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WAS-IST-EIN-KLASSIKER-?-THREAD (*)

Begonnen von pm.diebelshausen, 17 Februar 2009, 08:57:53

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pm.diebelshausen

17 Februar 2009, 08:57:53 Letzte Bearbeitung: 17 Februar 2009, 08:59:31 von pm.diebelshausen
Ich habe mal die Sternchen-Sache im Titel übernommen, obwohl sie mir etwas blöd elitär vorkommt, aber so sieht man immerhin gleich, was ein Klassiker-Thread ist.

Hier soll es um einige grundsätzliche Fragen gehen, die mir gar nicht mal besonders gefallen, weil ihre Beantwortungen ein Schubladendenken fördern. Ich liste sie aber mal auf, ohne Anspruch auf Vollständigkeit natürlich:

- Was ist eigentlich ein "Klassiker"?
- Wer entscheidet darüber, welcher Film ein Klassiker ist, mit anderen Worten: wie und wo wird der Klassikerkanon gebildet?
- Wie wird ein zunächst "normaler" Film zu einem "Klassiker"?
- Kann ein Klassiker seinen Nimbus wieder verlieren und zu irgendeinem Film der Filmgeschichte werden?
- Brauchen wir die Bezeichnung "Klassiker", bzw. die Einordnung von gewissen Filmen in diese Kathegorie?
- Gibt es Gründe, warum man einen Klassiker gesehen haben sollte, auch wenn man sich z.B. ausschließlich für aktuelle Filme interessiert?


Weitere Fragen zu diesem seltsamen, genreunabhängigen Begriff sind selbstverständlich begrüßenswert. Aber wir sollten hier nicht zu sehr in Einzelfalldiskussionen darüber abdriften, ob der eine oder andere Film nun ein Klassiker ist, oder nicht. In geringem Umfang wird das nicht unvermeidbar sein, dennoch soll es mehr um eine Diskussion über die Kriterien gehen. Für die jeweiligen Filme können ja nach Belieben eigene Threads geöffnet werden.

Haut rein! Patsch.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

Seemops

Ich denke, eines der wirklich wichtigsten Kriterien, die den Wert in der Kunst überhaupt ausmachen, ist seine Wirkung auf andere. Erst nach einem gewissen Zeitraum können wir die Folgen bestimmter Kunstwerke, Bücher oder Filme ausmachen. Wenn sie in großem Maße die folgenden Werke beeinflussen, dann kann man sie kaum noch ignorieren und werden als "Klassiker" bezeichnet, die man gemäß eines Kanons kennen sollte. Wenn also ein Film einen bestimmten Einschnitt darstellt, ab dem sich bestimmte Dinge ändern, dann ist der Klassiker-Status eigentlich gewiss.
"Ford - ich glaube, ich bin ein Sofa!"

Graveworm

17 Februar 2009, 12:48:55 #2 Letzte Bearbeitung: 17 Februar 2009, 13:24:00 von SplatMat
Zitat von: psychopaul am 17 Februar 2009, 11:07:02
Das Sternchen finde ich auf Dauer etwas doof.  :icon_razz:

Hätte man sonst nicht gemerkt, dass es ein Klassiker Thread ist?  :king:
Zitat von: Klugscheisser am 17 Februar 2009, 12:43:34
Schließe mich an. Sonst gibt es bald noch Threads, bei denen ein (+), (-) oder sonst was dahinter steht... Oder es wird noch schlimmer, und User legen sich Zunamen in Klammern zu...
Schließe michd er Mehrheit an, das Sternchen geht gar nicht.

Ansonsten sehe ich das ähnlich wie Seemops, wobei man im Auge behalten sollte, dass es mit den Jahren auch vorkommt, dass die aktuelle Generation den Klassikerstatus eines Films gar nicht mehr nachvollziehen kann.

MFG
Ich war in genug Horrorfilmen, um zu wissen, dass ein Irrer, der eine Maske trägt nie freundlich ist.

a deer

Klassiker werden ja entweder die Filme, die beim Publikum großen Anklang gefunden haben und/oder über Generationen eine feste Fangemeinschaft hatten, die ihre Liebe zum Film weitergetragen haben und so dann aus einem Kultfilm einen Klassiker gemacht haben. Casablanca, der Klassiker schlechthin ;), hat ja auch einige Zeit gebraucht, bis er jenen Status erreicht hat...
Es ist auch die Frage, woran man den Klassikerstatus festmacht, an der Beliebtheit unter den Filmkennern, an der Anzahl der Leute, die den Film gesehen haben? Wieoft er zitiert wird?

Zum Zitieren sei dazu allerdings angemerkt, dass es zwar eine nette Spielerei für die Liebhaber des Filmes ist, aber auch eine "Schattenseite" hat, sobald es fester Bestandteil des Mainstreams ist wie zb. bei den Simpsons, es gibt genügend Menschen, die denken, alles coole käme eben von dieser Serie oder einer der wenig anderen, die viele junge Mensch kennen ala Family Guy oder Southpark. Ich mag diese Serien zwar immer noch sehr, allerdings wird so dann in der Bevölkerungsschicht, die sich nicht intensiver mit dem Medium Film auseinandersetzt, im Mainstream quasi ein einziges Kulturmonopol aufgebaut, dass sich aus allen anderen zusammensetzt, so gibt es für manche nur 1-2 coole Serien, eine Handvoll toller Filme etc. , die Sprüche ala "Soviele tolle Filme kann es doch gar nicht geben, wie du schaust"  etc. die bestimmt der ein oder andere hier schon hören musste, sprechen für sich. Überträgt man so ein Denken von der kulturellen Ebene, wo so etwas im "besten Fall" einfach nur äußerst schade ist, da man sehr viel verpasst, auf andere Bereiche wie zb. Politik oder Ethik, so wird es äußerst gefährlich....


