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Quentin Tarantino: über-/unterschätzt?

Begonnen von Hedning, 16 Februar 2009, 14:58:44

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Mr. Vincent Vega

Zitat von: Hanselel am 19 Februar 2009, 17:22:35
Zitatder üblichen Hetero-Fantasie Tarantinos, dass Frauen einen auf Mann machen dürfen, so lange sie der (künstlerischen) Kontrolle ihres Erzeugers/Regisseurs unterstehen.
Darf ich fragen woher du das nimmst?

Aus meinem verqueren Köpfchen. :icon_mrgreen:

Ich denke schon, dass Tarantinos Frauenfiguren reine männliche Konstrukte sind. Sie kämpfen, fluchen, töten, sie sind richtige Bitches, die auf den Putz hauen (und sei es nur verbal wie Uma in Pulp Fiction). Deshalb sollten sie m.E. aber nicht mit starken, selbstbestimmten Figuren verwechselt werden, denn das sind sie doch mitnichten. So wie Ellen Ripley in ALIENS ein weiblicher Rambo getauft wurde (was ja schon per se alles aussagt - der Vergleich mit einem Mann definiert die Frau), ist die gute Uma im gelben Anzug eben ein femininer Sonny Chiba ... (das Beispiel hakt aufgrund der tradierten Rolle der kämpferischen Frau im Genre, siehe LADY SNOWBLOOD) ... oder besser: sind die Girls in DEATH PROOF eben vorzeichenveränderte Rowdies, die Männer in den Tod chasen - mit schweren geilen Karren und allerlei anderweitigem (natürlich) männlich konnotierten Statussymbolen.

Ach ja, das ist natürlich alles kein Grund, die Filme nicht super zu finden. Das tue ich nämlich. :D

psychopaul

19 Februar 2009, 17:38:46 #241 Letzte Bearbeitung: 19 Februar 2009, 17:42:13 von psychopaul
D.h. also echte Frauen hauen nicht auf den Putz, fluchen und töten nicht. Und autofahren können sie auch nicht.
Willkommen, Soonor II.  :icon_twisted:

Ein Rambo (zumindest der späte bzw. das, was man im Allgemeinjargon darunter versteht), egal ob männlich oder weiblich, ist einfach eine fiktive, leicht lächerliche Figur, das hat doch nichts mit Geschlechtern zu tun.
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psYchO dAd

Dieses Machobild wird idR für Männer verwendet. Aber nur weil sich dies gesellschaftlich so etabliert hat heißt es noch lange nicht, dass dieses Machodasein nur für Männer reserviert ist. Ich persönlich finde es bei beiderlei Geschlecht lächerlich, in einem Film kann es aber ganz unterhaltsam sein... oder auch ärgerlich, aktuelles Beispiel Jarhead. Da hat das ganze ultramännliche Getue recht schnell genervt, auch wenn es vielleicht doch um eine realistische Milieustudie handeln könnte.

McKenzie

Zitat von: psychopaul am 19 Februar 2009, 17:38:46
D.h. also echte Frauen hauen nicht auf den Putz, fluchen und töten nicht. Und autofahren können sie auch nicht.
Willkommen, Soonor II.  :icon_twisted:

Hehe, das musste mal sein. Das ist nämlich der Haken an der Sache: Ist es nicht schon misogyn, Frauen zu verbieten, sich "typisch männlich" zu verhalten? Oder vielleicht, selbstbestimmt, dem bürgerlichen Gesellschaftsmodell zuzustimmen?

Tja...

