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"Das Leben der Anderen"

Begonnen von Blonder, 30 März 2006, 16:05:09

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Blonder

Hi,
von dem neuen Donnersmarck-Film war ich gestern abend sehr positiv überrascht.
Sicher, ich mag Filme aus und über Deutschland besonders gern ;-)

Und daher bin ich schonmal froh, daß mir ein differenzierter Film aus dem Stasi-Spitzel-Milieu nicht zB von Herrn Spielberg erzählt wird.

Aber ich bin auch schlicht sehr gut unterhalten worden.

greets

Blonder



Land: Deutschland 2005
Laufzeit ca.: 137 Minuten
Kinostart / Filmstart: 23.03.2006
Regie: Florian Henckel von Donnersmarck
Schauspieler (Besetzung): Martina Gedeck (Christa-Maria Sieland), Ulrich Mühe (Hauptmann Gerd Wiesler), Sebastian Koch (Georg Dreyman), Ulrich Tukur (Oberstleutnant Anton Gubitz), Thomas Thieme (Minister Bruno Hempf), Hans-Uwe Bauer (Paul Hauser), Volkmar Kleinert (Albert Jerska), Matthias Brenner (Karl Wallner), Bastian Trost (Häftling 227), Herbert Knaup (Gregor Hessenstein), Marie Gruber (Frau Meineke), Hinnerk Schönemann (Unterleutnant Axel Stigler), Thomas Arnold (Nowack)


Inhalt: DDR 1984. Stasi Hauptmann Gerd Wiesler ist ein kleiner, grauer, akkurater Mann, der ein ebensolches Leben führt. Seine Überwachungen und Verhöre sind gnadenlos und ungeheuer effizient, und werden von ihm auf der Stasi-Hochschule als Lehrbeispiele vorgeführt. Als ihn eines Tages sein früherer Studienfreund Oberstleutnant Anton Grubitz auf den erfolgreichen Dramatiker Georg Dreyman ansetzt, stürzt er sich wie immer voller Inbrunst auf den Fall. Doch je länger er den eigentlich sehr linientreuen, aber auch sehr liberalen und frei denkenden Künstler und seine Liebe zu seiner Freundin, dem Bühnenstar Christa-Maria Sieland, beobachtet, desto unsicherer wird er........................................
@Tuco: "Gott ist nicht mit uns. Er haßt Idioten wie Dich!"

Klaus Jr.

Hab auch schon viel darüber gelesen und bin fest entschlossen mir diesen endlich mal "etwas anderen" DDR-Film anzuschauen, vor allem wenn man bedenkt dass es sich hier um den ersten "richtigen" Film des Regiesseurs handelt. Er hat 5 Jahre dafür recherchiert und das Drehbuch hat ja nicht zuletzt so Leute wie Ulrich Mühe, Sebastian Koch, Martina Gedeck usw. überzeugt. Die Besetzung ist wirklich außerordentlich!

Horace


"Pisse vom Opa trinken geht gar nicht, damit ist der Film für mich durch. Schade um die Titten"

dekay

In der OFDb kein einziges Review, gerade mal sieben Bewertungen, erst jetzt ein eigener Thread im GF - ein Armutszeugnis. (Jaja, ich hätte ja was schreiben können.)
Denn:
Der Film ist sehr gut! Endlich ein ernsthafter DDR-Film, der mit dem bisher im Kino transportierten Gefühl, die DDR war ein gar nicht mal so schlimmer Freizeitpark, aufräumt. Nüchtern inszeniert, trotzdem mit komischen Einlagen und ohne moralisierendes Getue. Die Schauspieler sind klasse, die Story ist anrührend.
Der beste Film, den ich seit anderthalb Jahren im Kino (natürlich lief er nicht im Multiplex hier, sondern nur im -brechend vollen- Programmkino) gesehen habe!

Reingehen, wer sich für die Thematik interessiert!

dekay
WHAT DO YOU KNOW, DEUTSCHLAND?

Blonder

Zitat von: dekay am 30 März 2006, 16:57:35
In der OFDb kein einziges Review, gerade mal sieben Bewertungen, erst jetzt ein eigener Thread im GF - ein Armutszeugnis.

uuuuups - sorry, ich sah Ihn selbst erst gestern. Und es gibt ja sicher berufenere Members der ofdb, die dann die gern gelesenen Reviews schreiben.