Es ist ja alles auch immer Regions- und Zeitabhängig, so auch bei den Klassikern, "The Sound of Music" ist einer der meistgeschautesten Filme der Welt, trotzdem ist er zumindest in der heutigen Generation in Deutschland fast gänzlich aus dem Gedächtnis verschwunden ( in diesem Fall aber nicht sooo schade ;)...)



Was das (*) angeht, dessen Erfinder ich ja bin: Nach der Rückmeldung werd ich es wohl nicht mehr benutzten, vielleicht auch das beste, war schliesslich auch nur eine Idee, um die Intention des vorangegangen Threads weiterzutragen, anmaßend sollte es niemals sein, früher gab es hier ja auch schon den ein oder anderen anspruchsvollen Thread ;)...

vodkamartini

Sollte sich das Interesse und die Beteiligung weiter auf diesem für mich überraschenden Niveau halten, wäre sicherlich zu überlegen ob man nicht ein eigenens "Klassiker-Forum" einrichten sollte. Dann hat sich auch die Nummer mit dem Stern erübrigt.  ;) Da heißt es allerdings noch ein paar Tage abwarten. Ohnehin ist das Sache der Moderatoren. Ich weiß nicht, ob von dortiger Seite überhaupt ein weiteres Forum gewünscht/angedacht ist.
www.vodkasreviews.de

There's a saying in England: Where there's smoke, there's fire. (James Bond, From Russia with love)

Fräulein millas Gespür für den Flush

Zitat von: vodkamartini am 17 Februar 2009, 15:10:28
Sollte sich das Interesse und die Beteiligung weiter auf diesem für mich überraschenden Niveau halten, wäre sicherlich zu überlegen ob man nicht ein eigenens "Klassiker-Forum" einrichten sollte. Dann hat sich auch die Nummer mit dem Stern erübrigt.  ;) Da heißt es allerdings noch ein paar Tage abwarten. Ohnehin ist das Sache der Moderatoren. Ich weiß nicht, ob von dortiger Seite überhaupt ein weiteres Forum gewünscht/angedacht ist.

Augen geradeaus  :arrow: Filmklassikerabteilung im Forum  ;)
"Ist denn die ganze Welt verrückt geworden? Bin ich denn hier der einzige Idiot, dem Regeln noch was bedeuten?"

Zitat von: Dr. Sigi Fraud
Ich habe den Rassismus endgültig besiegt.

Snake Plissken

Ein Klassiker-Forum?
Wird dann da auch zuerst über den jeweiligen Filmtitel abgestimmt?

Ich meine, aus bestimmter Sicht ist auch Jäger des verlorenen Schatzes ein Klassiker, aber ob Ihr den neben Citizen Kane sehen wollt??

Snake

Roughale

Bringt die Diskussion übehaupt was? Ich denke nicht, der Begriff ist mir zu stark mit Geschmäckern verbunden und die sind ja weit gestreut... Auch wenn die Definitionen die bisher gekommen sind (wo kommen die komischen Zitate her, ist das aus einem andeen Thread rausgenommen worden? Das ganze Strenchengeaffe raffe ich überhaupt nicht...) sehr zutreffend sind, besonders was die Wirkung, die Neuerung und den Einfluss angeht. Aber wenn es zu der Aussage kommt dass man den einen oder den anderen Film gesehen haben muss, da hört es bei mir auf, man sollte schon selbst entscheiden dürfen. Und wenn es zum Mitreden können in flmkundlichen Kreise gilt, dann wird man sowieso sehr schnell die Klassiker aufarbeiten.

esta es la mejor mota
When there is no more room for talent OK will make another UFC

.sixer.

Bitte hier nicht über ein Klassiker-Forum diskutieren. Einen entsprechenden Thread dazu gibt es schon.

Ein Klassiker (obwohl ich den Begriff eigentlich nie gebrauche) ist für mich ein Film, der in irgendeiner Form aus den Filmen einer Epoche oder eines Genres heraussticht. Sei es durch eine "neue" Erzählstruktur, eine besondere Kameraführung, übermäßiger Erfolg an den Kinokassen, hoher Bekanntheitsgrad im Verhältnis zu anderen Filmen der Epoche oder des Genres, etc.
Das ein Film zu einem Kultfilm wird, setzt einen gewissen Fankult (z.B. spezielle Partys, Treffen, häufiges Zitieren oder fiktive Sprachen -> klingonisch  :icon_lol:) voraus.
Nach meiner Definition wären z.B. Casablanca oder Breakfast at Tiffany's also ein Klassiker aber keine Kultfilme. The big Lebowski würde ich z.B. als Kultfilm bezeichnen undStar Trek (1979) wäre sowohl Kult als auch Klassiker (wobei hier die davor entstandene Serie schon eine große Rolle spielt).
"How do you know I'm mad?" said Alice
"you must be," said the cat, "or you wouldn't have come here."