Zitat von: Mr. Vincent Vega am 19 Februar 2009, 17:34:20
So wie Ellen Ripley in ALIENS ein weiblicher Rambo getauft wurde (was ja schon per se alles aussagt - der Vergleich mit einem Mann definiert die Frau)

Das könnte aber auch einfach daran liegen, dass es kaum weibliche Action-Heldinnen gibt. Und wenn du jetzt behaupten würdest, das sei nur in Ermangelung der Möglichkeiten in der heteronormativen Gesellschaft und Filmindustrie so, würde ich dir vehement wiedersprechen. Der Action-Film ist ein männliches Genre und wird es immer bleiben - weil die Majorität des sch.....önen Geschlechts sich dafür nicht ausrechend interessiert. Und deswegen wird es nie ausreichend weibliche Action-Heldinnen geben. Ripley ist schließlich keine richtige Action-Heldin gewesen im ersten ALIEN, sie wurde es erst später.
ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

Mr. Krabbelfisch

Zitat von: Mr. Vincent Vega am 19 Februar 2009, 17:34:20
Zitat von: Hanselel am 19 Februar 2009, 17:22:35
Zitatder üblichen Hetero-Fantasie Tarantinos, dass Frauen einen auf Mann machen dürfen, so lange sie der (künstlerischen) Kontrolle ihres Erzeugers/Regisseurs unterstehen.
Darf ich fragen woher du das nimmst?
Sie kämpfen, fluchen, töten, sie sind richtige Bitches, die auf den Putz hauen (und sei es nur verbal wie Uma in Pulp Fiction). Deshalb sollten sie m.E. aber nicht mit starken, selbstbestimmten Figuren verwechselt werden,
Aber das eine schließt doch das andere nicht aus.

Wenn es kämpfende, fluchende, tötende Männerbitches wären die ordentlich auf den Putz hauen, da würde doch niemand auf die Idee kommen die nicht für starke, selbstbestimmte Figuren zu halten.

Um es mal so gut wie komplett in deinen Worten zu sagen ;)
"Our games are not designed for young people. If you're a parent and buy one of our games for your child you're a terrible parent.
We design games for adults because we're adults." - Lazlow Jones (Developer Red Dead Redemption)

McKenzie

19 Februar 2009, 18:38:18 #245 Letzte Bearbeitung: 19 Februar 2009, 18:42:22 von McKenzie
Mr. Vincent Vega subtextualisiert gerne Subtexte, deswegen wirken seine ideologischen Argumentationen hier und da gelegentlich etwas gestelzt.  :icon_twisted:

Ansonsten habt ihr aber beide recht.  :icon_mrgreen:

@ Psychodad:

Woher hast du dieses Zitat in deiner Sig?  :icon_lol:
ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

AKAD

Kann man so nicht abschließend beantworten:
Jackie Brown fand ich genial, Reservoir Dogs sehenswert (muss man mehrfach sehen), Kill Bill vol. 1 faszinierend,
und Filme mit Tim Roth als Darsteller (hier halt Pulp Fiction), sind imo Pflicht.
Schauspieler wie David Carradine haben eine äußerst kleine, aber absolut beinharte Fangemeinde - wenn man  30 Jahre auf das Idol seiner Jugend "Caine" gewartet hat, treibt der Gedanke an "Hohohoho" einen allein ins Kino.
Tarantino "klaut" natürlich, sowohl bei der Story als auch beim Image / Œuvre von Schauspielern aber es macht bisher sehr viel Spaß, ihm dabei zuzusehen, wenn er "zitiert".
Der Mann hat noch mindestens 30 Jahre kreativen Schaffens vor sich - wie wäre es zunächst mit einen Re-Remake von "Der Schakal" von Frederick Forsyth?

Pam Greer






Snake_Plissken

Schon, dass es so einen Thread gibt und dieser auch ausgiebig genutzt wird, ist bezeichnend für Tarantinos Bedeutung.

Man darf auch nicht eine generelle Aussage, wie "XY ist über- oder unterschätzt" nicht mit persönlichen Vorlieben verwechseln. Es gibt ganz sicher Regisseure, mit deren Schaffen ich (noch?) nicht so viel angangen kann (der frühe Woody Allen z.B.), ich würde aber nie behaupten, dass diese überschätzt sind.