Die 5 Jahre Recherche sieht man dem Film übrigens in jeder Szene an.
Genau dieses Authentische Ambiente mag ich in einer Reihe von Filmen aus und über Deutschland.
Es ist natürlich Fiktion, aber so könnte es in der DDR passiert sein.
(Und genau DAS fehlt mir zB in "Munich" und auch in "Schindler", daher der Verweis auf Herrn Spielberg.)

greets Blonder
@Tuco: "Gott ist nicht mit uns. Er haßt Idioten wie Dich!"

Phil

sorry für biserl OT:

Sebastian Koch (Georg Dreyman) wonht direkt über mir  :icon_mrgreen:

sorry musste sein

b2T : ich werde aber auch dieses WE reinstiefeln, schon aus solidarität und wenn ich ihn im Treppenhaus treffe muss ich ja mitreden können  :icon_wink:
traue nie SB, denn es tut Dir weh :(
became MINGed!

ZitatCloverfield refers to the field formerly known as Central Park. Clovers are usually prone to grow at places after bombing. Thus the term "Clover" and "field" referring to park.

Neo

Ich war gestern in "Das Leben der Anderen" und konnte meine Begeisterung mit nur leider 10 weiteren Kinogängern teilen.

Ein Film, den man als Deutscher gesehen haben muß!


Endlich Schluß mit dieser Verniedlichung der DDR (Sonnenallee, G.b.Lenin) - ein kühles, sehr realistisches Bild über das Leben in der damaligen Zone. Eine Story, die gerade wegen ihr Ruhe mitreisst, Charaktere, die endlich nur mehr als eine Facette von sich zeigen. Will nicht so viel über den Ausgang verraten, nur das er sicher viele Fragen bei dem interessierten Zuschauer hinterlässt über die Menschen, die bei Stasi arbeiten wollten, bzw. die anderen, die gezwungen wurden  :exclaim:

9/10 !!!

Neo

Chili Palmer

Zitat von: dekay am 30 März 2006, 16:57:35
Reingehen, wer sich für die Thematik interessiert!

Nicht nur die! Jeder! Wirklich jeder!
"I'm an actor, love, not a bloody rocket surgeon".

"Der Terminader is ja im Grunde so'n Kaiborch."

kami

Hm, authentisch ist der Film zwar in seiner Stimmung, die Darstellung der Stasi-Arbeit weist aber eklatante Fehler auf. Und ich finde, dass GOODBYE, LENIN deutlich mehr über die DDR aussagt als dieser Film hier.

heldderarbeit

die film ist wirklich richtig klasse. fehler bei der stasiarbeit konnte ich keinen größeren entdecken

Blonder

Na denn!

Glückwunsch zum Preis-Niederschlag auch beim dt. Filmpreis.
(Da lohnen die Prämien wenigstens! ;-)  )

Der Film ist wie ich schon schrieb und meinte sehr sehenswert.
Die Preise freuen mich latürnich ...

greets

Blonder
@Tuco: "Gott ist nicht mit uns. Er haßt Idioten wie Dich!"

Nibi

Gerade gesehen, ich bin schwer beeindruckt. Höchst interessanter Film, der klar von der Darstellerleistung Ulrich Mühes lebt. Der spielt, trotz seiner wenigen Worte, famos auf.  :respekt:

Schon erschreckend wie die Stasi gearbeitet hat, ein sehr wichtiger Film für die Aufarbeitung der Deutschen Geschichte!

9/10

Gruß
Nibi


-It's blood
-Son of a bitch

Adam Kesher

Die Wunderwirkung, die der Film allenthalben erzielt hat, hat sich mir ehrlich gesagt nie so recht erschlossen.

Es stimmt schon, dass der Film auf verklärende DDR-Romantik weitgehend verzichtet. Es stimmt auch, dass er sich auf die Seite der Freiheit und gegen den Totalitarismus stellt. Dass es ihm aber keine Sekunde lang gelingen will, die Vergangenheit aus ihrem eigenen politischen und weltanschaulichen Selbstverständnis heraus zu erklären, also auch ernst zu nehmen, sondern er stattdessen den damaligen Staatsbetrieb nur mit dem Maßstab der Gegenwart misst und damit demonstrativer Entrüstung und auch Lächerlichkeit preisgibt - mitunter bis zur Karikatur verzerrt, man denke nur an den grob überzeichneten Schreibmaschinenexperten - zeugt von einem schlimmen Hochmut der Macher, der in meinen Augen nicht nur unseriös, sondern geradezu hämisch ist. Über die historischen Ungenauigkeiten, die sattelfeste Geschichtsexperten nachgewiesen haben, könnte ich mühelos (das soll kein Versuch einer versteckten Anspielung sein) hinwegsehen, wenn der Film sich nicht so betont sachlich gebärden würde, sondern sich als subjektiver Blick zu erkennen gäbe. Meiner Meinung nach ein furchtbarer Fehlgriff, vermutlich menschenfreundlich gemeint, tatsächlich aber von einer selbstentlarvenden Abschätzigkeit, die sich so gut anfühlt, weil sie unter dem Deckmantel der Aufarbeitung zum gemeinschaftlichen Höhnen über die Vergangenheit und zur selbstzufriedenen Beweihräucherung der Gegenwart einlädt.

