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Autoren-Thread: PierrotLeFou

Begonnen von PierrotLeFou, 23 September 2008, 20:46:39

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PierrotLeFou

23 September 2008, 20:46:39 Letzte Bearbeitung: 23 September 2008, 20:48:55 von PierrotLeFou
So, ich habe jetzt auch einfach mal einen Autoren-Thread aufgemacht in dem man zu meinen Reviews ( http://www.ofdb.de/view.php?page=poster&Kat=Review&Name=66977 ) Stellung nehmen kann...

Ich selbst bin nicht mit all meinen Reviews ganz glücklich, einiges würde ich heute sicherlich etwas anders schreiben (ich sollte dazu sagen, dass einige der Reviews schon ein paar Jahre alt sind, auch wenn ich hier relativ neu bin), aber zumindest an der Einschätzung der Filme hat sich nicht wirklich etwas geändert.... (hierbei sei gesagt, dass ich mit dem 1-10/10 System doch etwas überfordert bin und ich - wenn die Bewertung anderer um +/- 2 Punkte abweicht - nicht um diese zwei Punkte streiten will.... die Einschätzung in Worten und Sätzen ist mir da noch immer etwas lieber....)

Dass ich in einigen Reviews noch etliche kleinere oder weniger kleine Fehler [Klammern vergessen, trotz besseren Wissens Dativ und Akkusativ durcheinandergewirbelt oder ein Wort nicht entfernt, das nur im ursprünglich geplanten Satz Sinn ergeben hätte] stecken habe ist mir bekannt und das werde ich über kurz oder lang wohl immer wieder mal etwas ausbessern...

Schwerpunkte liegen (was ich erst im Nachhinein bemerkte) auf den Filmen der 60er und 70er Jahre, an denen ich persönlich als Nachgeborener einen Narren gefressen habe....

Über Lob freue ich mich, für Kritik bin ich dankbar, wütende Angriffe bringen mir zwar nichts, aber da ich selber das Gefühl kenne, das in einem aufkocht wenn man ein Review liest mit dessen Beurteilungen man nichtmal ansatzweise übereinstimmt, habe ich auch dafür Verständnis und werde nicht beleidigt sein, dafür ist mein cineastisches Fell einfach zu dick....
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

Schlombie

Hi, schön dass Du einen Raum eröffnet hast, dann kann ich doch gleich mal los werden, was mir aufgefallen ist. *g
Deine Reviews sind sehr anspruchsvoll geschrieben und bieten jede Menge Hintergrundinformationen, die man selbst als Filmfreund häufig nicht kennt. Das ist zwar toll, häufig kommt dabei aber der eigentliche Aspekt zu kurz: Deine Meinungen und Beobachtungen. Ganz extrem ist mir dies zu Deinem Text von "Die Rocky Horror Picture Show" aufgefallen, die man eigentlich nicht mehr als Review bezeichnen kann. Die Infos die Du dort preis gibst sind höchst interessant und wertvoll, allerdings wäre dieser Text meiner Meinung nach in der Rubrik "zusätzliche Infos" besser aufgehoben als unter der Review-Rubrik. Im letzten Absatz betonst Du kurz, dass Du trotz vorhandener Schwächen die 10 vergibst, erwähnst diese Schwächen aber nicht einmal - vielleicht über die Augen einer der Autoren, die Du zitierst, aber aus denen wird nicht deutlich, ob Du dem zustimmst oder nicht. Die 10 zeigt, dass Du das Werk sehr zu schätzen weißt, der Text zeigt mir aber in keiner Zeile warum.
Das war natürlich nun das Extrembeispiel. An der Extreme kann ich dies aber am besten verdeutlichen. *g
Ansonsten hälst Du ein hohes Niveau, das nur wenige andere Autoren erreichen (wollen). Weiter so!
Gruß
Schlombie

PierrotLeFou

Ui, erstmal vielen Dank für die Stellungnahme und die freundlichen Worte.... Dass ich mich mit meiner eigenen Meinung sehr raushalte stimmt.... der Punkt ist allerdings auch einer den ich bewusst anzustreben versuche.... wenn ich Entstehungs- und Wirkungsgeschichten (RHPS, Clockwork Orange, Student von Prag), die Deutbarkeit von angestrebten Aussagen (Jubilee, Cannibal Holocaust, Vertical Features Remake, A Zed and two Noughts) etc. vorstellen kann, ist mir das lieber als einen Film kurzweilig zu besprechen und dabei deutlich zu werten (Porno Holocaust)...
das ist etwas - was immer man davon halten mag - mit meiner Neigung verbunden, eine möglichst objektiv haltbare Beschreibung oder sogar Bewertung eines Werkes abzuliefern....

Im Fall RHPS ist das wirklich unglücklich ausgefallen weil eigentlich nur noch das Geschehen um den Film herum thematisiert wird und weniger der Film selbst... Die Beurteilung (10/10) stützt sich (das müsste im Review auch am Ende stehen) allerdings auch auf diesen Rummel - das ist jetzt natürlich ein streitbarer Punkt, aber wenn ein Film über Jahrzehnte hinweg ein Kultfilm bleibt und in einigen Kinos seit Jahrzehnten jede Woche gespielt wird, dann ist das für mich nicht nur eine Frage von Zuschauerreaktionen sondern für mich ist auch der Film selbst wieder mitverantwortlich der solche Zuschauerreaktionen erst aufkommen lässt...
Zu den nicht weiter angesprochenen Schwächen: ich habe in der Klammer kurz auf die Zwischenrufe als Folge auf solche Schwächen verwiesen und bin davon ausgegangen dass jeder der den Film kennt in etwa weiß was gemeint ist.... für andere Leser wird es natürlich nur noch unverständlich, daran habe ich tatsächlich bisher noch nie gedacht... :icon_redface:

so, ich hoffe ich komme trotz der unerwartet langen Länge meiner Antwort nicht mimosenhaft rüber :icon_mrgreen:
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

Schlombie

Was Du mit Deinen Texten bezwecken willst ist deutlich geworden. Dennoch denke ich, dass es auf dem Weg der eigenen Beobachtungen noch einmal interessanter ist als über das Sammeln externer Informationen. Diese sind zwar sehr wertvoll, könnte man aber dann als Untermauerung oder andersartige Zusätzlichkeiten zu eigenen Beobachtungen anwenden. Dann hättest Du weiterhin einen Text, der nicht allzu deutlich wertet, der aber auch etwas über Dich preisgibt. Denn das ist der Knackpunkt, Reviws sagen ja nicht immer nur etwas über die Filme aus, sondern auch sehr viel über den Autor (gewollt und ungewollt). Und das finde ich wiederum wichtig um zu wissen wie ich mit den im Text getroffenen Aussagen umzugehen habe.

PierrotLeFou

Zitat von: Schlombie am 24 September 2008, 15:45:16
Was Du mit Deinen Texten bezwecken willst ist deutlich geworden. Dennoch denke ich, dass es auf dem Weg der eigenen Beobachtungen noch einmal interessanter ist als über das Sammeln externer Informationen. Diese sind zwar sehr wertvoll, könnte man aber dann als Untermauerung oder andersartige Zusätzlichkeiten zu eigenen Beobachtungen anwenden. Dann hättest Du weiterhin einen Text, der nicht allzu deutlich wertet, der aber auch etwas über Dich preisgibt. Denn das ist der Knackpunkt, Reviws sagen ja nicht immer nur etwas über die Filme aus, sondern auch sehr viel über den Autor (gewollt und ungewollt). Und das finde ich wiederum wichtig um zu wissen wie ich mit den im Text getroffenen Aussagen umzugehen habe.

Tja, als nächstes wird wohl ein Pulp Fiction Review kommen, da kann ich ja mal gucken ob ich deine Hinweise umsetzen kann... dürfte nicht so schwer werden, da ich Tarantino nicht sonderlich mag aber zumindest Reservoir Dogs für einen wirklich guten Film halte (8/10) und Pulp Fiction (7-8/10) eigentlich auch noch.... da werde ich wohl etwas mit mir ringen und sicherlich wird sich das auch im Review niederschlagen....
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Adam Kesher

25 September 2008, 17:25:33 #5 Letzte Bearbeitung: 25 September 2008, 17:27:30 von Adam Kesher
Ich schließe mich Schlombie an, dass deine Texte reich an weiterführenden Gedanken sind und allerlei interessante Beobachtungen zu Traditionslinien, Zeitgeist und vergleichbaren Werken aufzubieten haben, ein Bemühen um Kontextualisierung, das sich ganz besonders in deinen ungewöhnlichen Doppelbesprechungen zeigt (etwa ,,Die Nonnen von Clichy" mit ,,Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne" oder die ersten beiden Teile der Mondo-Cane-Reihe). Bei dem Nonnendoppel hatte ich freilich kurze Orientierungsprobleme, da ich die Überschrift zunächst nicht für eine zweifache Titelnennung, sondern eine Angabe von Original- und Alternativtitel gehalten habe, eine Fehldeutung, der ich wahrscheinlich aufgrund des Benennungswirrwarrs im Franco-Oeuvre anheim gefallen bin.