Ich persönlich liebe Tarantinos Zitate-Kino, seine unterschiedlichen Spielfelder, auf denen er sich austobt (muß dringend mal wieder "Jackie Brown" schauen... einer seiner unterschätztesten Filme  :icon_mrgreen:), sein popkulturellen Querverweise, die man nicht verstehen muß, aber in denen man sich tatsächlich verlieren kann und auch seine Darstellerensembles, die er wie ein Magier aus dem Hut zaubert.

Greetings Snake_
I made a movie in Bulgaria. I'm ready for everything!
-The incomparable Mr. Bruce Campbell-

Jedem Sturm sein Wasserglas
-Nagel-

PierrotLeFou

Zitat von: McKenzie am 19 Februar 2009, 17:53:46
Zitat von: psychopaul am 19 Februar 2009, 17:38:46
D.h. also echte Frauen hauen nicht auf den Putz, fluchen und töten nicht. Und autofahren können sie auch nicht.
Willkommen, Soonor II.  :icon_twisted:

Hehe, das musste mal sein. Das ist nämlich der Haken an der Sache: Ist es nicht schon misogyn, Frauen zu verbieten, sich "typisch männlich" zu verhalten? Oder vielleicht, selbstbestimmt, dem bürgerlichen Gesellschaftsmodell zuzustimmen?

Tja...

Zitat von: Mr. Vincent Vega am 19 Februar 2009, 17:34:20
So wie Ellen Ripley in ALIENS ein weiblicher Rambo getauft wurde (was ja schon per se alles aussagt - der Vergleich mit einem Mann definiert die Frau)

Das könnte aber auch einfach daran liegen, dass es kaum weibliche Action-Heldinnen gibt. Und wenn du jetzt behaupten würdest, das sei nur in Ermangelung der Möglichkeiten in der heteronormativen Gesellschaft und Filmindustrie so, würde ich dir vehement wiedersprechen. Der Action-Film ist ein männliches Genre und wird es immer bleiben - weil die Majorität des sch.....önen Geschlechts sich dafür nicht ausrechend interessiert. Und deswegen wird es nie ausreichend weibliche Action-Heldinnen geben. Ripley ist schließlich keine richtige Action-Heldin gewesen im ersten ALIEN, sie wurde es erst später.

Ich schalte mich hier mal Monate zu spät ein und stimme eher Vega zu.

Ich sehe es so, dass sich im Laufe der Filmgeschichte im massentauglichen Spielfilm männliche Heldenfiguren herauskristallisiert haben, die hart, stark, rauhbeinig aber gutherzig usw. waren.
Als feministische Einstellungen sich allmählich durchsetzten reagierte das nicht in erster Linie auf breite Zuschauergruppen schielende Kino ab den 60er Jahre, indem es Männerfiguren einsetzte, die diese ikonographischen Männlichkeitsbilder NICHT aufwiesen und dadurch Frauen gleichgestellt waren. Dass eher massentaugliche Kino reagierte - auch etwas später, als der Feminismus schon weit etablierter war - indem es Frauen ebenso überstilisierte und ihnen Elemente zuschrieb, die in der Kinogeschichte bisher als "männlich" beschrieben worden sind...
Dadurch finde ich diese zweite Entwicklung auch etwas unerfreulicher, da hier Mann und Frau gleichgestellt werden sollen, indem der Frau Züge zugestanden werden, die man bisher Männern (also "richtigen Männern" wie man so schön sagt) zugeschrieben hat... die erste geht den gescheiteren Weg und stellt diese Zuschreibungen überhaupt völlig in Frage....



anders als Vega mag ich Tarantino trotzdem nicht sonderlich.... (RD, den ich für den einzig wirklich guten Tarantino halte, habe ich erst kürzlich wieder gesehen und war überrascht, wie gut er mir noch immer gefällt obwohl ich Tarantino als Person abgrundtief verabscheue...)
Ist er überschätzt? Ich würde sagen: ja. Ebenso wie Kubrick und Lynch, ferner auch Ferrara und Jarmusch ist er einer der Regisseure, die vor allem von nur halbwegs filmisch Gebildeten (diejenigen, die fast nur Filme ab den frühen 70ern bis heute kennen, wobei der Schwerpunkt eindeutig auf dem US-Kino liegt) gefeiert werden... weil sie sind nicht wirklich Mainstream sind, aber auch noch nicht sosehr vom Mainstream entfernt, dass sie unbemerkt an dieser Zielgruppe vorbeiwandern würden...