Wir ham kein Strom,
wir ham kein Geld,
wir sind der geilste Club der Welt.

pm.diebelshausen

17 Februar 2009, 19:10:54 #9 Letzte Bearbeitung: 17 Februar 2009, 19:17:17 von pm.diebelshausen
Während der 1950er Jahre begann das Brattle Theater in Cambridge (USA), in der Abschlusswoche der Examen an der Harvard-Universität eine Casablanca-Vorführung zu veranstalten. Diese Tradition wird bis zum heutigen Tage fortgesetzt und wurde auch von anderen Universitäten aufgenommen. (Wikipedia)

Da trifft sich zwar wer, aber es reicht wohl nicht für die Bezeichnung "Kultfilm". Der Kultfilm schlechthin, mit allem Drum und Dran und einer entsprechenden Kultfilmgenese ist für mich The Rocky Horror Picture Show. Was da seit Jahrzehnten abgeht ist Kult und eine ungewöhnliche Vereinnahmung des Films durch sein Publikum. Casablanca hat sowas nicht zu bieten. Dennoch hat etwas in mir große Lust, ihn nicht nur einen Klassiker, sondern auch einen Kultfilm zu nennen. Ich weiß nur noch nicht was und werde es gegebenenfalls demnächst versuchen zu erklären. Immerhin gelten "häufiges Zitieren" und fiktive Sprachen ("What watch?"  ;) )auch für Casablanca.

Nicht jeder Klassiker ist auch ein Kultfilm. Und ist andersherum jeder Kultfilm auch ein Klassiker? Ich denke, ebenso wenig.

Welchen Einfluss ein Werk, in unserem Fall ein Film, hat, ist auch für mich wichtigstes Kriterium für seinen Status. Und das kann sehr von Epochen, also von Zeitgeist und Bedürfnis einer Gesellschaft abhängig sein. Mir fällt gerade kein Filmbeispiel ein  :icon_redface:, aber The Sound of Music wurde ja schon genannt, und ich bring mal ein Beispiel aus der Literatur: kaum einer, der nicht gerade Germanistik studiert, kennt heute noch Paul Heyse. In einem Antiquariat (!) kaufte ich vor Jahren einen Gedichtband mit persönlicher Widmung dieses Schriftstellers für 5,-DM. Heyse war im 19. Jahrhundert ein häufig gelesener Autor und extrem einflussreich durch seine sogenannte "Falken-Theorie", die die Erzählstruktur von Novellen betraf. 1910 erhielt er, übrigens als erster deutscher Autor, den Literaturnobelpreis. Uwe Timms Die Erfindung der Currywurst exerziert Heyses Falken-Theorie in einem modernen Text. Ich weiß, das ist relativ offtopic, aber für mich immer wieder ein sehr eindringliches Beispiel für die Zeitgebundenheit von Einfluss und Bedeutung bestimmter Kunstwerke. Citizen Kane kam auch nicht als Klassiker auf die Welt, sondern spielte an den Kinokassen zunächst mal ein sattes Minus ein. Und was diese Kassen betrifft: das hat sich vielleicht bis heute nicht geändert. Macht also das zahlende Publikum den Klassiker, so wie es den Erfolg macht? Mir scheint der Begriff "Klassiker" nicht absolut zu sein, sondern immer in einer Relation, einem bestimmten Horizont zu stehen. Ein Klassiker unter Filmkennern, ein Klassiker des Slasher-Films usw.

Ach ja, und das Sternchen: das vergessen wir jetzt einfach wieder. Viel wichtiger ist, dass hier immernoch User überrascht sein können, dass im Forum ernsthaft über Klassiker diskutiert wird.  :pidu:
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.sixer.

Citizen Kane ist zumindest insofern ein Klassiker als das er Filmhistorisch in vielen Belangen als wegbereitend gilt. Ein Flop an den Kinokassen und bei der Oscarverleihung spielt da keine Rolle mehr. Zumal dafür wohl eher die Hetzkampagne von Hearst verantwortlich war.
Rocky horror picture show ist natürlich ein sehr gutes Beispiel. Bei uns in der Umgebung gibt es öfter mal Lebowski-Partys. Ich war aber noch nie auf einer. Und die meisten finden Donnie eh langweilig  ;)
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lastboyscout

Ich finde es eher müßig, über Klassiker zu sprechen.
Einer der Gründe, warum die Meinung darüber so sehr auseinandergeht, was man nun als Klassiker und was nicht als solchen bezeichnen kann, ist wohl auch der persönliche Geschmack bzw. seine Vorlieben.
Manche stehen auf französische Gangsterfilme der 50er, andere lieben Musikals, wieder andere stehen auf Amateuerhorrorfilme.
Für mich als absoluten Fan des asiatischen Kinos gehört zum Beispiel The Killer sowie A Better Tomorrow, Hard Boiled, Bullet In The Head usw. usw. zu den absoluten Klassikern. Dann gäbe es natürlich noch die Klassiker der Shaw Brothers, des Swordsplay, der Kung Fu-Comedy usw. usw.
Wenn sich aber jemand ABSOLUT nicht mit dem asiatischen Kino auseinandersetzt, dann wird er mir natürlich vehement widersprechen.
Deswegen ist es sehr schwer, wenn nicht gar unmöglich, eine richtige Liste mit DEN Klassikern zu machen.
I`m a tragic hero in this game called life,
my chances go to zero, but I always will survive.
( Funker Vogt - Tragic Hero )

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psychopaul

Hm, wieso denn? Wie du selbst sagst, es gibt die verschiedensten Genres und Richtungen. Und in allen diesen Spielarten gibt es halt eigene Klassiker!