Hedning

Zitat von: Adam Kesher am  6 Januar 2007, 17:44:21weil sie unter dem Deckmantel der Aufarbeitung zum gemeinschaftlichen Höhnen über die Vergangenheit und zur selbstzufriedenen Beweihräucherung der Gegenwart einlädt.

Das ist genau das Gefühl, das ich bei den meisten Filmen über die NS-Zeit habe... Alles wird so grotesk und karikierend dargestellt, dass die geschichtlichen Zusammenhänge und Motivationen völlig aus dem Blickwinkel verschwinden. So dienen solche Filme letztlich dazu, dass sich der heutige Zuschauer gebauchpinselt seines vermeintlichen besseren Wissens erfreuen kann, während er sich selbst und seine Gegenwart nicht im geringsten zu hinterfragen angeregt wird.

Chili Palmer

Zitat von: Adam Kesher am  6 Januar 2007, 17:44:21
vermutlich menschenfreundlich gemeint

Na, da dürfen die Macher ja aufatmen, dass das auch für dich so rübergekommen ist.
"I'm an actor, love, not a bloody rocket surgeon".

"Der Terminader is ja im Grunde so'n Kaiborch."

Phil

gestern hat die Videothek meines Vertrauens eine Aufforderung bekommen, diesen Film sofort aus dem Programm zu nehmen!
Es wird eine "Neuauflage" ausgeliefert, welche die aktuelle Version ersetzt! Aller warscheinlichkeit nach Tonzensuren und Umschnitte.

Grüße
traue nie SB, denn es tut Dir weh :(
became MINGed!

ZitatCloverfield refers to the field formerly known as Central Park. Clovers are usually prone to grow at places after bombing. Thus the term "Clover" and "field" referring to park.

Shane Schofield

Betrifft nur den Audiokommentar des Regissuers, was auch deutlich im Schreiben von Buena Vista
geschrieben steht.
Scarecrows Area

Scarecrows Einheit




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Neo

Zitat von: Shane Schofield am 17 Januar 2007, 13:22:13
Betrifft nur den Audiokommentar des Regissuers, was auch deutlich im Schreiben von Buena Vista
geschrieben steht.

was steht denn da genau?

Phil

Zitat von: Shane Schofield am 17 Januar 2007, 13:22:13
Betrifft nur den Audiokommentar des Regissuers, was auch deutlich im Schreiben von Buena Vista
geschrieben steht.
ich stand nur daneben, wie sich die 2 Angestellten hinterm Tresen miteinander darüber unterhalten haben, hatte aber nicht genauer nachgefragt, da mich der Film jetzt eh nicht mehr so interessiert...
traue nie SB, denn es tut Dir weh :(
became MINGed!

ZitatCloverfield refers to the field formerly known as Central Park. Clovers are usually prone to grow at places after bombing. Thus the term "Clover" and "field" referring to park.

bluman

Golden Globes: Bester ausländischer Film

,,Apocalypto" (USA)

,,Letters from Iwo Jima" (USA/Japan)

,,Das Leben der Anderen" (Deutschland)

,,Pan's Labyrinth" (Mexiko)

,,Volver" (Spanien)

Leider ging DAS LEBEN DER ANDEREN leer aus...

Clint Eastwood´s LETTERS...hat gewonnen!

Vieleicht wirds ja bei der Oscarverleihung  ;)
Wer A sagt, muss gar nichts...

Hedning

Was ist denn an den oberen beiden Filmen so ausländisch? Geht es da nur um die Sprache? Irgendwie kommt mir das etwas komisch vor...

Shane Schofield

Zitat von: Neo am 17 Januar 2007, 13:28:53
was steht denn da genau?