Anders als die anderen 4 genannten Regisseure liefert er in meinen Augen jedoch nur Oberflächenglanz ab, angereichert mit völlig selbstzweckhaften Zitaten (die große Teile der Zielgruppe auch nicht bemerken und dadurch den Eindruck wirklicher Kreativität erlangen) und dem Fehlen jeglicher Emotionen (für die bei ihm aber auch gar kein Platz ist)... wirklich schlecht ist das freilich nicht, aber auch nicht sehr bedeutsam...
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

Hitfield

Meine Antwort auf die Frage des Threads: Sowohl als auch.

Er wird von seinen Anhängern - den besonders renitenten Taranteenies - meines Erachtens ziemlich überschätzt, weil sie sich durch seinen enormen Zitatereichtum, die Gewalt und die Coolness (die zudem stets Kalkül ist -- wenn ich ihm etwas vorwerfen würde, dann in erster Linie eigentlich nur diesen einen Punkt) zu sehr blenden lassen. Zudem ist in Bezug auf den Zitatereichtum noch zu bedenken, daß wahrscheinlich nicht alle der (jüngeren) Zuschauer die ganzen Einflüsse von Elmore Leonard über bestimmte Exploitation-Krimis speziell der 70er Jahre bis Russ Meyer ausmachen können.

Von seinen Kritikern wird er dagegen aus meiner Sicht unterschätzt, weil sie nicht sehen, wie geschickt er auf der Klaviatur der Popkultur spielen kann und dabei zumeist sehr unterhaltsame Filme mit skurril-guten Skripten und Schauspielerleistungen abliefert.
"All those moments will be lost in time, like tears in the rain."

Glod

Obwohl Death Proof für mich eine extreme Enttäuschung war, ist Tarantino für mich alles andere als ein unterschätzter Regisseur. Auch wenn er sich viel zusammen klaut und seine Filme bis zum Rand mit Zitaten vollstopft (von denen ich nahezu kein einziges kenne), hat er eine absolut unnachahmliche Art, diese Elemente zu kombinieren und daraus etwas neues zu formen. Sein Gespür, Bilder mit dem passenden Soundtrack zu versehen, ist einfach nur grandios. Er bringt geniale Figuren auf die Leinwand und schafft es auch, den Schauspielern Topleistungen zu entlocken.
Ich hoffe, dass die Endlosschwafelei Death Proof ein Ausrutscher war. Bin echt auf die Basterds gespannt. Ist ja wieder mal ein ganz anderes Genre, was er hier beackert.

Was ich an Tarantino noch sehr schätze: Er macht genau das, was er will und nicht das, von dem er denkt, dass es 250 Mio Dollar einspielt. Ist bei Hollywoods Großen auch nicht gerade häufig vorzufinden.
"Er wird mir eine Kugel verpassen und dann Selbstmord begehen." -Nina Meyers-

"Wir passen schon auf, dass er keinen Selbstmord begeht." -Jack Bauer-

Mr. Blonde

Zitat von: Glod am 20 Mai 2009, 09:09:51
Auch wenn er sich viel zusammen klaut und seine Filme bis zum Rand mit Zitaten vollstopft (von denen ich nahezu kein einziges kenne), hat er eine absolut unnachahmliche Art, diese Elemente zu kombinieren und daraus etwas neues zu formen.

Woher weißt Du das, wenn Du die Zitate nicht verstanden hast?