Wobei ja auch die Filme von John Woo schon von anderen Klassikern beeinflußt wurden. Hoffentlich müssen wir nicht irgendwann zwischen den Klassikern und den Ur-Klassikern trennen.  :icon_lol:
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lastboyscout

Das streite ich ja auch garnicht ab, und auch John Woo gibt zu, extrem vom französischen Kino, speziell zum Beispiel von Le Samourai beeinflußt worden zu sein.

Aber nicht jeder sieht es so wie du. Leider.  :icon_rolleyes:
Manche Leute, mit denen man über Klassiker diskutiert, für die existiert das asiatische Kino nicht.  :icon_eek:
Und zwar nur aus dem Grunde, weil sie sich nie damit beschäftigt haben.  :anime:
Für die meisten heißt asiatisches Kino, daß sich "...ein paar Schlitzaugen die Köppe einschlagen."
So formulierte es zumindest ein Bekannter von mir, als wir über Filmklassiker sprachen.
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psychopaul

Ja, gibt halt leider immer wieder Ahnungslose und Ignoranten. Aber doch nicht hier im Forum!  ;)
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barryconvex

Zitat von: pm.diebelshausen am 17 Februar 2009, 08:57:53
- Was ist eigentlich ein "Klassiker"?
- Wer entscheidet darüber, welcher Film ein Klassiker ist, mit anderen Worten: wie und wo wird der Klassikerkanon gebildet?
- Wie wird ein zunächst "normaler" Film zu einem "Klassiker"?
- Kann ein Klassiker seinen Nimbus wieder verlieren und zu irgendeinem Film der Filmgeschichte werden?
- Brauchen wir die Bezeichnung "Klassiker", bzw. die Einordnung von gewissen Filmen in diese Kathegorie?
- Gibt es Gründe, warum man einen Klassiker gesehen haben sollte, auch wenn man sich z.B. ausschließlich für aktuelle Filme interessiert?



Ich glaube, sehr vieles wird hier schon angesprochen:
http://www.gemeinschaftsforum.com/forum/index.php/topic,105830.0.html (Zukünftige Klassiker. Gibt es sowas noch?)

Bretzelburger

Ich halte den Begriff des "Klassikers" als allgemeinen Ausdruck auch für problematisch, ähnlich wie in der "klassischen" Musik. Anwendbar ist er meiner Meinung nach nur beispielhaft in einem Genre, wenn man einen besonders stilbildenden Film damit hervorheben will - und das gilt selbstverständlich für jedes Genre. Doch selbst das ist interpretierwürdig, weil es nur ganz selten Fälle gibt, in denen die Einflussnahme auf zukünftige Filme eindeutig zu benennen ist.

Ich habe mich sehr intensiv (und tue es immer noch) mit dem italienischen Film der 40er und 50er Jahre auseinandergesetzt (sogenannter Neorealismus) und habe versucht, an Hand von Darstellern ,Regisseuren und Drehbuchautoren Verbindungen herzustellen und gegenseitige Einflussnahmen zu erkunden. Ich habe das einmal als Diagramm dargestellt und dazu die wichtigsten Filme herausgesucht (was ja auch schon eine Auswahl darstellte). Der Zeitraum vergrösserte sich vom Beginn der 30er Jahre bis tief in die 70er Jahre mit Querverweisen auf das französische Kino der 30er Jahre, das Diagramm konnte ich irgendwann vor Unübersichtlichkeit kaum noch lesen und es warten ca. 100 Filme auf mich, angesehen zu werden (von Besprechen will ich gar nicht reden). Trotzdem darf man immer wieder von "Klassikern" des Neorealismus irgendwo lesen. Das ist griffig, hat sich über die Jahre journalistisch bewährt, zeugt aber in der Regel davon, abzulenken, dass man keine wirkliche Ahnung hat. Der Begriff der "Klassikers" ist letztlich eine Vereinfachung.

psychopaul

Wow, das klingt nicht schlecht. Kannst du das mal einscannen?  ;)


Aber ist es nicht so, dass jeweils die ersten Vertreter, die Begründer solcher Strömungen (Neorealismus, Nouvelle Vague, oder aktueller: Dogmabewegung) ein gewisses "Klassiker-Vorrecht", eben doch eine gewisse Sonderstellung gegenüber ihren Nachfolgern besitzen?