Kann es jetzt nur wage wiedergeben da ich auf Arbeit bin:

Es hat jemand Klage eingereicht gegen etwas (was stand nicht drin) was der Regisseur in seinem AK
gesagt hat. Um Ärger vorzubeugen wird der AK nun bearbeitet. BV hat aber
extra noch mal vermerkt dass aus solchen Gründen extra die Einblendung,
dass der Konzern und deren Mitarbeiter nichts mit den Aussagen der Filmemacher zu tun  haben, vor dem Film gezeigt wird. Wie gesagt ändern sie es trotzdem bevor es irgendwie schlimmer wird... 

@Neo

Wegen der PM melde ich mich natürlich noch. Danke! 
Scarecrows Area

Scarecrows Einheit




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Crumby Crumb & the Cunty Bunch

Zitat von: Hedning am 17 Januar 2007, 16:13:48
Was ist denn an den oberen beiden Filmen so ausländisch? Geht es da nur um die Sprache? Irgendwie kommt mir das etwas komisch vor...
Die Kategorie heißt "Best Foreign Language Film", wird im Deutschen aber als bester ausländischer Film bezeichnet.

Grüße
'Are you talkin' to me? You talkin' to me?' - Raging Bull, Pacino. Love that movie!

Mr. Vincent Vega

Habe den Film noch nicht gesehen und bin seit seiner VÖ, also bereits bevor der große Lobeshymnenalarm ausgelöst wurde, sehr skeptisch. Bislang hat keine Einschätzung (zugegeben, viele habe ich auch nicht gelesen) die leisen Zweifel so gut vorformuliert wie die des werten Herrn Kesher. Tatsächlich werde/würde ich genau diese Haltung des Films ähnlich störend empfinden, was ihn dann für mich komplett disfunktional machte. Interessanterweise geht das mit meiner ohnehin relativen Aversion gegenüber Ulrich Mühe einher, der sich auf bizarre Weise auch im realen Leben dieser Thematik verschrieb - in einem gottlosen, unangenehmen Medienkrieg mit seiner Ex-Frau und einer penetranten Spätabrechnung mit seiner (offenbar verhunzten) Biographie.

Chili Palmer

Zitat von: Mr. Vincent Vega am 17 Januar 2007, 16:28:12
Tatsächlich werde/würde ich genau diese Haltung des Films ähnlich störend empfinden, was ihn dann für mich komplett disfunktional machte.

Diese Haltung kann man sich aber auch herbeidenken. Inwiefern der Film zum blinden Gegenwartsjubel einlädt, erschliesst sich mir schlichtweg nicht. Vielleicht noch mal etwas ins Detail, Mr. Kesher?

Als gravierendes Problem könnte sich aber auf jeden Fall deine "Mühphobie" erweisen. Er ist schließlich Dreh- und Angelpunkt der Handlung. 
"I'm an actor, love, not a bloody rocket surgeon".

"Der Terminader is ja im Grunde so'n Kaiborch."

Dexter


Adam Kesher

Zitat von: Hedning am  6 Januar 2007, 22:21:53Das ist genau das Gefühl, das ich bei den meisten Filmen über die NS-Zeit habe...

Da schließe ich mich vorbehaltlos an. Tatsächlich glaube ich, dass Deutschland seinen historischen Kater nur schwer überwinden wird, wenn der heimische Kulturbetrieb weiterhin so hilflos zwischen verlogener Betroffenheit und unangebrachten Triumphgefühlen schlingert.

Zitat von: Mr. Vincent Vega am 17 Januar 2007, 16:28:12Bislang hat keine Einschätzung (zugegeben, viele habe ich auch nicht gelesen) die leisen Zweifel so gut vorformuliert wie die des werten Herrn Kesher. Tatsächlich werde/würde ich genau diese Haltung des Films ähnlich störend empfinden, was ihn dann für mich komplett disfunktional machte.

Danke für die Blumen! Allerdings habe ich meine Einschätzung gar nicht so sehr abgegeben, um Interessierten die Sichtung auszureden, sondern eher weil ich glaube, dass es fruchtbar ist, Kunst und Kultur zu debattieren. Letzten Endes weiß man es erst, wenn man den Film mit eigenen Augen gesehen hat.

Zitat von: Chili Palmer am 17 Januar 2007, 21:25:20Inwiefern der Film zum blinden Gegenwartsjubel einlädt, erschliesst sich mir schlichtweg nicht. Vielleicht noch mal etwas ins Detail, Mr. Kesher?