Besonders gelungen finde ich deine Mondo-Cane-Besprechung, die nicht nur die Hintergründe und Folgen des Mondo-Phänomens, sondern auch die konzeptionellen Unterschiede zwischen den ersten beiden Teilen herausarbeitet. Auch die inhaltlichen Beispiele, die du nennst, sind geschickt ausgewählt und vermitteln einen Überblick über die Bandbreite an Eindrücken, mit denen der Zuschauer zu rechnen hat. Ähnlich wie Bretzelburger entwickelst du deine Einschätzung vor dem Hintergrund geläufiger Schlagworte (Sensationslust, Rassismus, Manipulation), die du überprüfst und gegebenenfalls revisionierst. Der potenziellen Gefahr, dass du dich in der Wahl der zu besprechenden Aspekte fremdbestimmen lässt und nur noch bereits Gesagtes kommentierst, entgehst du durch hinreichend eigenständige Gedankengänge und Erwiderungen.

Deine Besprechung von ,,Mondo Cannibale – 2. Teil: Der Vogelmensch" habe ich als Gegenstück dazu wahrgenommen, denn hier greifst du verbreitete Vorurteile auf (erzählerische Beliebigkeit, latenter Rassismus, moralische Zwiespältigkeit und so weiter und so fort) und lässt sie mit spürbarer Süffisanz für dich arbeiten. Die große Selbstverständlichkeit, mit der du deine Einschätzungen formulierst, dürfte in erster Linie Leser adressieren, die bereits vor der Lektüre deiner Meinung waren und sich nur noch einmal vergewissern wollen. Hier hätte ich mir vielleicht einen eigenständigeren Ausdruck gewünscht, gerade weil viele der Gedanken gängig sind. Übrigens finde ich deine These, Pulan sei so etwas wie ein MacGuffin, reichlich gewagt. Soweit ich weiß, ist ein MacGuffin üblicherweise ein kleines, geheimnisvolles Objekt, das für die Figuren von alles entscheidender Bedeutung ist, sich dem Publikum in seiner Tragweite aber nie gänzlich erschließt (eine gefährliche Chemikalie, ein brisanter Mikrofilm oder – als ironische Variante – der Koffer in Pulp Fiction).

Hedning

Hallo Pierrot,

freut mich, dass du auch hier dabei bist. Deine Texte sind mir bereits sehr positiv aufgefallen. Schön, wenn jemand mit Hintergrundwissen und Formulierungskünsten Stellung zu den oft missachteten "Genrefilmen" der 60er und 70er bezieht. Da gibt es so viel zu entdecken. À bientôt...

PierrotLeFou

Danke für die Blumen.... :D :love:

@Hedning: Diese Vorliebe für 60er und 70er Jahre Filme kannte ich an mir zwar schon länger, dass sie sich jedoch so offensichtlich in den Reviews niederschlägt hat mich dann doch irritiert als es mir irgendwann mal aufgefallen ist... :icon_mrgreen:

@Adam:
Die Doppelreviews sind übrigens alle etwas älter, zum Entstehungszeitpunkt sagte mir die ofdb auch nicht so viel... ich hatte dann beim eintragen auch fast schon ein schlechtes Gewissen weil ich quasi ein Review zweimal eintrage, aber ich mochte die dann auch nicht auseinanderreißen.... :icon_redface: schön, dass es trotzdem gut aufgenommen wurde... :D

zum MacGuffin: gefühlsmäßig würde ich auch sagen dass der klassische MacGuffin eher ein Gegenstand ist, aber was die Struktur betrifft können auch Personen die Forderungen erfüllen... ich verlinke nur sehr ungerne die Wikipedia-Artikel, aber der erste Satz trifft es ganz gut: "MacGuffin ist der von Alfred Hitchcock geprägte Begriff für mehr oder weniger beliebige Objekte oder Personen, die in einem Film meist dazu dienen, die Handlung auszulösen oder voranzutreiben, ohne selbst von besonderem Interesse zu sein." Ich hatte halt das Gefühl dass die Person nicht wirklich als Person wichtig ist, ihre Aktion leitet nur das weitere Geschehen ein....
womöglich ist mein Tonfall da etwas schnodderig geraten weil ich damit die Person als "verdinglicht" ansehe, aufgenommen habe ich selbst diesen Punkt des Films aber mit Humor... :D
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Adam Kesher

26 September 2008, 01:24:01 #8 Letzte Bearbeitung: 26 September 2008, 01:57:02 von Adam Kesher
Ich hatte bereits beim Lesen den Verdacht, dass deine Doppelbesprechungen nicht ursprünglich für die OFDb entstanden sind, sondern erst später dort eingetragen wurden. Am Anfang war ich darüber leicht verwirrt; aber letztlich fand ich die Texte lesenswert und konnte gut damit leben, dass ihre äußere Form sich nicht nahtlos in die OFDb einfügt.

Was den MacGuffin angeht, bleibe ich sehr skeptisch: Swan (nicht Pulan, eine Verwechslung meinerseits) mag eine Nebenfigur sein und die Handlung ins Rollen bringen; aber sie ist in ihrer Bedeutung nicht ominös, sondern vollkommen transparent und bestimmt die Handlungsweisen der Figuren nur für sehr kurze Zeit. Deine Vorsicht gegenüber Wikipedia-Artikeln halte ich in diesem Fall für mehr als angebracht, denn nach dieser leichtfertigen Definition würde das Kino nur so überquellen vor MacGuffins. Allein im vorliegenden Fall würden noch die Apparatur, die bei der Landung im Weg liegt und das Flugzeug beschädigt, sowie die bewusstseinsverändernden Pilze die Kriterien erfüllen – ergibt unterm Strich schon drei MacGuffins in Deodatos Kannibalenfilm-Erstling. Da habe ich so meine Zweifel, denn soweit ich weiß, gehört es zum Wesen des MacGuffins, dass die Figuren es auf ihn abgesehen haben, weil sie um seine immense Bedeutung wissen, während der Zuschauer nie genau erfährt, was es damit eigentlich auf sich hat.

Da wir gerade von Begrifflichkeiten sprechen und Genres letztens ein großes Thema waren, noch ein kleiner Nachtrag zu deinen Mondo-Cane-Besprechungen: Es handelt sich bei den Filmen um Dokumentarfilme, nicht um Dokumentationen.

PierrotLeFou

26 September 2008, 01:58:59 #9 Letzte Bearbeitung: 26 September 2008, 02:01:46 von PierrotLeFou
Zitat von: Adam Kesher am 26 September 2008, 01:24:01
Ich hatte bereits beim Lesen den Verdacht, dass deine Doppelbesprechungen nicht für die OFDb entstanden sind, sondern erst später dort eingetragen wurden. Am Anfang war ich darüber leicht verwirrt; aber letztlich fand ich die Texte lesenswert und konnte damit leben, dass ihre äußere Form sich nicht nahtlos in die OFDb einfügt.

Was den MacGuffin angeht, bleibe ich sehr skeptisch: Swan (nicht Pulan, eine Verwechslung meinerseits) mag eine Nebenfigur sein und die Handlung ins Rollen bringen; aber sie ist in ihrer Bedeutung nicht ominös, sondern vollkommen transparent und bestimmt die Handlungsweisen der Figuren nur für sehr kurze Zeit. Deine Vorsicht gegenüber Wikipedia-Artikeln halte ich in diesem Fall für mehr als angebracht, denn nach dieser leichtfertigen Definition würde das Kino nur so überquellen vor MacGuffins. Allein im vorliegenden Fall würde noch die Apparatur, die bei der Landung im Weg liegt und das Flugzeug beschädigt, die Kriterien erfüllen, ebenso die bewusstseinsverändernden Pilze – ergibt unterm Strich schon drei MacGuffins in Deodatos Kannibalenfilm-Erstling. Da habe ich so meine Zweifel, denn soweit ich weiß, gehört es zum Wesen des MacGuffins, dass die Figuren es auf ihn abgesehen haben, weil sie um seine immense Bedeutung wissen, während der Zuschauer nie genau erfährt, was es damit eigentlich auf sich hat.

