma auch unter den sog. "seriösen" Cineasten genug Seelen gefangen um als anerkannt zu gelten. Ein schrecklicher Irrtum. wpqx ist sicherlich ein riesiger De Palma-Fan. Und "Redacted", höchstwahrscheinlich einer der unsäglichsten Mist-Filme, die De Palma je produziert hat (sobald der bei uns erscheint, muss er gesichtet und verrissen werden, versteht sich von selbst), erntet in gewissen Kreisen überschwänglich Lob, unfassbar.

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
Und ich finde ja auch, dass die Version von De Palma dem (freilich auch sehr tollen) Original von Hawks überlegen ist...

Natürlich, das Original ist ja auch nur schwarzweiß, Vollbild, läuft gerade mal 90 Minuten und hat statt Al Pacino "nur" Paul Muni.  :icon_twisted: :pidu:

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
Also als Fan von Bogdanovich oder Herzog würde ich mich jetzt nicht unbedingt bezeichnen.

Mir fällt ein Stein von meinem kalten Herz. Trotzdem verteidigst du sie zu oft. Nicht das die beiden schlechte Regisseure wären, sie sind nur haushoch ÜBERSCHÄTZT.

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
Und da habe ich, nicht ganz so schlimm wie bei "prätentiös", aber doch ein ähnliches Problem mit dem Wort "überschätzt", weil es implizit den Anhängern eines Films oder Filmemachers die Legitimation ihrer Anhängerschaft abzusprechen versucht oder für nicht ernstzunehmend erklärt.

Nicht zwangsläufig. Man ärgert sich eher darüber, das die Anhänger eines gewissen Films oder eines gewissen Filmemachers ihre Energie an etwas belangloses oder eher sekundäres verschwenden und einen schief angucken, wenn man es wagt, an ihrer Statue zu kratzen. Man kann es hier doch sehr schön beobachten, auch nur ein Wort gegen "Pulp Fiction" - und der Teufel ist los.

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
Ist aber ein kompliziertes Thema, können wir uns bei besserer Gelegenheit noch mal drüber unterhalten.

:respekt:
:andy: :icon_mrgreen:

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
David Locke

:icon_eek: :love:

Okay, Dave - oder Locke.  :LOL:

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
Ok, kann ich nachvollziehen. Das mit ZOMBIES UNTER KANNIBALEN übrigens auch, den würde ich auch eindeutig höher als BLACK DAHLIA bewerten (weil er noch auf eine weitaus offenherzigere, brachialere Weise misslungen ist – ja, so paradox ist das manchmal :D).

Ein Kannibalen-Insel-Film von De Palma wäre doch übrigens mal knorke, wie fänden wir denn das?  :love:

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
Tja, schon wieder so eine Unterstellung... man findet doch (im Normalfall zumindest) etwas nicht nur deshalb gut, weil es chic ist, das gut zu finden, sondern weil es einem tatsächlich gefällt.

Du hast mich nicht verstanden. Das ist in diesem Fall kein bewusster Entschluss, einer Strömung zu folgen sondern eine Art Phänomen - Cineasten stehen auf Filme, in denen sie Zitate, Anspielungen und Abstrahierungen suchen und finden können und somit kleine, pr*******se Gedankenspiele spielen und filmhistorische Rückschlüsse (ach, wie überflüssig) ziehen können. Ich schätze (ohne ihn gesehen zu haben aber anderes von Tornatore zu kennen) das "Cinema Paradiso" gar kein besonderer oder außergewöhnlicher Film ist, er ist deswegen eine heilige Kuh, weil es eine Liebeserklärung ans Kino ist. Tarantino genießt alleine deswegen unter Kritikern einen so guten Ruf. Godard sowieso. Die Liste ist endlos. Woher kommt das?
"Gerade weil ich BLOW UP inzwischen kenne"... Du kannst dann eben tolle Parallelen ziehen, die Regisseure miteinander vergleichen, den Wandel des Zeitgeistes, etc. - nicht wahr?  ;)

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
Das lässt sich jetzt - zumindest von meiner Seite - nicht in ein paar schnöde Worte pressen.

Argument akzeptiert. Aber ich harre der Dinge, nicht einmal unsere beiden konnten es mir glaubhaft erklären zumal sie dann auch noch die irrsinnige Behauptung aufstellten, De Palmas Filme seien komplexer als Argentos, zu denen sie sich sehr ähnlich verhalten würden (De Palma frisst Argento pausenlos aus der Hand, aber egal...).