Glod

Weil ich irgendwie arg bezweifle, dass der Kampf im Schnee bei Lady Snowblood mit SOLCHER Mucke unterlegt war. Weil ich schon einige Hongkong-Heuler gesehen habe, wo der held von vielen Gegnern eingekreist wurde. Da spielte dann oft dramatische Trommelmusik. Ein hipper Soundtrack, der da so eine Art Tänzchen ankündigte lief da nie.
Sind nur zwei Beispiele, die mir gerade einfallen. Aber würde Tarantino 1:1 aus irgendwelchen Schinken kopieren, dann würden seine filme heutzutage ganz sicher nicht so ankommen...denke ich.
"Er wird mir eine Kugel verpassen und dann Selbstmord begehen." -Nina Meyers-

"Wir passen schon auf, dass er keinen Selbstmord begeht." -Jack Bauer-

Hedning


Mr. Blonde

Zitat von: Hedning am  8 September 2009, 21:27:39
Quentins nächster Streich  :icon_mrgreen: :icon_mrgreen: :icon_mrgreen:

http://www.theonion.com/content/news/next_tarantino_movie_an_homage_to

Ich hab bestimmt drei Minuten gelesen, bis ich gemerkt habe, dass es ein Artikel von "The onion" ist.  :LOL:

McKenzie

@ PierrotLeFilou:

Zitat von: PierrotLeFou am 20 Mai 2009, 00:43:23
Ist er überschätzt? Ich würde sagen: ja. Ebenso wie Kubrick und Lynch, ferner auch Ferrara und Jarmusch ist er einer der Regisseure, die vor allem von nur halbwegs filmisch Gebildeten (diejenigen, die fast nur Filme ab den frühen 70ern bis heute kennen, wobei der Schwerpunkt eindeutig auf dem US-Kino liegt) gefeiert werden... weil sie sind nicht wirklich Mainstream sind, aber auch noch nicht sosehr vom Mainstream entfernt, dass sie unbemerkt an dieser Zielgruppe vorbeiwandern würden...

Anders als die anderen 4 genannten Regisseure liefert er in meinen Augen jedoch nur Oberflächenglanz ab, angereichert mit völlig selbstzweckhaften Zitaten (die große Teile der Zielgruppe auch nicht bemerken und dadurch den Eindruck wirklicher Kreativität erlangen) und dem Fehlen jeglicher Emotionen (für die bei ihm aber auch gar kein Platz ist)... wirklich schlecht ist das freilich nicht, aber auch nicht sehr bedeutsam...

Auch wenn es vielleicht angesichts meiner relative jungen Tarantino-Begeisterung, die sich erst mit DEATH PROOF erhob (bei dem ich mit dem festen Vorsatz ins Kino gegangen bin, ihn richtig scheisse zu finden  :icon_mrgreen:) schon wieder ein wenig in Vergessenheit geraten ist (abgesehen von Copfkiller, der immer noch von meinem PULP FICTION-Verriss traumatisiert sein duerfte) - ich habe jahrelang Tarantino mit exakt den gleichen Argumenten attackiert, gegenueber weniger cineastischen Gespraechspartnern besonders gern sowohl mit dem "Dieb, der sich als Verehrer tarnt" und dem "Pseudo-unkonventionelles fuer den Mainstreamer". Deine Argumentation ist mir daher sehr vertraut und auch Tarantino als Person konnte ich einst nicht ab und finde ich teilweise auch jetzt noch bisweilen etwas dubios und anstrengend (nicht aber peinlich, verabscheuungswuerdig oder aehnliches).