Da wir gerade von Begrifflichkeiten sprechen und ich letztens im Genre-Thema schon darauf hingewiesen hatte, noch ein kleiner Nachtrag zu deinen Mondo-Cane-Besprechungen: Es handelt sich bei den Filmen nicht um Dokumentationen, sondern um Dokumentarfilme.
Ah, stimmt natürlich :icon_redface:

wird mir wohl so schnell nicht wieder passieren...


Um deine Skepsis im Hinblick auf den MacGuffin und seine transparente Bedeutung etwas zu zerstreuen: Gerade der wohl berühmteste MacGuffin, das gestohlene Geld in Psycho, ist auch vollkommen transperant...

Für mich war eigentlich ausschlaggebend, dass sie Figure (wie sie heißt, weiß ich nicht mehr) kommt, eine Aktion losstrampelt die für alle Auswirkungen haben wird, welche den gesamten Film füllen, ohne dass sie selber als Person noch einen weiteren Zweck erfüllen würde.... Das macht sie irgendwo zu bloßem Kanonenfutter mit dem die Handlung vorangetrieben werden soll... Sie hat keinen Eigenwert, sondern bleibt recht eindimensional um dann bloß instrumentalisiert zu werden.... (Gut, das ließe sich wohl auch bei vielen Slashern anwenden, aber dort sind die Todesszenen ja dann Selbstzweck und jeweilige Höhepunkte und nicht in erster Linie das Mittel, die Handlung fortzuführen....) Das wollte ich eigentlich "ankreiden", ob MacGuffin da jetzt so passend ist sei dahingestellt... (Und als Begriff, der bestimmte Motive oder Verfahren fasst, lässt sich über seine Grenzen natürlich endlos streiten wie man auch darüber streiten kann ob Evil Dead nun ein Zombiefilm ist oder nicht.... das solche streitfragen für geneigte gemüter - also auch für mich - unterhaltsam sind gestehe ich ein, aber ich fürchte der Gewinn ist dabei relativ gering...)

Hat jemand das Hitchcock-Interview von Truffaut? (Meine Nachschlagmöglichkeiten sind in diesem Fall leider doch etwas begrenzt, meine zwei Hitchcock-bücher müsste ich wohl von anfang an lesen, bis ich auf den MacGuffin stoße, wenn er dort überhaupt behandelt wird...)


edit:

"der "MacGuffin", ein von Hitchcock geprägter Begriff, der ein mehr oder weniger beliebiges Objekt oder eine Person darstellt, die alleine dem Zweck dient, die Handlung auszulösen, voranzutreiben oder eben packender zu gestalten. Dabei schreibt man dem MacGuffin selbst keine große Bedeutung zu, er ist selbst ohnehin nicht von großem Interesse. Alfred Hitchcock definierte den Begriff so: "Es könnte ein schottischer Name sein aus einer Geschichte über zwei Männer, die Zug fahren. Der eine Mann fragt: ,Was ist das für ein Päckchen in der Gepäckablage?'. ,Nun', sagt der andere Mann, ,das ist ein MacGuffin.' ,Was ist ein MacGuffin?' ,Ein MacGuffin ist ein Apparat, um im Schottischen Hochland Löwen zu fangen.' ,Aber im Schottischen Hochland gibt es doch gar keine Löwen.' ,Nun, dann ist es eben auch kein MacGuffin.' Sehen Sie, ein MacGuffin ist gar nichts." Diese Anekdote unterstreicht geradezu die Beliebigkeit eines MacGuffin, der in heutigen Produktionen ebenso häufig verwendet wird wie noch vor rund 70 Jahren."
http://209.85.135.104/search?q=cache:Zb9tHxJDsPcJ:intermoviession.de/2008/05/25/all-about-movie-macguffin/+macguffin+hitchcock&hl=de&ct=clnk&cd=4&gl=de&lr=lang_de
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

Mr. Vincent Vega

Ich will gar nicht lange um den heißen Brei herumreden. Du schreibst sehr starke Reviews, hast einen ausgesprochen prägnanten Filmgeschmack und scheinst zudem sehr kompetent.

Unsere filmischen Interessengebiete aber haben wenige Schnittstellen, im Prinzip formuliert schon dein Nickname so ziemlich die größte Divergenz. ;)

Aber schön, unter den Autoren wieder einen Godard-Freund willkommen heißen zu können, nachdem der letzte ja schon vor geraumer Zeit das Weite suchte, um ähnlich prätentiöse Filme zu machen wie jene, die er auch stets adelte.

Bleibt erstmal nur zu sagen: Halte dich fern von McKenzie. Und schreibe doch bitte mal eine 10/10-Begründung für MARIENBAD.

Auf ein gutes Miteinander.

Intergalactic Ape-Man

Zitat von: PierrotLeFou am 26 September 2008, 01:58:59
Hat jemand das Hitchcock-Interview von Truffaut? (Meine Nachschlagmöglichkeiten sind in diesem Fall leider doch etwas begrenzt, meine zwei Hitchcock-bücher müsste ich wohl von anfang an lesen, bis ich auf den MacGuffin stoße, wenn er dort überhaupt behandelt wird...)

Viel Spaß

Zu deinen Reviews habe ich übrigens aus folgendem Grunde noch nichts gesagt: Ich habe noch keins zuende gelesen. Aber ich kenne immerhin einen gewissen Teil der besprochenen Filme.  :icon_smile:

PierrotLeFou

Zitat von: Senfdazu am 26 September 2008, 03:28:02
Zitat von: PierrotLeFou am 26 September 2008, 01:58:59
Hat jemand das Hitchcock-Interview von Truffaut? (Meine Nachschlagmöglichkeiten sind in diesem Fall leider doch etwas begrenzt, meine zwei Hitchcock-bücher müsste ich wohl von anfang an lesen, bis ich auf den MacGuffin stoße, wenn er dort überhaupt behandelt wird...)

Viel Spaß

Zu deinen Reviews habe ich übrigens aus folgendem Grunde noch nichts gesagt: Ich habe noch keins zuende gelesen. Aber ich kenne immerhin einen gewissen Teil der besprochenen Filme.  :icon_smile:

zu lang, zu schlecht, zu sehr von deinen Einstufungen entfernt oder einfach nicht dein interessengebiet?

Der link ist.... also... na sowas, ich bin platt...
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

PierrotLeFou

Zitat von: Mr. Vincent Vega am 26 September 2008, 03:04:45
Ich will gar nicht lange um den heißen Brei herumreden. Du schreibst sehr starke Reviews, hast einen ausgesprochen prägnanten Filmgeschmack und scheinst zudem sehr kompetent.
Danke :D
ZitatUnsere filmischen Interessengebiete aber haben wenige Schnittstellen, im Prinzip formuliert schon dein Nickname so ziemlich die größte Divergenz. ;)
Hm, stimmt wohl... Schnittstellen sind da (eigentlich nicht mal so wenige, finde ich - mich gerade durch deine Bewertungen klickend), deutliche Abweichungen aber auch.... aber jemand der 8 1/2 10/10 gibt und John Waters mag ist mir schonmal sympathisch.... :icon_cool:

ZitatAber schön, unter den Autoren wieder einen Godard-Freund willkommen heißen zu können, nachdem der letzte ja schon vor geraumer Zeit das Weite suchte, um ähnlich prätentiöse Filme zu machen wie jene, die er auch stets adelte.
Etwa der Mann mit dem Plan :question:

Übrigens halt ich meine Godard-Reviews für meine so ziemlich schwächsten :bawling: aber ich kann das natürlich auch damit entschuldigen, dass diese Filme so überaus beachtlich sind, dass jedes Review, das nicht mindestens 20 Din A 4 Seiten füllt, den Filmen nicht gerecht wird.... :icon_mrgreen:

ZitatBleibt erstmal nur zu sagen: Halte dich fern von McKenzie.
Inwiefern? Ich möchte eigentlich nicht in irgendwelche Fehden reingezogen werden, wenn das in solch eine Richtung läuft.... oder geht es um filmgeschmacksfragen?