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
vielleicht ergibt sich ja die Gelegenheit, wenn wir dann demnächst mal gemeinsam einen seiner Filme sehen... :icon_razz:

Lieber nicht, die blinde Schwärmerei unserer beiden über De Palma
("Alles was er anfasst, wird zu Gold!"  :eek: :wallbash: :kotz:)
hat eine extrem abschreckende Wirkung auf mich. Mit dir vielleicht, aber mit den beiden... Die müssen erst einmal "SS Hell Camp" über sich ergehen lassen, davor gibt es keine De Palma-Zuckerlis.

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
Tja, du bist es doch, der immer darauf zurück kommt bzw. durch entsprechende Äußerungen ein "Hick-Hack" provoziert.  ;)

Alles eine Sache der Perspektive. Das stimmt vielleicht bezüglich "Oldboy", dessen übertriebene Verehrung ich dir gerne austreiben würde, aber bei De Palma, da herrscht doch Frontengleichheit.  :icon_twisted:

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
Hehe, Wolf im Schafspelz... :icon_twisted:

Oder Pinguin beim Schlammcatchen.  :D

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
Interessant, hinter der Bezeichnung "persönliche Rezeption" (weil du das vor ein paar Wochen auch mal kurz ins Spiel brachtest) hätte ich etwas anderes vermutet.

Und was? Gut, vielleicht sehen wir uns ja morgen Abend. Bin schon gespannt, ob dir "Paranoid Park" (da wird noch ein ernstes Wörtchen mit einer gewissen Berliner Pappnase geredet werden) auch so gut gefällt. Er ist nämlich durchaus schwierig.

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
Nein, überhaupt nicht, wie kommst du darauf?

Er ist vermutlich der größte Virtuose in der Wissenschaft der Prätentierung von Action-Filmen.  :icon_twisted:

Zitat von: Travis am 18 Juni 2008, 00:54:54
bei Ritzer ist es ja eher umgekehrt, da wird vieles auf geradezu grotesk überzogene Weise unnötig verklausuliert. Das ist jedenfalls mein Eindruck.

Meiner auch.
ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

Hedning

18 Juni 2008, 14:59:03 #684 Letzte Bearbeitung: 19 Juni 2008, 10:29:30 von Hedning
Zitat von: McKenzie am 18 Juni 2008, 04:11:47
Zitat von: Hedning am 17 Juni 2008, 15:31:34
Sicher sind die meisten Dietrich-Coproduktionen eher leicht debile Softsex-Klamotten, aber die portugiesische Nonne und Jack the Ripper stechen da m. E. allein schon wegen der guten Besetzungen mit Kinski, Herbert Fux, William Berger u. a. und der sehr atmosphärischen Drehorte hervor.

Nun ja... ich finde nicht, dass die etwas reißen können (abgesehen natürlich von Herbert Fux, der einfach GOTT ist - kennst du Geißel des Fleisches?)

Leider nein, da scheint man ja auch nicht ohne weiteres ranzukommen. Schade, schade.

ZitatKinski spielt in "Jack the Ripper" so lustlos, dass es einem wirklich vergehen kann. Jack the Ripper - das hätte für ihn eine DER Rollen schlechthin sein können.

Da muss ich dir schon recht geben. Das ist eine ziemlich gelangweilte Darbietung. Aber Kinski stellt für mich ehrlich gesagt eine Art Selbstwert dar ;)

Zitat
Zitat von: Hedning am 17 Juni 2008, 15:31:34
Zudem bin ich ein Fan der Filmmusik von Walter Baumgartner, auch wenn es meistens dasselbe Stück in den verschiedensten Arrangements ist :icon_mrgreen:

Unglaublich, das würde ihn sicherlich freuen.  :icon_mrgreen: Ja, der Mann ist schon sehr... bequem. Besonders schlimm in "Der Würger vom Tower" und "Der Ruf der blonden Göttin", die gehört mit zu den bodenlosesten "Leistungen" die ein "Filmkomponist" je erbracht hat.

Aber gerade hier muss ich doch anmerken: Baumgartner verliert als Franco-Komponist himmelhoch gegen Bruno Nicolai und Hübler / Schwab.