Vielleicht wird meine Haltung in meiner Besprechung etwas deutlicher. Für eine detaillierte Begründung müsste ich im Grunde einzelne Sequenzen erneut sichten und protokollieren. Zusätzlich zu der weiter oben benannten Schreibmaschinenexperten-Karikatur will ich es zumindest beispielhaft an zwei Stellen versuchen, immer auf die Gefahr hin, dass meine Erinnerung mir einen Streich spielt:

Die erste Sequenz ist der Besuch der Prostituierten bei dem Überwacher. Sehr deutlich formuliert der Film hier die Einschätzung, dass Überwachung und ein gesundes, ausgeglichenes Privatleben sich grundsätzlich ausschlössen, ein Urteil, das unseren Gegenwartsvorstellungen zwar sehr entgegenkommen mag, aber nur schwer erklärlich macht, wie ein Staat über Jahrzehnte überleben kann, wenn er doch im Grunde auf den Schultern von menschlichen Wracks ruht. Die Vorstellung vom vereinsamten Unmenschen wird sogar explizit universalisiert, als die Prostituierte erzählt, dass sie in Zeitnot sei, weil sie noch zahlreiche weitere Überwacher zu bedienen habe.

Das zweite Beispiel bezieht sich auf den Informationsfluss des Filmes, also die Reihenfolge, in der bestimmte Informationen an den Zuschauer weitergegeben werden und damit seine Reaktionen steuern. So erfährt der Zuschauer kurz vor Wieslers Vorgesetztem vom unmittelbar bevorstehenden Mauerfall und wird damit geradezu dazu eingeladen, sich insgeheim über die furchtbaren Drohungen des Vorgesetzten zu erheben, denn der Zuschauer weiß, dass sie nicht mehr greifen werden. Der Informationsvorsprung ermuntert den Zuschauer an dieser Stelle ganz explizit zu schadenfrohen Hintergedanken, von denen man natürlich sagen könnte, sie träfen den Richtigen. Ich vertrete allerdings eher die Ansicht, dass Häme an sich keine Zierde ist, ganz gleich, gegen wen sie gerichtet wird. Der Film scheint zu vergessen, dass unsere heutigen Vorstellungen selbst einmal dem Spott zukünftiger Generationen ausgesetzt sein werden.

kami

Ich glaube, das Hauptargument gegen den Film ist die Beliebigkeit seiner Geschichte. Die Stasi hat sich doch nicht dahingehend ausgezeichnet, überzeugte DDR-Bürger aus niederen Motiven irgendwelcher Funktionäre zu bespitzeln und zu denunzieren. Sicher, das kam bestimmt auch vor, aber ähnlich wie mit der Darstellung der Einsamkeit des Protagonisten mitsamt der Stasi-Hure konzentriert sich der Film auf Randerscheinungen, die es letztendlich in jedem System gibt, so dass DAS LEBEN DER ANDEREN eher wie die etwas miefige DDR-Version von ENEMY OF THE STATE wirkt. Da der Film aber kein Agentenkrimi sein will, sondern entlarvendes Drama, sind die historischen Fauxpas imho ein echter K.O.-Schlag, auch wenn die Inszenierung aus rein filmischer Sicht gelungen ist und Mühes Schauspiel über jeden Zweifel erhaben.

Chili Palmer

18 Januar 2007, 14:55:06 #27 Letzte Bearbeitung: 18 Januar 2007, 15:08:39 von Chili Palmer
@ Adam Kesher:

Okay, durch diese beiden Beispiele sehe ich bezüglich deiner Aussage wirklich klarer. Dafür meinen Dank.

Weswegen ich mich an dieser Meinung ein wenig gestoßen habe, ist in der ewigen Crux historischer Spielfilme begründet.
Ich versuche halt auch immer die Zwangslage der Filmemacher nachzuempfinden, die dem heutigen Publikum solche Geschichten nahebringen wollen. Spielfilme leben nun einmal von der emotionalen Einbindung. Dem Publikum die Wandlung eines überzeugten Stasi-Mannes zum freiheitsliebenden Augenzudrücker innerhalb Spielfilmlänge zu vermitteln, da KANN doch nur mit dem breitesten Pinsel gemalt werden. Für Grautöne und politische Differenziertheit, die einem (historisch seehr jungen) Thema wie dem DDR-Staatsapparat gerecht würden, ist ein abendfüllender Spielfilm meiner Ansicht nach das falsche Medium. Von daher kann ich die Aussagen nicht ganz nachvollziehen, die in diesem Film ein aufklärerisches Drama sehen, quasi den Korken, der die bösen Geister unserer jüngsten Vergangenheit "nun endlich" in die Flasche sperrt und uns befreit im Kinosessel aufatmen lässt.
Ich habe den Film schlichtweg als Thriller mit historischer Ummantelung gesehen, der einfach auf Gefühlsebene greifen, mich als Zuschauer aber nicht auf eine allgemeingültige Sichtweise polen will. Falls "Aufklärung" wirklich die Intention der Macher ist; traurig.