ZitatUnd schreibe doch bitte mal eine 10/10-Begründung für MARIENBAD.

Auf ein gutes Miteinander.

Ah.... Tja, ich kann die 7/10 Wertung durchaus verstehen...

Ein Review wäre eine Überlegung wert zumal ja bald auch eine neue dt. DVD eintrudelt... würde wohl nur etwas anstrengender werden...

Aber kurz und knapp all das, was mich an diesem Film reizt:
-Ganz grandiose Kamerafahrten, Einstellungen und ein bemerkenswerter Schnitt
-Konsequent unterkühlt gekünstelte Führung der Statisten
-Sehr geschickt gewählte Kulissen
-wunderbare, robbe-grillet-typische handlung die sehr mit der glaubhaftigkeit des berichteten spielt... (von robbe grillet mag man ja halten was man will, aber dieses konsequente Zuspitzen von Irritationen, die die Glaubhaftigkeit von Bildern oder auch Sätzen in Frage stellen und zu genauem, mehrmaligen Hingucken, abwägen, durchspielen etc anregen, ist schon sehr imponierend)
-die tonspur halte ich auch für sehr wirkungsvoll um diese irgendwie hypnotische wirkung zu erreichen....

Allerdings mag ich *frevel, frevel* "Providence" noch einen kleinen Tick lieber...

Es tut auch fast schon weh zu sehen was Resnais in letzter Zeit so verbrochen hat... Das leben ist ein Chanson oder Herzen sind zwar nicht grottig sondern noch ganz nett, aber es wirkt einfach wie eine schwächere Woody Allen Komödie ohne Allen..... Für jemanden, der so großartige Kurzfilme und die Spielfilme Hiroshima mon amour, Marienbad und Providence gedreht hat, ist das aber ein unglaublicher Schritt nach hinten :icon_sad:
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Intergalactic Ape-Man

Die Reviews sind relativ lang. Dabei stoße ich dann auf folgendes Problem: Entweder, ich habe mich mit dem Film schonmal beschäftigt und der Text scheint einfach kein Ende zu nehmen, oder mir sagt der Film gar nichts und die Masse an Information ist zunächst mehr, als ich dann vielleicht lesen wollen würde (weshalb ich mir beim eigenen Schreiben auch teils zu langatmig vorkomme). Das soll keinesfalls heißen, daß du etwas schlechtes schreibst. Die drei Kritiken von Kant waren mir auch sehr zäh, während ich Texte von Schopenhauer durchaus schon als Klolektüre mißbraucht habe. Dein Hauptproblem ist vielleicht einfach die Textformatierung für das Lesen am Bildschirm. Da können gerne mehr Absätze rein. Unter Umständen entlastet diese Maßnahme schon genug, um nicht von diesem massiven Buchstabenklotz erschlagen zu werden.  :D

PierrotLeFou

Zitat von: Senfdazu am 26 September 2008, 05:14:22
Die Reviews sind relativ lang. Dabei stoße ich dann auf folgendes Problem: Entweder, ich habe mich mit dem Film schonmal beschäftigt und der Text scheint einfach kein Ende zu nehmen, oder mir sagt der Film gar nichts und die Masse an Information ist zunächst mehr, als ich dann vielleicht lesen wollen würde (weshalb ich mir beim eigenen Schreiben auch teils zu langatmig vorkomme). Das soll keinesfalls heißen, daß du etwas schlechtes schreibst. Die drei Kritiken von Kant waren mir auch sehr zäh, während ich Texte von Schopenhauer durchaus schon als Klolektüre mißbraucht habe. Dein Hauptproblem ist vielleicht einfach die Textformatierung für das Lesen am Bildschirm. Da können gerne mehr Absätze rein. Unter Umständen entlastet diese Maßnahme schon genug, um nicht von diesem massiven Buchstabenklotz erschlagen zu werden.  :D

ah, ok, das habe ich schon öfter hören dürfen :)

Tja, an der Formatierung sollte ich vielleicht arbeiten....
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Adam Kesher

Zum MacGuffin: Ich habe mal das Filmbegriffslexikon des Bender Verlags befragt und folgende Auskunft erhalten:

Zitat von: http://www.bender-verlag.de/lexikon/lexikon.php?begriff=MacGuffinMacGuffin
selten: Macguffin; manchmal auch: weenie
Ein sehr bekannter Vorschlag, dramaturgische Aspekte von Objekten oder Objektverwendungen terminologisch auszudrücken, ist Hitchcocks MacGuffin. "Das ist eine Finte, ein Trick, ein Dreh, wir nennen das gimmick", sagt Hitchcock selbst dazu. Hitchcock führt den Begriff McGuffin auf Rudyard Kipling zurück: dort war er eine Bezeichnung für den Diebstahl von Papieren, Dokumenten oder Geheimnissen. Der MacGuffin ist für die Figuren der Handlung von höchster Bedeutung, spielt aber für den Erzähler keine Rolle. Ein MacGuffin ist ein leer gesetztes Handlungsziel, meist ein Objekt, manchmal eine Geheimbotschaft. Ganz leer ist der MacGuffin aber nicht: Er muß die funktionalen Bestimmungen erfüllen, die im Kontext auf ihm liegen. Er muß z.B. rar sein, gefährlich, teuer oder in anderem Sinne wertvoll. Er vermag die Motivation des Helden zu begründen und gibt ihm schließlich ein explizites Ziel. Vergleichbar dem mittelalterlichen Gral läßt der MacGuffin den Helden ausziehen in die Fremde, die angestammte Heimat verlassen, den Kampf mit Drachen aufnehmen oder auch sich verlieben. Es ist die Leere des MacGuffin, die die Bewegung, die in das Leben des Helden kommt, ironischerweise um so mehr unterstreicht. Sie ist ein ironischer Verweis auf die eigene Handlungsdynamik der Genres und der Erzählung selbst, ein reflexiver Jux.
(HJW)

Eine solche eher eng gefasste Definition erscheint mir sehr hilfreich, denn wenn wir anfangen würden, jeden x-beliebigen nebensächlichen Handlungsauslöser MacGuffin zu nennen, so hätte ich zumindest Bedarf an einem neuen Begriff, der das umschreibt, was ich mir bislang unter einem MacGuffin vorgestellt habe. Übrigens will ich gar nicht ausschließen, dass auch Figuren zu einem MacGuffin werden können. Nur scheint mir Swan keine geeignete Kandidatin dafür. Ich denke eher an so etwas wie den letzten fruchtbaren Mann auf Erden, nach dem die Menschheit Ausschau hält, um ihren Fortbestand zu sichern. Oder an die Indianer, die in Akte X die Inhalte brisanter Geheimdokumente auswendig lernen, um sie per mündlicher Überlieferung zu archivieren. Vielleicht sogar an Keyser Söze aus ,,Die üblichen Verdächtigen".

McKenzie

27 September 2008, 03:14:10 #17 Letzte Bearbeitung: 27 September 2008, 03:19:09 von McKenzie
Zitat von: PierrotLeFou am 26 September 2008, 04:58:31
ZitatBleibt erstmal nur zu sagen: Halte dich fern von McKenzie.
Inwiefern? Ich möchte eigentlich nicht in irgendwelche Fehden reingezogen werden, wenn das in solch eine Richtung läuft.... oder geht es um filmgeschmacksfragen?

Er spielte damit nur darauf an, dass es sich bei Godard bekanntermaßen um eins meiner liebsten Hassobjekte handelt, welches so ziemlich alles Negative verkörpert, was man als halbwegs intelligenter Filmemacher mit Kino anstellen kann. ;)  Bevor ich Godard kennenlernte, hatte ich immer befürchtet, eines Tages auf solche Filme zu stoßen, Filme, die das Kino derart für sich missbrauchen. Und als ich dann an Godard geriet, wurde mein unheimlichster Kino-Albtraum Wirklichkeit (Nichtsdestotrotz mag ich zwei seiner Filme, "Week End" und "Numero Deux", sehr gerne, neben diversen 1/10 - 4/10-Bewertungen).