Nicolai ist sicher ein ganz anderes Kaliber. Hübler/Schwab habe ich gerade nicht im Ohr. Haben die nur Vampyros Lesbos vertont oder noch andere Francos? Baumgartner macht einige Dietrich-Produktionen erst genießbar, indem er zu eher langweiligen Postkartenaufnahmen z. B. eine einsame verträumte Solo-Flöte spielen lässt. Der Mann konnte schon was.

Zitat
Zitat von: Hedning am 17 Juni 2008, 15:31:34
Es ist schon eine seltsame Sache, wenn ein Regisseur wiederholt in Interviews erzählt, dass er alles nur für das liebe Geld gemacht hat, statt seine Filme als revolutionäre Kunstwerke zu verklären. Für mich ist das eher eine Geste der Bescheidenheit, als eine künstlerische Bankrotterklärung.

Es geht mir nicht darum, ob sich ein Regisseur als Künstler sieht und auch nicht darum, ob er bewusst Ambitionen hat (du solltest meinen Geschmack doch kennen!  ;)), ich finde es z. B. sogar eher anziehend wenn ein Regisseur wie Louis Malle sich von seinen Kollegen und Freunden wie Godard, Truffaut und Rivette dadurch abgrenzt, dass er sich als "anspruchsvoller Handwerker" bezeichnet.

Aber wenn das Nichtvorhandensein jeglicher persönlicher Motivationen, die über profanes Kalkül hinausgehen, so bemerkbar macht wie bei D'Amato - und auf mich wirken die meisten seiner Filme schlicht UNINSPIRIERT, d. h. beliebig, austauschbar, uninteressant, bieder

Die meisten (Laura-Gemser-Vehikel usw.) schon, aber die drei genannten Filme haben einen sehr eigentümlichen, wirklich bösen Zug an sich - ich kann das aufgrund von Zeitmangel leider gerade nicht weiter ausführen. Hole ich noch nach. 
EDITH
Z. B. Das Schlussbild von Rosso Sangue (Das kleine Mädchen mit dem abgetrennten Kopf von George Eastman in der Hand) Ist das lediglich eine weitere "kommerzträchtige" Brutalität oder ein Sinnbild dafür, dass Gewalt immer auch die Unschuldigen mit erfasst und Unschuld unmöglich wird, wenn man im Angesicht der Gewalt zu überleben versucht? Ansonsten gilt für Sangue und Buio Omega auch teilweise ähnliches, was ich über die "Atmosphäre" von Anthropophagus oben in meinem Selbstzitat auszudrücken versucht habe.

Mr. Hankey

18 Juni 2008, 19:23:09 #685 Letzte Bearbeitung: 18 Juni 2008, 19:26:50 von Mr. Hankey
ZitatIch würde eher sagen, bei De Palma setzt bei den meisten anderen Leuten automatisch ein Realitäts-Verlust ein, wenn sie die schicken Bilder sehen, den tollen Suspense spüren, die scharfen Chicks und die blutigen Morde.

Merke, Hankey: Unterhaltungswert ist nicht gleich Qualität.
Nein, der Realitätsverlust liegt bei euch. Punkt, aus, Ende! Zumal ein Hollywood-Hasser da eh nicht objektiv bleiben kann. :icon_mrgreen:

Und deine Einschätzung was Unterhaltung und was Qualität ist, deckt sich alles in allem eh nicht mit meinen Ansichten. Von daher lassen wir das lieber! ;)
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Adam Kesher

Zitat von: Travis am 16 Juni 2008, 04:23:11Und wie ich zufällig gerade festgestellt habe, hat Adam Kesher vorhin eine sehr treffende Kritik zum nicht sonderlich beliebten "Der Tod kommt zweimal" online gestellt, womöglich ist das gar der Auftakt zu einer kleinen De Palma-Reviewserie seinerseits, was ich natürlich sehr begrüßen würde. :D

Dankeschön! Freut mich, dass die Besprechung dir gefallen hat. Eine kleine De-Palma-Reihe würde mich schon sehr reizen; nur fürchte ich, mich gerade an seinen großen Werken doch ein bisschen zu verheben. Aber die Besprechung von ,,Der Tod kommt zweimal" war bestimmt nicht mein letzter Ausflug in seine Gefilde.

Zitat von: Bretzelburger am 16 Juni 2008, 12:24:40Adam Kesher`s Review zu "Der Tod kommt zweimal" hat mich nicht überzeugt, weil diese in Kurzform nur so vor Attributen strotzt, ohne diese weiter auszuführen oder am Objekt zu begründen. Dabei finde ich seine Einschätzungen keineswegs falsch, aber ich hätte gerne mehr dazu gewusst. So ist mir der Gedanke "Ein formvollendeter Thriller nach italienischem Vorbild" neu, so dass ich ihn gerne im Detail begründet gelesen hätte.