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Bretzelburger

Darin liegt ja das Problem. Wenn du dich genauer mit einem Thema beschäftigst, dann stellst du schnell fest, dass es "Den Ersten" kaum einmal gab. Immer wenn ich glaubte (nochmal zum "Neorealismus"), schon ein besonders frühes Exemplar gefunden zu haben, entdeckte ich wieder einen Film, den genau dieses Team (dann aber noch mit Anderen zusammen) schon vorher gemacht hatte. Irgendwann kommt so ein Stil dann zu einer gewissen Reife, oft liegt es auch an glücklichen Begleitumständen, weil der Film vom Publikum besonders angenommen wurde, gerade zum richtigen Zeitpunkt erschien usw. und dann wird er als "Klassiker" anerkannt und festgelegt. Es hat ja auch etwas sinnvolles an sich, komplexe Strukturen für ein allgemeines Verständnis zu vereinfachen. Leider werden viele solcher Einordnungen mit der Zeit Selbstläufer und da die Zusammenhänge aus dem kollektiven Gedächtnis verschwinden, bleiben nur noch die Schlagworte übrig.

Das Diagramm ist in seiner jetzigen Form leider nicht veröffentlichungswürdig.

psychopaul

Ja, ich hatte mir das auch wesentlich simpler vorgestellt (man vertraut dann eben doch den üblichen, vereinfachenden Quellen), aber das klingt alles sehr plausibel, was du da beschreibst.

Somit spielt eben doch nicht nur das Beschreiten innovativer Wege o.ä. sondern auch der Dialog des Films mit Publikum, Presse, vlt. auch Wissenschaft; eine gewisse Lobby und nicht zuletzt der Bekanntheitsgrad eine Rolle, welche Werke dann diesen ominösen Status erhalten und welche, vielleicht unverdient, nicht.

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pm.diebelshausen

@bretzel

Ganz sicher ist der Begriff eine Vereinfachung und eine dumme Verallgemeinerung - wie alle Kathegorisierungen. Es geht um modellhafte Beschreibungen der Wirklichkeit und das funktioniert nie wirklich, sonst wäre die Beschreibung die Wirklichkeit selbst. Werde ich grad zu unverständlich philosophisch? Jedenfalls helfen uns solche Modelle bis zu einem gewissen (oder manchmal ungewissen) Grad, uns über bestimmte Themen zu unterhalten. Dazu müssen sie aber Lücken lassen, Dinge grob vereinfachen. Ich habe große Vorbehalte gegenüber Schubladendenken und so einem Begriff wie "Klassiker". Siehe gaaaaaanz oben. Wenn man aber nicht nur sagt: Patsch, Klassiker!, sondern einen Kontext mitformuliert und Bezüge herstellt, dann wird auch so ein schnöder, eigentlich leerer Begriff aussagekräftiger.

Vorsicht mit dem Vergleich Filmklassiker und Klassiker in der Musik oder auch Malerei oder Literatur. Die Filmkunst ist ja noch recht jung im Vergleich zu anderen Künsten, und hat in dieser kurzen Zeit dennoch bereits einige Epochen erlebt. Klassik in der Literatur ist eine bestimmte Epoche, eine Epoche der "Klassik" in der Filmgeschichte hat es nie gegeben, bzw. wir sprechen in dieser Form (noch?) nicht über Filmgeschichte. "Klassiker" ist meiner Meinung nach eine Kathegorie, die eine bestimmte Art von Rezeption zusammenzufassen versucht. Deshalb der Trugschluss, ein Klassiker sei was Altes. Dieser beruht auf dem Aspekt der Zeit: je mehr vergangen ist und immernoch von einem Kunstwerk gesprochen wird, d.h. die Auseinandersetzung damit tradiert wird, desto eher kann man von einem Klassiker sprechen. Für die zu jungen Werke behilft man sich dann mit einem "modernen Klassiker".

@lastboyscout
In diesem Zusammenhang würde ich auch nicht gleicht verzagen und sagen, Klassiker-Diskussionen sind doof, weil die Leute nicht vernünftig drüber dikutieren können/wollen. Bin selbst relativ aufgeschlossen, denn mich interessiert Film an sich, nicht ein bestimmtes Genre oder Produktionsland. Dennoch habe ich nicht nur Lücken, sondern Löcher, da ich mir die Freiheit nehme, auszuwählen - ich kann nicht alles sehen, und des wäre darüber hinaus unfair dem jeweiligen Film gegenüber, ihn wider inneres Verlangen zu sehen. Das Problem überlasse ich lieber den Profis (Kritikern und so) und nehme lieber auf, was mir entgegenkommt. Von den Filmen, die Du nanntest, kenne ich tatsächlich keinen einzigen   :icon_redface: I'm ashamed. Und jetzt würde mich mal interessieren, warum die zu den Klassikern auf ihrem Gebiet gehören, Deiner Meinung nach. Das werde ich wahrscheinlich auch ohne Faible für das (Sub-)Genre und Kenntnis der Filme nachvollziehen können, wenn Du mehr sagst, als: Das ist einer, das ist ein Klassiker!
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