Das muss aber kein Grund für eine Fehde sein, dafür bist du mir schon zu positiv aufgefallen und hast durch einige Texte längst einen Stein bei mir im Brett, was ich bei Gelegenheit (meine Forumspräsenz ist momentan durch Zeitprobleme sehr eingeschränkt) vielleicht noch einmal ausführe. Ich hatte vor einigen Wochen sogar einen Moderator um Hilfe gebeten, um deinen Forumsaccount zu finden - um dich via PM zu bitten, einen Autorenthread zu eröffnen (wobei ich allerdings, das muss ich gestehen, primär eine kleine Godard-Fehde* im Hinterkopf hatte  :icon_mrgreen:) - wie so oft habe ich das aber aus Bequemlichkeit hinausgezögert und nun ist er ja von selbst erstanden (warum aber nicht gleich um 11 Uhr nachts?), der Autorenthread.  ;)

* Bei der du dich bitte, sollte sie denn eines Tages stattfinden, nicht auf mein in einem unkontrollierten, alle Vorsicht und Differenzierung verhindernden Quasi-Wutanfall geborenes NOTRE MUSIQUE-"Review" (das ich allerdings erst dann löschen kann, wenn ein anderer Verriss in der OFDb erscheint, bzw. ich es selbst durch einen neuen ersetzen kann) beziehen solltest.  :icon_redface:
ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

PierrotLeFou

Zitat von: McKenzie am 27 September 2008, 03:14:10
Er spielte damit nur darauf an, dass es sich bei Godard bekanntermaßen um eins meiner liebsten Hassobjekte handelt, welches so ziemlich alles Negative verkörpert, was man als halbwegs intelligenter Filmemacher mit Kino anstellen kann. ;)  Bevor ich Godard kennenlernte, hatte ich immer befürchtet, eines Tages auf solche Filme zu stoßen, Filme, die das Kino derart für sich missbrauchen. Und als ich dann an Godard geriet, wurde mein unheimlichster Kino-Albtraum Wirklichkeit (Nichtsdestotrotz mag ich zwei seiner Filme, "Week End" und "Numero Deux", sehr gerne, neben diversen 1/10 - 4/10-Bewertungen).

Das muss aber kein Grund für eine Fehde sein, dafür bist du mir schon zu positiv aufgefallen und hast durch einige Texte längst einen Stein bei mir im Brett, was ich bei Gelegenheit (meine Forumspräsenz ist momentan durch Zeitprobleme sehr eingeschränkt) vielleicht noch einmal ausführe. Ich hatte vor einigen Wochen sogar einen Moderator um Hilfe gebeten, um deinen Forumsaccount zu finden - um dich via PM zu bitten, einen Autorenthread zu eröffnen (wobei ich allerdings, das muss ich gestehen, primär eine kleine Godard-Fehde* im Hinterkopf hatte  :icon_mrgreen:) - wie so oft habe ich das aber aus Bequemlichkeit hinausgezögert und nun ist er ja von selbst erstanden (warum aber nicht gleich um 11 Uhr nachts?), der Autorenthread.  ;)

* Bei der du dich bitte, sollte sie denn eines Tages stattfinden, nicht auf mein in einem unkontrollierten, alle Vorsicht und Differenzierung verhindernden Quasi-Wutanfall geborenes NOTRE MUSIQUE-"Review" (das ich allerdings erst dann löschen kann, wenn ein anderer Verriss in der OFDb erscheint, bzw. ich es selbst durch einen neuen ersetzen kann) beziehen solltest.  :icon_redface:

Oh ja, den Thread hätte ich tatsächlich mal um 11 Uhr nachts eröffnen sollen :LOL:

Ich wills mal so sagen: Dass man mit Godard ab den Filmen nach La Chinoise so seine Probleme haben kann, kann ich voll und ganz verstehen.... aber zumindest bei den Spielfilmen zwischen Außer Atem und eben La Chinoise wundere ich mich immer, wenn Leute diese Werke als schwach bezeichnen.... :icon_sad:

Achja, dein Notre Musique Review habe ich damals auch gleich gelesen... (ich habe natürlich gleich entrüstet dein Profil aufgerufen, aber ein Blick in deine 10/10 Bewertungen zeigte mir, dass du trotzdem einer von den Guten bist :love:)
gut, wenn ich das mal weglassen soll, will ich da nicht wirklich groß drauf eingehen (mit meinem bin ich übrigens auch nicht ganz zufrieden)... Nur EINE Anmerkung kann ich mir nicht verkneifen: "Nach einem allein von eindrucksvollen Piano-Klängen untermalten, etwa 15minütigen Einstieg aus Montagen von Kriegsdokumentations-Ausschnitten beginnt der eigentliche Hauptfilm, der nichts anderes als eine Reflexion Godar's sowohl über diverse weltpolitische und kulturelle Vorgänge der letzten Jahre als auch über omnipräsente Fragen der Menschheit an sich, solche, die ihn selbst besonders zu beschäftigen scheinen und über das Filmemachen an sich darstellt." Es wird im Prolog ja nicht nur Dokumentarmaterial zusammengetragen, sondern auch Spielfilmmaterial.... und damit wird bereits das Thema aufgemacht was den ganzen Film ausfüllen wird und was bei Godard generell häufig anzutreffen ist, nämlich die frage nach der Kluft zwischen Vorbild und Abbild und nach den Möglichkeiten durch bestimmte Abbildungsformen diese kluft etwas zu verringern etc.

Aber mein freund ist damals im Kino auch zweimal eingeschlafen (ich war natürlich so frei und habe ihn immer wieder geweckt :icon_mrgreen:) und ein film der mehrfach geguckt werden will ist es zugegebenermaßen auch....

über Godard können wir jedenfalls gerne mal plaudern...
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

Bretzelburger

Ich möchte mich auch einmal zu Wort melden, denn aufgefallen bist du mir sofort, als du begannst, hier Reviews hineinzusetzen - und zwar negativ  :icon_twisted:

Natürlich nicht wirklich oder gar inhaltlich, sondern nur bezogen auf den Fakt, dass du manchmal 20 Reviews an einem Tag einbrachtest. Gerade weil du dich für Filme interessierst, die bisher oft stiefmütterlich behandelt wurden, war das eine gewisse Verschwendung, denn du gönntest deinen Texten den Aufenthalt auf der Vorderseite nicht. Es geht mir nicht um Klickzahlen, sondern darum, dass manche Texte einfach Aufmersamkeit benötigen und verdient haben. Hier wäre ein langsameres Hineingeben sinnvoller gewesen.

Interessant an deiner Filmauswahl ist für mich, dass du gänzlich andere Filme besprochen hast als ich, obwohl wir sicherlich ähnliche Schaffensepochen bevorzugen. Man erkennt daran, wie groß die (noch nicht genutzten) Möglichkeiten der Beschäftigung zu diesem Thema sind und so freue ich mich, einen weiteren kompetenten Autoren in der OFDB dazu begrüssen zu können. Das ich mich deshalb ausgerechnet zu "Leichen pflastern seinen Weg" äußern möchte, hat seine Gründe darin, dass ich einige der Filme wie "Der Koch, der Dieb..." oder "Der diskrete Charme..." ,die ich auch einmal besprechen wollte, schon länger nicht mehr gesehen habe.

Gut gefiel mir in deinem Text der Vergleich zu "Django", Corbuccis 2 Jahre zuvor entstandenem Film. Mir gehst du in deinem Vergleich nur nicht weit genug, indem du den gesellschaftpolitischen Hintergrund der 60er Jahre außer acht lässt, der damals großen Veränderungen unterlag. "Django" bleibt im Gegensatz zur Rolle des "Silenzio" viel mehr im Aussenraum. Seine Optik, der Sarg ,den er mitführt, die Prostituierten, gewalttätigen Verbrecher und der allgemeine Dreck im "Wilden Westen" sind zwar sehr schön plakativ und haben das Genre nachhaltig beeinflusst, aber Django selbst ist ein ganz eindimensionaler Charakter, der grundanständig ist (und selbstverständlich nur die Bösen erschiesst). So merkwürdig es klingt, fällt auf, dass dieser Aspekt niemals erwähnt wird, als wenn ein nachgeschliffener Sarg bis heute ausreicht, um Differenzierungen im Charakter zu erzeugen.