Der Einwand ist natürlich vollkommen berechtigt. Ohne jetzt zu weit vom Thema wegführen zu wollen, nur kurz soviel zu dem, was ich in ,,Der Tod kommt zweimal" als italienisch wahrnehme: Der Film spielt in einem mondänen, aber brüchigen Umfeld, denkt Gewalt und Sexualität als untrennbares Knäuel zusammen und bedient sich einer blendenden Stilpracht, die die Welt als modisches Tollhaus ohne verlässliche Spielregeln erscheinen lässt. Wichtige Nebenrollen spielen absurder Humor, phallische Mordwerkzeuge (ein Schlagbohrer!) und tiefenpsychologische Versatzstücke, die zugleich verführerisch naheliegend und lächerlich vereinfachend erscheinen. Unmittelbare Einstellungs- oder Sequenzzitate wie in anderen De-Palma-Filmen sind mir zwar nicht aufgefallen; aber die reizende Gloria Revelle könnte sich in ,,Tenebrae" gleich noch einmal ermorden lassen, ohne dass sie ihr exaltiertes Gebaren, ihr strahlend weißes Kostüm oder auch nur ihre Frisur ändern müsste.

Zitat von: McKenzie am 17 Juni 2008, 02:12:05Im Prinzip hat Adam Kesher das unperfekte und mangelhafte Prinzip der Filmdienst-Kurzkritiken perfektioniert. Im guten wie im schlechten. Ich bin, wie schon oft erwähnt, ein Fan. Trotzdem: Manchmal bin ich ein wenig skeptisch bezüglich dieser Form und ihrer teilweise auch ominösen Möglichkeiten.

So wie du hier von meinen Texten sprichst, klingt das so erfrischend gaunerhaft, dass ich beinahe versucht bin, mir den kritischen Unterton als Gerissenheit auszulegen.

Zitat von: Mr. Vincent Vega am 17 Juni 2008, 21:30:54Ich dachte ja, das Kesher-Review zu BODY DOUBLE sei ein guter Witz, sollte ich mich da geirrt haben?

Wenn du an deinem Einschätzungsvermögen zweifelst, weil du meine Besprechung für einen Witz gehalten hast, dann haben wir es wohl mit einem unlösbaren Dilemma zu tun, denn bekanntermaßen irrst du nie und ich mache grundsätzlich keine Witze.

Zu De Palma: Ich schätze sein inszenatorisches Händchen und seine Spielfreude, wie er durch das bloße Hantieren mit künstlerischen Versatzstücken, die ihn beeindruckt haben, einen originellen, aufschlussreichen und vielschichtigen Blick auf die Welt gewährt. Ich finde auch, dass seine Filme ihre Klugheit eher verbergen, als dass sie mit ihr hausieren gehen, sodass das Publikum weder Hitchcock- noch Giallo-Kenner oder -Liebhaber sein muss, um sie genießen zu können, und obendrein frei bleibt, sie auch straflos blöd finden zu können. Jenseits seiner Zitierfreude beeindruckt mich De Palma auch durch seine Eigenleistungen, allen voran seinem Spiel mit Film-im-Film-Elementen, das ich selten so raffiniert und zugleich unaufdringlich gesehen habe wie bei ihm. Wie da in ,,Blow out – Der Tod löscht alle Spuren" der effektvolle Schrei aus dem Tonstudio zum Bewusstmacher einer grausamen Realität wird oder in ,,Der Tod kommt zweimal" die Hauptfigur stolz von ihrer Idee mit dem Spiegel berichtet, in dem sich kurz zuvor noch das Filmteam verraten hat – das finde ich schon gerissen, ohne dass es mir je selbstdarstellerisch vorkommen würde.