lastboyscout

@pm.diebelshausen
Okay, angefangen mit A Better Tomorrow.
Mit diesem Film wurde der Grundstein für ein komplettes Genre im HK-Kino gelegt, und zwar des Heroic Bloodshed-Kinos. (Der Ausdruck wurde übrigens von einem Engländer erstmals verwendet, und einfach weltweit als Namensgeber für dieses Genre akzeptiert.)
Die Grundthemen sind immer bedingungslose Loyalität, Erhaltung der (Familien-)Ehre, meist gewürzt mit einem tragischen Helden, ebenso mit dem unerwarteten Ableben einer der sympathischen Hauptfiguren und natürlich überstylisierte Feuergefechte mit unendlicher Munition. Oft noch mehr ins Dramatische gezogen bei dem Ableben des Helden am Ende des Films, oder, wenn es keinen Ausweg gibt, der die Ehre des Helden erhalten würde, sein Selbstmord.
Dies ist natürlich nur ein grober Umriss des Heroic Bloodshed-Genres.
The Killer kam, und dort verfeinerte John Woo seinen Erstling in diesem Genre um Längen, und schuf einen Film, der eine weltweit rießige Fangemeinde hat. Dieser wird auch von Leuten begeisternd aufgenommen, die sonst eigentlich nix mit dem asiatischen Kino anfangen können.
Hard Boiled war dann sein krönender Abschluß in diesem Genre und gleichzeitig sein letzter HK-Film in dieser Richtung, bevor er Fuß fasste in Hollywood. Dieser Film ist eine Actionorgie, bei der einfach Alles stimmt, und die bis heute meiner Meinung nach unerreicht blieb.
Bullet In The Head habe ich deswegen erwähnt, weil es John Woo's Antwort auf Michael Cimino's Deer Hunter ist. Hier hat er ebenfalls viele seiner Heroic Bloodshed-Elemente eingearbeitet, ohne daß sie jedoch aufgesetzt wirken in diesem doch fast schon Kriegsfilm. Vor allem das Ende verliert nie etwas von seiner Wucht, auch wenn ich den Film schon etliche Male sah.

Wieso diese Filme als absolute Klassiker gelten, ist natürlich, weil sie das Heroic Bloodshed-Genre begründeten.
Der andere Grund ist, weil sie ganz entschieden die westliche Filmindustrie prägten.
(Wobei natürlich die Tatsache, daß John Woo, abseits vom französischen Kino, ganz entschieden von Sam Peckinpah geprägt wurde, nicht verschwiegen werden sollte. Deswegen kann ich auch verstehen, wieso dein Diagramm extrem unübersichtlich wurde, weil sich Alles hin und her überschneidet.  ;))
Von Quentin Tarantino zu den moderneren US-Actionern, die Einflüsse und Wurzeln sind überdeutlich.
Zeitlupeneinsatz bei Actionszenen, beidhändiges Schießen, überstylisierte Actionszenen und noch mehr, all dies findet zum großen Teil seine Wurzeln im HK-Actionsubgenre des Heroic Bloodshed wieder.

Und der Einfluß des asiatischen Actionkinos auf das westliche liese sich dann natürlich noch mit etlichen weiteren Beispielen belegen. Wieso sonst sollte man sich Actiongötter wie Corey Yuen oder Yuen-Woo Ping ins Haus holen, um die Kampfszenen für Filme wie The Transporter, The Matrix 1, 2, 3 oder Kill Bill 1 + 2 zu inszenieren?

Ich hoffe, der Beitrag ist einigermaßen gelungen, damit du dir etwas darunter vorstellen kannst.  ;)
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Intergalactic Ape-Man

@LBS: Basiert Woos Stil nicht auch stark auf seinem Meister Chang Cheh, der eben solche Einflüsse verarbeitete?

pm.diebelshausen

Danke, lastboyscout, wieder was gelernt.  :respekt:
Hongkong ist trotz meines asiatischen Faibles nicht meine Riege. Mir liegen die ruhigeren, witzig-philosophischen mehr (Sabu, Miike, Takeshi als Japaner, und die üblichen Verdächtigen wie Chinese Ghost Story, Hidden Tiger, Crouching Dragon oder sowas wie Running on Karma, der mich an den 80er Hongkong-Humor erinnert hat. Bin da aber überhaupt nicht firm.)

Wie gesagt, der Begriff "Klassiker" braucht ein wenig Drumrum, damit er funktioniert und eben nicht nur leeres Blabla und Geschmackssache bleibt, über die man streiten und nicht streiten kann.
Es gibt viele, die nicht reden, wenn sie verstummen sollten, und andere, die nicht fragen, wenn sie geantwortet haben.

McKenzie

Zitat von: Bretzelburger am 18 Februar 2009, 02:28:48
Darin liegt ja das Problem. Wenn du dich genauer mit einem Thema beschäftigst, dann stellst du schnell fest, dass es "Den Ersten" kaum einmal gab.

Ich hoffe, Mr. Vincent Vega und zahlreiche andere Kanon-Fans verinnerlichen das gelegentlich. Je weiter man sich von dieser simplen Tatsache entfernt und zugleich die Ambition hegt, die Filmgeschichte für sich selbst stilistisch aufzudröseln, desto mehr entfernt man sich auch von ihr.
ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

psychopaul

ZitatBullet In The Head habe ich deswegen erwähnt, weil es John Woo's Antwort auf Michael Cimino's Deer Hunter ist. Hier hat er ebenfalls viele seiner Heroic Bloodshed-Elemente eingearbeitet, ohne daß sie jedoch aufgesetzt wirken in diesem doch fast schon Kriegsfilm. Vor allem das Ende verliert nie etwas von seiner Wucht, auch wenn ich den Film schon etliche Male sah.