Wenn man Corbuccis Lebensgeschichte in dieser Zeit verfolgt erkennt man die politischen Einflüsse der späten 60er Jahre, die sich im ausgeprägten Falatismus des Films "Silenzio" verdeutlichen. Du betonst zwar immer die Einsamkeit des "Helden" und damit die tragische Komponente, aber erwähnst nicht, dass einer Figur wie "Loco", die sicherlich noch einsamer im menschlichen Sinne ist, das völlig egal ist. In "Silenzio" verbirgt sich die romantische Vorstellung eines Befreiers der geknechteten Armen gegenüber dem Kapitalismus, dessen pessimistischer Ausgang nur konsequent ist. Ein Einzelner wie "Silenzio" hat keine Chance, sei er auch noch so fähig und Locos größte Leistung liegt darin, eine Solidarität zwischen den Opfern zu verhindern, was ihm seine Macht erhält. Die Schießkünste spielen letztlich keine Rolle mehr, worin sich der Film grundlegend von "Django" unterscheidet.

PierrotLeFou

29 September 2008, 14:54:49 #20 Letzte Bearbeitung: 29 September 2008, 16:04:12 von PierrotLeFou
Zitat von: Bretzelburger am 29 September 2008, 13:41:53
Ich möchte mich auch einmal zu Wort melden, denn aufgefallen bist du mir sofort, als du begannst, hier Reviews hineinzusetzen - und zwar negativ  :icon_twisted:

Natürlich nicht wirklich oder gar inhaltlich, sondern nur bezogen auf den Fakt, dass du manchmal 20 Reviews an einem Tag einbrachtest. Gerade weil du dich für Filme interessierst, die bisher oft stiefmütterlich behandelt wurden, war das eine gewisse Verschwendung, denn du gönntest deinen Texten den Aufenthalt auf der Vorderseite nicht. Es geht mir nicht um Klickzahlen, sondern darum, dass manche Texte einfach Aufmersamkeit benötigen und verdient haben. Hier wäre ein langsameres Hineingeben sinnvoller gewesen.
Ah, die sind alle vorher entstanden, erst die letzten habe ich geschrieben als ich hier angemeldet war.... und zu Beginn hatte ich nicht daran gedacht auf zeitliche Abstände zu achten (dass 5 neue Reviews auf der Startseite zu sehen sind ist mir auch etwas später aufgefallen)... ich wollte zu Beginn erstmal nur schnell all meine Reviews hier reinstellen und all meine Besitztümer und Filmbewertungen hier zusammentragen... geschickter wäre es wohl gewesen, das stimmt.... :icon_redface:

ZitatInteressant an deiner Filmauswahl ist für mich, dass du gänzlich andere Filme besprochen hast als ich, obwohl wir sicherlich ähnliche Schaffensepochen bevorzugen. Man erkennt daran, wie groß die (noch nicht genutzten) Möglichkeiten der Beschäftigung zu diesem Thema sind und so freue ich mich, einen weiteren kompetenten Autoren in der OFDB dazu begrüssen zu können. Das ich mich deshalb ausgerechnet zu "Leichen pflastern seinen Weg" äußern möchte, hat seine Gründe darin, dass ich einige der Filme wie "Der Koch, der Dieb..." oder "Der diskrete Charme..." ,die ich auch einmal besprechen wollte, schon länger nicht mehr gesehen habe.

Letztere sind beide in meinen Augen nicht sehr toll... neben meinen Godard-Reviews und meinem 8 1/2 Review sind es auch so ziemlich meine ersten, die mir heute zu kurz sind (vor allem inhaltlich) und meinen mir mittlerweile selbst gestellten Anforderungen nicht genügen.... :icon_confused:
Und verglichen mit meinen Reviews, die ich selber für gelungen halte (etwa Uhrwerk Orange - wobei da nochmal dringend einige ausdrucks, tipp- und zeichensetzungsfehler rausmüssen :icon_redface:), fallen die unterschiede wohl auch schnell ins Auge... :icon_mrgreen:

ZitatGut gefiel mir in deinem Text der Vergleich zu "Django", Corbuccis 2 Jahre zuvor entstandenem Film. Mir gehst du in deinem Vergleich nur nicht weit genug, indem du den gesellschaftpolitischen Hintergrund der 60er Jahre außer acht lässt, der damals großen Veränderungen unterlag. "Django" bleibt im Gegensatz zur Rolle des "Silenzio" viel mehr im Aussenraum. Seine Optik, der Sarg ,den er mitführt, die Prostituierten, gewalttätigen Verbrecher und der allgemeine Dreck im "Wilden Westen" sind zwar sehr schön plakativ und haben das Genre nachhaltig beeinflusst, aber Django selbst ist ein ganz eindimensionaler Charakter, der grundanständig ist (und selbstverständlich nur die Bösen erschiesst). So merkwürdig es klingt, fällt auf, dass dieser Aspekt niemals erwähnt wird, als wenn ein nachgeschliffener Sarg bis heute ausreicht, um Differenzierungen im Charakter zu erzeugen.

Wenn man Corbuccis Lebensgeschichte in dieser Zeit verfolgt erkennt man die politischen Einflüsse der späten 60er Jahre, die sich im ausgeprägten Falatismus des Films "Silenzio" verdeutlichen. Du betonst zwar immer die Einsamkeit des "Helden" und damit die tragische Komponente, aber erwähnst nicht, dass einer Figur wie "Loco", die sicherlich noch einsamer im menschlichen Sinne ist, das völlig egal ist. In "Silenzio" verbirgt sich die romantische Vorstellung eines Befreiers der geknechteten Armen gegenüber dem Kapitalismus, dessen pessimistischer Ausgang nur konsequent ist. Ein Einzelner wie "Silenzio" hat keine Chance, sei er auch noch so fähig und Locos größte Leistung liegt darin, eine Solidarität zwischen den Opfern zu verhindern, was ihm seine Macht erhält. Die Schießkünste spielen letztlich keine Rolle mehr, worin sich der Film grundlegend von "Django" unterscheidet.
Dem würde ich weitestgehend zustimmen.... Dass Schießkünste keine Rolle mehr spielen möchte ich nicht unbedingt behaupten, die werden ja beeindruckend in Szene gesetzt, aber letztlich können sie nichts mehr ausrichten und führen nicht ans Ziel.... Hinterhältigkeit bringt da offenbar mehr (allerdings den "falschen" Figuren....) ;)

Der Vergleich mit Django ist nun wirklich nur sehr knapp, den hatte ich nur erbracht weil er zwar vermutlich der wirksamere Streifen gewesen ist wenn es um die Menge von Plagiaten geht (man muss sich ja nur die vielen Djangos der dt. Titelschmiede anschauen), allerdings auch der weniger abgründige, düstere, pessmistische Film... da siegt "Leichen pflastern..." ganz klar und das hebt ihn bis heute etwas hervor...
Dass Django als Figur einfacher gehalten ist sehe ich auch so - er gewinnt weniger Tiefe, bleibt dem zuschauer immer etwas fremder und erhält auch kaum eine tragische dimension - allerdings halte ich ihn keinesfall für uneingeschränkt gut... ich finde man entdeckt schon eine gehörige Portion Egoismus an ihm....

Loco habe ich als Figur sehr vernachlässigt, das stimmt. Für mich war das menschliche Drama um den tragischen Helden aber auch jedesmal interessanter gewesen...
Für den Hinweiss auf die die "romantische Vorstellung eines Befreiers der geknechteten Armen gegenüber dem Kapitalismus, dessen pessimistischer Ausgang nur konsequent ist" bedanke ich mich sehr, die Aktualität des Stoffes habe ich mir niemals so vor Augen geführt (wenn man mal von der Grundansicht, dass Gutes nicht immer auch zum Ziel führt, absieht.....)
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

psYchO dAd

4 Oktober 2008, 03:17:17 #21 Letzte Bearbeitung: 4 Oktober 2008, 03:20:45 von psYchO dAd (Ösi-Fußball-Fan)
Bitte bei Reviews wie diesem am Anfang eine Spoilerwarnung setzen: http://www.ofdb.de/review/5883,301081,Jacob%27s-Ladder---In-der-Gewalt-des-Jenseits
:respekt: (Auch wenn der deutsch Titel selbst schon spoilert ohne Ende :icon_mrgreen:)

EDIT: Einen Tippfehler habe ich auch gefunden: ganz am Ende "Horrofilm".