Die von dir oben genannten Szenen sind manipulativ, keine Frage. Doch glücklicherweise kann man immer noch selbst bestimmen, ob man die Manipulation auch annimmt.
"I'm an actor, love, not a bloody rocket surgeon".

"Der Terminader is ja im Grunde so'n Kaiborch."

Adam Kesher

Zitat von: Chili Palmer am 18 Januar 2007, 14:55:06Ich versuche halt auch immer die Zwangslage der Filmemacher nachzuempfinden, die dem heutigen Publikum solche Geschichten nahebringen wollen. Spielfilme leben nun einmal von der emotionalen Einbindung. Dem Publikum die Wandlung eines überzeugten Stasi-Mannes zum freiheitsliebenden Augenzudrücker innerhalb Spielfilmlänge zu vermitteln, da KANN doch nur mit dem breitesten Pinsel gemalt werden. Für Grautöne und politische Differenziertheit, die einem (historisch seehr jungen) Thema wie dem DDR-Staatsapparat gerecht würden, ist ein abendfüllender Spielfilm meiner Ansicht nach das falsche Medium.

Das würde ich nicht unterschreiben. Ich glaube nicht, dass Film ein Medium ist, das durch bestimmte unabänderliche Regeln zur Oberflächlichkeit und Gefühlsduselei verdammt ist und sich nur innerhalb enger Grenzen davon befreien kann. Vielmehr glaube ich, dass das Kino zur Oberflächlichkeit neigt, weil die Gesellschaft, die es betreibt, dazu neigt. Ein anderes Publikum könnte ganz andere Fragen an das Kino stellen und brächte völlig andere Konventionen hervor. Das Kino, das wir uns angeschafft haben, können wir ebensogut auch wieder absetzen, wenn wir das möchten.

Man vergleiche nur einen deutschen Film wie "Der Untergang" mit einem italienischen Film wie "Die 120 Tage von Sodom": In beiden geht es um Faschismus, einmal mit akribischer Detailversessenheit und weinerlicher Betroffenheit behandelt, das andere Mal zu einer universellen, herausfordernden Untersuchung des Menschen an sich erweitert. Was für ein qualitativer Unterschied, und doch ist beides Kino. Die Frage lautet: Welches Kino wollen wir? Betäubendes Verdrängungskino oder aktivierendes Risikokino? Gewissensberuhigung oder Aufarbeitung? Kino kann so aussehen wie "Das Leben der Anderen". Muss es aber nicht.

Chili Palmer

Zitat von: Adam Kesher am 18 Januar 2007, 23:58:04
Ich glaube nicht, dass Film ein Medium ist, das durch bestimmte unabänderliche Regeln zur Oberflächlichkeit und Gefühlsduselei verdammt ist

Da habe ich mich wohl missverständlich ausgedrückt. Habe das nicht auf das Medium Film an sich bezogen, sondern nur auf Werke wie "Das Leben der Anderen", die uns ideologische Geistesumschwünge im Schweinsgalopp präsentieren. Da bin ich mir vor Ansicht einfach schon darüber im Klaren, dass hier sehr stark vereinfacht wird, deinen (berechtigten) Anspruch in allen Ehren. Mit "emotionaler Einbindung" meinte ich die häufig anzutreffende Erzwingung von Gefühlen seitens des Mainstreamkinos, wollte das aber nicht auf den gesamten Filmbetrieb ausweiten. Natürlich gibt es auch subtil verfahrende Werke. Nur habe ich DLdA von Anfang an nicht an diesem Maßstab gemessen. Sondern eher an den von dir erwähnten "unabänderlichen" Regeln des modernen Mainstreamkinos. Was uns zu einer grundsätzlichen Frage bringt, die du sehr schön in Worte gefasst hast:

Zitat von: Adam Kesher am 18 Januar 2007, 23:58:04
Vielmehr glaube ich, dass das Kino zur Oberflächlichkeit neigt, weil die Gesellschaft, die es betreibt, dazu neigt.

Sehr interessanter Punkt.
"I'm an actor, love, not a bloody rocket surgeon".

"Der Terminader is ja im Grunde so'n Kaiborch."

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