Ich finde den Film auch sehr beeindruckend, aber gerade weil er im Prinzip halt doch nur eine Variation von Deer Hunter ist, muss man dem schonmal diesen ominösen Klassikerstatus (wenn es ihn denn gibt) verwehren, denke ich.
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Hedning

Zitat von: Senfdazu am 18 Februar 2009, 03:49:43
@LBS: Basiert Woos Stil nicht auch stark auf seinem Meister Chang Cheh, der eben solche Einflüsse verarbeitete?

Das glaube ich in jedem Fall. Die blutüberströmten Heldentode aus Chang Chehs Filmen haben Woo eindeutig inspiriert. Das wurde dann aus der Wu-Xia-Welt ins moderne Gangster-Milieu übersetzt. Nicht zufällig sieht man Chang Chehs Ikonen Ti Lung und David Chiang in Woos Filmen "A better tomorrow" bzw. "Just Heroes" wieder.

Mr. Vincent Vega

Ich habe einmal mit einem Freund eine ganze Nacht lang über den Klassiker-Begriff sinniert und versucht, potentielle Kandidaten zu benennen. Eigentlich sind wir zu dem Schluss gekommen, dass eine solche Klassifizierung keinen wirklichen Sinn ergibt, und ferner, dass ein Klassiker vermutlich ein Film ist, der Genre-transzendierend wirkt und rezipiert wird, und das von großer Nachhaltigkeit.

Seemops

Zitat von: pm.diebelshausen am 18 Februar 2009, 02:42:02
Ganz sicher ist der Begriff eine Vereinfachung und eine dumme Verallgemeinerung - wie alle Kathegorisierungen. Es geht um modellhafte Beschreibungen der Wirklichkeit und das funktioniert nie wirklich, sonst wäre die Beschreibung die Wirklichkeit selbst. Werde ich grad zu unverständlich philosophisch? Jedenfalls helfen uns solche Modelle bis zu einem gewissen (oder manchmal ungewissen) Grad, uns über bestimmte Themen zu unterhalten. Dazu müssen sie aber Lücken lassen, Dinge grob vereinfachen. Ich habe große Vorbehalte gegenüber Schubladendenken und so einem Begriff wie "Klassiker".

Das ist ohne Zweifel richtig. Ähnliche Vorbehalte muss man auch Begriffen wie Genre oder Epochen haben. Sie dienen lediglich einer groben Einordnung, auch zeitlich gesehen, um sich erst mal damit zu behelfen, in welche Kontexte man sie stellen muss. Bei näherer Betrachtung muss man dann schließlich bemerken, dass es nicht viel hilft, wenn man bspw. sagt, Cronenberg würde Horrorfilme drehen oder Manet wäre Impressionist, Kafka sei Expressionist usw. Gerade letzterer zeigt deutlich, wie man zwar prinzipiell auf die Strömungen und Umbrüche der Zeit reagiert und dementsprechend Motive aufnimmt. Sich aber genauso gut von diesen wieder entfernt. Die wenigstens Künstler haben etwas geschaffen, dass sich in ein Muster pressen lässt, gerade jene nicht, die man gerne als "Klassiker" bezeichnen möchte.
"Klassiker" ist eben ein recht unzureichender Begriff, sehr vereinfacht und dient erst mal nur dazu, jene Werke einer Kunst zu erfassen, die einen bestimmten, übergeordneten Stellenwert haben, z.B. weil sie auf andere eingewirkt haben oder in irgendeiner Form besonders "revolutionär" waren. Es ist nur eine Markierung, die man aber auch zu revidieren bereit sein muss.
Strikt trennen muss man diesen Begriff von der Klassik und dem Klassizismus oder Begriffen der klassischen Musik. Die beiden ersten sind Epochen der Literatur und der Kunst/Architektur (und zwar verschiedene), deswegen ist der Begriff "klassisch" und "Klassiker" in einem anderen Kontext als diesen in diesen beiden Wissenschaften nur ungern gesehen.
Letzteres ist nur eine Trennlinie zwischen groben Einteilungen wie Pop, Rock und Klassik.

Zitat von: pm.diebelshausen am 18 Februar 2009, 02:42:02Vorsicht mit dem Vergleich Filmklassiker und Klassiker in der Musik oder auch Malerei oder Literatur. Die Filmkunst ist ja noch recht jung im Vergleich zu anderen Künsten, und hat in dieser kurzen Zeit dennoch bereits einige Epochen erlebt.

Man sollte mit solchen Vergleichen zwar vorsichtig sein, weil es sich um unterschiedliche Zeichensystem handelt. Aber dies ist in meinen Augen kein Grund, diese unter den Begriff der Kunst zusammenzufassen und etwa Ähnlichkeiten festzustellen. Alle Arten der Kunst reagieren auf die Zeit und daher ist es nicht verwunderlich, dass z.B. Epochen und Strömungen gleich benannt werden und meistens einen ähnlichen Ursprung haben. Bei genauem Hinsehen muss man dann zwar Abstriche machen, weil die Konzepte anders umgesetzt werden. Und natürlich unterscheiden sich auch Epocheneinteilungen. So etwas wie der Klassiker-Begriff, der ja mehr populär als wissenschaftlich ist, ist aber als Phänomen überall zu entdecken. Es ist gibt in allen Bereichen Neigungen dazu, einen Kanon zu erstellen, welche Werke besonders wichtig sind und man sie daher kennen sollte. Ich finde das auch nicht so besonders sinnvoll, zumindest wenn man es streng betrachtet. Wenn man es nur als Richtlinie sieht, was man mal gesehen/gelesen haben sollte, dann ist eher eine Art Hilfsmittel. Schade dabei ist, dass viele Dinge unter den Tisch fallen, die zwar nicht so "groß" und einflussreich waren, aber deswegen noch lange nicht uninteressant sein müssen.