PierrotLeFou

Zitat von: psYchO dAd (Ösi-Fußball-Fan) am  4 Oktober 2008, 03:17:17
Bitte bei Reviews wie diesem am Anfang eine Spoilerwarnung setzen: http://www.ofdb.de/review/5883,301081,Jacob%27s-Ladder---In-der-Gewalt-des-Jenseits
:respekt: (Auch wenn der deutsch Titel selbst schon spoilert ohne Ende :icon_mrgreen:)

EDIT: Einen Tippfehler habe ich auch gefunden: ganz am Ende "Horrofilm".
Oh verdammt...
an die spoiler habe ich bisher gar nicht gedacht.... da muss ich jetzt wohl einiges nachholen :(
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

psYchO dAd

Bitte so schnell wie möglich! Wenn ich den Film (nebenbei einer meiner Lieblingsfilme) noch nicht gesehen und vorher dein Review gelesen hätte, hätte ich mich zu Tode geärgert.  :eek:

Dr.Doom(Horror)

Kann mich da meinem direkten Vorredner nur anschließen, ich lese mir zudem ehrlich gesagt auch keine Reviews zu Filmen gross durch wenn derartig viel Inhalt niedergeschrieben wird, solang ich den Film nicht gesehen habe. Wobei es mir bei Dir stark aufgefallen ist, weil ich deine Reviews auch gerne durchlese zu den Filmen die ich kenne, weil sie für die Allgemeinheit verständlich geschrieben sind, zudem wie zuvor erwähnt sauber und sehr informativ Ausgearbetiet wurden und du auch über Filme berichtest die mich interessieren. (Hollywood, Geisterstadt der Zombies, Nackt und zerfleischt, Die Tollwütigen..)
Porno Holocaust z.B. hätte ich mir so ein Review wie von Dir vorher durchgelesen, würde ich mir den Film sparen, leider hab ich diesen auch als Filmfan des Regisseurs Joe D'Amato gekauft und mich anschliessend übergeben. Die Aussagekraft ist meistens meiner Meinung entsprechend, somit ich mich auch daran richten kann, falls du mal einen Film meines Geschmackes eine hohe Note verpasst, allerdings wage ich es mir nicht das Review dann zuvor durchzulesen. ;-) 

PierrotLeFou

4 Oktober 2008, 15:06:15 #25 Letzte Bearbeitung: 4 Oktober 2008, 15:10:55 von PierrotLeFou
Zitat von: psYchO dAd (Ösi-Fußball-Fan) am  4 Oktober 2008, 04:54:52
Bitte so schnell wie möglich! Wenn ich den Film (nebenbei einer meiner Lieblingsfilme) noch nicht gesehen und vorher dein Review gelesen hätte, hätte ich mich zu Tode geärgert.  :eek:
Schon geschehen... ;) :icon_redface:

bei 5 anderen ebenfalls... muss jetzt nochmal schauen wo ich auch Pointen vorwegnehme oder den Inhalt komplett durchnehme...
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

Intergalactic Ape-Man

Nach deiner Spirale aus Kritiken in der Kritik zu 12 Monkeys ist mir 'schwindelig'. Aber es ist interessant zu lesen, wie man den Film in Worte fassen kann, so man die Sprache wieder gefunden hat. Prinzipiell ist der Stil ganz nach meinem Geschmack, denn nun würde ich gern die erwähnten Werke vergleichen, die ich abgesehen von Vertigo nicht kenne.

Mr. Vincent Vega

Sehr adäquate Besprechung, zweifellos. Mehr Euphorie wäre wohl Fehl am Platze, aber grundsätzlich würde ich den Film schon noch höher einordnen. Die Werkeinordnung (LA JETÉE - VERTIGO - 12 MONKEYS) ist ja bekannt, deine Begründung bzw. dein gewählter Schwerpunkt dafür (es gibt sicherlich ein Dutzend Wege, sich diesem filmischen Dreier zu nähern) überaus niveauvoll wiedergegeben, fast filmwissenschaftlich. Wirklich sehr guter komplexer Text, dem nur ein wenig dieser p. Subtext anhaftet, dass ein US-amerikanischer narrativer Film eben nie an französische Essaykunst oder die Meisterschaft Hitchcocks heranreichen könne.

PierrotLeFou

27 November 2008, 20:10:38 #28 Letzte Bearbeitung: 27 November 2008, 20:16:30 von PierrotLeFou
Zitat von: Mr. Vincent Vega am 27 November 2008, 14:55:09
Sehr adäquate Besprechung, zweifellos. Mehr Euphorie wäre wohl Fehl am Platze, aber grundsätzlich würde ich den Film schon noch höher einordnen. Die Werkeinordnung (LA JETÉE - VERTIGO - 12 MONKEYS) ist ja bekannt, deine Begründung bzw. dein gewählter Schwerpunkt dafür (es gibt sicherlich ein Dutzend Wege, sich diesem filmischen Dreier zu nähern) überaus niveauvoll wiedergegeben, fast filmwissenschaftlich. Wirklich sehr guter komplexer Text, dem nur ein wenig dieser p. Subtext anhaftet, dass ein US-amerikanischer narrativer Film eben nie an französische Essaykunst oder die Meisterschaft Hitchcocks heranreichen könne.

Ja, ich glaube, dass ich dem Mainstreamkino (wobei ich diese Bezeichnung selbst auch nicht unproblematisch finde) - da ist es eigentlich egal ob US-amerikanisch oder europäisch oder asiatisch und es umfasst nicht automatisch jeden narrativen Film - immer etwas voreingenommen gegenüberstehe... potentielle Möglichkeiten will ich ihnen nicht absprechen, die meisten Resultate lassen mich aber eher kalt - allerdings sind etliche dieser Filme in meinen Augen gelungener als das meiste, was der von mir geliebte Godard in seiner "unsichtbares Kino"-Phase alles abgedreht hat...

von daher gehe ich hier eher davon aus, dass mit Marker und Hitchcock einfach schwer erreichbare Vorbilder vorschwebten... (wobei ich auch mehr als genug Hitchcock mit 8/10 bewerte und auch der hat einiges gedreht, was ich nochmals als etwas schwächer empfinde....)

Ein dickes Dankeschön auf jeden Fall für die Beurteilung :icon_mrgreen:
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

Happy Harry mit dem Harten

22 Dezember 2008, 09:58:50 #29 Letzte Bearbeitung: 22 Dezember 2008, 10:16:01 von COPFKILLER
Schon lange wollte ich mich in diesem Thread äußern, da mir deine Reviews sofort positiv aufgefallen sind - nicht nur durch die unbestritten starke Argumentation und sprachliche Gewandtheit sondern auch aufgrund deiner tollen Filmauswahl. Diese zeigt deine große Aufgeschlossenheit gegenüber verschiedenen Genres, um die ich mich auch bemühe. Sehr schön, wie du adäquat sowohl anerkannte Kanon-Filme (zb von Godard und Kubrick) als auch beinharten Trash (zb Franco, Dietrich usw) und abseitiges (Waters, PINK NARCISSUS) gleichermaßen ernsthaft und ambitioniert besprichst. Freue mich immer wieder auf neue Texte von dir.

Konkreten Anlass für dieses Posting gab mir aber deine Kritik zu CRUISING, den ich selbst erst vor wenigen Tagen erneut gesehen habe - meine aufgerundete 9,5/10 bleibt übrigens fest bestehen. Was für ein fantastischer, tiefsinniger und vielfältiger Film das ist, haben McKenzie und Mr. Vincent Vega (http://www.gemeinschaftsforum.com/forum/index.php/topic,72647.msg606306.html#msg606306) ja leider nicht verstanden. :icon_twisted: Gerade wegen der eklatanten Fehleinschätzung der beiden genannten Kollegen, deren Meinung ich sonst sehr schätze, bin ich dankbar, das nun aus ein homosexueller Autor meine Einschätzung des Films unterstreicht. 08/10 ist mir eigentlich etwas zu niedrig gegriffen, aber nun gut - die blanke Note ist ja eher von geringer Bedeutung.

Deinen einleitenden Worten zu Friedkin hätte vielleicht ein Hinweis auf dessen THE BOYS IN THE BAND gut getan - ein Film, der immerhin viel geleistet hat für die Akzeptanz homosexuellen Lebensstils im Mainstream-Kino. Dieser Aspekt wird ja gerne ausgeblendet, wenn es darum geht Friedkin als Reaktionär abzustempeln. Hast du den eigentlich gesehen? Eine kritik von dir wäre Gold wert, ich traue mich ehrlich gesagt nicht ran...