Bei Tarantino ergeht es mir genau umgekehrt: Hier werde ich das Gefühl nicht los, dass jede Einstellung um die Gunst der Schlaumeier buhlt, unablässig darum bettelt, als klug ersonnenes Doppelspiel erkannt und gelobt zu werden, wie hier überhaupt jede Geschichte nur den Zweck zu erfüllen scheint, die Versiertheit des Regisseurs herauszukehren und seinen Anhängern das Gefühl zu geben, Teil einer eingeschworenen, filmerfahrenen, subversiven Kinobewegung zu sein. Da beschleicht mich schon das unangenehme Gefühl, dass der Macher sich wichtiger nimmt als sein Werk, dass die Instrumente des filmischen Erzählens zur Ego-Pflege missbraucht werden und obendrein auch noch als Druckmittel gegen die Skeptiker eingesetzt werden, denn es wird dem Publikum leicht gemacht, die Filme ohne Kenntnis der Vorbilder zu lieben, aber sehr schwer, sie ohne Kenntnis der Vorbilder zu kritisieren. Während sich De Palmas Filme über ihre Vorbilder einen Ausdruck verschaffen, scheinen mir Tarantinos Filme bloß Eindruck schinden zu wollen.

Mr. Vincent Vega

Zitat von: Adam Kesher am 23 Juni 2008, 14:42:13
Wenn du an deinem Einschätzungsvermögen zweifelst, weil du meine Besprechung für einen Witz gehalten hast, dann haben wir es wohl mit einem unlösbaren Dilemma zu tun, denn bekanntermaßen irrst du nie und ich mache grundsätzlich keine Witze.

Natürlich irre ich, sogar sehr ausfallend, und ich bin mir völlig bewusst, dass ich bei De Palma mit einem vorschnellen Abwisch viele hübsche Details gar nicht erst zur Kenntnis nehme (so eine beschriebene Spiegel-Nummer beispielsweise), aber ich bin ein stückweit auch gar nicht dazu bereit, mich von Regisseuren veräppeln zu lassen, die dauerhaft über ihr Publikum hinweg inszenieren. De Palma ist da ebenso wie Shyamalan jemand, der ganz eindeutig darum bemüht ist, an die technische Virtuosität und Raffinesse diverser Vorbilder, allen voran Hitchcock, anzuknüpfen, nur dass er sein Regiehandwerk dabei a) ausstellt und Aufmerksamkeit erhaschend einsetzt, b) fast keinerlei für mich erkennbare Ironie erkennen lässt, und c) den Zuschauer nie wirklich involviert, zum Komplizen macht oder raffiniert, will heißen: augenzwinkernd, miteinbezieht. Ferner käme ich deshalb nicht auf die Idee, solch große Lobgesänge auf De Palma einzustimmen wie bsp. du in deinem BODY DOUBLE-Mini-Review, weil mir seine Plakativität, Obszönität und starke erzählerische Vorhersehbarkeit gegen den Strich gehen. Derlei Befangenheit führt also zweifellos zu diversen Irrungen und Wirrungen, ebenso zweifellos sicherlich, wie du auch witzig sein kannst.

Mr. Hankey

Review-Wunsch meinerseits: "All the Boys love Mandy Lane"!

Habe gerade gesehen, dass du ihm 8 Punkte gegeben hast und mich daher gerade frage ob es "echte" 8 Punkte sind (was mir persönlich besser gefallen würde :D) oder trashige 8 Punkte! Bei Dir weiss man da ja nie! ;)
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McKenzie

27 Juni 2008, 21:47:51 #689 Letzte Bearbeitung: 27 Juni 2008, 21:53:01 von McKenzie
Ehrliche 8. Als ich in Gérardmer für den Film anstand, hätte ich mir nicht träumen lassen dass er a) als ernsthafter Film mit ernsthaften Qualitäten überzeugt und b) besser ist als der neue Argento, den ich leider am Tag darauf sehen "musste".
Die überaus schlechten Bewertungen anderer OFDb-User von Format wie Moonshade oder vodkamartini sind auf ein nicht verstehen des Filmes und seiner Meta-Level zurückzuführen.  :icon_twisted:

Da dass aber schon fast 5 Monate her ist wird es so schnell nix geben, mit deutscher Plastikstimmchen-Pornosynchro tue ich mir diesen im Original wunderbaren Film bestimmt nicht an (jetzt ist sowieso erstmal "The Happening" dran  :icon_twisted:, von Slashern habe ich nach "Prom Night"  :wallbash: erstmal wieder genug).

Abgesehen davon: Wie kannst du dir von mir noch ernstlich ein Review wünschen, merkst du nicht, das die Produktion eingestellt wurde?  :icon_lol: :wallbash: :wallbash: :wallbash: :bawling:

PS: Liest du die "Splatting Image", Hankey?
ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

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