In allen Arten der Kunst lassen sich aber ohne Zweifel Zäsuren feststellen, die mit Werken oder Künstlern eingeleitet werden und dann ein Umbruch festzustellen ist. Z.B. Manet oder Picasso in der Kunst.

Ich möchte noch etwas zum Zitieren sagen und dazu, dass sich die Ursprünge gerne mal verlieren. Dies ist ein recht normales Phänomen, das man durchaus überall betrachten kann, seien es Aussprüche wie "dies ist des Pudels Kern" (geht auf Goethes Faust zurück) oder Bildmaterial wie Raffaels sixtinischer Madonna: http://www.reproarte.com/files/images/R/raffael_raffaelo_santi_sanzio/0209-0417_die_sixtinische_madonna.jpg, die man so gar nicht mehr kennt. Ein Teil des Bildes ist dafür umso bekannter: http://www.m-schnur-verlag.de/pic/putten.jpg. Diese Dinge gehen ins kollektive Gedächtnis über, sie werden erlernt, so dass man sie verstehen kann, aber deren Ursprung verliert sich irgendwann, weil er auch für das Verständnis nicht mehr relevant ist. Häufig lösen sich die Bedeutungen auch, so dass der Ursprung eher noch irreführend wäre. Das mag zwar einerseits schade sein, andererseits ist es eben auch normal. Bestes Beispiel: Das Aussehen von Jesus ist recht fest definiert (lange, braune Haare, langer Bart, in der Regel weiße Kutte und Jesuslatschen), aber nicht, weil wir irgendwie wissen, wie er ausgesehen hat, sondern weil es sich über die Jahrhundert so eingebürgert hat, ihn so zu malen. Ähnlich ist das mit Gott als weißbärtigen, alten Mann oder Engel etc. Das ist eben das anwachsende, kulturelle Wissen. Mit jedem Künstler kommt mehr hinzu und mit mehr Zeit, die vergeht, verlieren sich die Ursprünge, nicht aber unbedingt das, was besonders einscheidend war.

Die Kulturgeschichte des Menschen ist eben recht uninteressant geworden. In der heutigen utilaristischen Gesellschaft, wo nur das zählt, womit man Geld verdienen kann, ist alles das verpönt, was eben kaum Geld einbringt (jedenfalls laut Vorurteil). Die Leute strömen zwar in die Museen, erkennen aber nicht, dass dies auch alles aufbereitet werden muss. Menschen, die Geisteswissenschaften studieren und sich dieser Kulturgeschichte verschrieben haben, werden komisch angesehen, weil sie etwas "Nutzloses" tun. Es ist wirklich sehr schade, dass das, was den Menschen u.a ja so besonders macht, seine Kreativität, als so wertlos angesehen wird, als schnöde Unterhaltung.
"Ford - ich glaube, ich bin ein Sofa!"

Bretzelburger

Zitat von: Seemops am 18 Februar 2009, 13:56:17
Die Leute strömen zwar in die Museen, erkennen aber nicht, dass dies auch alles aufbereitet werden muss. Menschen, die Geisteswissenschaften studieren und sich dieser Kulturgeschichte verschrieben haben, werden komisch angesehen, weil sie etwas "Nutzloses" tun. Es ist wirklich sehr schade, dass das, was den Menschen u.a ja so besonders macht, seine Kreativität, als so wertlos angesehen wird, als schnöde Unterhaltung.
Und damit kommst du zum inflationären Missbrauch des Begriffs "Klassiker" wieder zurück. Wie "Diebels" schon richtig sagt, ist der Begriff im Zusammenhang mit anderen Informationen (Eingrenzung eines Genres, klarer Verweis zu anderen Filmen usw.) durchaus legitim, auch gerade in seiner Vereinfachung, aber darum geht es in der Regel beim Gebrauch dieses Begriffs gar nicht. Man vereinfacht damit vor allem seine Arbeitsweise. Anstatt sich intensiv mit einer Sache zu beschäftigen, was in der Regel als "brotlose Kunst" gilt, täuscht man mit dem lässig hingeworfenen Begriff Kompetenz vor. Wir hatten letztens schon die Diskussion im "Amazon-Thread" über das kritiklose Übernehmen anderer Informationen. Indem man den "Klassiker"-Begriff nur häufig genug wiederholt, wird er irgendwann im "kollektiven Gedächtnis" wahr und erspart eine Menge Recherche. Bei einer Sache wie dem Antlitz von Jesus ist das etwas anderes, weil es dafür keine verlässlichen Quellen gibt, aber wir reden hier über ein sehr junges Medium, an dessen Quellen man problemlos herankommt. Das ist der Grund, warum man den Begriff "Klassiker" im Zusammenhang mit der Filmgeschichte nur selten und wohlüberlegt nutzen sollte.

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