DEATH PROOF ist fuer mich immer noch ein Phaenomen in meiner cineastischen Karriere weil ich nie so schnell meine Vorbehalte gegen den Film eines urspruenglich verhassten Regisseurs bei der Sichtung abgebaut habe - waehrend des Vorspanns dachte ich mir noch: Oh mein Gott, wie peinlich - kommt er jetzt schon wieder mit der knalligen gelben Schrift, den Fuessen und der groovigen E-Gitarren-Musik an... Und dann, sehr schnell, nach wenigen Minuten, eigentlich schon nach der gesamten Autofahrt der Maedchen, war ich dem Film und seiner Faszination erlegen. Wichtig ist hier vielleicht noch anzufuehren, dass DEATH PROOF mein erster Tarantino nach langer Abstinenz war - der letzte, den ich ein Jahr zuvor gesehen hatte, war JACKIE BROWN gewesen der noch sehr viel staerker das an sich hatte, was mir an Tarantino nie gepasst hat (jetzt glaube ich auch zu wissen, was das war - fuer mich steht in PULP FICTION und JACKIE BROWN zwischen der Person Tarantino und den Filmen eine Wand, die zu einer merkwuerdigen Distanz fuehrt - ganz so, als haette er sich noch nicht gewagt, ganz aus der Reserve zu kommen und sich und seine Filme eins werden zu lassen, was er dann sehr radikal und unvermittelt mit KILL BILL geschehen hat lassen). Ich war von DEATH PROOF in vielerlei Hinsicht extrem ueberrascht, von der relativen Zurueckhaltung mit inszenatorischen Kinkerlitzchen, der ausgepraegten formalen Stilistik, dem Ausmass an sophistication in den Dialogen, von der mir immer im Zusammenhang mit PULP FICTION vorgeschwaermt wurde, die ich hier aber zum ersten Mal selbst erfassen konnte, ueber die bemerkenswerte Gratwanderung, die er mit den einerseits reissbrettartigen, andererseits raffiniert konstruierten (und ein Charakter ist immer zuerst ein Konstrukt, meine ich) Charakteren vollzieht, bis hin zu der g-r-o-s-s-a-r-t-i-g-e-n, weil mit minimalistischster und gekonnter Dynamik ohne falsche Effekthascherei trocken gefilmten Verfolgungsjagd am Ende, die mir als Action-Muffel die Neugierde aufs Genre zurueckgegeben hat... Einige Wochen spaeter habe ich dann PLANET TERROR gesehen, der in seiner unreifen und dumpfen Aufdringlichkeit beinahe exakt all das brachte, was ich vor DEATH PROOF befuerchtet und schadenfroh erhofft hatte... Letzteren habe ich seither 6 weitere Male, zwei Mal im Kino und vier Mal auf DVD, gesehen. Und ich werde ihn nicht ueber. Diesen Effekt wird PULP FICTION auf mich wohl nie haben (der ihn ja auf die meisten auszuueben scheint) - beim letzten und zweiten Mal fuehlte ich schon, dass das fuers erste reicht und ich ihn so schnell sicherlich nicht nochmal sehen moechte. Ich bleibe bei dem Standpunkt, dass Tarantinos Selbstfindungsprozess seinen Filmen bekommt und er kontinuierlich besser geworden ist - mit RD, PF und JB als Uebungsfilmen und KB, DP und IB als vorlaeufigem Hoehepunkt.

Ansonsten gehe ich mit deiner grob umrissenen These zum Geschlechterbild im Genrekino ziemlich d'accord, vor allem mit deiner Schlussfolgerung. Die zeigt naemlich, dass wir uns aktuell auf einem reaktionaeren Abwaertstrend befinden, weil sich derzeit eine neue Form des Ultra-Chauvi-Action-Kinos ausbildet, die sich mit der unfreiwilligen Selbstironie (okay, das klingt in sich sehr widerspruechlich), die wir heute den 80iger-Actionfilmen attestieren, zu tarnen versucht.

Ich wuensche dir, dass du vielleicht frueher oder spaeter auch noch ein "Erweckungserlebnis" hast - falls du INGLORIOUS BASTERDS noch nicht gesehen hast (wovon ich jetzt mal ausgehe) waere das eine gute Gelegenheit, ist der Film doch naeher am europaeischen Autoren- denn am amerikanischen Coolness-Kino.