Problematisch ist jedoch bereits die Empörung über die Verknüpfung von S/M- und schwuler Szene. Die Befürchtung vieler Homosexueller, die Zuschauer könnten ihre Abneigungen gegenüber einer S/M-Szene aufgrund der scheinbaren Gleichsetzung im Film auf die schwule Szene übertragen, setzt nämlich voraus, dass man kein Interesse daran zeigt, die S/M-Szene von ihrem anrüchigen Ruf reinzuwaschen, sondern bloß daran, nicht mit dieser anrüchigen Szene in Verbindung gebracht zu werden. Diese Haltung weist also selbst bereits intolerante Züge auf und die Proteste erweisen sich als verzweifelter Versuch einer Minderheitengruppe sich von einer anderen Minderheitengruppe abzugrenzen um sich nicht noch weiteren Vorurteilen aussetzen zu müssen. (Selbstverständlich stimmten auch heterosexuelle Kritiker ein Klagelied an und echauffierten sich über die scheinbare Gleichsetzung von Homosexualität und "abartigen Perversionen"; allerdings kamen - das liegt wohl in der Natur der Sache - von ihren Seiten keine vergleichbar großen Protestaktionen zustande, das überließ man freilich in erster Linie den "Betroffenen.")

VIELEN DANK für diesen wunderbaren Absatz. Die Empörung eines Teils der Schwulenszene zeigt eine ekelhafte Borniertheit, wie sie schlimmer kaum sein könnte. Die automatisch negative Auffassung des Leder-Milieus wird hier nur gefördert, genauso wie das verklemmte Doppelleben, das nicht wenige Menschen aus der Szene führten. Imo sieht der Film niemals herab auf die Szene sondern dokumentiert vielmehr ohne zu verurteilen. Nicht zuletzt zeugt es von einem hohen Selbstbewusstsein von etlichen szeneinternen Statisten, sich für den Film zur Verfügung zu stellen. Soweit ich das beurteilen kann, wirft der Film einen sehr authentischen und unverstellten Blick auf die SM-Szene - ohne dabei alle Schwule über einen kamm zu scheren oder die dargestellten Praktiken anzuprangern. Außerdem hat Friedkin mehrfach betont, das es sich lediglich um einen interessanten, unkonventionellen Handlungsort für die kriminalistische Story handelt. Das gewählte Setting ist dabei wie geschaffen um Themen wie sexuellen Identitätsverlust zu behandeln und gleichzeitig mit den Regeln des Krimi-Genres zu brechen.

Der zweite Punkt des Anstoßes, nämlich die Vorführung eines homosexuellen Mörders, ist da schon ernster zu nehmen. Und zwar nicht deshalb weil - was auch mehr als genug angenommen worden ist und angenommen wird - ein Vertreter einer Gruppierung gleich als Stellvertreter der ganzen Gruppierung aufgefasst werden kann, sondern [Achtung: Spoiler] weil hier nur bedingt von einem Täter die Rede sein kann. Tatsächlich werden hier verschiedene Darsteller genutzt, die in die jeweilige Täterrolle schlüpfen - mitunter auch Darsteller, die in chronologisch vorangegangenen Szenen ein Opfer verkörpert haben.

Die hier angesprochene Irreführung des Zuschauers halte ich für ein ungemein raffiniertes und verstörendes inszenatorisches Konzept, welches die eigentlich recht triviale Rahmenhandlung zu einer differenzierten psychologischen Auseinandersetzung werden lässt. Nicht zu vernachlässigen ist hier die Stellung eines undercover agierenden Polizisten, der in eine unbekannte Welt eintauchen muss und dessen Persönlichkeit sich aufreibt an dieser komplexen Aufgabe. Al Pacino meistert seine Rolle hervorragend und Friedkins abgründiger Pessimismus lässt den Zuschauer unangenehm vor den Kopf gestoßen zurück. Gerade die Uneindeutigkeit der Täterfrage ist imo ein mutiges Konzept und entkräftet die Homophobie-Vorwürfe mindestens genauso stark wie die zahlreichen homophoben Charaktere, deren Intoleranz und Selbstverleugnung (hier sei speziell Joe Spinell genannt) eine eindeutige Sprache sprechen. CRUISING sympathisiert sicher nicht mit diesen hasserfüllten Figuren sondern reflektiert diese unterdrückte Sexualität eindeutig in seinem unbestimmten Täter.

Und damit kann tatsächlich in Richtung einer Stellvertreterfunktion des abstrakten Täters argumentiert werden, denn wenn er keine Person ist, sondern abstrakte kriminelle Gewalt in der schwulen S/M-Szene, dann wird diese Gewalt schon in einem Maß in dieser Szene verankert, das über ein "Mörder gibt es überall und immer" hinauszugehen droht. In diesem Punkt begibt sich Friedkin auf Glatteis, ganz egal wie dieser Kunstgriff intendiert war.

Kann ich nachvollziehen, würde ich aber nicht unterschreiben. Friedkin mag sich auf Glatteis begeben, allerdings macht es auf mich den Eindruck, als würde er keine falsche Anbiederung an die homosexuelle Szene forcieren wollen. Mag sein, das eine gewisse Leseart damit offenbleibt - auf mich hat das aber keinen nachhaltig negativen Eindruck gemacht. Friedkin selbst sieht das Ganze eher universell und eine generelle Verbindung zwischen schwuler SM-Szene und krimineller Gewalt soll hier sicher nicht heraus gearbeitet werden. Das es unter Schwulen genauso wie unter Heteros immer wieder sexuell entgleiste Persönlichkeiten gibt wird wohl niemand bestreiten - da Pacino in jeder Hinsicht ambivalent und unberechenbar erscheint und zum Ende hin alle Identifikationsmöglichkeiten verwischt werden halte ich Friedkins Herangehensweise nicht nur für legitim sondern eben für besonders mutig. Der Zuschauer wird direkt aufgefordert das Gesehene zu reflektieren und sich ein eigenes Bild zu machen. Das der Film bei eher homophob eingestellten Menschen Vorurteile bestätigt, musste ich aber leider kürzlich wieder selbst erfahren - was aber auch für den ungleich sensibleren BROKEBACK MOUNTAIN gilt. Wer seine festgefahrenen Vorurteile bestätigt sehen WILL, der wird auch in CRUISING fündig. Da aber reine gewisse Aufgeschlossenheit vorausgesetzt und indirekt auch durch die drastische Bildsprache gefordert wird möchte ich dem Film keine bedenlichen Tendenzen andichten. Womit ich deine Aussage natürlich nicht als prinzipiell "falsch" bezeichnen möchte - im gegensatz zur Polemik eines gewissen VV trägst du deine Bedenken ja sehr behutsam vor...

...Dabei wurde übersehen, dass der Film mehr als genug großartige Elemente zu bieten hat...(Schnitt und Farbdramaturgie sind besonders interessant und auffällig, aber auch der Einsatz der Tonspur verläuft ebenso effektiv wie geistreich)...

Sehr richtig. :exclaim:

Die recht stimmige und relativ unverklemmte Schilderung der S/M-Gay-Szene (inklusive Schilderung des titelgebenden Cruisings) ist sehr sinnlich und erotisch geraten - vorausgesetzt man hat damit nicht so seine Probleme und sieht darin ein Sündenbabel oder "Inferno"(3) wie es beim wie fast immer bedenklichen Filmdienst der Fall war.

Was der Film-Dienst geschrieben hat weiß ich leider nicht aber du bringst es hier auf den Punkt: Hat man bereits ein schlechtes Bild von der Szene mag sich eine Bestätigung heraus lesen lassen aus den doch sehr expliziten Bildern. Ein toleranterer Mensch kann hier aber auch die unverkrampfte Körperkultur der Szene erkennen und wie diese vom Film gewissermaßen auch gefeiert wird. So sehe ich das jedenfalls - oft wünsche ich mir, das es auf Hetero-Partys mal so lässig und direkt zugeht...

Und inmitten immer gleich ablaufender Thrillerkost ist dieser Film, der wie die Realität auch viele Fragen offen lässt und seiner Hauptfigur ein herausragendes Maß an Tiefe verleiht, ein wirklich erfrischendes Erlebnis. Und wer Al Pacino und Joe "Maniac" Spinell verehrt, bekommt beide in Rollen geboten, die zu den interessantesten ihrer so verschiedenen Karrieren gehören - wenngleich Spinells Nebenrolle natürlich nur einen Bruchteil der Laufzeit einnimmt.

Absolut deiner Meinung. :exclaim:

Schönen Gruß und weiter so. :respekt: Auch wenn du einen weiteren Text von mir gnadenlos deklassiert hast.  :icon_redface:

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