ZitatPunctuality is the thief of time
- Oscar Wilde
ZitatOne problem with people who have no vices is that they're pretty sure to have some annoying virtues.
- Elizabeth Taylor

PierrotLeFou

Zitat von: McKenzie am  9 September 2009, 23:21:37
@ PierrotLeFilou:

Zitat von: PierrotLeFou am 20 Mai 2009, 00:43:23
Ist er überschätzt? Ich würde sagen: ja. Ebenso wie Kubrick und Lynch, ferner auch Ferrara und Jarmusch ist er einer der Regisseure, die vor allem von nur halbwegs filmisch Gebildeten (diejenigen, die fast nur Filme ab den frühen 70ern bis heute kennen, wobei der Schwerpunkt eindeutig auf dem US-Kino liegt) gefeiert werden... weil sie sind nicht wirklich Mainstream sind, aber auch noch nicht sosehr vom Mainstream entfernt, dass sie unbemerkt an dieser Zielgruppe vorbeiwandern würden...

Anders als die anderen 4 genannten Regisseure liefert er in meinen Augen jedoch nur Oberflächenglanz ab, angereichert mit völlig selbstzweckhaften Zitaten (die große Teile der Zielgruppe auch nicht bemerken und dadurch den Eindruck wirklicher Kreativität erlangen) und dem Fehlen jeglicher Emotionen (für die bei ihm aber auch gar kein Platz ist)... wirklich schlecht ist das freilich nicht, aber auch nicht sehr bedeutsam...

Auch wenn es vielleicht angesichts meiner relative jungen Tarantino-Begeisterung, die sich erst mit DEATH PROOF erhob (bei dem ich mit dem festen Vorsatz ins Kino gegangen bin, ihn richtig scheisse zu finden  :icon_mrgreen:) schon wieder ein wenig in Vergessenheit geraten ist (abgesehen von Copfkiller, der immer noch von meinem PULP FICTION-Verriss traumatisiert sein duerfte) - ich habe jahrelang Tarantino mit exakt den gleichen Argumenten attackiert, gegenueber weniger cineastischen Gespraechspartnern besonders gern sowohl mit dem "Dieb, der sich als Verehrer tarnt" und dem "Pseudo-unkonventionelles fuer den Mainstreamer". Deine Argumentation ist mir daher sehr vertraut und auch Tarantino als Person konnte ich einst nicht ab und finde ich teilweise auch jetzt noch bisweilen etwas dubios und anstrengend (nicht aber peinlich, verabscheuungswuerdig oder aehnliches).

DEATH PROOF ist fuer mich immer noch ein Phaenomen in meiner cineastischen Karriere weil ich nie so schnell meine Vorbehalte gegen den Film eines urspruenglich verhassten Regisseurs bei der Sichtung abgebaut habe - waehrend des Vorspanns dachte ich mir noch: Oh mein Gott, wie peinlich - kommt er jetzt schon wieder mit der knalligen gelben Schrift, den Fuessen und der groovigen E-Gitarren-Musik an... Und dann, sehr schnell, nach wenigen Minuten, eigentlich schon nach der gesamten Autofahrt der Maedchen, war ich dem Film und seiner Faszination erlegen. Wichtig ist hier vielleicht noch anzufuehren, dass DEATH PROOF mein erster Tarantino nach langer Abstinenz war - der letzte, den ich ein Jahr zuvor gesehen hatte, war JACKIE BROWN gewesen der noch sehr viel staerker das an sich hatte, was mir an Tarantino nie gepasst hat (jetzt glaube ich auch zu wissen, was das war - fuer mich steht in PULP FICTION und JACKIE BROWN zwischen der Person Tarantino und den Filmen eine Wand, die zu einer merkwuerdigen Distanz fuehrt - ganz so, als haette er sich noch nicht gewagt, ganz aus der Reserve zu kommen und sich und seine Filme eins werden zu lassen, was er dann sehr radikal und unvermittelt mit KILL BILL geschehen hat lassen). Ich war von DEATH PROOF in vielerlei Hinsicht extrem ueberrascht, von der relativen Zurueckhaltung mit inszenatorischen Kinkerlitzchen, der ausgepraegten formalen Stilistik, dem Ausmass an sophistication in den Dialogen, von der mir immer im Zusammenhang mit PULP FICTION vorgeschwaermt wurde, die ich hier aber zum ersten Mal selbst erfassen konnte, ueber die bemerkenswerte Gratwanderung, die er mit den einerseits reissbrettartigen, andererseits raffiniert konstruierten (und ein Charakter ist immer zuerst ein Konstrukt, meine ich) Charakteren vollzieht, bis hin zu der g-r-o-s-s-a-r-t-i-g-e-n, weil mit minimalistischster und gekonnter Dynamik ohne falsche Effekthascherei trocken gefilmten Verfolgungsjagd am Ende, die mir als Action-Muffel die Neugierde aufs Genre zurueckgegeben hat... Einige Wochen spaeter habe ich dann PLANET TERROR gesehen, der in seiner unreifen und dumpfen Aufdringlichkeit beinahe exakt all das brachte, was ich vor DEATH PROOF befuerchtet und schadenfroh erhofft hatte... Letzteren habe ich seither 6 weitere Male, zwei Mal im Kino und vier Mal auf DVD, gesehen. Und ich werde ihn nicht ueber. Diesen Effekt wird PULP FICTION auf mich wohl nie haben (der ihn ja auf die meisten auszuueben scheint) - beim letzten und zweiten Mal fuehlte ich schon, dass das fuers erste reicht und ich ihn so schnell sicherlich nicht nochmal sehen moechte. Ich bleibe bei dem Standpunkt, dass Tarantinos Selbstfindungsprozess seinen Filmen bekommt und er kontinuierlich besser geworden ist - mit RD, PF und JB als Uebungsfilmen und KB, DP und IB als vorlaeufigem Hoehepunkt.

Ansonsten gehe ich mit deiner grob umrissenen These zum Geschlechterbild im Genrekino ziemlich d'accord, vor allem mit deiner Schlussfolgerung. Die zeigt naemlich, dass wir uns aktuell auf einem reaktionaeren Abwaertstrend befinden, weil sich derzeit eine neue Form des Ultra-Chauvi-Action-Kinos ausbildet, die sich mit der unfreiwilligen Selbstironie (okay, das klingt in sich sehr widerspruechlich), die wir heute den 80iger-Actionfilmen attestieren, zu tarnen versucht.

Ich wuensche dir, dass du vielleicht frueher oder spaeter auch noch ein "Erweckungserlebnis" hast - falls du INGLORIOUS BASTERDS noch nicht gesehen hast (wovon ich jetzt mal ausgehe) waere das eine gute Gelegenheit, ist der Film doch naeher am europaeischen Autoren- denn am amerikanischen Coolness-Kino.



Ohja, Tarantino als Person ist auch noch so ein Kapitel für sich  :D Als ich auf der RD-DVD das Interview gesehen habe, indem er sich Dialoge bescheinigt die einer göttlichen Gabe entstammen und anmerkte, dass ihn vor allem Frauen verteidigen, die seine Filme gerafft habe (verbunden mit dem nahegelegten Schluss, dass jeder, der ihn kritisiert, ihn NICHT verstanden hat) war ich wieder mal bedient....

Ansonsten mag ich RD ja wirklich sehr gerne, alles andere hat mich bisher immer ziemlich genervt, im Bereich 6/10 bis 7,5/10 bleibt er ja bei mir trotzdem, aber herausragend gut ist in meinen Augen nichts mehr daran...

IB werde ich vor allem deshalb schauen, weil eine nette Bekannte als Statistin eventuell mit einer ganz, ganz kurzen Großaufnahme drin ist, wenn sie dringeblieben ist.... ansonsten verspreche ich mir herzlich wenig von dem Film, wenn ich mir nur mal die Namensgebung auf der imdb anschaue....
"Eines Tages werde ich ein wahrhaft großes Drama schreiben. Niemand wird verstehen, worauf es hinaus will, aber alle werden nach Hause gehen mit einem vagen Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Umgebung. Dann werden sie neue Tapeten aufhängen und die Sache vergessen." (Saki)

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